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sianischer Weissagung stößt, so werden ihm zugleich die einfachsten Buchstaben zu Hieroglyphen, denen er mit der Wünschelruthe rabbinischer Scheidekunst die mannigfachsten Geheimnisse oder Ideen entlockt. Wenn er z. B. die sittliche Unbescholtenheit und Güte des Judas vor seiner Berufung als Apostel schon daraus erschließt, daß Jesus die Zwölfe gesandt habe, wie Schafe unter die Wölfe, so erregt bei Auslegung von Psalm 89, 49 das Fragwort wer? seine Aufmerksamkeit. Dies gibt ihm Anlaß zu folgenden Unterscheidungen: „Das Wort wer? steht in der Schrift bald forschend, wie in dem Spruch: wer wird hinankommen zu dem Berge des Herrn? bald bedeutet es das Seltene, wie wenn es heißt: wer also ist der treue und verständige Knecht? oder das Unmögliche, wie in dem Sat: wer hat des Herrn Sinn erkannt? bald bezeichnet es das Geringangesehene, wie: wenn Gott für uns ist, wer will gegen uns sein?" Wortspiele und Wortkünfteleien der Art waren im Geschmack der Zeit. Wenn sie natürlich oft dazu führten, die Menschenfündlein klügelnder Willkür in das Wort Gottes hineinzudeuteln oder den Unterschied zwischen dem Schattenbilde der alttestamentlichen Vorbereitungsstufe und dem Vollalter der neutestamentlichen Heilserfüllung zu verdunkeln, so beruhten sie andererseits nicht minder oft auf tiefen Blicken in den Ideenreichthum des göttlichen Wortes und die Einheit der beiden Testamente. Ein gutes Theil der Anerkennung, welche die Zeit dem Auslegungstalent des Didymus zollte, galt seinem Geschick in Handhabung der Allegorie, zumal er sie möglichst in den Bahnen des Kirchenglaubens hielt. Von beiden hatte Didymus ein lebhaftes Selbstgefühl. ,,Viele, sagt er, unterfangen sich die Schrift auszulegen, aber nicht Alle reden gut. Denn sie sind selten, die von Gott die Gabe dazu haben, bei Vielen findet sich Geschwäß und Tand. Das Wort kann nicht kräftig und heilbringend sein in der Seele des Heterodoren.“

Nach Andeutungen in der Schrift über die Trinität scheint es, daß Didymus im Ehestand lebte und Familie hatte. Aber seine Grundsäße befreundeten ihn der Philosophie des asketischen Lebens, welchem er sich später völlig ergab, ohne daß er gerade die Verpflichtungen des Mönchthums übernahm. Diese Lebensstrenge, der natürliche Ausdruck eines in Gott seligen Gemüthes, erwarb ihm die besondere Verehrung des egyptischen Mönchthums und wurde Ursache, daß die Bewunderung der Zeit selbst die Wunderglorie um sein Haupt flocht. Als der gefeierte Antonius,

der Vater des Mönchthums, wie eine Erscheinung vom Himmel in Alexandrien auftrat, um dem mit Macht um sich greifenden Arianismus entgegenzuwirken, würdigte er ihn dreimal seines Besuchs und soll ihn angeredet haben mit den Worten: laß dich's nicht anfechten, Didymus, daß du der Augen des Leibes beraubt bist; du entbehrst der Augen, die auch Fliegen, Mücken und anderes verächtliche Gewürm haben; aber freue dich, daß du Augen wie die Engel hast, mit denen man Gott sieht und sein Licht aufnimmt. Während Julianus die Kirche mit neuen Verfolgungen bedrohte, saß Didymus einst, das Herz voll Sorge und außer Stande Speise zu nehmen bis tief in die Nacht auf seinem Stuhl. Unter Gebeten schlummerte er ein: da sah er in der Vision des Traumes plöglich Reiter auf weißen Rossen durch die Luft heranfliegen, mit der Nachricht, heute um die siebente Stunde ist Julianus gestorben; verkündige es dem Bischof Athanasius! Er merkte sich Tag und Stunde. Und also geschah es.

