ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

er in der That die englischen Bischöfe, welche unter Wilhelm dem Rothen sich möglichst unabhängig zu stellen gesucht hatten, allmählich wieder in die rechte Unterordnung unter den Stuhl von Canterbury zurückzuführen; selbst den Erzbischof von York nöthigte er dazu.

Aber freilich war ihm die Stärkung des kirchlichen Regiments nach Innen wie nach Außen nur Mittel zum Zwecke. Denn was ihm am Meisten am Herzen lag, war die Herstellung christlicher Sitte und Zucht im Lande. Daher drang er mit solchem Eifer von Anfang an auf die Einberufung einer Generalfynode, weil nur diese allgemeine disciplinarische Maaßregeln treffen konnte, und unter Heinrich I. im Jahr 1102, sowie später noch einmal im Jahre 1108, hatte er die Freude, eine solche zu Stande kommen zu sehen. Eine Reihe der kräftigsten Beschlüsse wurden gefaßt; der Klerus wurde wieder an seinen geistlichen Beruf erinnert und der Verwilderung der Laienwelt, die besonders die Fleischessünden, und zumal unter den Normannen, eine furchtbare Höhe hatte erreichen lassen, mit den ernstesten Strafen begegnet. Aber wohl erkannte Anselm, daß mit diesen disciplinarischen Mitteln nicht viel ausgerichtet werden würde, wenn nicht die herrschende Gesinnung eine bessere würde, und da sich auf diese nur durch das praktische Beispiel, das unmittelbare Vorbild erfolgreich einwirken ließ, so ging seine Hauptsorge auf die Reformation der englischen Klöster. Denn diese sollten nach ihm die Licht- und Lebensheerde sein, die die christliche Frömmigkeit am ,,Vollkommensten" darstellten und durch diese Darstellung bildend und erziehend auf die ,,Welt“ zurückwirkten. Den Klöstern widmete er daher die allergrößte Aufmerksamkeit, indem er ihnen nicht nur tüchtige Vorsteher zu verschaffen suchte, sondern auch selbst an der Leitung ihres innern Lebens Theil nahm, indem er von Zeit zu Zeit Hirtenbriefe an sie richtete, welche väterliche Ermahnungen, Warnungen, Rathschläge u. s. w. enthielten.

Mit der selben Treue, mit der er so als Primas das Wohl der englischen Kirche überhaupt - und nicht bloß dieser; denn der Primat von Canterbury erstreckte sich auch über Jrland, Schottland und die benachbarten Inseln auf dem Herzen trug: mit der selben Treue sorgte er für die Diöces, über die er zunächst als Bischof gesezt war: für die kentische. Fast beständig war er auf Visitationsreisen, um zu sehn, wie es in den einzelnen Parochien

"

stände, und selbst an Ort und Stelle die nöthigen Anordnungen zu treffen. Seine Hauptthätigkeit galt aber auch hier dem Kloster, welches mit der Kathedrale verbunden und die Pflanzschule für den Klerus der Diöces war, während die ältern Mitglieder das Capitel des Erzbischofs bildeten. In diesem Kloster fand er sein Bec wieder; hier schöpfte er Athem," wenn er von den weltlichen Geschäften, die die Administration der Güter des Erzstifts erforderte, müde war. Denn an solchen fehlte es freilich auch nicht, und diese gehörten mit zu dem Schwersten, was sein Amt ihm auferlegte, so daß er wohl zuweilen äußerte, er möchte lieber als Knabe im Kloster vor der Ruthe des Lehrers zittern, als auf dem Bischofsstuhle sizen. Daher war es ihm eine Erholung, wenn er mit den jungen Leuten im Kloster verkehren, oder gar „in einen stillen Winkel des Zimmers sich zurückziehn“ und — meditiren konnte. Denn das Nachdenken über die Wahrheiten des Glaubens blieb ihm immer die liebste Erholung, und als Frucht desselben gab er auch jezt noch von Zeit zu Zeit ein theologisches Werk heraus.

