ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

selben. Dadurch wird es möglich, seine sämmtlichen Schriften, sie mögen aus einer frühern oder spätern Zeit herrühren, zu benußen, um sich ein vollständiges Bild seiner Denkweise und seiner Ansichten zu entwerfen. Man stößt auf kein Schwanken, auf keine Widersprüche. Wohl findet man Gedanken, die in seinen frühern Schriften nur erst leise angedeu= tet wurden und gleichsam im Keim sich zeigten, in den spätern zu herr= licher Entfaltung gediehen, und diese Wahrnehmung ist für den Forscher ungemein interessant und anziehend.

Seine Schriften haben wie der Magnet einen negativen und einen positiven Pol. Beide stehen in so engem Zusammenhang mit ein= ander, daß eine Scheidung unmöglich ist. Der negative Pol besteht in der Polemik, womit er die Ansichten seiner Gegner bekämpft, und da dies sehr häufig durch Ironie geschieht, so läßt sich daraus mittelbar auf seine eigene Meinung zurückschließen. Man würde sich also dadurch, daß man diesen Bestandtheil ausschiede, eines Hülfsmittels zur Erfor= schung seiner eignen Ansicht berauben. Der positive Theil seiner Schriften enthält dagegen eine so entschiedene Darlegung seiner Gedanken, daß wir dadurch vor allem Mißverständniß gesichert sind. Daher kann man der Behauptung Jacobi's, daß dieses Positive in Ironie nicht bloß verhüllt, sondern darin vergraben und damit umgraben sei," nicht unbedingt beistimmen.

Er geht häufig nicht direct auf die Behauptungen seiner Gegner ein, sondern widerlegt nur die Principien, aus denen sie geflossen sind, es dem einsichtigen Leser überlassend, davon die gehörige Anwendung zu machen.

Goethe bemerkt, als ihm Rahel'e Liebe zu ihm mitgetheilt wurde: „Es ist mir doppelt lieb, denn es ist bei ihr keine allgemeine Idee, fie hat sich jedes Einzelne deutlich gemacht. Eine allgemeine Idee beweist größtentheils, daß wir unsere Würdigung des Dichters aus der Mei„nung anderer nehmen; haben wir uns aber jedes Einzelne deutlich ge= ,,macht, so zeigt das natürlich, daß wir selbst rein empfunden und deutlich gedacht haben." Was hier von Dichtwerken gesagt ist, gilt auch von Ha= „mann's Schriften, und hierin liegt gewiß der Grund der vielen schiefen

Urtheile über die leztern. Hätte Hegel z. B. Hamann besser im Einzelnen verstanden, er würde sich gewiß gescheut haben, so manche triviale Urtheile einem Mendelssohn nachzusprechen. Wie wenig er aber Hamann verstanden hat, sieht man hauptsächlich daraus, daß ihm bei Besprechung der Metakritik über den Purismum der reinen Vernunft, einer Schrift, die recht eigentlich in sein Fach gehört, und der er in gewisser Hinsicht seine Bewunderung nicht versagen kann, sein Schüler ihm die auffallendsten Blößen nachweist.') Man kann daher von ihm sagen, von allen Schriften Hamann's habe er die Metakritik am besten verstanden, aber auch diese habe er bedeutend mißverstanden. Hegel urtheilt über die Kreuzzüge des Philologen: sie seien eine Sammlung von einer Menge „kleiner unzusammenhängender Auffäße, deren die meisten sehr unbedeu„tend, darin doch einige Perlen sind." Sollte der große Kritiker wohl mehr als den Titel und die Inhaltsanzeige davon gelesen haben? Je nachdem man den Respect vor seinem Urtheile oder vor seiner Moral zu retten wünscht, wird man diese Frage bejahen oder verneinen müssen.

Wenn der Biograph sich vorgesezt hat, ein vollständiges Bild sei= nes Helden zu entwerfen, nicht einzelne, der großen Menge der Leser mehr zusagende Seiten desselben, wie dies z. B. bei den meisten Biographien Goethe's2) geschehen ist, hervorzuheben; so hat er namentlich hinsichtlich der Form viel größere Schwierigkeiten zu überwinden. Ihm soll dann „die Wahrheit nicht bloß zur Folie dienen, wie bei dem Spiegel oder durchsichtigen Stein, als Vehiculum der Schönheit," wie Ha= mann sagt, sondern sie ist ihm die Hauptsache. Er darf den gegebenen Stoff nicht nach Belieben erweitern oder beschneiden, wie dies dem Nomanschreiber erlaubt ist, der sich nur von künstlerischen Rücksichten leiten läßt. Dieser darf z. B. die Zahl der Personen, welche mit seinem Helden in Berührung kommen, nach seinen Intentionen bestimmen.

Der Biograph bewegt sich in gegebenen Verhältnissen und ihm ist daher alle Willkür in dieser Beziehung untersagt. Wollte man ihm dar

1) S. Hamann's Leben u. Schriften. I. 73. ff.

