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Gespenst schelten lassen und gestehn, daß wir von der Erscheinung dieser Art von Gespenstern in den Köpfen der Dichter, Bildner und Maler ebensowenig verstehn, als von dem Gespenst, das dem Brutus zu Philippi erschien. Es ist eitle Mühe, Alles was in dem geheimnißvollen Abgrund unserer sich selbst so wenig bekannten Seele vorgeht, so mechanisch erklären und handgreiflich machen zu wollen, wie man die Bewegung eines Bratenwenders erklärt."

Von einer andern Seite erhob sich Lichtenberg gegen die Physiognomik. Dieselbe war von früher Jugend sein Lieblingsstudium gewesen, und wie weit er es darin gebracht, zeigen seine Briefe aus London über Garrick (Oct. bis Dec. 1775) und später seine Commentare über Hogarth. Nicht gegen die Sache selbst, sondern gegen ihren Mißbrauch war seine Polemik gerichtet zunächst durch einen Aufsaß Zimmermann's (Nov. 1777) veranlaßt. „Unstreitig giebt es eine unwillkürliche Geberdensprache, die von den Leidenschaften in allen ihren Gradationen über die ganze Erde geredet wird. Verstehn lernt sie der Mensch gemeiniglich vor seinem 25. 3.; sprechen lehrt sie ihn die Natur, und zwar mit solchem Nachdruck, daß Fehler darin zu machen zur Kunst ist erhoben worden. Sie ist so deutlich, daß Elephanten und Hunde den Menschen verstehn lernen; was wäre alle Schauspielkunst ohne sie?“ „Weiter! Diese vorübergehenden Zeichen, oft wiederholt, verschwinden nicht allemal völlig wieder, und lassen bleibende Eindrücke zurück: daher entsteht zuweilen das Thorheitsfältchen, das scheinheilige Betrüger fälschen u. f. w. — Allein diese Züge beurtheile man mit der größten Behutsamkeit, fie lügen zum Erstaunen." Doch sind die beweglichen Theile des Gesichts noch immer bezeichnender als die festen, die Knochen, da die Form derselben so wenig von unserm Willen abhängt. „Fast lächerlich ist der Beweis für die Zuverlässigkeit der Physiognomik, den man aus der täglichen, ja stündlichen Ausübung derselben herleiten will. Sobald wir einen Menschen erblicken, so ist es allerdings dem Gesetz unseres Denkens und Empfindens gemäß, daß uns die nächstähnliche Figur, die wir gekannt haben, sogleich in den Sinn kommt, und gemeiniglich auch unser Urtheil sogleich bestimmt. Wir urtheilen stündlich nach dem Gesicht ja nach dem Namen! — und irren stündlich. Jeder Mensch ist einmal des Tages ein Prophet. Einbildungskraft und Wizz kommen hiebei gefährlich zu statten. Wollten wir die Leute, von denen wir nach dem ersten Anblick urtheilen, durch genauen Anblick prüfen, es würde der Physiognomik ärger ergehn als der Astrologie." „Der Physiognom schließt nicht etwa aus schönen Armen auf schöne Waden, sondern aus gleichen Nasen auf gleiche Anlage des Geistes, oder aus gewissen Abweichungen der äußern Form von der Regel auf analoge Veränderung der Seele: ein Sprung, der

nicht kleiner ist, als der von Kometenschwänzen auf Krieg." „Die besten Physiognomen sind die, welche am wenigsten von den Regeln erwarten.“ „Die Hand, die einer schreibt, aus der Form der physischen Hand beurtheilen. wollen, ist Physiognomik."

Zimmermann antwortete grob, indem er die Harmonie zwischen Schönheit und Tugend zu erweisen suchte, und die Fehde zog sich über ein Jahr hin, mehr mit Scheltworten als mit Gründen gewürzt. In dem "Fragment von Schwänzen" verspottete Lichtenberg mit Glück Lavater's überschwengliche Kraftsprache: „Noch zur Zeit nicht ganz entferkelt; mutterschweinische Weichmuth im schlappen Hang, und läppische Milchheit in der Fahnenspite“; „überall Mannheit, Drangdruck, hoher erhabener Bug und ruhiges, bedächtliches, kraftherbergendes Hinstarren" u. s. w. - Man wird verzweifelt an die Vignette Goethe's erinnert!

Da der Druck des gesammten Werks von Reimarus stets beanstandet war, veröffentlichte Lessing im 4. Beitrag zur Geschichte und Literatur" (verschickt Jan. 1777) eine neue Reihe von Fragmenten aus demselben. Er gestand zu, der Verfasser habe es auf einen Hauptsturm gegen das Christenthum abgesehen: um so mehr werde sich nun auch ein ebenso würdiger Vertheidiger der Religion finden. Eigentlich könne nur die Theologie, nicht die Religion unter solchen Angriffen leiden: „der Buchstabe ist nicht der Geist, die Bibel ist nicht die Religion. Folglich sind Einwürfe gegen den Buchstaben und gegen die Bibel nicht eben auch Einwürfe gegen den Geist und gegen die Religion. Denn die Bibel enthält offenbar mehr als zur Religion Gehöriges, und es ist bloße Hypothes, daß sie in diesem Mehreren gleich unfehlbar sein müsse. Auch war die Religion, ehe eine Bibel war. Das Christenthum war, ehe Evangelisten und Apostel geschrieben hatten. Es verlief eine geraume Zeit, ehe der erste von ihnen schrieb, und eine sehr beträchtliche, ehe der ganze Kanon zu Stande kam. Es mag also von diesen Schriften noch soviel abhängen, so kann doch unmöglich die ganze Wahrheit der Religion auf ihnen beruhen. War ein Zeitraum, in welchem sie bereits so ausgebreitet war, in welchem sie bereits sich sovieler Seelen bemächtigt hatte, und in welchem gleichwohl noch kein Buchstabe aus dem von ihr aufgezeichnet war, was bis auf uns gefommen: so muß es auch möglich sein, daß Alles, was Evangelisten und Apostel geschrieben haben, wiederum verloren ginge und die von ihnen gelehrte Religion doch bestände. Die Religion ist nicht wahr, weil die Evangelisten und Apostel sie lehrten, sondern sie lehrten sie, weil sie wahr ist. Aus ihrer innern Wahrheit müssen die schriftlichen Ueberlieferungen erklärt Schmidt, Julian, Geschichte des geistigen Lebens. II.

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werden, und alle schriftliche Ueberlieferungen können ihr keine innere Wahrheit geben, wenn sie keine hat."

Das erste Fragment handelte „von Verschreiung der Vernunft auf den Kanzeln". Sett, seyt Lessing hinzu, ist es anders: „die Kanzeln, anstatt von der Gefangennehmung der Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens zu ertönen, ertönen nun von nichts als von dem innigen Bande zwischen Vernunft und Glauben. Glaube ist durch Wunder und Zeichen bekräftigte Vernunft, und Vernunft räfonnirender Glaube geworden. Die ganze offen= barte Religion ist nichts als eine erneuerte Sanction der Religion der Vernunft. Geheimnisse giebt es darin entweder gar nicht, oder wenn es welche giebt, so ist es doch gleichviel, ob der Christ diesen oder jenen oder gar keinen Begriff damit verbindet. Wie leicht waren jene Theologaster zu widerlegen, die außer einigen mißverstandnen Schriftstellen nichts auf ihrer Seite hatten, und durch Verdammung der Vernunft die beleidigte Vernunft in Harnisch erhielten! Sie brachten Alles gegen sich auf, was Vernunft haben wollte und hatte. Wie figlich hingegen ist es, mit diesen anzubinden, welche die Vernunft erheben und einschläfern, indem sie die Widersacher der Offenbarung als Widersacher des gefunden Menschenverstandes verschreien! Sie bestechen Alles, was Vernunft haben will und nicht hat." Um nun aber das Mißverständniß zu vermeiden, als wolle er das Credo quia absurdum vertheidigen, versucht sich Leffing sofort in der rationellen Erklärung verschiedner schwierigen Dogmen, wozu er in gedruckten und ungedruckten Auffäßen zahlreiche Anläufe nahm.