So lange Didymus lebte, kam Niemandem ein Verdacht gegen seine Rechtgläubigkeit, und so wenig er aus seinem Verhältniß zu Origenes ein Hehl machte, that dies seinem kirchlichen Ruf keinen Abbruch. Der Kirchenvater Hieronymus war der Erste, der nach seiner Weise auf das noch frische Grab den Makel der Häresie heftete. Er hatte einst im Vorübergehen dreißig Tage die Vorträge des Didymus gehört. Das allgemeine Lob des Mannes, die Fülle seines Wissens, sein milder, klarer, auf das Höchste gerichteter und doch für alles Menschliche sein empfindender Sinn ergriff auch ihn. Kaum konnte er Worte genug finden, um fortan den Ruhm des Wundergreises auszutönen. Er preist ihn nicht bloß als den gebildetsten Mann seiner Zeit, als einen apostolischen Mann nach Gedanken wie Einfalt der Rede, sondern will ihn wegen der Tiefe seiner Schriftauslegung mit den Sehern des alten Bundes verglichen wissen. Didymus, sagt er, hat mit dem Auge der Braut aus dem hohen Lied, mit den Augen, welche Jesus aufgehoben haben will auf die zur Erndte reifen Saaten, die alte Weise der Propheten erneuert, daß man ihn den Seher nennen mag. Auch andere Gebildete seiner Zunge sollten Theil nehmen an den Erkenntnißschäßen des beredten Alexandriners. Deshalb überseßte er die Schrift über den heiligen Geist in's Lateinische. Aber Hieronymus hatte einen Abgott, dem er unbedenklich die heiligsten Gefühle und Verpflichtungen zum Opfer brachte.

Es war der Ruf unbefleckter Rechtgläubigkeit, der Ehrgeiz, überall in vorderster Reihe mit denen zu stehn, welche festhielten und vertheidigten, was dem Zeitalter heilig galt. Sobald daher in den Streitigkeiten über die Rechtgläubigkeit des Origenes auch sein Vers hältniß zu dem Origenisten Didymus in Anregung kam, hielt ihn keine Rücksicht der Pietät ab, daß er nicht, veränderlich und ohne Tiefe des Charakters wie er war, über den sonst fast bis zum Himmel Erhobenen den Stab brach. Zwar daß Didymus ein Gelehrter von seltenem Wissen und im Artikel von der Trinität orthodor sei, wollte er auch jezt nicht bergen. Aber was alle Kirchen verwürfen, mochte er auch nicht durch einen solchen Lehrer als fromm und katholisch vertheidigt hören. Offenkundigster Verfechter des Origenes: das war der Absagetitel. An diesem Vorwurf ist das wahr, daß Didymus neben der Begeisterung für freie, wissenschaftliche Untersuchung und den Erkenntnißprincipien des Origenes auch einige seiner schriftwidrigen Lieblingsmeinungen mit aufnahm. Das Philosophem von dem vorirdischen Dasein der Seelen, denen die Erde als bloßes Fremdhaus, der Leib als Gefängniß zugewiesen wurde, so daß Kinder früh sterben, weil sie nicht viel gesündigt haben und deshalb den Kerker des Leibes nur zu berühren brauchten; die Lehre, daß Christus als Heiland Himmels und der Erde nicht bloß für die fündigen Menschen, sondern für alle vernünftigen Geister gestorben sei; die allgemeine Wiederbringung alles Verlorenen, wonach auch dem Teufel die dereinstige Wiederkehr zum Urquell alles Lichts und Lebens und die Seligkeit in ihm in Aussicht steht: stellen uns mitten in das Centrum des origenistischen Freiheitsbegriffs und Heilsuniversalismus. Aber auch darin schloß sich Didymus an das Vorbild seines großen Lehrers an, daß er diese Irrthümer in seinen Schriften, vielleicht ebenso in den freien Vorträgen vor der Menge nur in leisen Tönen anklingen ließ. Ueber ein Jahrhundert widerstand der Glanz seines Namens allen Verdächtigungen. Niemand wollte dem im Frieden der Kirche Entschlafenen die Ruhe des Grabes stören. Es blieb dem blinden Eifer des Kaisers Justinian I., der die Rechtgläubigkeitsfrage als eine Staatssache betrieb, vorbehalten, in das über Origenes gesprochene Verdammungsurtheil auch Didymus hineinzuziehen. Den desfallfigen Spruch der Bezirkssynode von Constantinopel (544) erneuerte der römische Bischof Martin I. (649), nach ihm die ökumenischen Synoden der griechischen Kirche.

So stand der Liebling seiner Zeit im Keßerverzeichnisse der Nachwelt. Es konnte nicht fehlen, daß dieser Kirchenfluch den Mann und seine Verdienste allmählich in Vergessenheit brachte. Die von allen Strenggesinnten verabscheuten oder beargwöhnten Schriften, die Niemand las oder abschrieb, mußten verschwinden, und es mag Gegenstand dankbarer Verwunderung sein, daß noch so viele vollständig oder in Bruchstücken sich erhalten haben. Aber der Kirchenhimmel eines Hieronymus und Justinian ist nicht das Himmelreich des selbst das glimmende Docht nicht verlöschenden Welterlösers. Der gläubige, durchweg auf das göttliche Wort in der Schrift sich gründende Sinn und die wissenschaftliche Bedeutung des Didymus find groß genug, um seine Frrungen in der Lehre in Schatten zu stellen. Die Zeiten der Kirchen waren niemals die blühendsten, wo eine engherzige, wenn schon treumeinende Frömmigkeit den Werth eines Christenlebens bloß nach dem Nichtscheit der anerkannten Glaubensformel bemaß und den Himmel aufschloß und zuschloß, je nach dem Verhältniß zu ihren Saßungen, unbekümmert um das persönlich individuelle Gemeinschaftsleben mit dem Herrn und alle Gediegenheit des aus dem Glauben wiedergeborenen Lebens. So lange die evangelische Kirche neben schriftmäßigem Glauben und Leben an der gläubigen Wissenschaft als ihren Augensternen hält, wird sie Ursache haben, dem Didymus feine Stelle unter ihren Wahrheitszeugen und Vorbildern zu erhalten. K. Semisch in Breslau, jezt in Berlin.

114. Athanasius, Bischof von Alexandrien.

2. Mai.

Eine Erscheinung wie die des großen Athanasius, des Vaters der Orthodoxie", wie ihn die Kirche nennt, kann nur im Zusammenhange mit der ganzen Zeitentwickelung gewürdigt werden, der sie angehört. Zwar ist jede persönliche Erscheinung, die wir als eine geschichtlich bedeutende bezeichnen, nur aus ihrer Zeit heraus ganz zu verstehen; inzwischen giebt es Persönlichkeiten aus älterer und neuerer Zeit, deren Charakter und Lebensgang auch folche allgemeine und rein menschliche Beziehungen darbietet, wie fie möglicherweise auch unter anderen Verhältnissen, wie sie auch heut zu Tage noch unter uns sich wiederholen könnten, während

dagegen andere in ihre Zeit so ganz verflochten sind, daß wir auch nicht den geringsten Zug ihres Bildes von dem historischen Boden ablösen können, von dem sie getragen erscheinen. Und dieses leytere ist bei Athanasius der Fall. Seine Größe wurzelt durchaus in der dogmatischen Ausgestaltung, welche die Kirche des vierten Jahrhunderts, gewiß nicht zufällig, sondern nach den ihr inwohnenden Gesezen der Entwickelung erlangt und wesentlich unter seiner Mitwirkung erlangt hat. Auf die großen ernsten theologischen Fragen, welche diese Zeit bewegten, war der Scharfsinn seines Geistes gerichtet; um ihre Entscheidung drehte sich sein Schicksal, und die Stärke seines Willens, die ihn alles Ungemach mit dem edlen Muthe eines Märtyrers ertragen ließ, kann nur von denen gewürdigt werden, welche das Gewicht jener Fragen selbst zu würdigen im Stande sind. Nicht Christum als den Sohn Gottes zu bekennen gegenüber der Vielgötterei und dem Gößendienst des Heidenthums, Angesichts der wilden Thiere und der Scheiterhausen, nicht das, wofür ein Justin, ein Ignatius, ein Cyprian bluteten, war es was ihm als das hohe Ziel vorschwebte, dem er mit unerschütterlichem Muthe entgegenging (daß man für diesen Glauben in den Tod gehen konnte, das muß jedem einleuchten, der Christum als den Heiland der Welt bekennt und liebt); sondern den rechten, den auch für den Gedanken richtig normirten d. H. den orthodoxen Glauben der Kirche zu vertheidigen gegen die mächtig sich erhebende Irrlehre, das war seine eben so schwierige, als unter den damaligen Umständen hochwichtige Aufgabe. Den einfachen Christen mag es auf den ersten Augenblick fremdartig berühren, wenn er in der Kirche einen mehr als dreihundertjährigen Kampf entbrennen sicht über Ausdrücke und Bezeichnungen des göttlichen Wesens, die für uns selbst wieder einer näheren Erklärung und Gedankenvermittlung bedürfen, wenn der Streit darüber uns nicht als ein bloßer Wortstreit erscheinen soll. Wer aber in den tieferen Zusammenhang hineinblickt, in welchem die Erörterung jener Fragen mit dem innersten Wesen des christlichen Glaubens stand, wer einsehen gelernt hat, wie von der Entscheidung derselben die spätere gedeihliche Entwickelung der Kirchenlehre abhing, der wird die hohe Bedeutung eines Athanasius und der Kämpfe, die um den Mittelpunkt seiner Person sich bewegen, nach ihrem historischen Werthe zu schäßen wissen und eben deßhalb auch seinem Lebensbilde die Aufmerksamkeit zuwenden, die wir für dasselbe in Anspruch nehmen.

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