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Noch nicht 20 Jahre war Leffing alt, als er Dec. 1748 seinem Freunde Mylius nach Berlin folgte (Bd. 1, S. 622). Die Eltern waren auf's äußerste bestürzt über diesen Entschluß, sie fürchteten die Einwirkung der freigeistigen Stadt, wo die französischen Philosophen das große Wort führten; sie fürchteten noch mehr den Umgang mit dem liederlichen Mylius, dem sie das alte Pasquill nicht vergessen konnten. Auch hatten seine Anakreontischen Gedichte im Vaterhause starken Anstoß gegeben. Leffing versicherte, es fiele ihm nicht ein, seine eignen Empfindungen darin ausdrücken zu wollen, er habe nur den Zweck, sich in allen Gattungen der Poesie zu versuchen. Er suche selbst das Lustspiel zu moralischen Zwecken zu verwerthen, er sei eben aus, eines zur Widerlegung der Freigeister zu schreiben. Er warnte den Vater vor dem übertriebenen Mißtrauen der Mutter, und sezte hinzu, 30. Mai 1749: Die Zeit soll lehren, ob der ein besserer Christ ist, der die Grundsäge der christlichen Lehre im Gedächtniß und, oft ohne sie zu verstehn, im Munde hat, in die Kirche geht und alle Gebräuche mitmacht; oder der, der einmal klüglich gezweifelt hat, und durch den Weg der Untersuchung zur Ueberzeugung gelangt ist, oder wenigstens noch dazu zu gelangen strebt. Die christliche Religion ist kein Werk, das man von seinen Eltern auf Treu und Glauben annehmen soll. Die Meisten erben sie zwar von ihnen, ebenso wie ihr Vermögen, aber sie zeigen durch ihre Aufführung, was für rechtschaffene Christen sie sind. So lange ich nicht sehe, daß man eins der vornehmsten Gebote des Christenthums, seinen Feind zu lieben, besser beobachtet, so lange zweifle ich, ob diejenigen Christen sind, die sich dafür ausgeben."

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Mit Bestimmtheit erklärte er, nach Hause nicht mehr zurückkehren zu wollen; dagegen war er bereit, nach dem Wunsch seines Vaters, der noch mit Mosheim und Gesner in Verbindung stand, eine Stelle in Göttingen zu suchen, noch größere Lust hatte er nach Wien. Mittlerweile ließ er seine ältern Theaterstücke drucken (die alte Jungfer, der Schat, der Misogyn), und gab mit Mylius Oct. 1749 Beiträge zur Historie und Aufnahme des Thea ters" heraus, in denen er auf die Nothwendigkeit hinwies, die Dichter des Auslandes zu studiren, um sich ein liberales Urtheil zu bilden. Er verräth bereits eine nicht unbedeutende Kenntniß der Spanier und Engländer; am liebsten aber geht er auf die Alten zurück. Die Beiträge" enthalten eine Uebersetzung der Captivi von Plautus, in trockner aber correcter Prosa, nebst einer doppelten Beurtheilung, wovon der eine Theil, einem Gottschedianer in den Mund gelegt, die sogenannten Regeln gegen Plautus in's Feld führt, Einheit der Zeit u. s. w.: ledern, aber doch fachlich; während der andere einwendet, man müsse sich in die Seele der Zeitgenossen versetzen, und Vieles auf die Sitten rechnen. Die Wahl derber Ausdrücke wird gerechtfertigt: Scham

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haftigkeit sei oft die Schminke des Lasters; auch die Wortspiele in possenhaften Stellen werden in Schutz genommen, und die Einheit der Zeit u. s. w. durch die Einheit des Interesses gesezt. Das Alles ist noch nicht mit Bezug auf Shakespeare gesagt, aber im vorkommenden Fall wird es an der Anwendung nicht fehlen. Mit besonderem Eifer vertritt Lessing den Grundsaß, die dramatische Kunst nicht von der wirklichen Aufführung zu trennen.

Außerdem enthielten die Beiträge Uebersetzungen: Corneille über die drei Einheiten, Werenfels Vertheidigung der Moralität der Schauspiele, Riccoboni's Schauspielkunst, die Clelia des Macchiavelli. Sie gingen Nov. 1750 ein, weil Lessing mit seinem Mitarbeiter unzufrieden war wenigstens giebt er später diesen Grund an; - auch mochte das Publicum für das Unternehmen kein großes Interesse zeigen.

Nebenbei lebte Leffing viel in Bibliotheken, wo er namentlich encyklopädische Werke studirte: Bayle, Brucker's Geschichte der Philosophie, das eben erschienene Gelehrtenlexikon von Jöcher: das letztere sofort mit dem Vorsaß, die Ungenauigkeiten des Leipziger ungründlichen Vielwissers zu verbessern. Ein eignes Verhängniß brachte damals den freisten Kopf Deutschlands mit dem glänzendsten Geist Frankreichs zusammen. Er lernte Voltaire kennen, der eben der große Mann Berlins war. Nach langen Unterhandlungen hatte der König von Preußen ihn in seinen Dienst gezogen. (Bd. 1, S. 569.)

Die Correspondenz zwischen Friedrich und Voltaire verdient studirt zu werden. 5. März 1749 flagt der Eroberer Schlesiens, er fühle, nie die Zierlichkeit und Reinheit erreichen zu können, que demandent les lois rigoureuses de la poésie française. Cette étude demande un homme tout entier. Mille devoirs, mille occupations me distraient. Je suis un galérien enchaîné sur le vaisseau de l'État. Les Muses demandent des retraites et une entière égalité d'âme dont je ne peux presque jamais jouir. Souvent, après avoir fait trois vers, on m'interrompt; ma muse se refroidit, et mon esprit ne se remonte pas facilement. Voltaire verspricht ihm gern seine thätige Beihülfe: ohnehin sei nur noch wenig Politur nöthig. Darauf schreibt ihm der König (4. Sept.) erfreut, wenn er ihn gewinne, jolle an der Spitze seiner Titel stehn: Frédéric par la grâce de Dieu roi de Prusse, possesseur de Voltaire! Und doch war er gerade damals erzürnt auf den Philosophen, denn wenige Tage darauf schreibt er an Algarotti: C'est bien dommage qu'une âme aussi lâche soit unie à un aussi beau génie. Il a les gentillesses et les malices d'un singe. Cependant je ne ferai semblant de rien, car j'en ai besoin pour l'étude de l'élocution française. On peut apprendre de bonnes

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Die Unterhandlungen schreiten langsam vorwärts, keiner von beiden will mit der Sprache heraus: Friedrich ist verschwenderisch in seinen Schmeicheleien, Voltaire verlangt nach etwas Solidem. Endlich, 10. Juli 1750, erscheint der große Mann in Sanssouci: er wird für seine Reise mit 2000 Thlr. entschädigt, und setzt im Lauf des nächsten Monats die Kammerherrenwürde, 20,000 Fr. Gehalt, freie Station, Tienerschaft, Equipage u. f. w. durch; dafür corrigirt er die Verse seines Gebieters und leistet ihm geistreiche Gesellschaft. Vor ihm ist noch ein gewisser Arnaud angekommen, den er selbst empfohlen, den er aber doch scheel ansieht.

Arnaud wurde glücklich ausgetrieben (er ging 21. Nov. nach Dresden), aber Voltaire fühlte sich schon wieder unbehaglich, und ließ sich (23. Nov.) durch seine Habgier verleiten, mit einem Berliner Banquier Abr. Hirsch ein vom König wiederholt verbotenes Wuchergeschäft zu unternehmen, an das sich noch verschiedene andre Betrügereien knüpften. In solchen Dingen verstand Friedrich keinen Scherz. C'est l'affaire d'un fripon qui veut tromper un filou, schreibt er 22. Jan. 1751, als zwischen den beiden Gesellen ein Proceß ausgebrochen war, an seine Schwester: il n'est pas permis qu'un homme de l'esprit de Voltaire en fasse un si indigne abus. Voltaire wurde zwar freigesprochen, 21. Febr., nachdem er den Juden ansehnlich entschädigt, und dann wieder in Sanssouci zugelassen, wo er an dem Jahrhundert Ludwigs 14." arbeitete; aber nur freigesprochen, weil er ein noch größerer Schelm war als sein Gegner;" so urtheilten übereinstimmend Lessing und Frie

drich der Große.

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Lessing hatte Gelegenheit gehabt, sich in der Sache ein selbständiges Urtheil zu bilden, denn Voltaire's Secretär, Richier, mit ihm von früher bekannt, hatte durch ihn die von seinem Herrn verfaßte Klageschrift in's Deutsche übersetzen lassen, und Lessing war Febr. 1751 fast täglich bei Voltaire zu Tisch.

In demselben Monat wurde Lessing durch Mylius' Vermittlung als Kritiker in der Vossischen Zeitung angestellt: theils gab er kurze Bücheranzeigen, theils Monatsübersichten über die wichtigsten Erscheinungen des Inlands und des Auslands („das Neueste aus dem Reich des Wißes"). Die Anzeigen waren fragmentarisch, mehr äußerlich als in das Wesen der Sache eindringend: was man später Berliner Kritik nannte, stammt von diesen kecken Notizen her. Da Lessing sich bemühte, mit offnen, klaren und heitern Augen in die bunte Welt zu sehn, war ihm nichts so zuwider, als der steife, gravitätische Stelzenschritt der Gottsched'schen Schule: gegen diese richtete er mit besonde rer Vorliebe die Pfeile seines Wises.

Um einen Centralpunkt für die deutsche Literatur zu gewinnen, hatte

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Gottsched seit lange seine Augen auf Wien gerichtet: sein sterbender Cato war daselbst mit einigem Erfolg gegeben, er ließ für seine Geschichte der Sprache auf der Bibliothek arbeiten, und forderte seine dortigen Anhänger dringend auf, eine deutsche Gesellschaft zu gründen. Endlich (Aug. 1749) reiste er mit seiner „Freundin“ Adelgunde selber nach Wien: er wurde bei Hofe vorgestellt, und mit einer Reihe vornehmer Bekanntschaften beglückt, die er durch Gratulationsgedichte verherrlichte: aber die Gravität seiner Erscheinung scheint doch in dem lustigen Wien einen sehr possenhaften Eindruck gemacht zu haben. Die Fürstinnen Trautmannsdorf, Dietrichstein u. f. w. correspondirten fortan mit Frau Adelgunde, in einem Französisch, das ungefähr ebenso correct war wie ihr Deutsch. Die deutsche Gesellschaft, die recht nöthig gewesen wäre, kam nicht zu Stande: angeblich von den Jesuiten. hintertrieben; eigentlich aber wurde Wien erst ein Menschenalter später für seinen Gottsched reif. Eine Zeit lang ging man wirklich damit um, einen Lehrstuhl für deutsche Sprache in Wien zu errichten; auch über Gründung einer Akademie nach Art der französischen wurde verhandelt: einmal hatte Gottsched sogar den wunderlichen Einfall, sich zum Erzieher der kaiserlichen Kinder anzubieten (Jan. 1750). Das hinderte ihn nicht, gleichzeitig bei andern Höfen auzufragen: Dresden, Kopenhagen; es wurde nichts daraus.

Seine Arbeiten gingen indeß ungestört weiter. Seine Frau begann 1749 die Geschichte der Académie des Inscriptions zu übersetzen; er selbst unternahm 1751 wieder eine große Revue, Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit“, die doch 12 Jahre fortdauerte, und neben vielem Schwachen und Mittelmäßigen auch manche werthvolle Beiträge enthielt, z. B. die Aufsäße von Gottfr. Schüße über die Vorzüge der nordischen Mythologie vor der antiken. Im Ganzen überwog Moralität und Rechtschreibung.

Meier in Halle, bisher sein Gegner, fing nun an, unzufrieden mit den Schweizern, sich ihm wieder zu nähern. Das großze, lang erwartete lateinische Werk seines Lehrers Alex. Baumgarten: Aesthetica, wurde 1750 zwar angefangen zu drucken, aber es kam in acht Jahren über die Einleitung nicht hinaus, und war so gelehrt geschrieben, daß es wenig Leser fand.

Bei dem vielen Herzeleid, das Gottsched traf (27. März 1751 wurde eine neue Auflage seiner Gedichte von Lessing in der Voss. 3. grausam verhöhnt), war es ihm kein geringer Trost, als eine Standesperson, ein junger Baron Schönaich (geb. 11. Febr. 1725), Sohn eines wirklichen Generals, der selber anderthalb Jahre Offizier gewesen war (bis Jan. 1747) ihm 6. März 1751 ehrerbietig ein Heldengedicht einsandte, ganz nach den Regeln der Dichtkunst; eine rechtschaffene Epopöe: Fabel, Charakter, Götter, Episoden und Schreibart, Alles nach dem Muster des Virgil. Es behandelte Hermann den Cherusker,

den Helden des Lohenstein, und zwar in gereimten trochäischen Tetrametern. „Also fällt der stolze Römer! und er fiele wie ein Held, hätt' er nicht der deutschen Freiheit als ein Räuber nachgestellt. Wall und Gräben können nun nicht der Sieger Waffen hemmen, und der Römer fliehend Volk muß die kühnsten Wege dämmen. Ach wo ist nun wohl ein Hermann! holder Himmel schaff ihn doch! Deutschland heget ja wohl Helden, aber keinen Hermann noch. 3st es möglich, laß den Wunsch, meinen heißen Wunsch gelingen: und du Muse sollst alsdann mit erhabnerm Tone fingen." Aus einem solchen Schatz ließ sich Capital machen, und Gottsched war der Mann dazu. Zunächst sandte er seinem Schützling das Diplom der deutschen Gesellschaft und förderte sein Gedicht zum Druck.

Das Leipziger Theater war dem Einfluß Gottsched's völlig entzogen. Der Principal Koch, der sich 6. Juli 1750 mit einem Hanswurst etablirte, suchte sich wohl mit ihm höflich zu stellen, stand aber in viel engerem Verkehr mit Weiße (Bd. 1, S. 618), der seit dem Anfang dieses Jahres eine Hofmeisterstelle bei einem Gr. Geyersberg, und dadurch die Mittel gewonnen hatte, in Leipzig zu bleiben und seine Studien fortzusetzen. Am vertrautesten war er mit dem Schauspieler Eckhoff, seit 1749 bei der Kochschen Truppe, noch lange nicht auf der Höhe seiner Kunst, aber ein ernst strebfames Talent. Man führte 1751 u. A. Weiße's „Matrone von Ephesus" auf. Mit Rabener und Gellert hatte sich Weiße sehr befreundet: der Lettere war zwei Jahre hindurch sein Tischgenoß.

Rabener (Bd. 1, S. 584-6) schrieb 1751 seine satirischen Briefe, in denen er bekannte Originale aus den niedrigen Lebenskreisen in ihrer eigenen Weise reden ließ: kriechende Gratulanten, armselige Poeten, gelehrte Pedanten, alte heirathslustige Jungfern, ungebildete Dorfjunker. Wieder suchte er die Moralität seiner Scherze zu retten: - ,,wer den Namen eines Satirenschreibers verdienen will, dessen Herz muß redlich sein. Er muß die Tugend, die er Andern lehrt, für den einzigen Grund des wahren Glücks halten. Das Ehrwürdige der Religion muß seine ganze Seele erfüllen. Nach der Religion muß ihm der Thron des Fürsten und das Ansehn der Obern' das Heiligste sein. Die Religion und den Fürsten zu beleidigen, ist ihm der schrecklichste Gedanke. Er liebt seinen Mitbürger aufrichtig. Ist dieser lasterhaft, so liebt er den Mitbürger doch und verabscheut den Lasterhaften. Die Laster wird er tadeln, ohne der öffentlichen Beschimpfung die Person desjenigen auszustellen, welcher lasterhaft ist und noch tugendhaft werden kann. Er muß eine edle Freude empfinden, daß sein Spott dem Vaterlande einen guten Bürger erhält, und einen andern zwingt, daß er aufhöre lächerlich und lasterhaft zu sein. Er muß liebreich sein, wenn er bitter ist“ u. s. w.: höchst

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