2) Selbst die durch manche Vorzüge sich auszeichnende Lebensbeschreibung Goethe's von dem Engländer Lewis leidet an diesem Mangel.

aus einen Vorwurf machen, daß er seine Helden mit zu vielen oder mit zu wenigen Nebenpersonen umgeben oder in Berührung gebracht habe, so würde man dadurch seine Unkunde der von dem Biographen zu lösenden Aufgabe verrathen. Wollte man ihn aber gar deswegen tadeln, daß er denselben als die Hauptperson in den Vordergrund treten läßt, so wäre das eine so offenbare Absurdität, daß sie keiner Widerlegung bedarf.

Das menschliche Leben ist kein Rechenerempel. Die Begebenheiten desselben folgen sich oft in so wunderbarer Ordnung einander, daß uns aller Zusammenhang, wenn wir nicht das Allgemeine in's Auge fassen, schwindet, und sie einem blinden Ungefähr ihre Entstehung zu verdanken scheinen. Es ist gewiß nicht des Biographen Pflicht, hier künstliche Verbindungen und Uebergänge, die aber nur in seinem Gehirn existiren, zu schaffen. Er würde darüber in Gefahr kommen, die Thatsachen nach sei= nem Zwecke zu modeln und zu entstellen. Wo solche Unebenheiten gar zu geflissentlich ausgeglättet sind, entsteht leicht der Verdacht, daß uns statt eines Naturproductes ein Phantasiebild geboten wird. Quam multa fieri non posse, priusquam facta sunt, judicantur! sagt schon Plinius. Ein höherer Zusammenhang läßt sich, wenn er auch nicht gerade in Augenschein genommen d. h. „begucket und betastet" werden kann, wenigstens ahnen.

Es giebt Leser, welche von der Dunkelheit Hamann's oder ihrer vorgeblichen Unvermögenheit, ihn zu verstehen, einen eben so schlauen Gebrauch machen wie einige Harthörige von ihrer Harthörigkeit. Bei diesen will man bemerkt haben, daß bei Dingen, die ihrem Ohre schmei= cheln, die Harthörigkeit oft auf eine wunderbare Weise sich verliert, während sie für andere Gegenstände so taub sind, daß man glauben sollte, kaum ein Kanonenschuß könne ihnen das Gehör öffnen.

Sonderbarer Weise scheint eine gewisse Claffe von Lesern der Schriften Hamann's eine Abneigung gegen eine zu detaillirte Erläute= rung derselben zu empfinden. Dies hat vermuthlich einen ganz subjec= tiven Grund. Sie lieben es, ihre eignen Gedanken in das magische Gewand seiner Einkleidung zu hüllen in denen sie sich denn oft für

den Kundigen sehr possirlich ausnehmen

um dieselben unter dieser

Firma besser in Cours zu sehen. Daher ist es ihnen unangenehm, wenn durch zu scharfe Beleuchtung ihre Verkleidung offenbar und ihnen wohl gar die Löwenhaut abgestreift wird.

Eine andere Classe findet Hamann's Einkleidung dem Gedanken nicht angemessen oder wohl gar barock. Sollten diese Tadler sich wohl immer des Gedankens in seinem ganzen Umfange bemächtigt haben? denn erst dann sind sie zu einem solchen Urtheile competent. Der Unterzeichnete muß gestehen, daß da, wo ihm dies gelungen ist, er wenigstens eine solche Harmonie zwischen Materie und Form, zwischen Sache und Ausdruck gefunden hat, daß beides ein unzertrennliches, weder zu ver= mehrendes noch zu verminderndes Ganzes bildete.

Manche Perioden stehen da, wie aus Erz gegossen, und andere dagegen, die mehr andeuten, als scharf ausgeprägte Ideen mittheilen sollen, gleichen dem ersten Frühlingslaube, das im säuselnden Hauche des Windes spielt, und uns eine liebliche Vorahnung giebt der Pracht, die aus ihm erblühen wird.

Man hat nicht bedacht, daß meistens der Tadel, den man über Hamann's Schriften ausgesprochen hat, nicht ihn trifft, sondern seine Zeit. Hätte diese seinem Genius, statt ihn niederzudrücken und zu lähmen, durch Empfänglichkeit und einsichtigen Beifall Flügel verliehen, wer weiß, wie viele noch herrlichere Gaben wir ihm jezt zu danken hätten! Doch soll uns dies den Genuß der empfangenen nicht verbittern.

Die Mitwelt hat sich an diesem hohen, edlen Geist schwer versün= digt; säumen wir nicht, so viel in unsern Kräften steht, diese Schuld zu fühnen. Auch er verdient und zwar mit größerem Rechte den Nachruf, den der große Dichter einem Vorkämpfer widmet, der auf politi= schem Gebiet1) dieselbe Rolle spielt, die Hamann auf literarischem zu Theil ward:

„Edler Mann! Edler Mann! Wehe dem Jahrhundert, ,,das dich von sich stieß!"

„Wehe der Nachkommenschaft, die dich verkennt!“

1) Vergl. S. 266.

Der Verfasser.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »