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viele seiner philosophischen Gedanken von dieser Basis Wasser aus entwickelt, darf deshalb niemanden wundernehmen. Selbst nicht, wenn man bedenkt, daß dieser gleiche Anaximander auch schon seinen Blick dahin richtet, wohin sich das untere Ende der Erde erstreckt, »ins Unermeßliche, und wenn er dort den Anfang der Dinge wähnt und es das Unendliche nennt. Ebenso, wenn Anaximenes so sehr an den meisten ihm überlieferten Vorstellungen festhält, nur seinen Blick nach dem obern Ende der Erde richtet, wo sie an die Luft stößt, und sie zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen wählt. Nirgends ist hierbei der Boden der Anschauung verlassen.

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So allein ist die Fülle einander gleich bleibender, zum Teil durch Jahrhunderte hindurch wiederkehrender Behauptungen bei sonst abweichender Wahl des Beobachtungsstandpunktes vom ersten Philosophen, von Thales, an zu erklären. Das dem Thales gespendete Lob, »er habe das eine allgemeiner, das andere sinnlich faßbarer gemacht«, verdient er jedenfalls. Ihm erwächst die Philosophie aus der Praxis, und das läßt sich ebenso bei seinen Nachfolgern erkennen. Er ist richtig verstanden worden, wenn es heißt, er habe nach dem Stoicheion gesucht, nach dem Visierpunkte für Vereinigung, Gerinnung und Verbindung der irdischen Stoffe. Dies wird von Anaximander so trefflich fortgesetzt, daß uns diese Konsequenz seines Verfahrens selbst da, wo er an ehemals fischartige Menschenformen schließt, veranlaßt, dem ihm zugänglichen naturwissenschaftlichen Anschauungsmaterial als der letzten Grundlage auch für diese Theorie nachzugehen.

Diese beiden Fragen nach dem Aufbau der Welt und nach der Entstehung des Menschen verdienen eingehendste Beachtung. Die erste Frage wird wichtig, weil der Geist, aus dem heraus die alten Griechen auf sie ihre Antworten gaben, uns gleichzeitig auch den Umfang ihres sinnlichen Anschauungskreises erkennen läßt: Wie ihn der Philosoph sich zu eigen gemacht, welchen Inhalt er ihm gegeben. Also die Beziehungen zwischen Sinnfälligem und Spekulativem. Wiederholt wahre Systemverkörperungen, an denen sich die griechische Philosophie Zug um Zug emporgerankt hat.

Des wahren geschichtlichen Verständnisses wegen dürfen für uns jene Lehrsätze der griechischen Philosophie nicht abstrakter lauten, als wie sie ihren Verkündern selber klangen. Dann hoffen wir, selbst die wie erratische Blöcke herumliegenden Fragmente eines Heraklit harmonisch zu ordnen, und, wenn möglichst sicher Archiv für Psychologie. V.

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festgestellt, welche Entwicklung von der sinnlichen Anschauung aus auch seine abstrakten Gedankenvorgänge genommen haben, d. h. wenn wir durchweg den von den Griechen mit ihrer Anschauung gemachten Gebrauch als den einzigen betrachten, an den auch wir uns beim Rekonstruieren zu halten haben, so wird er uns die seitdem nie recht begriffene Art, Ethik »nach Art der Geometrie faßlich zu machen, ebenfalls veranschaulichen und uns überhaupt Schritt für Schritt eine verschlossene Tür nach der andern öffnen helfen.

Das richtige Verständnis für die sogenannte Entwicklungslehre Anaximanders wird uns nicht minder zu der Einsicht kommen. lassen, daß keine Frage in der altgriechischen Philosophie beantwortet werden kann, ohne daß man sich klar wird, was sah der Grieche, als er an die Aufstellung dieser philosophischen Behauptungen ging. So kann man von Anaximander aus Einblick in die Philosophie des Empedokles gewinnen, so vor allem aber nach gewissenhafter Beantwortung beider Fragen die großartige Technik der Griechen kennen lernen, Geschehnisse am Himmel auf Menschenverhältnisse und diese wiederum auf Weltvorgänge zu projizieren. Wörtlich genommen: die Fibel für den Anschauungsunterricht in der Philosophie und den Weg von der durch bestimmte Umstände veranlaßten Praxis zur Theorie mit allgemeingültigerem Charakter können wir schon an Thales. anknüpfend betrachten. Führe ich hiermit den seltsam klingenden Ausdruck Fibel in eine Darstellung der griechischen philosophischen Problementwicklung ein, so habe ich die Pflicht, darzulegen, wie ich dazu komme. Dies um so mehr, weil ich zeigen will, daß selbst da, wo von dem Werk eines altgriechischen Philosophen auch nur wenige Bruchstücke vorhanden sind, sich doch Spuren finden, daß ihnen bei Aufstellung ihrer Systeme die Fibelmethode Vorschwebte. Ganz und gar, wo wir Genaueres erhalten haben wie etwa bei Parmenides, Heraklit..., und geradezu undenkbar erscheint einem Sokrates, einem Plato eine philosophische Darlegung ohne dieselbe. Nicht zu reden von den ausgesprochen naturwissenschaftlich - mathematisch gerichteten Philosophen. So gilt es, das als bekannt vorausgesetzte erste Anschauungsmittel und die Kunst seiner Anwendung wiederzufinden; weiter dann, zu fragen, ob vielleicht noch ein anderes Mittel benutzt worden, um philosophische Gedankenfolgen zu veranschaulichen.

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Bei Diogenes Laertius findet sich eine Stelle, die von den Gründen redet, aus denen Thales wenn es überhaupt geschehen Schriftliches hinterlassen habe. Er soll den Teil seiner Lehre, im ganzen 200 Verse 1), aufgezeichnet haben, der nicht ohne weiteres einleuchtend sei, die Lehre von der Tag- und Nachtgleiche 2). Seinem Schüler Anaximander wird dann nachgerühmt, er habe die Geometrie sinnlich zu veranschaulichen gesucht und eine Schattenuhr aufgestellt. Den Hauptbestandteil einer solchen bildet eine Nadel, eine Fibel, eine Stange, ein Obelisk (s. Abbild. 3). Diese Fibel nun oder das Stoicheion hatte andernorts schon lange als Instrument für die Bestimmung der Tag- und Nachtgleiche gedient. Weiter jedoch entwickelte sie sich zu einem Mittel, philosophische Gedankengänge zu versinnbildlichen. Wir lasen schon

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von dem ersten Philosophen, von Thales, daß er nach einem Maßstabe sucht, die wechselnden Erscheinungen damit festzuhalten, nach einem Ausgangspunkt für seine Darlegung, im weiteren nach einem Element, und das Wort dafür, Stoicheion, sagt genau nach dem Stift, um anzuheften, nach dem Anknüpfungspunkt. Er richtete, und so werden wir wohl am besten den griechischen Ausdruck wiedergeben und auch seinem vollen Werte für die Entwicklungsgeschichte der Philosophie gerecht werden, den Grundstock auf zu einem dadurch planmäßig angelegten Lehrgebäude für seine und seiner Nachfolger philosophische Betrachtungsweise des Weltganzen. Nie hat sich der Grieche von dieser Verbindung mit veranschaulichender naturwissenschaftlicher Darstellung ganz frei

1; eis inn-diazóoia nach Lobons Mitteilung (Diog. Laërt.).

2) περὶ τροπῆς καὶ ἰσημερίας.

gemacht. Diese Verbindung mag ein altes Erbteil gewesen sein, das aus Ägypten stammte, wo sowohl Mathematik als auch übrige Philosophie) getrieben wurde, wo »Philosophie und eine genaue Astronomie 2) aufgekommen, von wo schon nach Herodots Zeugnis Geometrie nach Griechenland verpflanzt worden sei3), abgesehen davon, daß Thales selber in Ägypten Mathematik und Naturwissenschaften studiert haben soll. Jedenfalls hat dieser Same auf dem neuen Boden hundertfältig Frucht getragen. Weshalb soll denn Thales sich seine philosophische Ansicht nicht unter Benutzung von Beobachtungsmaterial gebildet haben, das von alters her das Ausland zusammengetragen hatte?

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Wer als erster damit in seinem Volke beginnt, Astronomie zu studieren, dürfte doch wohl leichter von einem andern Volke, das Jahrtausende hindurch Sonnen- und Mondfinsternisse beobachtet hat, die Überzeugung gewinnen, es habe innerhalb dieser ausgedehnten Zeiträume Einblick in die Regelmäßigkeit des Eintritts solcher Finsternisse gewonnen, als selber ohne Kenntnis dieses Erfahrungsmaterials eine Sonnenfinsternis voraussagen! Wer selber bei Schattenmessungen zugegen gewesen, wird auch eher die Bezeichnung des dabei benutzten Instrumentes theoretisch an geeigneter Stelle verwerten als jemand, der von alledem nichts weiß! Stellt ferner nun gerade sein Schüler eine Schattenuhr auf, so wird er dieselbe ebensowenig neu erfunden haben, auch den Gnomon nicht, das wichtige Instrument zum Auffinden der Sonnenwenden, über die ja eben sein Lehrer als über schwierigere< Lehrgegenstände geschrieben hat. Wohl dürfte man sonst fragen, worin denn Thales Anaximanders Lehrer gewesen sei, wenn er ihn gerade über das Thema im unklaren gelassen hätte, mit dem er es selber so gewissenhaft nahm und das er weiteren Kreisen durch sein Werk verständlich zu machen suchte. Ja, wäre niemals eine Schrift über Tag- und Nachtgleichen von Thales verfaßt worden, hätte Thales überhaupt nie mit Schattenuhren in Ägypten umgehen gelernt und hätte er sie nicht selber dem Anaximander beschrieben oder ihn veranlaßt, dieselben sich anzusehen, etwas bliebe dann doch noch unaufgeklärt: eine Ent

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wicklungsgeschichte nämlich, die in solchen Phasen verläuft, wie sie Anaximander schildert, kann sich kaum auf ein anderes als auf ägyptisches Beobachtungsmaterial stützen.

Schließlich läßt sich die in Ägypten häufiger als andernorts notwendige Anwendung des Gnomons ebenso wie eine Anzahl von Vorgängen, die zu einer Entwicklungstheorie führten, wie sie Anaximander gegeben hat, gerade auf ein und dieselbe Eigentümlichkeit dieses Landes zurückführen.

Gehen wir der einfachen Ausgestaltung des Instrumentes nach; verfolgen wir, wie sich an der Hand desselben, das praktischen Bedürfnissen zu dienen angefertigt war, eine mathematisch theoretische, schließlich eine ausgesprochen philosophische Spekulation entwickeln konnte.

Es bestand aus einem Stabe, der, senkrecht in den Boden gesteckt, den Sonnen- oder Mondschatten auf die Erde warf. Das Nachzeichnen der so entstehenden Kreislinien der Schatten führte darauf, besonders wichtige Punkte eines Schattenkreises festzulegen, etwa die von Thales nach dem Bericht des Hieronymus 1) zu Höhenmessungen benutzten Stellen, welche die Sonne 45 Grad hoch über dem Horizont zeigten, oder dieser Höhenmessung analog die Zeitmessungen des Sonnenlaufs zur Zeit der Tagund Nachtgleiche. Die Analogie besteht darin, daß das eine Mal im Verlauf eines Tages sich dasselbe vollzieht, was bei den Sonnenwenden im Laufe eines Jahres eintritt. Zwischen dem täglichen Auf- und Niedergang der Sonne ist ihre Höhe 45 Grad über dem Horizont, hier zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Sonnenstande im Laufe eines Jahres die zweimal bemerkbare Eigenschaft der gleichen Tages- und Nachtdauer. Hat man nun mit einer einfachen Nadel, mit einem Stabe oder mit Hilfe des. Obelisks eine solche Beobachtung gemacht und verzeichnet sie anstatt in den flüchtigen Sand auf einem fest mit der Meßstange verbundenen Brette, so ist aus dem Stoicheion ein Gnomon geworden. Dieses hält also die Merkwürdigkeiten des regelmäßigen Sonnenlaufs dauernd in dieser Weise fest: auf einem kleinen Kreise, dem kleinsten dreier konzentrischen Kreise, dessen Mittelpunkt der Fußpunkt der Meßstange bildet, den höchsten Stand, auf einem großen den niedrigsten Stand der Sonne, auf einem

1) Bei Diog. Laërt. I, c. 1. u. 6.

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