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zu erforschen, sondern mit dem Auge der Philosophie in den Geist zu blicken, mit dem Auge der Aesthetik die feinen Schönheiten zu zergliedern, mit dem Auge der Geschichte Zeit gegen Zeit, Land gegen Land und Genie gegen Genie zu halten! Wir haben ein Buch nöthig, das uns den Tempel der griechischen Weisheit und Dichtkunst so eröffnet, als Winckelmann den Künst lern das Geheimniß der Griechen von ferne gezeigt; eine Geschichte der griechischen Weisheit und Dichtkunst, die den Ursprung, das Wachsthum, die Veränderungen und den Fall derselben nebst dem verschiedenen Stil der Gegenden, Zeiten und Dichter lehrt, und untersucht, inwiefern der Himmel der Griechen, ihre Freiheit, ihre Leidenschaften, Regierungs-, Denk und Lebensart, ihre Religion und Musik, Kunst, ihre Sprache, Spiele, Tänze u. s. w. sie zu der hohen Stufe erhoben haben, auf der wir sie bewundern. Ein Werk dieser Art würde den Quell des guten Geschmacks öffnen, uns von den elenden Nachahmern der Griechen befreien und uns zur Nachahmung unser selbst aufmuntern, d. h. uns zu einer Nationalliteratur verhelfen.

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Etwas der Art hatte Leffing versucht, dessen Laokoon Herder bei seinem Erscheinen einen Nachmittag und die folgende Nacht durch heißhungrig dreimal hinter einander durchlas. „Da ich diesen Sommer," schreibt er 4. Det. 1766 an Scheffner, mit dem Homer mich beschäftigt, so find Lessing's Anmerkungen über ihn gleichsam Samenkörner auf frisches, lockeres Land für mich gewesen; ich finde es sehr billig, genau und fruchtbar, daß das Nebeneinander für den Maler, das Nacheinander für den Dichter ist. Lessing mit Winckelmann zu vergleichen: ist jener fruchtbarer und nüßlicher, so ist dieser mühsamer und fleißiger; jener denkt mehr und weiß es uns zu zeigen, nicht blos was sondern wie er gedacht hat, er führt uns in die Werkstätte seines Geistes und lehrt uns denken; dieser hat seine größten Gedanken aus den Alten, und wo er denkt, zeigt er uns gleichsam nur das Product seiner Geistesarbeit; jener ist nur ein gelehrter Raisonneur von Genie und Geschmack, dieser ein geschmackvoller Antiquar von wenigem aber starkem Urtheil. Leffing fißt auf Winckelmann's Schultern, und sieht also größer und weiter."

Die beiden Fragmente hatten großes Aufsehn erregt, und wenn auch Herder seine Autorschaft entschieden abläugnete, so gelang es ihm doch nicht, unbekannt zu bleiben: Nicolai bot dem jungen hoffnungsvollen Mann - der sich freilich von Hamann'schem Cant nicht ganz frei halte, Dec. 1766 eine Stelle in der Allg. Deutsch. Bibliothek an.

Das dritte „Fragment" erschien April 1767; es beschäftigt sich hauptsächlich damit, die üblen Einwirkungen des Lateinischen auf unsere Literatur nachzuweisen. Kein größerer Schade könne einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr die Eigenheit ihres Geistes und ihrer Sprache raube, wie

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dies in Deutschland zuerst durch Einführung der kirchlich römischen Bildung, dann durch die Art geschehn sei, in welcher die Wissenschaften seit ihrer Wiederherstellung lange Zeit bei uns betrieben worden. Wäre Deutschland blos an der Hand der Zeit, an dem Faden seiner eignen Cultur fortgeleitet, unstreitig wäre unsere Denkart arm, eingeschränkt, aber ihrem Boden treu, ein Urbild ihrer selbst, nicht so mißgestaltet und zerschlagen. Unter der Herrschaft der lateinischen Sprache habe die unsere ihre alte Stärke verloren. Erst Luther habe sie wieder, einen schlafenden Löwen, aufgeweckt und losgebunden, da er lateinische Religion, scholastische Gelehrsamkeit und römische Sprache enge in einander verwebt vorfand. Allein auch nach der Reformation habe in den Schulen noch lange ein lateinischer Geist geherrscht, und Latein als letzter Zweck der Bildung gegolten. Aus den Lateinern nehmen wir mißbräuchlich ihre Mythologie. In unserm Lande, in unserer Geschichte liegt Stoff genug, und auch an Mitteln zu eignem poetischem Schmuck fehlt es uns nicht. Aber wir lassen die ganze Schöpfung um uns lieber öde und wüst trauern, um nur die Alten zu plündern und das Geplünderte elend anzuwenden. Wiederum empfiehlt er, den Homer zu übersehen, den echten Dichter der Natur, dessen Gesang ganz anders klingt als Virgil's und der Neueren Kunstpoesie.