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Ein anderes Fragment wies die Unmöglichkeit einer Offenbarung nach, „die alle Menschen auf eine gegründete Art glauben können". Gleichwohl zeigt Lessing, daß eine partielle Offenbarung von Nugen sein konnte, und daß sich für diese kein Volk besser eignete als die Juden. „Dies unendlich mehr verachtete als verächtliche Volk ist doch in der ganzen Geschichte schlechterdings das erste und einzige, welches sich ein Geschäft daraus gemacht, seine Religion mitzutheilen und auszubreiten. Alle andern Völker waren mit ihren Religionen entweder zu geheim oder zu neidisch oder viel zu kalt gegen sie gesinnt, als daß sie für derselben Ausbreitung sich der geringsten Mühwaltung hätten unterziehn wollen. Die christlichen Völker, die den Juden in diesem Eifer gefolgt sind, überkamen ihn blos, insofern sie auf den Stamm des Judenthums gepfropft waren." Zudem schließt die partielle Offenbarung nicht aus, daß der Herr auch diejenigen wissen wird zu erlösen, denen keine Offenbarung zutheil geworden: „denn weh dem menschlichen Geschlecht, wenn in dieser Dekonomie des Heils auch nur eine einzige Seele verloren geht!" Ferner hatte Reimarus behauptet, das A. T. könne schon darum nicht den Zweck gehabt haben, eine Religion zu gründen, weil es von Unsterblichkeit der

Seele u. f. w. nichts enthalte.

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Die Göttlichkeit solcher Bücher," sagt Lesfing, muß ganz anders als aus den darin vorkommenden Wahrheiten der natürlichen Religion erwiesen werden. Die erhabensten, tiefsten Wahrheiten der Art kann jedes andere ebenso alte Buch enthalten: die heiligen Bücher der Brahminen nehmen es an Alter und würdigen Vorstellungen von Gott mit den Büchern des A. T. auf . . . Obschon der menschliche Verstand nur sehr allmälig ausgebildet worden, und Wahrheiten, die gegenwärtig dem gemeinsten Mann so einleuchtend und faßlich sind, einmal sehr unbegreiflich, und daher unmittelbare Eingebungen der Gottheit müssen geschienen haben: so hat es doch zu allen Zeiten und in allen Ländern privilegirte Seelen gegeben, die aus eignen Kräften über die Sphäre ihrer Zeitverwandten hinaus dachten, dem größern Licht entgegeneilten, und andern ihre Empfindungen davon zwar nicht mittheilen aber doch erzählen konnten. Was sich von dergleichen Männern herschreibt, kann zu feinem Beweise eines unmittelbar göttlichen Ursprungs ge braucht werden. Kann es diesen Ursprung nicht erweisen, wo er vorhanden ist, so kann es ihn auch nicht widerlegen, wo er mangelt." „Bücher, die nichts von der Unsterblichkeit enthalten, können gar wohl eine seligmachende Religion enthalten, d. h. eine Religion, bei deren Befolgung sich der Mensch seiner Glückseligkeit soweit versichert halten kann als er hinausdenkt. Warum dürfte eine solche Religion sich nicht nach den Grenzen seiner Sehnsucht und Wünsche erweitern? Wenn die christliche Religion nur erst zu einer gewissen Zeit, in einem gewissen Bezirk erscheinen konnte, mußten deswegen alle vorhergehenden Zeiten, alle andern Bezirke keine seligmachende Religion haben?”

