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des Schriftstellers so wenig bei seinen Werken verläugnet werden dürfe, daß diese vielmehr ohne dieselbe nie zu hoher Bedeutung gelangen könnten. Er fand daher das Streben nach Originalität, welches die Litteratur-Briefe ihm zum Vorwurf gemacht hatten, vollkommen gerechtfertigt, und er erklärt: „Von der Schuldigkeit, ein Original zu sein, soll mich nichts abschreden.") Aber, wird man vielleicht einwenden, leidet darunter nicht die Objectivität der Darstellung? Man darf nur die bedeutendsten Schriftsteller aller Jahrhunderte in's Auge fassen, um diese Befürchtung ungegründet zu finden. Wie verschiedenartig war nicht ihre Begabung, nicht nur dem Grade nach, sondern auch hinsichtlich ihrer hervorstechenden geistigen Eigenschaften. Wenn Hamann z. B. von den großen Geschichtschreibern des Alterthums spricht, so bemerkt er, daß, unbeschadet ihrer Meisterschaft, die Gabe zu erzählen sehr mannigfaltig sei. Jean Paul macht die richtige Bemerkung: „Die großen Prosaisten sind einander unähnlicher, als die großen Lyriker; z. B. die Prosaisten Herodot, Xenophon, Thucydides, Plato, Cicero, Cäsar, Tacitus oder gar der deutsche Lessing, Winkelmann, Hamann, Goethe, Jacobi, Wieland." Doch trieb Hamann die Identität des Autors und Menschen nicht auf die Spize. Er gesteht vielmehr: „Alle praktischen Vergehungen eines Autors gegen seine eignen Grundsäge, wenn selbige richtig und zuverlässig, find meines Erachtens Menschlichkeiten, bisweilen Nothwendigkeiten, vielleicht gar Tugenden, falls er wie jener ungerechte, aber kluge Haushalter damit zu wuchern weiß, und können daher eben nicht ganz verdammt werden." Die Hauptsache war indeß Hamann der Plan, die Dekonomie des Styls, das Decorum, „das große Meisterstück, wie Milton sagt, das ein Autor und Kunstrichter zu beobachten hat. Dies Decorum, fügt Hamann hinzu, ist vielleicht auch die Seele der Action, die Demosthenes so sehr erhob." Ihm schwebte mitunter ein Plan vor

1) Schr. III. 195.

der Seele, dessen Umfang ihn oft erschreckte. Ein Plan, kein impromptu, war seiner Ansicht nach das Licht, das dem Autor bei der Ausführung seines Werkes leuchten müsse, wenn er nicht auf Irrwege gerathen wolle. Darum sagt er in einer Note zu Buffon's berühmter Rede über den Styl: „Ueberhaupt find alle Phänomene des Styls mehr subjective als objective Verhältnisse, welche sich ohne die Oekonomie des Plans eben so wenig als Farbe ohne Licht schäßen lassen; denn das künstlichste und nüchternste Gefühl eines Blindgebornen bleibt bei einer differentia specifica der Oberfläche stehen und diese Heterogeneität eines einzigen Uebergriffs verfälscht das ganze System seiner optischen Urtheile, ohne daß er den Grund seines Irrthums zu erkennen, geschweige zu verbessern im Stande ist. Das Licht der Wahrheit liegt also im anschauenden Auge und die Offenbarung der Gegenstände geschieht durch einen unmittelbaren Actum gesunder Empfänglichkeit, der nach ähnlichen Gesezen den Plan der Mittheilung außer sich vollbringt.“ Hamann redet an andern Stellen von Schriften, die schon im Zuschnitt verdorben find, die daher durch keine Aenderung verbessert werden können. Seine Meinung ist: Unsere Individualität müsse in jede Periode und jedes Punctum wirken." Wie die Individualität Hamann's in dieser Beziehung aufzufassen sei, darüber giebt uns folgende vortreffliche Stelle aus Goethe's Dichtung und Wahrheit Aufschluß: „Das Princip, auf welches die sämmtlichen Aeußerungen Hamann's sich zurückführen lassen, ist dieses: Alles was der Mensch zu leisten unternimmt, es werde nun durch That oder Wort oder sonst hervorgebracht, muß aus sämmtlichen vereinigten Kräften entspringen; alles Vereinzelte ist verwerflich. Eine herrliche Marime! aber schwer zu befolgen. Vom Leben und Kunst mag sie freilich gelten; bei jeder Ueberlieferung durch's Wort hingegen, die nicht gerade poetisch ist, findet sich eine große Schwierigkeit: denn das Wort muß sich ablösen, es muß sich vereinzeln, um etwas zu sagen, zu bedeuten." Man muß dieser Ansicht Goethe's unbedingt beipflichten,

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wenn man sie auf Hamann beschränkt, wenn dessen Streben dadurch charakterisirt werden soll. Indessen geht er gewiß zu weit, wenn er behauptet: „Da nun aber Hamann ein für allemal dieser Trennung widerstrebte, und wie er in einer Einheit empfand, imaginirte, dachte, so auch sprechen wollte, und das Gleiche von andern verlangte; so trat er mit seinem Styl und mit allem, was die andern hervorbringen konnten, in Widerspruch." Dies leßtere ist gewiß irrig, und darin liegt ohne Zweifel nicht der Grund, weshalb er mit vielen seiner Zeitgenossen in Widerspruch trat; er erkannte vielmehr manche Leistungen als gelungen und ihm völlig zusagend an, deren Verfasser dieser seiner für ihn als maßgebend anerkannten Maxime nicht gehuldigt hatten. Er war weit davon entfernt, jedem andern das als Regel aufzudringen, was er für sich vielleicht als Norm erkoren hatte. Das litt seine Achtung nicht, die er der freien Entwicklung einer jeden Individualität zollte. Ja, er wurde nicht selten irre an sich selbst, ob er auch auf dem rechten Wege sei, und war dann geneigt, das für bloße Manier anzusehn, was aus seinem tiefsten Innern entsprungen und seiner Natur und Bestimmung durchaus gemäß war. Er klagt: „Alle meine Unordnungen fließen zum Theil aus einem Ideal von Ordnung, das ich niemals habe erreichen können und doch nicht aufgeben fann aus der verderbten Maxime, die in meinen Fibern liegt. Lieber nichts als halb“ oder wie er es gegen Jacobi ausspricht: Aut Nihil aut Пlav. Er wird also nicht, was er als seinen herkulischen Kräften unerreichbar erkannte, andern zur einzigen Richtschnur vorgezeichnet haben. Professor Kraus hat uns eine merkwürdige Aeußerung Hamann's mitgetheilt. Er sagt: „Ich verstehe jeßt unsern sel. Hamann, der oft zu sagen pflegte, was ich sonst nicht so ganz verstanden: Schriftsteller schreiben nicht, was sie wollen und noch weniger, was sie sollen, sondern was fich schreiben läßt, und vieles wird nur geschrieben, weil es nur so sich schreiben läßt.“

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Sollte hiedurch nicht die eigenthümliche Schreibweise Ha

mann's ihre Erklärung finden? Es war eine Prophetenstimme, die in der Wüste erscholl, die bald holde, liebliche Worte voll Balsam und Stärkung für die Mühseligen und Beladenen sprach, bald Donnerworte voll niederschmetternden Ernstes gegen die Feinde der Wahrheit schleuderte. Dabei stehen ihm alle Waffen zu Gebot, die sich nur in der Rüstkammer des menschlichen Geistes auffinden lassen.

Weil nun die Kenntniß der Persönlichkeit des Schriftstellers eine so wesentliche Beihülfe zum tiefern Verständniß seiner Werke gewährt, ist uns dieselbe bei den hervorragendsten unter ihnen so höchst interessant. Wir sind durch Hamann's Schriften in den Stand gesezt, uns nicht nur hierüber genügende Auskunft in Betreff seiner zu verschaffen, sondern wir erfahren auch zugleich daraus die Entwickelung seiner schriftstellerischen Thätigkeit in einer Weise, wie dies bei andern großen Autoren selten der Fall ist. Er bespricht in seinen Briefen nicht nur die von ihm wirklich vollendeten Schriften, sondern auch solche, welche nicht so weit gediehen sind, die ihn aber längere Zeit beschäftigt haben. Hiemit verknüpft er dann nicht selten die lehrreichsten Betrachtungen über Conception und Ausführung solcher Arbeiten überhaupt. Sie sind meistens durch derben Humor gewürzt, wobei er sich selbst am wenigsten schont. Wir können uns nicht versagen, einige dieser Aussprüche, welche zum Theil den noch nicht gedruckten Schriften und Briefen entnommen sind, so wie fie uns gerade aufstoßen und daher mit einander nicht in Verbindung stehen, mitzutheilen:

b) Stellen aus Hamann's gedruckten und ungedruckten
Schriften als Beleg des Gesagten.

Mit blinzenden Begaffern und Beguckern, welche Schriftsteller für peripatetische Bäume1) ansehn, mußte ich in ihrer eignen, 1) Marc. 8, 24.

mir gegebenen, ästhetischen Sprache reden, doch mit dem Unterschiede, daß ich den Merkmalen ihrer dürren Fasern bessere Merkmale eines saftigen Holzes, ihren kahlen, unfruchtbaren, zweimal erstorbenen1) Bäumen solche entgegenseßte, die am Bache gepflanzt sind, deren Waffer aus dem Heiligthum fließt, deren Frucht zur Speise dient, und ihre unverwelklichen Blätter zur Arznei und Gesundheit der Völker2).

"Jede Handlung ist außer ihrer ursprünglichen, natürlichen, materiellen, mechanischen, eigenthümlichen Beziehung noch mancherlei figürlicher, formeller, tropischer und typischer Bedeutungen fähig, welche zwar eben so wenig als die Absichten und Gesinnungen des Handelnden begucket und betastet werden können, aber wie alle intellectuellen und moralischen Eindrücke keiner Mittheilung noch Fortpflanzung ohne sinnlichen Ausdruck empfänglich sind. Folglich machen auch die Absichten und Gesinnungen eines Schriftstellers die typische Bedeutung seiner Autorhandlung aus oder offenbaren sich durch die Einkleidung oder den Ausdruck seiner Gedanken 3)."

Hamann spricht von seiner Miniatur-Autorschaft und bemerkt scherzend an einer andern Stelle: Die Eitelkeit ist eine bei der allerkleinsten Autorschaft so unvermeidliche Schwachheit.

Der Titel ist mir das Gesicht und die Vorrede der Kopf, bei dem ich mich immer am längsten aufhalte und beinahe physiognomisire.

Sie wissen, liebster Herder, daß es mir wie den Hennen geht, wenn sie Eier legen wollen, und ich es Ihnen gewiß würde anvertraut haben, wenn es auch so klein wie ein Ameisen-Ei gewesen wäre. Es geht meiner verwelkten Muse nicht mehr nach der Weiber Weise.

Ist mein Scheblimini so glücklich, gehört und, wie ich hoffe, verstanden zu werden, so werde ich von meiner elenden Autor

1) Judas 12. 2) Ezech. 47, 12.

3) Vergl. Schr. VII. 89 und VIII. 368.

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