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denen man nicht merkt, daß sie über dem Unbegreiflichen, ohne weitere Unterstüßung, auf bloßem Glauben schweben. Man hat sie, ohne zu wissen, woher die Sicherheit kommt, mit der man ihnen traut.“

„Der oft unüberlegten Hochachtung gegen alte Gefeße, alte Gebräuche und alte Religion hat man alles Uebel auf der Welt zu danken.“ „Die Lügner sind die schwächsten Feinde der Wahrheit. Der enthusiastische Schriftsteller, der von allen Dingen spricht, und alle Dinge ansieht wie andere ehrliche Leute wenn sie einen Hieb haben; ferner der superfeine Menschenkenner, der in jeder Handlung eines Mannes sein ganzes Leben sich abspiegeln sieht und sehen will; der gute fromme Mann, der überall aus Respect glaubt, nichts untersucht, was er vor dem 15. 3. gelernt hat, und sein Bischen Untersuchtes auf ununtersuchten Grund baut, das sind gefährliche Feinde der Wahrheit." „Dem großen Genie fällt überall ein: könnte dieses (was alle Leute glauben) nicht auch falsch sein?" „Alles bis auf das Aeußerste hinaus zu verfolgen, so daß nicht die geringste dunkle Idee darin bleibt, ist das einzige Mittel, uns gefunden Menschenverstand zu geben."

„Ein gutes Mittel, gesunden Menschenverstand zu erlangen, ist ein beständiges Streben nach deutlichen Begriffen, und zwar nicht blos aus Beschreibungen Anderer, sondern soviel möglich durch eignes Anschauen. Ein Unterschied zwischen unsern Dichtern und den Alten ist der, daß diese selbst in ihren Oden Dinge gesagt haben, die nachher die Philosophen brauchen können. Unsere neuern Dichter sprechen die Dichtersprache unabhängig von Empfindung, d. h. eine verrückte. Was sie sagen, hat scheinbaren Zusammenhang, und ist oft zufälliger Weise richtig. Die Ursache ist, sie bilden sich nicht durch Beobachtung, sondern durch Lesen. Meist junge, unschuldige Tröpfe, die in kleinen Städten leben und fingen, wo alle Einwohner einerlei hoffen, einerlei fürchten, einerlei hören und einerlei denken; Leute, die aus Dichterlesen Dichter werden, wie man aus Büchern schwimmen lernt. Ihre Verse sind eine Art von Picknick, wo der Verfasser die Worte und der Leser den Sinn stellt. Kaum war das Stichwort der Originalgenies gefallen, so ritten dreißig Yorik's auf ihren Steckenpferden in Spiralen um ein Ziel, das sie Tags zuvor in einem Schritt erreicht hatten; da wurden Ideen in Freundschaft gebracht, die sich außer Bedlam nie gesehn hatten. — Man hat Exempel, daß Leute, die auf den Kopf fielen, angefangen haben zu weissagen und anders von den Dingen in der Welt zu denken als andere Menschen. — In Deutschland ist man dahin gekommen, zu glauben, ein Mann habe gar keinen Kopf, wenn er nicht zuweilen darauf geht. Der Deutsche besitzt die Kunst, durch Nachahmen original zu werden, in der größten Vollkommenheit. Man liest jest soviel Abhandlungen über das Genie, daß jeder glaubt, er sei eins.

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Mit etwas Wit, biegsamen Fibern und dem Vorsatz, sonderbar zu scheinen, läßt sich eine Menge närrisches Zeug in der Welt anfangen, wenn man schwach genug ist es zu wollen, unbekannt genug mit wahrem Ruhm, es schön zu finden, und müssig genug es auszuführen.“

Wir werden Lichtenberg noch öfter begegnen, je nachdem er diese oder jene Richtung des Zeitgeistes bekämpft: hier wird soviel schon sicher sein, daß der größte Widersacher der jungen Literatur mit ihr von einem Fleisch und Blut war.

