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Die erste Impression fasse ich begrifflich zusammen als: die Anklage gegen unser Volk; die zweite: die Reform forderung an unser Volk; die dritte: die Negation der geistlichen Zukunft Jisraël's. Dann werde ich in einem Schlußwort drei Ratschläge an Rathenau und Genossen folgen lassen. Der erste gilt Ihren nicht-jüdischen Genossen, der zweite Ihren jüdischen Genossen, der dritte Ihnen persönlich.

Höre Jisraël! so rufen Sie als Bußprediger von der Feuilletonkanzel Ihrem Volke zu, anklagend, fordernd und negierend! Auch ich gehöre zum Volke Jisraël! Auch meinem Ohre also gilt Ihr Ruf! Daraus folgt mein Recht, Ihnen zu antworten. Vielleicht ist mein Recht sogar ein qualifiziertes, verstärktes Recht! Denn in meiner Jugend teilte ich einen großen Teil Ihrer Gesinnungen für und gegen unser Volk. Auch ich klagte an, auch ich forderte, auch ich negierte! Mehr, stärker, radikaler als Sie! Ich war deutscher Patriot, Monarchist; schon im Jahre 1885, als zwanzigjähriger, hielt ich mich für verpflichtet zum Schutze des legitimistischen Staatsrechts einen Aufsatz in der Kreuzzeitung (in der braunschweigischen Erbfolgefrage) zu veröffentlichen und mit meinem Namen zu unterzeichnen; ich wurde dann; konservativer Antisemit, Kreuzzeitungsmann", kirchenfromm. Stahl schien mir der beste Jude des 19. Jahrhunderts zu sein, und der hie und da in konservativ-kirchlichen Kreisen in den 90er Jahren mir gewidmete Wunsch, ein zweiter Stahl zu werden, traf meine geheimsten Hoffnungen und Jugendträume! Allein seit dem Ende des Jahrhunderts klang mir das „Höre Jisraël!" wie ein mächtiges Mahnwort, wie ein gewaltiger Gewissenswecker ohne Unterlaß im geistigen Ohr nicht Ihr Ruf: Höre Jisraël! aus der Zukunft vom 7. März 1897, sondern der alte Ruf aus der Vergangenheit, der Ruf Mose's in der Wüste am Jordan. Um die Wende des Jahrhunderts begann meine Loslösung von

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der Kirche, die im Jahre 1902 mit einer radikalen Trennung abschloß. Und in geistlicher, wie in politischer und nationaler Hinsicht kann ich meine Weltanschauung heute nicht klarer und kürzer charakterisieren, als durch das Wort: panjudaïstisch! Mein ganzes Denken, Fühlen und Wollen dreht sich, wie die Planeten die Sonne umkreisen, um einen Mittelpunkt: Volk Jisraël! Hiernach ist wohl meine generelle Legitimation, Ihnen zu antworten, unbestreitbar. Allein es bedarf noch einer speziellen. Sie weisen wiederholt mit Stolz auf Ihre Zugehörigkeit zum jüdischen „Patriziertum" hin (S. 10 und 11 Ihres Buches"). Sie könnten also meine Legitimation mit der Einrede anfechten, daß nur ein jüdischer „Patrizier“ Ihren so schön zur Schau getragenen koriolanischen Zorn (S. 20 Ihres Buches") in seiner ganzen tragischen Tiefe ermessen könne, ich aber vielleicht zu den „Neubürgern“, zu den in der Ghettoschwüle" sich in ihrem eigentlichen Element fühlenden jüdischen „Plebejern" gehöre. Ich muß Ihnen deshalb, werter Doktor Rathenau, zu meiner speziellen Legitimation erklären: anch' io sono patrizio. Auch ich bin jüdischer „Altbürger". Ich muß sogar die Aspiration erheben, sowohl väterlicher- wie mütterlicherseits mindestens so „patrizisch" zu sein, wie Sie, der Sohn des Generaldirektors Rathenau und der Neffe des verstorbenen Herrn Nicolaus von der Mühl in Petersburg (Gott hab' ihn selig!), den Sie den Lesern Ihres Buches“ (S. 168) beinahe so eingehend schildern, wie Ihr Verhältnis zu der Petersburger Aktienbank von der Mühl, Goldschmidt & Co. Ich will Ihnen meine wichtigsten „Legitimationspapiere" vorzeigen. Mein teurer, alter Vater (Gott erhalt' ihn bis 100 Jahr!) ist seit 25 Jahren Vorstandsvorsitzender der viertgrößten preußischen Synagogengemeinde. Reichtum" erklären Sie nicht als das notwendige Merkmal des Begriffs „Patriziertum", anderenfalls würde auch dieses Merkmal wohl kaum weniger erfüllt sein, als bei Ihrem Vater. Der Vater meines Vaters war bereits ein wohlhabender Rheder in Amsterdam, der im Jahre 1815 mit 34 Jahren als Rentner nach Köln zog, und zwar durchaus nicht in's Ghetto". Dessen Vater machte bereits im 18. Jahrhundert als einer der „Baase" in Amsterdam größere über

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seeische Geschäfte gemeinsam mit dem damaligen Frankfurter Rothschild. Und schon im Jahre 1662 verlieh der Große Kurfürst dem W. Jakobson de Jonge einen Freibrief für Memel, worauf dieser einen bedeutenden Handel zur See trieb; dessen Nachkommen M. J. und Wulff J. de Jonge erhielten am 2. Juli 1703 lebenslängliche Schutzbriefe zu gleichem Zwecke (beide Vornamen: Jakob und Wolf sind in der Familie meines Vaters, der selbst Jakob heißt, erhalten geblieben). Aber Ihr verstorbener Oheim mütterlicherseits Nicolaus von der Mühl"! Nun - mein einziger, lebendiger Oheim mütterlicherseits ist Aufsichtsratspräsident der berühmten französischen Automobilgesellschaft Mors (NB! der Siegerin bei der Rennfahrt Paris-Berlin 1901) er hat mich zwar nicht zu seinem „natürlichen Geschäftsnachfolger" bestimmt, wie Ihr Oheim Sie, schon deshalb, weil er selbst mit Söhnen gesegnet ist, von denen der eine Capitaine in der französischen Kriegsmarine ist (zur Zeit zur Dienstleistung im Marineministerium). Noch einige,,Oheime mütterlicherseits" gefällig, patrizischer Volksgenosse? Ein Großoheim war der bekannte Hamburger Judenhistoriker Moses Haarbleicher, von dem Sie in der Kgl. Bibliothek in Berlin Bücher finden können. Mein Urgroßheim, der Bruder der Großmutter meiner Mutter war der bekannte englische Nationalökonom Lewis Goldsmith, von dem Sie ebenfalls in der Kgl. Bibliothek Bücher finden (in alten Auflagen von Brockhaus Konversationslexikon wurde er auch biographisch behandelt); dessen Tochter, also sozusagen die Tante meiner Mutter war die zweite Frau des berühmten englischen ToryStaatsmanns Lord Lyndhurst. Ich könnte Ihnen noch von einigen hoch-,patrizischen",,Oheimen mütterlicherseits", einem Handelskammerpräsidenten, einem Universitätsprofessor und kaiserlich-österreichischen Akademie-Mitgliede etc. erzählen. Aber ich denke, meine Legitimationspapiere genügen schon. Sie werden mich puncto „Patriziertum" als pair anerkennen. Aber noch eins! Sie gehören zu jenen „kultiviertesten deutschen Juden", die „meist nicht für Juden gehalten, und wenn sie sich bemüßigt [] sehen, sich zu erkennen zu geben, mit unverhohlenem ungläubigem Erstaunen betrachtet werden"

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(S. 18 und 19 Ihres Buches"). Vielleicht stellen Sie sich meine Person auch als eine jener „südöstlich gestimmten Erscheinungen" vor mit unkonstruktivem Bau" u. s. w., die Sie S. 12 Ihres Buches mit der ganzen Verachtung des „konstruktiv“ und hoch gewachsenen „Patriziers" schildern. Nun, beruhigen Sie sich! Es geht mir wie Ihnen. Jenes unverhohlene ungläubige Erstaunen“, auf das ich in meiner Jugend eitel war, giebt schon seit Jahren meinem jüdischen Herzen regelmäßig einen ganz empfindlichen Stich; ich bedauere nicht etwas südöstlicher auszusehen! Und bei der Feldartillerie machte ich beim Einjährigen-Exerzieren als zweiter Nachbar des Flügelmanns unter 23 Einjährigen gar keinen „unkonstruktiven" Eindruck. Und daß ich mit literarischen „Geschützen" umzugehen weiß, hoffe ich Ihnen zu beweisen.

Ein zweites Wort muß meine Verspätung und die Erweiterung meiner Adresse an Ihre „Genossen" rechtfertigen. Der Gründe sind zwei. Erstens hatte ich im Jahre 1902 immer gehofft, berufenere Juden, als ich, seien es nun Rabbiner oder Literaten, würden Ihnen diejenige Antwort geben, die Ihnen und Ihren Genossen gebührt. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Keine der vielen Kritiken und Entgegnungen in Zeitschriften u. s. w. bieten extensiv und intensiv das, was eine Antwort an Sie enthalten muß, einzeln nicht und alle zusammen auch nicht. Dann wartete ich im Jahre 1903 immer noch, weil ich die Zeit nahe glaubte, mir eine eigene literarische Rednertribüne bauen zu können, von der ich in einer Reihe von Wochenartikeln Ihnen hätte antworten können. Da das Jahr sich zu Ende neigt, ohne daß diese Tribüne fertig gezimmert ist, darf ich nicht säumen, meiner Antwort eine andere literarische Form zu geben. Erfolgt sie auch verspätet, so wird. sie darum nicht minder gründlich sein. Im Gegenteil! Ich erweitere meine Antwort noch und widme sie nicht blos Ihnen, sondern auch Ihren Genossen! Sie sind ein Typus! Hinter Ihnen steht eine kleine, aber gefährliche Partei von Juden, die ich nur allzu gut kenne, und deren durch keinerlei tiefere Seelenkonflikte politischer, religiöser oder ethischer Art motivierten, seichten Salon- und Eitelkeitsantisemitismus ich als eine

der größten Gefahren für die Fortentwickelung unseres Volkes erkläre und den ich darum bekämpfen muß! Dieser jüdische Salonantisemitismus treibt den Kultus der gesellschaftlichen Stellung" bis zum Götzendienst; der Parkettboden glänzender Tiergartensalons wird ihm zur Tempelhalle; die Priester erscheinen im Frack, statt im Priestergewand; statt der mystisch weihevollen Klänge ewiger Sehnsucht rauschende Tanzmusik; statt der Opferschalen fein geschliffenes Tafelgeschirr; die Liturgie und das religiöse Zeremoniell sind ersetzt durch chinesischen Etikettenzwang mit exakt einzuhaltenden Begrüßungsformeln, die Gebetssprüche durch Trinksprüche; im Hintergrunde in Alles überragender Größe das Götzenbild der Eitelkeit; und das Opfer, das diesem Götzen auf blumengeschmückten Altären dargebracht und erbarmungslos geschlachtet wird, es sind, gleich dem phönizischen Molochopfer, Menschenopfer aber nicht die eigenen Kinder werden geopfert, sondern die eigenen Väter und das Volk unserer Väter!

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Diesen abtrünnnigen jüdischen Götzendienern, die leichten Herzens das Volk ihrer Väter als Opfer darbieten, um für diesen Preis in die exklusiven Kreise der vornehmen Gesellschaft" aufgenommen zu werden, denen ihr geheimstes Sehnen gehört, wie nur je das Sehnen eines griechischen Esoterikers der Teilnahme an den exklusiven eleusinischen Mysterien, diesen glatten Salonstrebern mit der geölten Zunge, die mit stolzem Lächeln bekennen, von der heiligen Sprache ihrer Väter nicht mehr zu verstehen, als vom Irokesischen, denen der Glanz eines Ordenssternes fast so andächtige Schauer bereitet, wie einem Jesaias der himmlische Glanz der Seraphim, denen die Rolle einer staatlichen Titelverleihungsurkunde weit größere Ehrfurcht einflößt, als eine Thorah-Rolle, diesen jüdischen Baalspriestern, als deren gefährlichster Vertreter Sie, Doktor Rathenau, in den letzten Jahren aufgetreten sind, denen sage ich Urfehde an! Kampf und Krieg in heiligem Haß, wie Elias den Baalspriestern am Berge Karmel! Elias führte die Baals-Priester an den Bach Kison ,,wajischchoteim schom: und schlachtete sie daselbst", so wie auch sie ihr Volk (geistlich) geschlachtet hatten! Ich greife statt zum Opfermesser zur Feder und schlachte Euch

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