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sucht, um sich in glorreichen Siegen zu verherrlichen. Denn was ist das Ergebnis? Ein Ringen ohne Ende, ein Wirbeln der Kräfte, kein wahrer, vom Leuchten des Glücks beglänzter Abschluß. In diesen Denkern ist der Sinn für ein im Kampfe mit den gefahrdrohenden Gewalten des Daseins sich entfaltendes Leben, für eine heroische oder gar dionysische Bejahung des Lebens im Sinne der ritterlichen Kultur vollkommen erstorben. Der Mensch, der als eine der Kräfte in dem wogenden Meer der Energien des Daseins sich durchzusetzen sucht, zerstörend und bauend, kämpfend und erobernd, erscheint ihnen als ein verlorener Sohn, hinausgeschleudert in eine wilde, von Dämonen erfüllte Wüste. In der Welt des sozialen Werdens gibt es für sie keine Heimat, hier herrscht eine eisige Luft, die dem Menschen die Blüten vom Haupte reißt, sein Herz zum Verdorren bringt. Aber auch die Frommen sind voll Verlangen nach Leben, und zwar einmal nach einem solchen, dem der Stachel der Unrast, der zuckende Rhythmus des Ringens, die Qual des Wechsels von Sieg und Niederlage, die Pein des Niezuen dekommens genommen. Eine zuweilen zu grausigen Visionen führende Angst vor dem unheimlichen Kräftespiel der Seele und der Welt schüttelt diese Frommen, und nur wer sich bewußt ist, wie immer wieder Finsternisse sie umringen, kann verstehen das tiefe, wie in langgezogenen Harmonien sich aushauchende Glück, das sie umfängt, wenn der Sternenglanz göttlicher Botschaft in ihr Auge fällt. Sie sind voll Sehnsucht nach Leben, diese Weisen, und zwar nach einem ruhig dahinfließenden, vom Frieden betauten Leben, und alles, was einem solchen Dasein widerstreitet, kann ihnen tiefe Qualen bereiten.

Erschauernd denken sie an die Macht des Todes: nie kann der Mensch froh werden, solange dieser gespenstische Gefährte nicht von seiner Seite weicht, jeden Augenblick bereit, ihn in den Abgrund zu ziehen. Der Leib, den man in der Heldenzeit gepriesen als das stolze Gebäude der Kraft, er erscheint als ein Minderwertiges, ja erweckt Grauen.,,In diesem mit Leidenschaft, Zorn, Begierde, Wahn, Furcht, Verzagtheit, Neid, Trennung von Liebem, Bindung an Unliebes, Hunger, Durst, Alter, Tod, Krankheit, Kummer und dergleichen behafteten Leibe, wie mag man nur Freude genießen!" (Übersetzt von Deussen.) Muß der Mensch nicht erbeben, der erkannt hat, daß alle Herrlichkeit der Welt unbeständig ist, daß all die mächtigen Kriegshelden, die großen Könige und Welteroberer in Staub und Asche versinken; daß vertrocknen die großen Meere, einstürzen die Berge, daß die Zeit kommt, wo vergeht die Erde?

Solche Angstgefühle machen es begreiflich, daß der aus der Urzeit stammende Seelenwanderungsglaube festgehalten wird: in dem gewiß, da die Frommen nach dem Tode erhöht werden, auch die Sehnsucht nach Befreiung von der Marter des Lebens zum Vorschein kommt, aber in dem auch stark anklingt das Grauen vor dem Unheimlichen des Daseins. Wird doch der Böse nach dem Tode einverleibt oft niederen, ekelhaften Lebewesen, so daß das Gefühl der Schuld zu schwersten seelischen Nöten führen kann. Die ganze bunte, bewegte, von Leidenschaften durchwogte, ewig in Veränderung begriffene Welt erscheint zuweilen als Blendwerk, als ein Reich des Traumes, als eine Welt von Vorstellungen, denen keine Wirklichkeit im Sinne eines objektiven Seins entspricht: eine Feststellung, die gewiß beschwingende Kräfte auslösen kann, indem sie den Menschen antreibt, sich aus dem trügerischen Chaos herauszulösen und einem besseren Dasein zuzustreben, aber die auch in gottfernen Stunden grauenvoll wirken kann, indem sich der Mensch als ein ewig Verstoßener fühlt, den die Schrecken einer von Blendwerken erfüllten Wüste umringen.

So erleidet der Inder alle Qualen des verlassenen, von wilden Gewalten umtobten Menschen. Schwäche-, Furcht- und Sündengefühle können ihn umhüllen wie giftige Nebel, daß er ächzt und erschauert.

,,Heute ist der Himmel leer,

Und die Furcht faßt uns im Dunkeln,

Ängstlich im verlassenen Meer

Tausend bange Sterne funkeln." (Übers. von Eberhardt.) Unübertrefflich kündet diese Seelennot die Maitrayani-Upanishad: ,,Unabwendbar wie die Wellen großer Ströme ist für die Einzelseele ihr früheres Tun; unaufhaltbar wie die Gezeiten des Ozeans das Nahen des Todes. Von den Fesseln der Folgen guter und schlechter Werke ist sie wie ein Lahmer gehemmt, wie ein Gefangener unfrei; sie lebt inmitten großer Furcht wie einer, der im Reich des Yama wohnt; sie ist vom Rauschtrank der Verwirrung berauscht wie ein vom Rauschtrank Berauschter; sie irrt umher wie ein vom Übel Gepackter; sie ist von den Sinnesobjekten wie von einer großen Schlange gebissen; von Leidenschaften verdunkelt wie tiefe Finsternis; voller Schein wie ein Zauberstück, voll falscher Wahrnehmung wie ein Traum, kraftlos wie eine Bananenfrucht, den Anzug wechselnd wie ein Tänzer im Augenblick, eine trügerische Freude wie eine Kulisse." (Übersetzt von Hillebrandt.)

Unsere Betrachtung hat ergeben, daß das dem Dasein eingemischte Leid den stärksten Einwand bildet gegen das Leben: man will es nicht zugeben, daß auch dem Leid Kräfte entquellen, die den Menschen adeln, ihm erlösende Siegesgefühle einbringen können. Und so strebt man denn aus dem düsteren Kerker der Not heraus: nach langgezogenen Harmonien schmachtet das Ohr, um sich zu erholen von den störenden Zerrklängen eines losgebundenen Lebens; dem Wechsel, der Vielheit ist man gram. Und so leuchtet denn über dem Wogenschwall ein Sternbild am nächtlichen Himmel auf, das dem ruheverlangenden Auge zur Offenbarung wird alles dessen, was es ersehnt. Der Gottheit, dem Brahma, strebt die von dem blendenden, schmerzenden Licht des Tages gequälte Seele zu: sie ist ihr die Ruhe, der Urgrund, in dem alles sonst bewegte, unfertige Leben beschlossen ist in machtvollem Einklang. Frei ist die Gottheit von dem zitternden, bebenden Wellengang des Werdens, ein letztes und höchstes Sein ist sie, ein Abschluß von Ewigkeit zu Ewigkeit, hinausgerückt über alle Zeit, deren Bande die Menschen umschlingen. Dem gefühlsbewegten Denker erschließt sie sich, dem schauenden, vom Klang der Harmonie durchhauchten Geist.

Wo aber das Gefühl zur Leuchte wird, da waltet unergründliches Leben, und so ist denn die Gottheit dem indischen Denker alles andere als eine kahle, starre Abstraktion. Ja, als Inbegriff des Lebens selbst gilt sie in diesem Zusammenhang, freilich keines dionysisch auflodernden Lebens, sondern eines solchen, das gleichsam ein stilles Meer, eine glatte, vom Schein der Sterne verklärte Fläche geworden. Mit einer unerhörten Gewalt des Gefühls löst sich der indische Philosoph aus dem verwirrenden Lichtertanz des Werdens los, eintauchend die von rasenden Kräften erfüllte Welt in den stillen Glanz des göttlichen Wesens und sie damit erlösend von der Qual des Unfertigen, den ins Unendliche hineindrängenden Willensgewalten. Wohl ist die Gottheit ein anderes als die Welt, aber in ihr lebt und webt auch sie, freilich ganz anders als Dionysos, der seine Hoheit kund tut in dem ungeheuren, nie zur Ruhe kommenden Kräftespiel des Werdens. In einer nicht zu enträtselnden Weise hält der Atem der Gottheit die Welt zusammen; wie ein stiller Lichtglanz durch die Wolken geht ihr Geist durch die Welt, aussöhnend die Gegensätze, mit sanftem Hauche alles Drängende beschwichtigend, sie erlösend von der Unruhe des Wechsels. So schaut der Inder, auf den Höhen der Gottheit stehend, in das wirbelnde

Wellenspiel der Kräfte das Ureine hinein, alle Dinge werden durch die Macht seines Erlebnisses erlöst vom Fluch, der ihnen, so lange sie vereinzelt sind, anhaftet; das ganze ungeheure, chaotische Gewoge der Welt wird unter dem Hauch frommen Gefühls in eine einzige, in alle Ewigkeit andauernde Harmonie verwandelt, die nicht etwa als Aussöhnung von Gegensätzen immer wieder neu gewonnen wird, sondern zeitlos ist wie die Gottheit selbst. Mag es auch dröhnen im Weltenraum; mag in furchtbaren Erscheinungen das Gesetz des Wechsels offenbar werden: in all dem großen Gebrause ist Gott selbst die Ruhe, die Leuchte, die inmitten des Aufruhrs der Sturmgewalten ihren heiligen Strahl, unberührt von diesen, wie im Frieden der Tempelruhe aussendet.

So führt der Weg hin zur Gottheit als dem Orte der Erlösung: Menschenweh und Menschenlust sind hier verbannt. Die Zeit, die alles in den Fluß des Werdens hineinzieht, hat ihren Sinn verloren. Hier gibt es keine Welt als ein Fürsichbestehen der Dinge, sondern ewig verharrt die Gottheit in sich selbst, selig im Frieden ungestörter Harmonie. Und dieses göttliche Vollendungsglück wird eben zuteil auch dem Menschen, dem die Binde von den Augen gefallen, und der so mit den zaubermächtigen Augen der Gottheit in das Weltgetriebe hineinschaut. Das Leuchten des göttlichen Wesens verklärt die Seele des Menschen, der auf dem Lichtpfad mystischer Versenkung in den Grund des Alleinen gelangt ist; erlöst wird er vom Banne der sich selbstherrlich aufreckenden Einzelerscheinungen, von der Friedlosigkeit des Strebens und Wollens, vom verwirrenden Schauspiel des Wechsels und Werdens. Auch für ihn gibt es nun kein von aufhetzenden Gewalten beherrschtes Außen mehr, sondern alles, was da lebt und webt und wallt und wogt, wird unter dem Anhauch des Gefühls erlöst von der Dämonie, dem es anheimgegeben: geht ein in das Reich der Stille und Seligkeit. Zur Weltseele selbst wird das in die Gottheit eingegangene Ich, es fallen in ihm die Schranken, die die Zeit und das Gesetz der Kausalität aufrichtet; alle Wesen, alle Erscheinungen verschmelzen in dem einen himmlischen Klang, dem weltsegnenden, weltverklärenden und zugleich welterlösenden: dem feierlichen Klang, der das Glück der Ruhe, der Stille, der lichten Finsternis kündet.

In dieser ganz zur Religion gewordenen Philosophie ist alles verbannt, was an die Haltung der im geschäftigen Treiben des Tages aufgehenden Menschen erinnert. Sie führt hinein in die Tiefen der Menschenseele, wo

diese sich mit dem Göttlichen als dem ewigen Sein verbindet: sie entwertet alles Geschehen, soweit dieses sich vollzieht unter dem Antrieb von Willensgewalten. All das Große, das Menschen gelingen kann, indem sie Siegesdenkmale ihrer Herrschermacht errichten, Reiche gründen, in Eroberungen aller Art ihre Kraft offenbaren, versinkt zur Nichtigkeit, insofern, als es dem Fluch der Zeit, des Werdens und Vergehens ausgesetzt ist. Das Wesen dieser Religion besteht in einer zu einer großartigen Vereinfachung führenden Innenschau, und die schöpferische Macht, die in ihr waltet, ist letzten Endes das Gefühl, das alles in die Sphärenklänge eines mystischen Seins einbettet. Pessimisten sind diese nach Heiligung strebenden Philosophen gewiß insofern, als ihnen die ganze soziale und kulturelle Entwicklung als ein Trügerisches erscheint: denn keinen Abschluß gibt es hier, keine Heimat, die Ruhe bringt der abgehetzten Seele. Ihr ganzes Sinnen und Trachten ist darauf gerichtet, die Seele, die im wilden Aufruhr der Welt erdrückt würde, zu retten; und da ihnen das Glück vor allem ein Leben der Ruhe in den heiligen Hallen der zeitlos gedachten Gottheit ist, so schirren sie die Kräfte ab, die das Innere erregend durchdringen: wie eine zarte Leuchte über tobendem Wasser, stehen sie als Erlöste im Chaos der Erscheinungen da, ganz segnendes, liebendes, milde blickendes Auge geworden, an dem alles, was mit dem Makel des Unfertigen, des Werdens behaftet ist, spurlos vorübergeht, während es das nicht zu enträtselnde, nur fühlend zu erfassende Alleine, in dem alle Dinge erlöst weben, als göttliche Herrlichkeit genießt. Ja, um die anlockenden Stimmen der Welt abzuwehren, lösen sich die Frommen aus der Gemeinschaft der wahnbefangenen Menschen los, alle Kraft der Seele dem Ewigen zuwendend, und selbst die Askese wird nicht verschmäht, um die sinnlichen Gewalten zu zerbrechen und den Geist zu befreien von den Fesseln der Zeit. Überwunden soll alles Subjektive werden, einströmen soll der Mensch in den Atem des Unendlichen, das wesensgleich ist der alles Besondere auslöschenden göttlichen Majestät.

Die Spannung der indischen Seele hat sich uns nun enthüllt: vom tief empfundenen nächtigen Chaos der Seele und der Welt hebt sich ab die Wonne des Friedens, die den Frommen durchschauert, wenn er einströmt in den lichtlosen und doch glanzerfüllten Abgrund der Gottheit. Hier herrscht völlige Einheit, höchstes Glück, hier ist alles, mag auch die Sonne untergegangen sein, lauteres Licht; hoch thront der gottgewordene Mensch über dem Sündenstaub, der Unruhe des Werdens, dem Toben

9 Muckle. Jüdische Kultur

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