Der große Verlust, den Goethe durch die Abreise seiner Schwester nach Emmendingen erlitten, wurde ihm durch die Rückkehr Merd's ersetzt: die russische Heirath (vgl. S. 559) war 10. Oct. 1773 erfolgt, Merd hatte während seines Aufenthalts verschiedene recht pikante Silhouetten russischer Würdenträger entworfen, und über die Frage: est-il avantageux pour un état que le paysan possède en propre du terrain? eine Denkschrift verfaßt, in welcher er sich aus allgemeinen philosophischen Gründen mit Ja entschied. Auf der Rückreise, 13. Nov., besuchte er Hamann in Königsberg, der sich sehr enttäuscht fand, und ihn bald darauf, einstimmig mit Herder, für einen falschen und intriganten Menschen erklärte. Einen desto erquickenden Eindruck machte einige Tage darauf Moser, der treuherzige Laienbruder", der ebenfalls aus St. Petersburg zurückkam.

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Merd traf 20. Dec. 1773 bei seiner Frau - die unterdeß in der Schweiz gewesen war - (Leuchsenring schwärmte in Paris herum) in Darmstadt ein, und besuchte gleich darauf Goethe in Frankfurt, der „vor Freude ganz närrisch“ wurde. 15. Jan. 1774 verheirathete Sophie Laroche ihre schöne Tochter Max an den reichen Kaufmann Brentano in Frankfurt, einen Wittwer. - „Sie ist," schreibt Goethe an Frau Betty Jacobi, noch immer der Engel, der mit den simpelsten Eigenschaften alle Herzen an sich zieht, und das Gefühl, das ich für sie habe, macht nun das Glück meines Lebens.“ Merck rümpfte über diese Heirath die Nase: er fand die alte Freundin Sophie mitten unter Häringstonnen und Käse, wie sie den langweiligen Gesprächen der dicken Kaufleute Stand hielt, und ihre schwerfälligen Köpfe zu amüsiren suchte. Ich weiß nicht," schreibt er seiner Frau 29. Jan.,,,si elle ne sera accablée sous le fardeau de ses regrets. Goethe est déjà l'ami de la maison, il joue avec les enfans et accompagne le clavecin de Madame avec la basse. Mr. Brentano, quoique assez jaloux pour un Italien, l'aime et veut absolument qu'il fréquente la maison."

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Eine Reihe munterer Gesellen oder Genies schlossen sich nun in Frank

furt an den Dichter des Götz an; darunter der bedeutendste Klinger, geb. 17. Febr. 1752 zu Frankfurt, Sohn einer Wäscherin, übrigens ein schöner, stattlicher Jüngling, und damals von einer Leidenschaftlichkeit im Ausdruck, die der neuen poetischen Richtung vollkommen entsprach. Er hatte in Gießen unter Höpfner die Rechte studirt, nebenbei Komödien geschrieben, und mit der Tochter eines Gesandten, Frl. Albertine v. Grün (geb. 1749), einer schönen Seele und Freundin des Darmstädter Kreises, ein Liebesverhältniß gehabt. Schon Nov. 1772 war Goethe auf ihn aufmerksam gemacht, dann kam er selbst nach Frankfurt. In diesem Kreise wurden alle neuen poetischen Erscheinungen eifrig durchgesprochen, und die Ansichten darüber in Hans Sachsischer Weise dramatisirt. So entstanden die Recensentenlieder, „Künstlers Erdenwallen“, „der Jahrmarkt zu Plundersweilen" (mit der Persiflage Racine's), und der „Prolog zu den neuesten Offenbarungen Bahrdt's": „Mir kam ein Gedanke von ungefähr: so spräch' ich, wenn ich Christus wär'." Bahrdt (noch in Gießen) machte gute Miene zum bösen Spiel, er besuchte den Dichter und suchte ihn zu gewinnen. Am heftigsten waren die Jünglinge gegen Wieland und die Jacobi's eingenommen; von den letztern äußerte Goethe, fie hätten auf ihn geschimpft wie die Hundejungen“, und über den Mercur: Ich weiß nicht, ob viel Großsprecherei dem Zeug mehr Schaden thut, oder das Zeug der Großsprecherei. Das ist ein Wind und ein Gewäsch, daß es eine Schande ist.“

