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Sprechweise des Volkes zu versetzen. Uebrigens hörte es Voß sehr ungern, wenn man seine Dichtungen als niederländische bezeichnete. Auch vortreffliche Satiren, z. B. „der zufriedene Sklave", fallen in diese Zeit.

Mit den Stolbergs blieb immer einige Verbindung: eben hatte der ältere Bruder, jezt Amtmann zu Trembsbüttel bei Oldesloe, Louise Reventlow geheirathet; der jüngere verweilte als eutinischer Gesandter in Kopenhagen, und beide zusammen gaben zum erstenmal ihre Gedichte heraus. Seine Uebersegung der Ilias hatte F. L. Stolberg Voß zur Aussteuer geschenkt. Aug. 1777 fam Kaufmann nach Wandsbeck: „ein schöner, sehr kräftiger Mann, der Alles, was er redete, in dunkle, oft derbe Worte hüllte, und doch Alle einzunehmen wußte. Aus seinen Reden sollte man den Schluß ziehen, daß er trotz seinem jugendlichen Ausschn schon mit einem Menschenalter vor uns in Berührung gestanden. Er behauptete, fast gar keinen Schlaf zu bedürfen, aß nichts als Vegetabilien, und trank nur Milch und Wasser. Er hatte einen jungen Mann bei sich, der in seiner Gegenwart nicht reden durfte, und den ganzen Tag schreiben mußte, weil sich bei Kaufmann die Gedanken so drängten, daß er nur dictiren konnte. Eine Menge Briefe hatte der Bote jeden Tag nach Hamburg zu bringen und zu holen. Auch Arzt behauptete er zu sein, dem kein Kranker, der Zutrauen hätte, stürbe, und wirklich machte er einige Curen, die in Verwunderung setzten. Von seinen Heldenthaten in Persien erzählte er gern. Merkwürdig war es mit anzuhören, wie Voß und Claudius sich allerlei Zweifel über diesen Wundermann mittheilten, und wie doch jeder beslissen war, ihn gegen den andern in Schutz zu nehmen." Mit Kaufmann machte Voß 1. Sept. eine Reije nach Gr. Vielen, um seine junge Frau den Eltern und dem alten Freunde Brückner vorzustellen. Dort verweilten sie fast zwei Monate, und es macht Freude, aus Ernestinens Erinnerungen das gemüthliche Bild der mecklenburgischen Heimath sich zu vergegenwärtigen. Ein Nachklang davon ist im 70. Geburtstag. -- Kaufmann hatte sich auch verlobt *). - Als Goethe gleich darauf die Selbstbiographie seines alten Freundes Jung herausgab (Heinrich Stillings Jugend"), hielt man in Königsberg allgemein Kaufmann für den Verfasser; in Süddeutschland wurde sie theilweise Goethe zugeschrieben.

12. Sept. ist Goethe auf der Wartburg, in Naturgenüssen schwelgend, und mit einer neuen Farce die geflickte Braut" beschäftigt, einer Satire gegen

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*),,Gestern," schreibt Zimmermann 26. Oct., hatte ich einen Brief von Lavater, worin er sagt, daß Kaufmann eben von Aftrachan in Zürich angekommen sei, von Astrachan bis Zürich seines Gleichen nicht habe, ein herrliches Mädchen heirathen, als Landwirth leben und Großes wirken werde."