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Zur weitern Ausführung dieses Gedankens theilte Lessing den Anfang einer Handschrift mit, die in einem gewissen Zirkel von Freunden herumgegangen sei": die Erziehung des Menschengeschlechts". "Von der Lauter keit der Absichten des Verfassers bin ich überzeugt; er ist auch bei weitem so heterodox nicht, als er beim ersten Anblick scheint.“ „Es ist,“ schreibt er einige Zeit darauf an Dr. Reimarus, ein guter Freund, der sich gern allerlei Hypothesen und Systeme macht, um das Vergnügen zu haben, sie wieder einzureißen;" d. h. unzweifelhaft Lessing selbst. Gleichwohl mochte er sich zu der Schrift nie bekennen, und man hat in neuerer Zeit den berühmten Thaer als Verfasser geltend machen wollen, der, damals ein junger Mann, von Leisewig bei Lessing eingeführt, demselben ein religionsphilosophisches Manuscript übergeben hatte, welches er später in der „Erziehung des Menschengeschlechts" wieder erkennen wollte. Wie die Schrift jezt vorliegt, trägt sie augenscheinlich das Gepräge des Lessing'schen Stils; es ist aber wohl möglich, daß Lessing durch einen Thaer'schen Aufsatz angeregt wurde, einen Gedanken

zu verfolgen und auszuführen, der von seinem eigentlichen Gedankenkreise weit ablag. Gott als einen Pädagogen aufzufassen, der mit seinen Lehren stückweise die menschliche Vernunft entwickelt, das lag in der Zeit der Philanthropine auf der Straße; als Schluß dieser Erziehung ein fertiges, absolutes System in Aussicht zu stellen, würde Lessing jedenfalls nicht als höchstes Resultat seines Nachdenkens ausgegeben haben, ebensowenig die Einschränkung dieser Erziehungsexperimente auf die jüdisch-christliche Bildung. Der Abschluß der Schrift fällt in eine spätere Zeit; hier kehren wir noch zu den Beiträgen" zurück.

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Der Fragmentist hatte die Widersprüche der Auferstehungsgeschichte in den verschiedenen Berichten der Evangelisten nachgewiesen; Lessing zeigte, daß man diese gar wohl zugeben, und deshalb die Thatsache an sich doch nicht bestreiten könne, da auch in der Profangeschichte im Einzelnen die Zeugnisse oft von einander abweichen. Endlich war in den Fragmenten der Durchgang der Israeliten durch's rothe Meer ausgemalt und die Absurditäten hervofgehoben, die sich daraus ergaben: Leffing zeigte, daß so etwas den Rechtgläubigen gar nicht anfechte, der ja der Allmacht Gottes auch die Durchführung des Absurden zutrauen darf. „Wenn der Orthodox so antwortet, wie will man ihm beikommen? Man kann die Achseln zucken über seine Antwort soviel man will; aber stehen muß man ihn doch lassen, wo er steht. Das ist der Vortheil, den ein Mann hat, der seinen Grundfäßen treu bleibt, und lieber nicht so ausgemachten Grundsätzen folgen, als ihnen nicht consequent reden und handeln will. Diese Consequenz, vermöge welcher man vorausjagen kann, wie ein Mensch im gegebnen Falle reden und handeln werde, ist es, was den Mann zum Manne macht, ihm Charakter und Stetigkeit giebt, diese großzen Vorzüge eines denkenden Menschen. Charakter und Stetigkeit berichtigen sogar mit der Zeit die Grundsätze; denn es ist unmöglich, daß ein Mensch lange nach Grundsägen handelt, ohne es wahrzunehmen, daß sie falsch find. Wer viel rechnet, wird es bald merken, ob ihm ein richtiges Einmaleins beiwohnt oder nicht."

Das war augenscheinlich ein Compliment für Goeze, und Lessing schmeichelte sich in der That, die Rechtgläubigen zum Schweigen gebracht zu haben. Gleich nach Abschluß der „Beiträge", Jan. 1777, reiste er nach Mannheim ab *), wo er auch bei Gründung des neuen „Nationaltheaters" verwandt werden sollte; er sah aber bald, daß das ganze Unternehmen ungeschickt sei, daß man gegen ihn selbst sich zweideutig benahm, und reiste schon Anfang März zurück: gleich darauf kam es durch rücksichtsloses Betragen des

*) Zachariä starb 30. Jan. 1777, 51 3. alt: die Fortseßung seiner Sammlungen übernahm Eschenburg.

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