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Zwischen Wieland und den Jacobi's war das Verständniß nur äußerlich. Jan. 1774 erschien die Ankündigung einer neuen, von den Leßtern herauszugebenden Wochenschrift „Iris": So gut auch der alte Mercur im Himmel und auf Erden sein Amt verrichtete, so konnten dennoch weder die Göttinnen noch die Erdentöchter völlig mit ihm zufrieden sein. Es war dem geflügelten Boten unmöglich, bei sovielen männlichen Geschäften die kleineren weiblichen Angelegenheiten zu besorgen. Ueberdem warf man ihm vor, daß er die Geheimnisse der Göttinnen nicht immer für wichtig genug hielt, daß es ihm öfter an Verschwiegenheit fehlte . . . Kurz man konnte nicht mit ihm sprechen und handeln als wenn es ein Mädchen wäre."- Diesem Bedürfniß sollte die Iris abhelfen. Es sollten auch die wichtigsten politischen Neuigkeiten, von welchen in allen Gesellschaften geredet wird, nach dem Begriff der Damen vorgetragen werden." Indem sie sich nach Mitarbeitern umfahen, verfielen fie auf denjenigen, der ihrer Zartheit am meisten widerstreben mußte, auf Heinse.

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Heinse's Laïdion" hatte Gleim Febr. 1773 herausgegeben: es schildert das Schicksal der berühmten Hetäre Laïs nach ihrem Tode. Auch jenseits bleibt ihr verklärter Leib jedes Genusses fähig. Einem Todtengericht,

bestehend aus Orpheus, Solon und Aspasia, trägt sie ihre Lebensgeschichte vor: fie habe durch ihre Küffe die Jugend zu Heldenmuth begeistert, die Alten be glückt, und von dem, was sie den Reichen für ihre Gunft abgewonnen, die Armen entschädigt; so habe sie die elysischen Wonnen wohl verdient. Hinzugefügt waren wollüftige Stanzen, die an Frechheit wie an Glut Wieland bei weitem überboten.

Wieland fand sich wiederum arg compromittirt.

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Es ist," schreibt er an Gleim, „viel schöne Poesie in diesen Stanzen; der Mensch hat eine glühende Phantasie, er schreibt aus der Fülle einer äußerst erhißten Sinnlichkeit; daher sind seine Gemälde kräftig und warm bis zum Brennen, aber, auch blos als Dichter betrachtet, ist sein Geschmack noch sehr ungeläutert, seine Imagination üppig, sein Geist wild und ausschweifend. Der Mann hat den Sokrates immer im Munde, und denkt und schreibt, wie nur ein Mensch schreiben kann, in welchem die Wuth der ausgelassensten Geilheit alles sittliche Gefühl erstickt hat. Wenn Heinse, um solche Unfläthereien zu rechtfertigen, sich auf meine komischen Erzählungen beruft, so muß er gar kein Discernement haben. Von Helvetius, nicht von Sokrates hat der Unglückliche gelernt, daß das moralische Schöne nur eine Chimäre sei. Ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie sehr mir ekelt, diesen Satyr von Grazien reden zu hören. Er bildet fich ein, ich werde mich bestechen lassen, wenn er mich seinen alten Sokrates und Oberpriester der Grazien nennt. Ich bin es satt, Briefe in diesem Ton von einem Menschen zu bekommen, der mir durch sein Lob mehr Tort thut, als andre mir durch die schändlichsten Epigramme schaden können... Indessen jammere ich selbst über ihn und gestehe gern, daß es schade um sein Genie ist. Was für ein Dichter hätte der Mensch ohne den verdammten Tentigo werden können.“ Glauben Sie indessen, daß noch eine Möglichkeit sei, ihn zu retten, so melden Sie es mir; aber zuvor bringen Sie ihn dahin, daß er heilig angelobe, keine Zeile mehr zu schreiben, die nicht von Vestalen gelesen werden dürfte. Lehren Sie ihn die moralische Schönheitslinie kennen; lehren Sie ihn, daß die Mysterien der Natur und Liebe nicht aufgedeckt wer den müssen. Aber ich bin überzeugt, daß Heinse ein viel zu heteroklites Genie ist und zu sehr verdorben, um sich jemals zu bessern.“

Gleim gerieth über diese Aeußerungen in den stärksten Zorn, und Heinse brachte, 2. Jan. 1774, einen Brief an Wieland zu Stande, in welchem er die Schuld des Petron ganz dem Hauptmann aufbürdete: „der stündlich an meiner Seele, wie ein Lavater des Priapus arbeitete. Den Unverständigen werde ich niemals begreiflich machen, daß man der unschuldigste Mensch sein, und doch in seinem 20. Jahr, von brausender Jugend berauscht, zu einer solchen Ausschweifung seinen Genius von elenden Menschen, deren

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Phantasie ein ewiger Cunnus ist, verführen lassen könne." Die Entschuldigung der Stanzen ist eigenthümlich. „Weil ich die Scene selbst noch nicht beschrieben hatte, und meine Phantasie mir ein lebhaftes Gemälde der Empfindungen vorträumen lassen wollte, die ich wirklich Sie können es glauben, ob es gleich unbegreiflich sein wird, und ob ich gleich in dieser argen Welt schon 24 Jahre lebe noch nicht genossen habe. noch nicht genossen habe. Eine Dame von unverdächtiger Tugend sagte mir: dies Gemälde ist zu kräftig, zu übertrieben; vermuthlich weil Sie noch zu unschuldig sind, kommen Sie dazu, so etwas zu glauben; Wieland würde es natürlicher gemacht haben." Ich habe mir bei diesem Gedicht nichts weniger vorgeseßt, als mit dem Ariost an Phantasie, dem Taffo an Schönheit des Ganzen, mit Plato an Philosophie zu wetteifern; dies foll die Hauptarbeit meiner Jugend sein, als Mann will ich der deutsche Lucian Am heftigsten wehrt er sich gegen die Verdächtigung seines Herzens. „Ich bedurfte keines Sokrates, der mir beweise, daß das moralische Schöne feine Chimäre sei; dies hatte mir längst mein Herz gelehrt; Helvetius, dem Sie sehr unrecht thun, würde es mir mit allen Spitzfindigkeiten nicht haben herausdemonstriren können.“ „Bei diesem allen gelobe ich Ihnen hiemit heilig an, in Zukunft, soviel in meinen Kräften steht, keine Zeile zu schreiben, die nicht von den Vestalen gelesen werden könne, welchen man Ihren Amadis vorlesen darf; mit. dem besten Discernement sei dieses hiemit angelobt." Der Stich traf, und noch von einer andern Seite her sollte Wieland beschämt werden.

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Die Frankfurter Gesellen hatten namentlich an der Ruhmredigkeit des Mercur Anstoß genommen, die Alceste moralisirt zu haben; um den Euripides zu rächen, schrieb Goethe Febr. 1774 die Farce „Götter, Helden und Wieland", ein „Schand- und Frevelstück", wie er es selber nannte. Lenz, dem er es überschickte, beförderte es sofort zum Druck. In dieser übrigens allerliebsten Posse wurde Wieland von einer ganz neuen Seite angegriffen. „Er gehört zu einer Sekte," sagt Euripides, „die allen Wassersüchtigen, Auszehrenden, an Hals und Bein tödtlich Verwundeten einreden will, todt würden ihre Herzen voller, ihre Geister mächtiger, ihre Knochen markiger sein.“ „Dir hängen noch immer, sagt Herkules, die schalen Ideale an. Kannst nicht verdauen, daß ein Halbgott sich betrinkt und ein Flegel ist, seiner Gottheit unbeschadet? und Wunder meinst, wie du einen Kerl prostituirt hättest, wenn du ihn unter'n Tisch oder zum Mädel auf die Streu bringst ?“ „Die Tugend wohnte bei uns Halbgöttern und Helden. Meinst du, wir lebten wie das Vieh, weil eure Bürger sich vor den Faustrechtzeiten freuzigen? Hatte einer Ueberfluß an Kräften, so prügelte er den Andern aus. Hatte er Ueberfluß an Säften, machte er den Weibern soviel Kinder als sie begehrten. Hatte ihm

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