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die empfindsamen Naturschwärmer aus Werther's Schule, deren Nerven aber die wirkliche Natur zu robust ist, und die sich ihre Natur, Mondschein, Landschaft und Alles, ohne Zugluft, Ungeziefer und Regen in Kisten packen, und deren Geliebte eine mit sentimentalen Büchern ausgestopfte Puppe ist. Die Durchführung dieser vortrefflichen Idee ist etwas zu sehr im Schlafrock; später wurde die Posse „Triumph der Empfindsamkeit“ getauft, und zu einem wunderlichen Contrast die Proserpina" darin aufgenommen. 21. Sept. fam auch Merck auf die Wartburg, und blieb acht Tage, in denen er das volle Vertrauen des Herzogs gewann. „Mich freut's," schreibt er, zu sehn, was an Goethe's Situation ist. Das Beste von Allem ist der Herzog, den die Esel zu einem schwachen Charakter gebrandmarkt haben, und der ein eisenfester Charakter ist. Ich würde aus Liebe zu ihm eben das thun, was Goethe that. Die Mährchen kommen alle von Leuten, die ungefähr soviel Auge haben zu sehn, wie die Bedienten, die hinter'm Stuhl stehn, von ihren Herrn und deren Gespräch urtheilen können.“ „Der Herzog wird mir immer näher und näher," heißt es in Goethe's Tagebuch; gern fehr' ich doch zurück in mein enges Nest, nun bald in Sturm gewickelt, in Schnee verweht, und, will's Gott, in Ruhe vor den Menschen, mit denen ich doch nichts zu thun habe." Dem alten Freund Kestner, der ihn wegen einer Ortsveränderung um Rath fragt, schreibt er: „Der treueste Rath ist: bleibt wo ihr seid! Tragt diese oder jene Unbequemlichkeit, weil ihr's nicht besser findet werdet, wenn ihr den Ort verändert. Bleibt fest und treu auf euerm Plaze. Fest und treu auf Einem Zweck, ihr seid ja der Mann dazu, und ihr werdet vordringen durch's Bleiben. Wer seinen Zustand verändert, verliert immer die Einrichtekosten, moralisch und ökonomisch." Und als er nach seiner Rückkehr in Weimar (10. Oct.) sein Häuschen ausgebaut fand: „Heiliges Schicksal ! Du hast mir mein Haus gebaut und ausstaffirt über mein Bitten. Ich war vergnügt in meiner Armuth unter meinem halbfaulen Dach; ich bat dich mir's zu lassen, aber du hast mir Dach und Beschränktheit vom Haupt gezogen wie eine Nachtmütze. Laß mich nun auch frisch und zusammengenommen der Reinheit genießen! Amen, ja Amen winkt der erste Sonnenblick!"

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Gleich darauf vernahm er, daß sein Schwager Schloffer, ein halb Jahr nach Cornelien's Tod, sich wieder vermählt habe, mit einer gemeinsamen Freundin, Johanna Fahlmer. Mir ist's wunderlich auf deinen Brief; mich freut's, und ich kann's noch nicht zurechtlegen.“

Der Herzog war mit seinen wilden Gesellen auf die Jagd in den Harz gezogen; 29. Nov., im schärfsten Winter folgte ihm Goethe. Ein Geier, der über ihm schwebte, als er in das Gebirge ritt, gab dem bekannten schönen Liede die Stimmung. Er hatte vor, einen Selbstquäler aufzusuchen, der sich

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in leidenschaftlichen Briefen an den Dichter des Werther gewandt, und von ihm Mitgefühl für sein Grollen mit Gott gefordert hatte: Plessing (geb. 20. Dec. 1752), Sohn des Pastors in Wernigerode. Abseits wer ist's? In's Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen, das Gras steht wieder auf, die Ode verschlingt ihn.“ „Ist auf deinem Pfalter, Vater der Liebe, ein Ton seinem Ohre vernehmlich, so erquicke sein Herz! öffne den umwölkten Blick über die tausend Quellen neben dem Dürstenden in der Wüste!" 3. Dec. war er bei ihm, ohne sich zu erkennen zu geben, als reisender Landschaftsmaler; er schilderte ihm auf seine Klagen in warmen Bildern die Freude am Leben der Natur, in das sich zu versenken das Herz allein beglücken könne; als aber Plessing solche Gedanken gar nicht verstand, verschloß sich ihm das Mitgefühl des Dichters, der auch da er den Werther schrieb, in seiner Lebensfülle kein Werther war. Von einem Wirth aus Goslar, am folgenden Tage, schreibt er an Frau v. Stein: „Es ist eine schöne Philisterei im Hause, es wird einem ganz wohl. Wie sehr ich wieder auf diesem dunkeln Zug Liebe zu der Classe von Menschen gekriegt habe, die man die niedere nennt, die aber gewiß vor Gott die höchste ist! Da sind doch alle Tugenden beisammen: Beschränktheit, Genügsamkeit, gerader Sinn, Treue, Freude über das leidlichste Gute, Harmlosigkeit, Dulden, Ausharren. Wie wenig der Mensch bedarf, und wie lieb es ihm wird, wenn er fühlt, wie sehr er das Wenige bedarf!"-Mir ist's eine sonderbare Empfindung, unbekannt in der Welt herumzuziehn; es ist mir, als wenn ich mein Verhältniß zu den Menschen und Sachen weit wahrer fühlte." Er hatte die Baumannshöhle besucht, Klausthal; am 10. Dec. erstieg er den Brocken; der Förster hatte sich erst geweigert, ihn den schwierigen Weg hinaufzuführen. „Ich war still und bat die Götter, das Herz dieses Menschen zu wenden, und war still." Und sie wandten das Herz, die Sonne ging auf, und Goethe stand auf dem Gipfel grenzenlosen Schnee überschauend, zwischen jeuen ahnungsvollen Granitklippen, unter sich ein unbewegliches Wolkenmeer." Endlich war von der Sonne das Ganze in Purpur gekleidet, er glaubte sich in einer Feenwelt. Den Einsamen hüll' in deine Goldwolfen! Umgieb mit Wintergrün, bis die Rose wieder heranreift, die feuch ten Haare, o Liebe! deines Dichters!" - Nachdem er seine Jagdgenossen aufgesucht, und ihnen seine Abenteuer erzählt, war er 16. Dec. wieder in Weimar.

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Wenn er sich gegen Plessing einen Landschaftsmaler genannt, so war das nicht blos feine alte Neigung und Beschäftigung, es drückte ein Princip aus. Die Zeit hatte eine neue Wendung genommen; Kunst und Wissenschaft strebten aus dem Innern heraus, den Dingen zu. Die Naturwissenschaft

beginnt aufzublühn*), sie wird mit der Philosophie, mit Spinoza in Verbindung gesetzt; Buffon wird eifrig gelesen; Knochen werden zerlegt, Minera lien gesammelt. In allen diesen Dingen war Merd Helfer und Rather; er handelte als Kenner mit Kunstschätzen, und in der Naturgeschichte galt er als Mann von Fach. Goethe folgte ihm mit Eifer, und wußte auch Fr. v. Stein zu gewinnen. In dem Streben, Geist und Erscheinung zu vermählen, gewann auch die Physiognomik einen neuen Hebel.

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Lavater's drittes Fragment war April 1777 herausgekommen, es enthielt wieder allerlei, diesmal auch charakteristische Handschriften. Unter Goethe's Vignette hatte Lavater - sehr zum Verdruß des Dichters - geschrieben: Man bemerke vorzüglich die Lage und Form dieser gedächtnißreichen, gedankenreichen warmen Stirn, bemerke das mit einem fortgehenden Schnellblick durchdringende, verliebte, sanft geschweifte, nicht sehr tiefliegende, helle, leicht bewegliche Auge, die so sanft sich darüber hinschleichende Augenbraue, diese an sich allein so dichterische Nase, diesen so eigentlich poetischen Uebergang zum lippichten, von schneller Empfindung gleichsam sanft zitternden, und das schwebende Zittern zurückhaltenden Munde, dies männliche Kinn, dies offne markige Ohr. Wer ist, der absprechen könne diesem Gesichte Genie? Und Genie, ganzes, wahres Genie, ohne Herz, ist Unding. Denn nicht hoher Verstand allein, nicht Imagination allein, nicht beide zusammen machen Genie. Liebe! Liebe! Liebe ist die Seele des Genies."

