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allein im vollen Lichte der Geschichte vollzieht, sondern der von ihm auch mit solchen Gedanken und Worten zum Ausdruck gebracht wird, die den Denkern unserer Tage durchaus verständlich sind, für diesen Kampf, den Aristoteles schon bei seinen frühesten Vorgängern von einem Thales an vermutet, hat tatsächlich erst die Naturwissenschaft der Neuzeit die rechten Waffen, die gesetzmäßig formulierbare Ausdrucksweise gefunden.

Es sind also die niederen Stufen, wie das auch vorhin behauptet wurde, mit einer auf höhere zugeschnittenen Urteilsmethode nicht richtig abzuschätzen. Die Beurteilungsmethode muß sich den verschiedenen Entwicklungsmethoden anpassen.

Eine gewisse Gerechtigkeit läßt Aristoteles diesem Gesetze widerfahren. Sein Urteil ist nicht ungeschichtlich, wenn er zur thaletischen Zeit schon stark ausgeprägtes Streben nach Vereinheitlichung vermutet. Um so weniger, als er auf den Unterschied zwischen damaliger und seiner Zeit hinzudeuten weiß, indem er für die älteren Philosophen bemerkt, daß sich die meisten von ihnen die Prinzipien aller Dinge nur in stoffartiger Gestalt vorstellen konnten.

Aristoteles war schon zu sehr Naturforscher, um sich noch ganz in den Gedankenkreis des thaletischen Zeitalters versetzen zu können. Da er gerade das an Thales hervorhebt, was schon wiederholt vor ihm gesagt worden, sehen wir uns vor die Frage gestellt: lassen wir Thales als selbständigen Philosophen ganz fallen oder suchen wir seine philosophische Bedeutung an anderer Stelle, wie Aristoteles z. B. in I, 3 seiner Methaphysik?

Betrachtet man daselbst den Abschnitt, den Aristoteles der thaletischen Philosophie widmet, genauer, so bemerkt man in seinem Berichte etwas wie Verlegenheit. Er redet da wohl von den > philosophischen Untersuchungen des Thales hinsichtlich der Zahl und Beschaffenheit materieller Prinzipien. Er weiß aber nur zu sagen, Thales habe das Prinzip im Wasser gesucht und den Satz aufgestellt, die Erde sei auf dem Wasser. An Stelle der thaletischen »philosophischen Untersuchungen gibt er seine eigenen. Die bereits vorthaletische Ansicht dagegen von Okeanos und der Thetis, ebenso vom stygischen Wasser versteht er historisch-philosophisch gar nicht auszubeuten. Hätte dies Aristoteles getan, so brauchte er nicht aus seinem Wissen heraus dem Thales philosophische Gedankengänge anderer Art unterzuschieben.

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Gerade Aristoteles stellt wie von andern so auch von Thales1) fest, daß dereinst ein solches Urprinzip in stoffartiger Gestalt vorgestellt wurde. Er wirft dann ferner die Frage auf2), ob das unbewegliche Sein aus einer solchen physikalischen Vorstellungsweise nicht als etwas Besonderes auszuscheiden sei, und meint, das müsse sogar der tun, der unbewegliches Sein annimmt. Ein solcher Philosoph verlöre nach diesem Einwande des Aristoteles also gerade die Berechtigung zu sagen: alles ist aus Wasser oder Feuer oder Erde entstanden, d. h. die Berechtigung, alles aus einem Urprinzip herzuleiten, und gerade so hatte

auch der Mythos 3) denselben Gedanken verwertet.

Diese aristotelische Auffassung führt uns also unmittelbar dazu, jene alte Bearbeitungsmethode, die bisher auf die älteren griechischen Philosophen vorherrschend angewandt wurde, noch mehr als bisher vor der Einseitigkeit zu bewahren, griechische Denker nur aus andern griechischen Denkern heraus begreifen zu wollen.

Diesen Fehler macht auch noch Nietzsche, dem wir dagegen das Verdienst, auf den Wert individualpsychologischer Behandlung der ältesten Denker aufmerksam gemacht zu haben, nicht schmälern wollen. Fehler und Verdienst scheinen hier derselben Quelle zu entspringen.

Kapitel VI.

a.

