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Vorwort.

Jüdische Treue und schuldige Rücksichten jüdischer Volkspolitik zwingen mich, den Gesamtplan meiner Jüdischen Schriften" zu ändern. Meine „Jüdischen Schriften“ I–V fanden in jüdischen Kreisen ein sehr laues, in nicht-jüdischen und kirchlichen Kreisen ein sehr lebhaftes, wenn auch überwiegend polemisches Interesse. So ist z. B. mein ,,Messias"-Buch bis heute, ein Jahr nach seinem Erscheinen, auch nicht in einer einzigen jüdischen Zeitschrift (von einer vom „Generalanzeiger“ loyal publizierten Selbstanzeige abgesehen) besprochen worden, dagegen von einer ganzen Reihe von kirchlichen und weltlichen.

Wenn ich schon heut jüdischer Kirchenmissionar wäre und ich hoffe in meinem späteren Leben an der Bekehrung der Kirche zum Judentum nach Kräften mitzuarbeiten so würde ich die Schriften, deren Gedankenmaterial im wesentlichen publikationsreif vorliegt, in der geplanten Reihenfolge veröffentlichen und schon im vorigen Sommer die beiden in meiner Jeschuah-"Schrift angekündigten ,,Apostel"schriften haben erscheinen lassen.

Allein höher als das theologische Interesse steht mir in diesem Falle das politische; stärker als das polemische Bedürfnis gegenüber der Impostrix maxima ist das irenische Bedürfnis meinem Volke gegenüber. Und ich muß diese Friedenstaktik um so mehr festhalten, und dem Verdachte, daß ich doch noch immer kryptokirchlichen Neigungen huldige, um so mehr vorbeugen, als mir zu meiner tiefen Freude langsam zwar, aber in zunehmendem Maße Verständnis, Vertrauen und Versöhnlich

keit von meinem Volke, dem ich in meiner Jugend als Ankläger gegenüberstand, entgegengebracht werden und ich andererseits über die eiserne Unbeugsamkeit, mit der ich meine „jesuanische Stellung festhalte, nie und nirgends einen Zweifel ließ.

Mit einem Gerechtigkeitsgefühl, welches ich nicht warm genug anerkennen kann, hat speziell die Kölner Synagogengemeinde die Hand geboten zu einer völligen Klärung und Festigung meiner in den letzten Jahren unklaren und unsicheren synagogalen Stellung.

Bereits im Sommer vorigen Jahres nach meiner Rückkehr nach Köln war ich durch meine polizeiliche Anmeldung als „jüdisch" Mitglied der Kölner Synagogengemeinde im rein verwaltungsrechtlichen Sinne und dann regelmäßiger Synagogenbesucher auf einem von mir gemieteten Platze geworden. Allein noch immer glaubte man mir im Hinblick auf meine mit unerschütterlicher Festigkeit gewahrten evangelischen (richtiger: jesuanischen) Vorbehalte" die spezifisch synagogale Anerkennung meiner Mitgliedschaft versagen zu dürfen.

In einer erschöpfenden Denkschrift an Repräsentanz und Vorstand führte ich dann im Herbst den Nachweis, daß der Kölner Synagogengemeinde jede Berechtigung fehle, mich wegen meiner „jesuanischen" Stellung differentiell zu behandeln und forderte mit Nachdruck volle Gleichberechtigung mit den Sabbathbrechern, Schinkenessern und Kirchenklavierfreunden der Gemeinde, sowie offizielle Anerkennung dieser Gleichberechtigung durch baldigen „Aufruf zur Thorah!"

Der Repräsentanz, und vornehmlich deren vortrefflichen, durch Gerechtigkeit und staatsmännische Klugheit gleich ausgezeichneten Vorsitzenden, Sally Bielefeld, gebührt vor allem das Verdienst, diese schwierige Angelegenheit einem befriedigenden und friedlichen Abschluß entgegengeführt zu haben. In ihrer Sitzung vom 22. November beschloß sie, meine Denkschrift: dem Vorstande als ausführendem Organe der Ver waltung zur wohlwollenden Erwägung zu empfehlen".

Der löbliche Vorstand, der überhaupt grade in Köln in löblichster Weise zu lernen scheint, auf die von vielen Vorständen ohne Recht aspirierte Stellung einer „Ersten

Kammer" zu verzichten und sich gegenüber dem Gemeindeparlament in erster Linie als „Ministerium" nach dem System des Parlamentarismus zu fühlen und zu verhalten, hat dann in erfreulichster Weise seine Haltung mir gegenüber diesem Repräsentanzbeschluß accomodiert.

Und ich habe inzwischen die tiefe Genugtuung und Gewissensberuhigung erlebt, in der alten Synagoge meiner Vaterstadt ohne jedes sacrificio dell'intellettu wieder die Berochoh über die Thorah-Vorlesung sagen zu dürfen an derselben Stelle, wo ich sie als Bar-Mizwah zum ersten und leider auch letzten Mal gesagt hatte.

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Da hiernach meinem Gewissensbedürfnis in jeder Beziehung genügt ist, soll andererseits von meiner Seite nicht erneut die Saat des Mißtrauens und der Zwietracht zwischen mir und meinem Volke ausgestreut werden. Und so wie ich im vorigen Jahre unter schwersten seelischen Opfern und schmerzhaftester Selbstüberwindung in meine Vaterstadt zurückkehrte, um meine äußere Rückkehr" meiner inneren zu konformieren, jeden Zweifel an deren Ernstlichkeit und Ehrlichkeit zu zerstreuen und durch die Tat zu zeigen, daß ich fortan nur in und mit meinem Volke leben, leiden und - arbeiten will, so soll es mir eine weit leichter geübte Pflicht der Entsagung sein, alle Veröffentlichungen über Probleme jesuanischer" Färbung zu vertagen, bis das Vertrauen zu meiner erzjüdischen Gesinnung so fest und unerschütterlich steht, wie der Montblanc auf dem Erdboden!

Beseelt von dem Wunsche, einen möglichst weitgehenden Parallelismus zwischen meiner geringen Arbeit und der Gesamtarbeit meines Volkes herzustellen, werde ich deshalb zunächst solche Probleme der jüdischen Politik und Lehre behandeln, die auch weitere jüdische Kreise beschäftigen. Und hier stehen zunächst wieder die zionistischen Fragen im Vordergrunde. Die vorliegende Studie behandelt ein Grundproblem des Zionismus, dessen Behandlung und Lösung nicht länger noch in opportunistischer Zaudertaktik umgangen werden kann. Hier hilft kein Mundspitzen mehr, hier muß gepfiffen sein! Der Kundige wird klar erkennen, daß ich

hier, wie stets in meinen Schriften, mich möglichster Kürze bestrebt und durch Prägnanz der begrifflichen Formulierung die Breite professoraler Buchfabrikationstechnik, welche für das von mir gebotene Gedankenmaterial den dreifachen Umfang erfordert haben würde, entbehrlich zu machen gesucht habe.

Ich beabsichtige noch folgende zionistische Grundfragen in ähnlicher Methode zu behandeln: Renaissance, Restauration, Reformation. (- erst Juden volk, dann Judenstaat, dann Judenlehre ); die Stufenleiter der jüdischen Geschichte im 20. Jahrhundert". „Philologischer, philanthropischer, philozionischer Zionismus; die drei Grade zionistischer Gesinnung." Thoraismus und Zionismus; Moscheh Rabenu und das Baseler Programm" Zionismus und Imperialismus; Palästina als Bundesstaat im britischen Weltreich." "Gesetz betr. die Verfassung und Verwaltung des jüdischen Volksbundes; (statt eines „Organisationsstatuts" für die zionistische Partei“.) Ob, wann und wie ich diese Fragen auch auf dem Kongress in mündlicher Verhandlung werde behandeln können, überlasse ich gelassen der Bestimmung der göttlichen Vorsehung.

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Köln, 6. März 1905.
(29. Adar I)

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Moritz de Jonge.

Gegen Schluß seines Buches vom „Judenstaat" erklärt Theodor Herzl mit fast feierlichem Nachdruck: „Wir werden nie aufhören, unsere Vaterländer, aus denen wir verdrängt wurden, mit Wehmut zu lieben“ (S. 75). Dieses edle Wort, welches der bahnbrechende Urheber der jüdischen Staatsbewegung mit der Kraft des Gelübdes sprach, darf uns allen sozusagen als ,,Dogma", als zionistisches,,Glaubensbekenntnis" gelten. Allein nicht erst in Zukunft, nicht erst in fernen Zeiten, wenn auf den Zinnen der Zionsmauern die blau-rotweiße Nationalflagge unseres freien Volkes weht und die Straßen von Jerusalem widerhallen werden von den brausenden Jubelklängen unserer Nationalhymne, nicht erst in kommenden Jahrzehnten, nein! schon heute, schon in diesen Tagen ist die Liebe, die wir Zionsjuden für unsere Vaterländer empfinden, mit,, Wehmut" gemischt! Nicht erst die elegische Stimmung des Trennungsschmerzes, schon unsere heutige Doppelstellung als jüdische Volksbürger und europäische Staatsbürger erzeugt in uns eine politische Doppelstimmung, deren harmonische Gestaltung, Klärung und Beherrschung in unserem seelischen Innenleben und deren gerechte Betätigung im praktischen politischen Außenleben zu den wichtigsten Problemen der zionistischen Gegenwartsarbeit gehört. Das Problem kann, wenn es ungelöst bleibt, bei komplizierten Charakteren zu tragischen Konflikten führen, es muß bei uns allen eine ernste Quelle politischer Gewissensfragen bleiben, die sich sämtlich zu der einen politisch-staatsrechtlichen Gesamtfrage vereinigen: Wie kann der Zionsjude zugleich seine Pflichten als jüdischer Volksbürger und europäischer Staatsbürger erfüllen?

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