Desgleichen blieb er fortwährend der ascetischen Lebensweise getreu, die ihm seit seiner Klosterzeit zur andern Natur geworden war. Eben diese rieb ihn aber auch mit der Zeit auf. Denn in Folge der häufigen Fasten und Wachen stellte sich allmählich eine krankhafte Schlaf- und Appetitlosigkeit ein, die zuweilen mit Fieberschauern verbunden war. Einen sehr bedenklichen Anfall erlitt er bereits im Jahre 1106, dem 73sten seines Lebens; dieser wiederholte sich im Frühjahr 1107 und schwächte ihn so, daß er seine Reisen nicht mehr zu Pferde machen konnte, sondern sich in einer Sänfte tragen lassen mußte. Eine dritte Erkrankung im Juli 1108 brach vollends seine Kraft. Alle Speisen wurden ihm zum Ekel; er mußte sich Gewalt anthun, etwas zu essen. So siechte er langsam hin, bis er endlich im Frühjahr 1109 so schwach wurde, daß er sich in die Kirche auch nicht einmal mehr tragen lassen konnte. Still lag er seitdem auf seinem Bette und richtete mit gebrochener Stimme an Jeden, der ihn besuchte, Worte frommer Ermahnung. Am Palmsonntage äußerte Einer von Denen, die um ihn waren, es scheine, daß er Ostern dießmal am Hofe eines andern als seines irdischen Königs und Herrn feiern solle. So scheint es,“ erwiederte er, und ich werde gern seinem Rufe folgen; doch würde ich es auch dankbar annehmen, wenn er mich noch eine Zeit

[blocks in formation]

lang bei euch lassen und mir eine Frage zu lösen gestatten würde, die mich jest lebhaft beschäftigt: über den Ursprung der Seele." ,,Könnt' ich nur etwas genießen," sezte er hinzu,,,ich würde wieder gesund werden; denn abgesehen von der äußersten Schwäche, fühle ich keinen Schmerz.“ Aber schon am Dienstag Abend konnte man ihn nicht mehr verstehn, wenn er sprach; so erstorben war seine Stimme. Da bat ihn der Bischof Radulf von Rochester, ob er nicht noch einmal seinen gegenwärtigen und übrigen Kindern, dem Könige und der Königin, sowie dem Volke des Landes, das unter seiner geistlichen Aufsicht gestanden, Segen und Absolution_ertheilen wolle. Sofort richtete er sich auf, machte mit der Rechten das Kreuzeszeichen und senkte dann das Haupt auf die Brust. Nach Mitternacht, als die Brüder in der Kathedrale die Frühhoren anstimmten, nahm Einer von Denen, die um ihn wachten, das Evangelienbuch und las ihm daraus den Passionstert vor, der an diesem Tage zur Messe gelesen zu werden pflegte. Als er zu den Worten gekommen war: „Ihr aber seid es, die ihr beharrt habt bei mir in meinen Anfechtungen, und ich will euch das Reich bescheiden, wie mir's mein Vater beschieden hat, daß ihr essen und trinken sollt über meinem Tisch in meinem Reich“ (Luc. 22, 28-30.), fing Anselm langsamer zu athmen an, und mit Anbruch der Morgenröthe, am Mittwoch vor Ostern, den 21. April 1109, entschlief er, um in das Reich einzugehn, welchem schon hienieden seine Seele angehört und sein Wirken gegolten hatte.

F. R. Hasse in Bonn †.

221. Hugo von St. Victor.

11. Februar.

Die Schule von St. Victor (seit d. J. 1108) war die Pflanzstätte und längere Zeit die Trägerin einer Auffassung des Christenthums und einer Weise der Lehre, die zu den edelsten Erscheinungen des germanisch-christlichen Mittelalters gehört, ja zu den reformatorischen Bestrebungen vor der Reformation gezählt werden. kann. Wenn nehmlich sonst auf dem größten Theile der theologischen Arbeit dieser Zeit der Bann der entschiedensten Einseitigkeit lag, so suchte diese Schule eine tiefere Einheit. Es lassen sich die verschiedenen Richtungen, wie sie namentlich in der Zeit des wirk

[ocr errors]

samen Eintretens dieser Schule ausgebildet waren, in der Kürze folgendergestalt zeichnen. Zuerst die rein positive Richtung, welche an aller Fähigkeit verzweifelnd die Theologie selbst zu gestalten, unverändert die gleichsam träge Masse der Kirchenlehre aus den gewohnten Quellen (nicht sowohl heilige Schrift, als Tradition, Concilienschlüsse und Schriften der Väter) schöpfte, nur wiedergab, was gegeben war, und mit peinlicher, kezerrichterischer Strenge darauf hielt, daß nichts anderes und nichts mehr gelehrt würde, als gelehrt war. Eine freiere Bewegung, ein theologisches Denken, regte sich bei den sogenannten Scholastikern. Sie faßten den Inhalt mit dem Verstande auf, suchten Einsicht, Begriff im positiven Glauben: allein es läßt sich von ihnen nur sehr theilweise sagen, daß sie wirklich in und aus dem Glauben dachten; die meisten verfielen, weil sie nur von außen an den kirchlichen Inhalt heran kamen und mit größtentheils fremden Verstandesmitteln ihn in einige Bewegung zu sehen suchten, in leere Grübeleien und Spitfindigkeiten.