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13. April 1767 erhielt Herder einen Ruf nach St. Petersburg, als Director der dortigen Petersschule. Der Rath zu Riga, um ihn nicht zu verlieren, stiftete für ihn eine ganz neue Predigerstelle, und wählte ihn 23. April zum Adjunct, mit Beibehaltung seines Schulamts. Den 13. Juni machte er sein Examen und wurde den 10. Juli ordinirt. Die Stelle in St. Petersburg erhielt der Dithyrambendichter Willamovius, für den sich Hamann lange umsonst nach einer passenden Stellung umgesehn. Hamann selbst, der seinen Aufenthalt in Mitau (zuweilen hatte er auch Geschäftsreisen nach Warschau zu machen) immer als Verbannung empfand, kehrte Jan. 1767 auf die Nachricht von dem plöglichen Tode seines Vaters nach Königsberg zurück, wo er 25. Mai durch die Vermittelung Kant's die Stelle eines überseßenden Secretärs bei der Accise, mit einem äußerst färglichen Gehalt erhielt. Mechanische Geschäfte nehmen nun einen großen Theil seiner Zeit in Anspruch. Mit Regina lebte er fortan in einem Concubinat, das ihn selbst sehr befriedigte, und in der Stadt keinen großen Anstoß gegeben zu haben scheint. An Scheingründen, dieses Bündniß der kirchlichen Weihe zu entziehn, fehlte es ihm nicht; die Hauptsache war, daß ihn in sitt lichen Dingen die Regel ebenso anwiderte als in andern; was seine Träg heit störte, erfuhr seinen principiellen Widerspruch. Auch das Christenthum war ihm eigentlich nur Liebhaberei. Trotz seines schmalen Einkommens wußte er sich doch eine ziemlich reiche, wenn auch bunte Bibliothek zu sammeln;

was diese nicht bot, ergänzte Kanter's glänzend eingerichteter Buchladen, in welchem Hamann alles Neue mit Heißhunger verschlang. Es war der Sammelplatz der Königsberger Gelehrten, auch Kant fand sich nicht selten ein.

Mit Moses blieben Herder und Hamann immer in einigem Verkehr, der sich noch steigerte, als dessen „Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele, in drei Gesprächen“ Jan. 1767 erschienen war *). Schon vor Jahren hatten ihn Spalding's Bestimmung des Menschen" sowie Gespräche mit Abbt dazu angeregt; als der Lettere kränker wurde und sich mit Todesgedanken trug, wurden die Gespräche eifriger, die Arbeit ernstlicher, aber erst nach dem Tode des Freundes wurde es vollendet. In der Einleitung giebt Moses ein Charakterbild des Sokrates, im entschiedensten Gegensaß zu Hamann, und, wie wir jet wohl sagen dürfen, in jedem Punkt eine Verschlechterung. Sokrates ist ihm der reine Deist; in den eleusinischen Mysterien wird die natürliche Religion vorgetragen; der Weise läßt sich nur darum nicht einweihen, weil es ihn verhindern würde, diese Lehren öffentlich zu machen. In der unnatürlichen Galanterie" des Gastmahls u. s. w. findet Moses nur „die Modesprache Athens, wie etwa der ernsthafteste Mann in unsern Zeiten sich nicht entbrechen würde, wenn er an ein Frauenzimmer schreibt, wie verliebt zu thun." Sokrates' Dämon ist ihm im Grunde nur das moralische Gefühl, etwas exaltirt aufgefaßt: „muß denn ein vortrefflicher Mann nothwendig von allen Schwachheiten und Thorheiten frei sein? In unsern Tagen ist es kein Verdienst mehr, Geistereingebungen zu verspotten! Vielleicht hätte zu den Zeiten des Sokrates eine Anstrengung des Genies dazu gehört, die er nüßlicher angewendet hat. Er war ohnedem gewohnt, jeden Aberglauben zu dulden, der nicht unmittelbar zur Unsittlichkeit führte." dem Dichter der „Wolken" findet er einen feilen Komödienschreiber, den eine geschlossene Partei, der kein Mittel zu niederträchtig war, gemiethet habe." Diesen moralischen Sokrates läßt Moses die Gründe für die Unsterblichkeit der Seele vortragen, die er theils im Plato fand, theils in der Wolffischen Schule sich angeeignet hatte. Er kommt auch auf das Recht des Selbstmords zu sprechen, das damals anfing Modefrage zu werden, und verwirft ihn unbedingt, weil er nie zur Vervollkommnung des Menschen beitragen könne, welche doch der höchste Zweck aller Moral sei. Das Buch fand nicht blos im großen Publicum einen ungewöhnlichen Anflang es erlebte mehrere Auflagen, wurde in verschiedene Sprachen übersetzt, galt als classisches Werk und verschaffte den Juden einen guten Namen sondern auch bei Männern wie Winckelmann, Meinhard, Herder: der Lettere versicherte 19. Febr.

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*) Um dieselbe Zeit starb Edelmann in Berlin, völlig vergessen.

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1767 den Verfasser seiner tiefsten Hochachtung; Hamann freilich fand es (10. Juni) schöner geschrieben als gedacht“. -3m Eingang des Phädon war Abbt ein Denkmal gesetzt: ein neuer Anknüpfungspunkt mit Herder, der kurze Zeit darauf einen ähnlichen Versuch machte.

Zu dieser Zeit beginnt die Neigung, die Juden als Vorkämpfer für die Naturreligion, den Deïsmus und die Toleranz anzusehn: das sonderbarste Mißverständniß von der Welt, wenn man an den historischen Jehovah und das alte Testament denkt. Aber Unterdrückte sind stets für Freiheit, so lange sie unterdrückt sind; und nebenbei hatten sie sich von der Dreieinigkeit frei gehalten, die den damaligen Aufklärern den größten Anstoß gab. Moses war fest überzeugt, mit seinem Glauben an die Allgemeinheit Gottes und die Unsterblichkeit der Seele ein rechtgläubiger Jude zu sein, obgleich er diese ganze Weisheit aus heidnisch philosophischen Quellen geschöpft hatte.

Der aufgeklärte Jude war die Bewunderung der aufgeklärten Berliner Geistlichen, zu denen sich 1767 der Ob.-Consist.-Rath Abr. Teller gefellte, der an Süßmilch's Stelle kam. Er war 9. Jan. 1734 zu Leipzig geboren, Pastorsohn, hatte daselbst studirt und docirt, und 1760 gegen den Widerspruch der Orthodoxen durch Ernesti's Vermittelung die theologische Doctorwürde erworben; 1760-1767 war er Superintendent in Helmstädt; 1761 schrieb er ein Lehrbuch des christlichen Glaubens", später ein Wörterbuch über das Neue Testament", eine Schrift über die „Religion der Vollkommenen", Predigten u. f. w.; Alles entschieden rationalistisch. Am eifrigsten war seine Betheiligung an der Verbesserung der Kirchenlieder.

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Klopstock's und Gellert's Bemühungen kennen wir bereits: es galt nicht blos, die alte Bluttheologie auszumerzen, auch die alterthümliche Sprache erregte Anstoß; und wenn es hieß: „es ruht die ganze Welt!" so wunderte sich der Gebildete über diese Unwissenheit, da doch nur auf der halben Erde Nacht war. In Leipzig hatte Zollikofer seit 1763, zunächst für die reformirte Gemeinde, ein Gesangbuch ausgearbeitet, welches den Zweck hatte, die anstößigen Bilder der altkirchlichen Vorstellung auszumerzen und der neuen Glaubensbildung Raum zu schaffen. Die alten Kirchenlieder wurden überarbeitet, die neuen von Gellert, Klopstock, Schlegel, Cramer aufgenommen; sehr eifrig unterstüßte ihn sein Freund Weiße, theils mit eignen Liedern, theils mit Beiträgen von Uz u. s. w. In der Vorrede waren die Fehler der frühern Gesangbücher hervorgehoben; das neue fand vielseitigen Eingang in Sachsen. 1765 erschien das verbesserte Berliner Gesangbuch, hauptsächlich von Teller eingerichtet. Sm Pfingstprogramm der Wittenberger Universität 1767 erhob sich der theologische Dekan gegen das neue Gesangbuch, und denuncirte Zollikofer als Socinianer, Weiße als Krypto-Calvinisten.

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Zeitschriften nahmen sich der Sache eifrig an, fast durchweg in rationalistischem Was werden Sie für ein Gesicht machen,"

Sinn; anders urtheilte Kästner.

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schreibt er 9. Nov. 1767 an Weiße, wenn Sie lesen, daß der Mathematicus, der Wolffianer, der Satiricus, und was Sie sonst alles Unorthodoxe bei dem Namen Kästner denken, diesmal nicht auf der Seite des Wißes, sondern auf der Wittenberger ihrer ist? Ich bin im Ernst der Meinung, man sollte Luther's und andere alte Lieder ungeändert lassen. Die Gemeinden, die sich bisher dieser Lieder bedient, haben, juristisch zu reden, ein jus quaesitum darauf. Am allerwenigsten ist es erlaubt, die Lieder so zu ändern, daß eine andere Sefte sie mitsingen kann. Das heißt die Lieder des preußischen Grenadiers in usum eines Erzherzogs castriren. Man lasse jede Partei von ihren Glaubensmeinungen so gut singen als sie kann. Ich muß bekennen, daß ich ein großes Vorurtheil für Dr. Luther habe, und ihn in Absicht auf die Eigenschaften des Herzens und des Geistes für einen der größten Geister halte. Ich vermuthe nicht, daß Jemand, auch mit einem neumodischen feinen Wit und den bessern Einsichten unsrer Zeiten, diesen alten Dichter da glücklich bessern wird, wo sein Herz redet; zumal wenn man in den Prüfungen nicht gewesen ist, die ihn gebildet haben. Neuerungen im Ausdruck kommen mir vor, als wenn man von einem alten Wappen die Helme wegnähme und bordirte Hüte darauf setzte. Vorlängst hat ein unpoetischer Geist auch die Theologen der hiesigen Lande verführt, daß sie ein Gesangbuch gemacht haben, in dem fast alle alten Lieder verändert und großentheils durchwässert sind." Aehnlich dachte Herder.

Der Rationalismus gewann damals unter den beliebten Geistlichen eine so große Ausdehnung, daß die Rechtgläubigen anfingen, sich als die unterdrückte Kirche zu betrachten. Wir haben aus jener Zeit (1767) das Zeugniß eines höchst ehrlichen Mannes, des Pastor Lessing in Camenz.

„Die unverdiente Güte meines Gottes hat mich gegen das 74. Jahr meines Lebens und gegen das 50. Jahr meines Predigtamts leben lassen. In dieser Zeit haben sich unzählige Veränderungen zugetragen. Gewissenszwang und Verfolgungsgeist ist nach und nach erloschen; die Grausamkeiten in Religionsjachen sind abgekommen; dagegen hat nun eine ungemessene Freiheit, von göttlichen Dingen zu reden und zu schreiben was man will, überhand genommen. Der um sich gefressene Unglaube hat sich auf den Thron des Aberglaubens gesetzt. Die heilige Schrift hat Jedermann lesen, aber auch schänden dürfen. Durch Gelehrsamkeit, nicht durch Gottesfurcht will man berühmt werden. Die Vertheidigung der Glaubenswahrheiten, die in Gottes Wort gegründet sind und einen unstreitigen Einfluß auf das thätige Christenthum haben, ist für ein Hauptwerk eines echten Gottesgelehrten beinahe zu

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