Nietzsches Darstellungen machen den Eindruck eines bunten Durcheinanders. Weiß man nicht, wie er überhaupt die Vorsokratiker behandelt hat, so bleibt seine Auffassung des Thales ganz unverständlich. Daher erst einiges über diese Art der Darstellung! Sie zeigt keinen geordneten Zusammenhang. Kapitel mit Überschriften von Thales bis Sokrates und eigentlich doch Aphorismen! Das Ganze verrät anekdotenhaften Charakter. Sokrates der große Sündenbock. Bald wird bei der Behandlung dieses, bald jenes Philosophen ohne ersichtlichen Grund gegen ihn gewettert. Es gehört gleichwohl zum Verständnis des Vorsokratikerproblems,

1) Metaphysik. I, 3.

2) Ebenda. VI, 1.

3) Vgl. Preller, Griech. Mythologie, außer andern Stellen S. 756 ff. : Poseidon erzeugt mit der Styx Persephone, die Göttin der Fruchtbarkeit!

gerade ihrem psychologischen Werte nach diese Beurteilung kennen zu lernen, welche jene Philosophen durch Nietzsche erfahren haben. Es liegt in dieser Beurteilung schließlich doch ein nicht zu unterschätzender Kern.

b.

Neben maßloser Verehrung der Vorsokratiker

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oder wie

Nietzsche sagt: der Vorplatoniker < 1), der ewigen Typen< steht eine tiefe Verachtung der kraftlosen, ungesunden Späteren, der >Decadence<-Typen. Hier Überschätzung, dort Unterschätzung, auf die Spitze getriebene Urteile!

Urteile, gefällt aus Nietzsches Meinung heraus, daß die Philosophie nur für die Gesunden dasei. >Helfend, rettend, vorschützend kann sie sich bei Gesunden äußern; die Kranken machte sie stets noch kränker < 2). Die Griechen bis zu Sokrates hin gelten ihm nun als die wahrhaft Gesunden<. Sie haben ein für allemal die Philosophie selbst gerechtfertigt, dadurch, daß sie philosophiert haben; und zwar viel mehr als alle andern Völker. Sie konnten nicht einmal zur rechten Zeit aufhören; .... Dagegen haben die Griechen es verstanden, zur rechten Zeit anzufangen, und diese Lehre, wann man zu philosophieren anfangen müsse, geben sie so deutlich wie kein anderes Volk. -Im Glück, in einer reifen Mannbarkeit, mitten heraus aus der feurigen Heiterkeit des tapferen und siegreichen Mannesalters ‹ 3).

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Gesundes Griechentum und die richtige Art, sich philosophisch zu betätigen, fallen ihm durchaus zusammen. Er drückt dies wiederholt aus, z. B. wenn er sagt: »Daß in dieser Zeit die Griechen philosophiert haben, belehrt uns ebenso über das, was die Philosophie ist und was sie soll, als über die Griechen selbst. Wäre es anders gewesen, nicht so gesund, etwa so, daß jene Griechen > nur in einem schwelgerischen Schweben, Klingen, Atmen und Fühlen gelebt hätten, so wäre die Quelle der Philosophie gar nicht bei ihnen ans Licht gekommen. Höchstens hätte es einen

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1) Nietzsche beabsichtigt in der Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen (Nietzsches Werke, 2. Abt., Bd. X. Leipzig 1896. S. 9) >von den vorplatonischen Philosophen als von einer zusammengehörigen Gesellschaft zu reden; vgl. S. 179.

2) Nietzsche, Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. X. S. 3.

3) Ebenda. X. S. 4.

bald im Sande verrieselnden oder zu Nebeln verdunstenden Bach gegeben, nimmermehr aber jenen breiten, mit stolzem Wellenschlage sich ergießenden Strom, den wir als die griechische Philosophie kennen. Andere Völker haben Heilige, die Griechen haben Weise‹; bei ihnen ist der Philosoph nicht zufällig < 1), kein Komet 2); auch ursprünglich nicht einmal im Exil< 3); er ist kein Gegner seines griechischen Vaterlandes, vielmehr stützt er seine Heimat und verteidigt sie; er konspiriert nicht gegen sie, wie das >> seit Plato< in Griechenland der Fall ist. Nein, seine Tätigkeit geht auf eine Heilung und Reinigung im großen; entspringend dem Wunsche, das, was er lernt, sogleich leben zu wollen 4). Wissenstrieb, den die Griechen erst bändigen mußten, um idealer leben zu können: hätte sie doch ungebändigter Wissenstrieb ebenso barbarisiert < 5) wie Wissenschaft!

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Nietzsche ist hier also einer Ansicht treu geblieben, die er schon sehr früh mit größter Schärfe betont, wenn er im Februar 1870 in einem Briefe 6) an Paul Deußen sich äußert: »Das Leben hat mit der Philosophie ganz und gar nichts zu tun; aber man wird wahrscheinlich die Philosophie wählen und lieben, die uns unsere Natur am meisten erklärt, gewiß eine Nietzsche selbst gut charakterisierende Stelle. Man denke nur an seine Vorliebe für Heraklit, wie er ihn auffaßte, und an den Inhalt anderer von ihm Bevorzugter!

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Heißt es nun dort: Das Leben hat mit der Philosophie ganz und gar nichts zu tun«, so lautet eine Stelle in den Dispositionen zur > Pilosophie in Bedrängnis 1873«: »Das Produkt des Philosophen ist sein Leben < 7). Dies nur als Beispiel, wie stark die Behandlung verwandter, ja der gleichen Themata bei Nietzsche gewechselt hat. Diese Tatsache spielt eine außerordentliche Rolle in der wichtigen Frage: Gab es wahre Philosophie nur vor Sokrates und Plato, wie Nietzsche will, oder behält die

1) Nietzsche, Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. X. S. 8.

2) Ebenda. X. S. 9.
3) Ebenda. X. S. 11.

4) Ebenda. X. S. 10.

5) Ebenda. X. S. 6.

6) Briefsammlung. S. 160.

7) Nietzsche, Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. X. S. 248.

überwiegende Anzahl derer recht, welche mit Sokrates die eigentliche Philosophie beginnen?

Was Nietzsche über Sokrates sagt, erhellt seine Stellungnahme zu den Vorsokratikern. Kaum läßt seine Fragestellung eine Vermittelung zu. Alles über diesen großen Weisen ist auf ein Entweder - Oder abgestimmt.

Um es kurz zu charakterisieren:

Sokrates vernichtet die Kultur, vernichtet die Wissenschaft 1). Seine Begriffe sind unbrauchbar. >An Sokrates ist alles falsch: die Begriffe sind nicht fest, auch nicht richtig; das Wissen ist nicht der Quell des Rechten und überhaupt nicht fruchtbar< 2). Ganz folgt dieser Behauptung Nietzsches niemand; sie geht über Lange hinaus.

Nietzsche spricht sich auch abfällig über die Ethik des Sokrates aus; sie erscheint ihm gesucht. Diese gesuchte rein menschliche Ethik tritt zunächst in Feindschaft gegen die traditionelle hellenische Sitte der Ethik «3). Sokrates ist ein ethischer Autodidakt«. > Sein Bestreben war, diese Welt zu ordnen: in der Meinung, daß, wenn sie geordnet sei, der Mensch nicht anders könne als tugendhaft zu leben« 4) ....

Wie entgegengesetzt sind diese Behauptungen gegen die noch immer über Sokrates in Geltung gebliebenen! Nur ein Seitenblick auf dieselben, um das ganze Auffällige an Nietzsche zu kennzeichnen!

Bricht nach Nietzsche die eigentliche Philosophie mit dem Auftreten des Sokrates ab, so nennt z. B. ein neuerer Darsteller ihn den » Grund- und Eckstein aller abendländischen Philosophie‹ 5).

Verficht Nietzsche die vorsokratische Ethik, darunter die Demokrits, gegen Sokrates: Die ganze ältere Philosophie gehört noch in die Zeit der ungebrochnen ethischen Instinkte: hellenische Sittlichkeit atmet Heraklit, Anaxagoras, Demokrit, Empedokles), so heißt es hier: > von der ge

1) Nietzsche, Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. X. S. 132, 133.

2) Ebenda. X. S. 137.

3) Ebenda. X. S. 127.

4) Ebenda. X. S. 125 f.

5) Kühnemann, Grundlehren der Philosophie. S. 233.

6) Nietzsche, Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. X. S. 127.

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