Dagegen faßten nun die Mystiker in der durch die Scholastik unbefriedigten Sehnsucht des frommen Herzens die Religion wiederum nur mit dem Gefühl und der Phantasie auf, und dadurch gehoben, meinten sie, sich der Glaubensobjekte nicht etwa nur mittelbar durch den Verstand, wie die Scholastiker, sondern unmittelbar durch Anschauung und Empfindung bemächtigen zu können. Jene scholastische Erkenntniß ist nach ihnen in Wahrheit gar nicht möglich, und darum der Versuch schädlich dem wahren. Leben. Aber sie sahen nicht, daß sie sich in ihrer mystischen Versenkung meist eben so weit vom wahren Leben entfernten wie jene, nur auf andere Weise. Endlich zeigt sich noch eine vierte Richtung, die Praktiker. Sie faßten Alles mehr von der praktischpopulär-erbaulichen Seite auf, und hielten sich vornehmlich an eine Bibelerklärung in diesem Sinne. Diese Richtung war freilich erquickender Thau in der Wüste. Wenn bei den Grübeleien der Scholastiker und den Ueberspannungen der Mystiker das Volk mit seinem Bedürfniß meist leer ausging, so drang sie dagegen einfach auf Leben, That und Liebe, und gab und förderte sie. Aber auch diese schöne Blüthe verkümmerte zum Theil in der allgemeinen Einseitigkeit der Zeit; denn sie ward durch den Gegensay verleitet, der Wissenschaft als solcher doch zu wenig Recht und Würde widerfahren zu lassen, und bei ihren Leistun

gen allzuviel auf bloße Erbaulichkeit und biblisch-populäre Form zu geben.

In der Schule von St. Victor nun bildete sich eine Art von Vereinigung dieser auseinander gehenden Bestrebungen; und Hugo war es, der zuerst diese Ineinsbildung zu einer Macht in der Zeit erhob, auf welcher ein großer Segen ruhte und die, später mit noch anderen Elementen verbunden, bis in die Reformation hinein gewirkt hat. Wie sich Hugo diese Vereinigung dachte, spricht er am kürzesten in folgenden Worten aus:,,Es giebt drei Klassen von Glaubenden. Einige glauben nur in einfach frommer Hingebung, ohne sich mit der Vernunft Rechenschaft darüber zu geben, warum etwas geglaubt oder nicht geglaubt werden müsse. Andere sind sich der Vernunftgründe ihres Glaubens bewußt (durch welche zugleich, wie an einigen Beispielen gezeigt wird, Ungläubige und Häretiker widerlegt werden können). Noch Andere fangen in Reinheit des Herzens schon innerlich an zu schmecken, was sie glauben. Bei der ersten Klasse ist allein Frömmigkeit der Glaubensgrund; bei der zweiten kommt noch die vernunftgemäße Ueberzeugung hinzu; bei der dritten giebt die Reinheit der Anschauung die volle Gewißheit. Der Geist nehmlich durch Vernunftgründe gestärkt und gehoben, gelangt zu höherer Glaubensinnigkeit; durch diese aber wird er so gereinigt und geheiligt, daß er nun im Herzen schon gewissermaßen zu kosten und zu schmecken anfängt, was er in seiner Glaubensgluth gern deutlich schauen möchte. Und so wird denn das reine Herz durch unsichtbare Zeichen und durch geheimen und vertrauten Umgang seines Gottes täglich sicherer und gewisser gemacht, so daß er ihn nun schon fast in der Anschauung gegenwärtig zu haben anfängt, und auf keine Weise mehr vom Glauben und von der Liebe zu ihm abwendig gemacht werden kann, wenn auch die ganze Welt in Wunder sich verkehrte." Man bemerkt, wie in den leßten Worten. jene erstgenannten drei Klassen in das Leben Eines Individuums zusammen gehen. In demselben Sinne sagt er: „Die Wahrheit kommt nicht ohne die Tugend; und wenn sie ohne dieselbe zu kommen scheint, so kommt sie nicht aus der Gegend her, wo das Heil ist." ,,Wo die Liebe ist, da ist auch Licht, und der ist nicht in der Liebe, der in der Finsterniß des Irrthums umhertappt. Denn wer die Liebe hat, der sieht klar und sicher, und nimmt nicht übereilt an, was er nicht siehet. Wer aber ohne die Liebe vor

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »