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So wallt er denn über im Lob und Preis des heiligen Bodens Griechenlands, wo er nun als ein Priester im Tempel der Schönheit opfern will. Neue Kräfte beleben ihn, das Glück der gebändigten Kraft, die Seligkeit der Ruhe, entquellend seiner vollen, aber von Unruhe und tobenden Leidenschaften befreiten Seele.

Doch auch Helenas Gaben befriedigen den ewig regsamen Geist nicht. Helena bildet das Sinnbild der schönen Form im Reiche vor allem der Kunst, aber gibt es nicht noch eine Welt, die, mißgestaltet, die bändigenden Kräfte des Menschen aufruft, soll nicht der Mißklang ihn betäuben: die soziale und politische Welt, in deren Brodeln und Gähren Faust an der Seite des Mephistopheles schaudernd hineingeblickt? Damit gelangen wir zu einer weiteren Form der Harmonie, zur Harmonie des sozialen Lebens, die dem Menschen eine von beglückenden Lüften durchfächelte, dem Wogenbraus des Chaos entrückte Heimat bereitet. Faust, der Imperator, der dem wilden Meer seinen ehernen Willen entgegensetzt, um es zurückzudrängen und Boden zu gewinnen für sein Kolonialwerk; Faust, der Held der Arbeit, ist von messianischer Würde umstrahlt: ein Friedenskönig ist er, der die Menschen erlösen will von den Notständen gebrechlicher sozialer Organisationen, ein Held der Arbeit, der nicht allein sich erhoben fühlt, wenn es gelingt, die unbändigen Mächte der Natur zu bezwingen, sondern der wahre Seligkeit erst dann empfängt, wenn der Segen der Arbeit wie ein Lichtstrom über die Menschengemeinschaft flutet, die dumpfen Gespenster der Not vertreibend mit der Flammenmacht einer frohes Leben erweckenden Sonne. Und es ist ergreifend zu sehen, wie dieses Verlangen nach sozialer Erlösung der Menschen ihn mächtig überkommt, als der Dämon der Sorge das Licht seiner Augen zum Erlöschen gebracht: segenspendend will er das Leben beschließen, die Erde, die ihm so viel Leid bereitet, will er mit sich selbst versöhnen, der Freiheit der Völker will er eine Bahn brechen. Das messianische Hochgefühl, das im Abendland immer wieder die Menschen der großen Liebe, Klassen und ganze Völker durchrauscht; der frohe Glaube, daß es möglich sein müsse, hier auf Erden schon ein Reich der Glückseligkeit zu gründen, hineingebaut in das Chaos, dessen Macht mit ehernem Willen zurückgedrängt wird: dieser Glaube legt um den schon vom Hauch des Todes berührten Faust eine Glorie von Verklärung, und in den allbekannten Worten, den letzten, die seinen Lippen entschweben, kündet er seine erhabene Sehnsucht nach Völkerglück und Völkerfriede:

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Alle die Erlösungsformen, die wir bisher berührt: der Drang des Philosophen, hin zu den Quellen des Lebens zu gelangen; das in religiösen Hochgefühlen sich aushauchende Naturgefühl, die Inbrunst der Liebe, die besänftigende Zaubermacht der Schönheit, das Reich der sozialen Harmonie: alle diese Formen tragen in sich den Keim der Zerstörung. Dem Leben entquellen sie, dem fragwürdigen, unheimlichen, immer wieder chaotisch den Menschen umschlingenden Leben, und deutlich hat es Goethe ausgesprochen, daß die Freiheit, die Erlösung hienieden täglich erobert werden muß. So ist das Leben, mag auch immer wieder Verklärung es überglänzen, ein ewig Werdendes; finstere Abgründe birgt es, aus denen jeden Augenblick die Flammen herausbrechen können, zerstörend die hohen Werke, die der Mensch, um sein Verlangen nach Macht und Glück zu stillen, aufgebaut. Und der Mensch selbst ist sein eigener Feind. Sein unstillbarer Drang nach dem Neuen, sein Machtwille, der auch am Größten nicht Genüge findet, die Anfälle der Schwäche, die ihn in dumpfe Niederungen hinabzwingen: alles dies hat zur Folge, daß auch das Erhabenste ihm schal wird, daß es ihm versagt bleibt, hier auf Erden der Sphärenmelodie ewigen Glückes zu lauschen. „Im Weiterschreiten" allein findet er „Qual und Glück, Er! unbefriedigt jeden Augenblick". Und so strebt er nach einer Stätte, wo der Bann des unaufhörlichen Werdens gebrochen ist und die Klarheit endgiltig erlösender Mächte beseligend leuchtet. Himmelwärts streckt er seine müden Hände aus, nach jener Heimat, wo keine gespenstischen Wolken mehr die Farben seines Glückes auffressen, wo er sich baden. kann in der Reinheit kristallener Freude.

So bestreuen denn Engel den toten Faust mit Rosen; Boten aus dem himmlischen Paradies künden, daß der Flüchtling, der Unbehauste, nun,

wo seine Erdenbahn vollendet, eintreten darf in das ätherische Reich, das hinausgerückt ist über alle Not. Ewiger Tag, von der Macht der Liebe durchklungen, glänzt hier, erlöst wird er hier von seiner Gebrechlichkeit,,,um in dem Allverein selig zu sein". Fausts Unsterbliches tragen die himmlischen Scharen zur Höhe: gerettet ist das edle Glied.

Goethe hat in den Schlußszenen seines Dramas in einer großartigen Weise der tiefsten religiösen Inbrunst des abendländischen Menschen Ausdruck verliehen: in unserer Sprache gesprochen, der Sehnsucht nach einem Zustand, wo der Machtwille für immer gebrochen, oder doch so umgeformt ist, daß das ewige, peinvolle Drängen seinen Sinn verloren hat. Dieses himmlische Paradies läßt sich begreifen als eine Steigerung des Glückes, das dem Menschen hienieden schon zuteil wird, wenn es ihm gelingt, den in die Ferne stürmenden Willen zum Schweigen zu bringen oder doch so zurückzudrängen, daß er, sich hingebend einem Höheren sei es die Natur, die Kunst, sei es ein geliebtes Wesen oder sein Volk - von Erlösungsgefühlen erfüllt wird. Aber wenn im Erdenleben kein tiefes Glück durch die Seele klingt, wenn nicht kämpfend die finsteren Mächte der Unvernunft, des Bösen, der Verworrenheit eingedämmt werden, und wenn immer wieder Mephistopheles in die Gärten der Liebe verwüstend einbricht: in den himmlischen Regionen ist der Wonne ewige Dauer bereitet: kein Kampf ist vonnöten, und ewig strömt ihr Born dahin.

Mithin gelangen wir in das Reich der Gnade. Ins ewige Leben geht Faust ein, wo er, schwebend im Ätherglanz der Gottheit, ganz Hingabe, ganz Liebe, ganz ,,Ewig-Weibliches" geworden: wo er die Krone der Vollkommenheit trägt.

ZARATHUSHTRA

IR wenden uns nun von Goethe, durchfliegend einen gewaltigen Zeitraum der geschichtlichen Entwicklung, hin zu dem Iranier Zarathushtra, der etwa gleichzeitig wie die ersten großen jüdischen Propheten wirkte und in einer hinreißenden und ergreifenden Weise die Not und das Glück seiner Seele in eine dichterische Sprache eingegossen hat.

Auch er, der in Trunkenheit geraten kann im Verlangen nach einem offenen, lichtdurchglühten Himmel, hat tiefsten Sinn für die Schreckensmächte, die in das Leben hineinragen, und in einer großartigen religiös

philosophischen Offenbarung hat er den Verlauf des Weltgeschehens geschildert als Kampf des Lichtes mit der Finsternis. Und dieser Kampf beginnt nach ihm mit der Entstehung der Welt. Dem lichten, gütigen Genius wirft sich der schaurige Dämon der Finsternis entgegen, und die ganze Welt ist nun erfüllt von dem Tosen dieses Kampfes, in dessen Wirbel auch der Mensch hineingerissen ist.

Zarathushtra selbst, der Herold des gütigen, segnenden Gottes, hat, so sehr er mit Triumphgesängen seinen Schutzgeist zu feiern vermag, wie nur je ein Mensch das Grauen des Lebens zu spüren bekommen, ja, das lassen seine Schriften deutlich erkennen, auch wenn ihm das Glück zuteil wird, jubelnd hinaufschweben zu dürfen zur Stätte der Harmonie: immer wieder dringt die Macht der Finsternis auf ihn ein und bereitet ihm schwere Seelenqualen. Er ist voll Sehnsucht nach Liebe und Freundschaft, dann nach einer Ordnung, die als ewige Friedensgemeinschaft den Menschen segnend umfängt: verlassen aber steht er im Leben da, ein Einsamer, der bettelnd vor die Türen schleichen und es erleben muß, daß er wie ein Überflüssiger zurückgestoßen wird. Keine wahre Heimat ist ihm auf der Welt bereitet. Grauenvolle Öde umfängt ihn, kein Freundesblick dringt in seine Dunkelheit hinein, alles, hoch und nieder, meidet ihn, als gehe der Atem des Verderbens von ihm aus.

Was hat ihn in diese furchtbare Lage gebracht? Hat er sich selbst durch ein Verbrechen aus der menschlichen Gemeinschaft ausgestoßen, liegt ein Fluch auf ihm, steht er im Bunde mit Dämonen? Nichts von alledem. In grausigen Bildern hat sich das Elend der Welt in seine Seele eingegraben, und diese Bilder martern ihn, und er schreit so sein Leid in die Welt hinaus, anklagend die, die harten Sinnes den Strom des Grauens zum Schwellen bringen. Lug und Trug herrscht auf der Erde, nicht Gerechtigkeit, und schwere soziale Notstände erschüttern sein nach Licht lechzendes Gemüt. Erbarmungslos werden die Schwachen von den Mächtigen vergewaltigt, von Selbstsucht sind die Menschen zerfressen, und von diesem Dämon aufgereizt, taumeln sie in einem sinnverwirrenden Wirbel dahin. Geschändet ist die Erde: sie, die ein Garten sein könnte, in dem frohe Menschen die Bäume pflegen, daß sie sich mit Früchten schmücken, steht im Banne einer finsteren Gewalt. Der Geist des Bösen hat hier seinen düsteren Herrscherthron aufgeschlagen. Pfaffen und Adel haben die Macht an sich gerissen, und mit ehernen Händen zwingen sie die Schwachen in die Knechtschaft.

Aber Zarathushtra ist fern davon, in Selbstgerechtigkeit gegenüber der verrotteten Welt aufzuglänzen; seine Aufrichtigkeit läßt es nicht zu, sich selbst mit der Krone zu bedecken, um sich herauszulösen aus der Schar der Menschen als ein jenseits des Menschentums stehendes Wesen. Er kennt die Schwachheit der Menschen, und wenn er auch Zeiten erlebt, wo er sich dem unheimlichen Wirrsal des Daseins entrückt und vom beglückenden Hauch der Liebe umweht wähnt, der die Finsternis besiegt: vor der Herrlichkeit des Lichtes, das aus der Höhe kommt, kann auch er nicht bestehen. Auch er fühlt sich als ein schwacher Mensch,,,auch der Heiligste hat seine Sünden," so ruft er aus,,,wie sollte ich frei davon sein!" Auch er ist dem gleichen Stoff wie die sich gegenseitig marternden Menschen entnommen, auch durch ihn geht der Riß, der die Welt in das Heerlager der lichten und teuflischen Geister spaltet, und es ist ihm manchmal, daß er unter dem Eindruck der grauenvollen Erscheinungen des Lebens zusammenbrechen müßte.

Furchtbare Anfechtungen martern ihn. Die Raserei des Weltgetriebes quält ihn, und die bange Frage legt sich ihm auf die Zunge, ob denn wirklich ein Sinn im Weltgeschehen beschlossen ist und ob es denn Sinn hat, den Kampf mit dem Bösen aufzunehmen, oder ob es nicht besser ist, ihn aufzugeben und sich in den tosenden Wirbel hineinzustürzen.

Von der Angst gepackt, schreit er auf, daß ihn eine Hand aus dem Abgrund seiner Anfechtungen herausziehe, ihn von den würgenden Schlangen befreie. Aber diese bangen Zeiten der Verfinsterung gehen vorüber: machtvoll breitet die Sehnsucht nach dem himmlischen Retter die Schwingen aus, und in diese Sehnsucht klingt hinein die Gewißheit, daß es eine Stätte gibt, wo der Seele Frieden bereitet wird, daß eine majestätische, ewige Lichtgewalt in den Himmeln thront und sich herabneigt zu dem Menschen, der guten Willens ist.

Es begegnet uns also auch hier jene Systole und Diastole, die in Goethes Faust so eindrucksvoll hervortritt: aus der Friedlosigkeit und dem Jammer der Seelenfinsternis, aus dem Reiche des Bösen vor allem strebt der Gepeinigte hin zu einer Macht, die ihm die schmerzenden Bande abnimmt, und wo das Licht, die glückbringende Harmonie, ihre Zauber entfaltet: immer weitere Lichtkreise will Zarathushtra um sich ziehen, um die Dunkelheit zu verscheuchen.

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