In demselben Fragment hatte sich Lavater über die Vorzüge der Griechen ausgesprochen. Daß die Kunst Höheres noch nichts erfunden hat als die alten griechischen Bildsäulen, kann für's erste als ausgemachte Wahrheit angenommen bleiben. Nun entsteht die Frage: woher diese hohe, wie man sagt überirdische Schönheit? . . . Ganz erschaffen kann der Mensch überall nichts; nachahmen ist sein ewiges Thun und Lassen, sein Leben und Weben, seine Natur und seine Kunst... Jeder Maler hat seine Meister, die um ihn lebende Natur seines Zeitalters und sich selbst copirt. So jeder Bildhauer, so jeder Schriftsteller, so jeder Patriot. Die eigne Manier eines Genies in der Kunst, Wissenschaft und Tugend ist blos die durch seine besondere Lage modificirte Nachahmung seines Helden... Der ungenialische Nachahmer ahmt nur den Meister oder die Natur nach, ohne Theilnehmung, ohne Tinctur seiner Verschwisterung mit der nachgeahmten Sache; er zeichnet eigentlich nur durch. Nicht so, wer Original ist, das Genie. Er ahmt zwar

*) Haller starb 12. Dec. 1777, nachdem ihn 17. Juli Kaiser Joseph besucht, der an Voltaire vorübergegangen war. Blumenbach und Werner, beide eben in vollster Jugend, find die bedeutendsten Anreger der neuen Studien.

auch nach, aber er zeichnet nicht durch, er seßt seine Nachahmungen nicht wie ein Flickwerk zusammen. Er schmilzt sie durch einen Zusatz seiner theilnehmenden Individualität zu einem homogenen Ganzen, und dies ist von allen Zusammenflickungen seines Zeitalters so verschieden, daß man's neues Geschöpf, Ideal, Erfindung heißt."

„Schöne Werke der bildenden oder der dichtenden Kunst sind immer zuverlässiges Siegel und Pfand schönerer Urbilder, schönerer Natur, und eines Auges, das gebildet war, von diesen Schönheiten afficirt und hingeriffen zu werden.. Nichts kommt in die Imagination als vermittelst der Sinne . . . Es ist so fern, daß die Kunst ohne und außer der Natur idealisiren founte, daß ich keck behaupte, sie kann's nicht einmal bei und vor der Natur. Alles Idealisiren ist nichts als Wiedervergegenwärtigung gewisser Sensationen von Schönheiten, die uns afficirten; Nachahmung dieser Schönheiten, Zusammenschmelzung derselben in eine homogene Form. Der Künstler schafft nur, wie jeder Mensch eine Sprache schafft. Er kann die schöne Kunst, aber nicht die schöne Natur seines Zeitalters übertreffen. Was wir Ideale nennen an den Alten, war ihnen unbefriedigendes Natur-Nachhinken der Kunst. Sie bildeten schöner, weil sie schönere Menschen um sich hatten."

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„Aber sie waren ja blinde Heiden, und wir sind gläubige Christen! Ich möchte den schalen Kopf sehen, der etwas Platteres sagen könnte! Das Christenthum wirkt wie sein Meister Christus: es giebt keine Augen dem, der keine hat, sondern es erleuchtet die Augen des Blinden. Und dann, guter Gott! ist viel von unsern Glauben und Christenthum, das uns verschönern soll, zu preisen? - Ja, wenn Schminke verschönert! Aus inwendigem Leben quillt Veredlung der Menschengestalt... Gesunken, gesunken ist das Menschengeschlecht, und daß wir's nicht fühlen, uns nicht schämen, ist wohl der Versunkenheit größter Beweis!"

Daß Wieland (Aug. 1777, im Miercur) gegen den letteren Saß und gegen die vermeintliche höhere Schönheit des griechischen Lebens, sich erklärte, ist begreiflich, trotz Branor und Geron; dagegen wird sich mancher darüber wundern, daß er den Sag vertrat: „Der Künstler arbeitet nicht nach einem vor ihm stehenden Original, sondern nach einer in seinem Geist erzeugten, in seiner Phantasie schwebenden Idee; die höchsten Kunstwerke sind Nachahmungen von Urbildern, die außer der Imagination des Erfinders nirgend in der Natur so dagewesen.“ „Wir mögen uns winden wie wir wollen, wir werden genöthigt sein zu bekennen, daß Phidias nach einer in seiner Seele schwebenden Idee gearbeitet habe. Wie er zu dieser Idee gekommen, wird dadurch nicht deutlicher, wenn wir sagen, sie sei eine Zusammenschmelzung gesehener Wirklichkeiten, und im Grunde verlieren wir nichts dabei, wenn wir sie ein

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