ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

der Leidenschaften, dem finsteren Meer der Furcht; unvergänglich ist er, und Raum und Zeit, in denen der von Dämonen erfüllte Strom des Lebens dahinwirbelt, sind überwunden: heilige Lüfte wehen, der Sternendom einer unendlichen Reinheit überwölbt die vollkommen gewordene Seele. Wie aber, widerstreitet diese Beleuchtung der indischen Frömmigkeit nicht dem Urphänomen, von dem wir behaupteten, daß es allem Leben zugrundeliegt? Scheint es nicht, als ob hier der Machtwille völlig entwurzelt sei? Nun, abgesehen davon, daß ein starker Wille vonnöten ist, um sich aus dem Getriebe der Welt loszulösen und die Leidenschaften zu bändigen: der indische Philosoph erlebt nicht allein das Hochgefühl der Erlösung, sondern auch das Triumphgefühl des Königs, dem ein gewaltiges Reich untertan. Mag er auch die Welt verlästern und schildern als höllischen Wirrwarr: er stellt diesem Chaos die Macht seines Geistes entgegen und bildet ihm gleichsam Kräfte ein, die es formen zum wohltönenden Kosmos: zu einer gotterfüllten, in Schönheit prangenden Welt.

So erschließt sich uns allmählich der Rhythmus dieses eigenartigen Seelenlebens: bald ist die indische Seele von der Wirrnis bedrängt, bald befreit sie sich von dieser, um einzumünden in das göttliche Urwesen, wo alle Dinge erlöschen; bald entströmt sie dem göttlichen Brunnquell, um sich zu ergießen in die Welt, diese verwandelnd zu einem mit Herrlichkeiten bedeckten Reich des Ewigen. Nichts verkehrter, als sich die indischen Philosophen lediglich als lebensfeindliche Geister vorzustellen. Sie sind gram dem von der Selbstsucht durchrasten sozialen Leben ihrer Zeit, gram ihrer von Gelüsten und Leidenschaften erregten Seele, und aus schwerer Seelennot heraus lechzen sie nach der Stätte, wo ewiger Friede waltet. Aber immer wieder lockt auch sie das Leben unter der Sonne an, die Herrlichkeit der Natur vor allem, und wie bezeichnend ist es, daß sie dem Reich der Natur und damit dem Leben gerne die Farben entnehmen, um das Unsagbare, das Eingehen des Heiligen in den göttlichen Lebensgrund, zu künden. Farben, Töne, Düfte: alles dies hat hier eigentlich seinen Sinn verloren. Aber in oft herrlichen Bildern wird die Weihe des Brahma gepriesen. Lauter Licht, heißt es, ist das Unsterbliche, das Brahma: die Sonne gilt als Symbol des Ewigen, die Sonne, die der lichttrunkene Mensch jauchzend begrüßt. Und wie dringen die Bilder aus dem Reich der Welt hinein in das Reich des Unendlichen, wenn berichtet wird, daß der Geist im höchsten Licht,,umherwandelt, indem er scherzt und spielt und sich

ergötzt, sei es mit Weibern oder mit Wagen oder mit Freunden, und nicht zurückdenkt an dieses Anhängsel von Leib, an welches das Prana angespannt ist wie das Zugtier an den Karren?" Und welchen „Weltgeist" atmet die folgende Stelle: wer in die Brahmawelt eingetreten ist, dem werden höchste Ehren zuteil: „Dann gehen ihm fünfhundert Asparas entgegen, hundert mit Früchten in den Händen, hundert mit Salben, hundert mit Kränzen, hundert mit Gewändern, hundert mit wohlriechendem Pulver; die schmücken ihn aus mit dem Schmucke des Brahman; und nachdem er mit dem Schmucke des Brahman ausgeschmückt ist, geht er, der Brahmawisser, hin zu Brahman." Von Brahmaduft, Brahmaglanz, Brahmaherrlichkeit ist die Rede, und immer wieder wird seine Pracht gepriesen. „,,In goldener, herrlichster Hülle, staublos und teillos Brahman thront; glanzvoll, der Lichter Licht ist es."

Nun ist dieses Brahma wohl das Nichtzunennende, jenseits aller Sinnenwelt, alles Lichtes geheimnisvoll waltende Urewige, in dem alle Erscheinungen als vollkommene Einheit enthalten sind: ausgelöscht mit all ihren Farben und Düften, ihrem Entstehen und Vergehen. Aber der Systole entspricht die Diastole: das Brahma ist zugleich der Schöpfer der Welt, es quellen aus ihm in einem geheimnisvollen Vorgang die Erscheinungen, die Sterne und Welten, die Menschen und Tiere und Pflanzen: kurz die ganze Welt des Werdens strömt aus seinem Urgrund heraus. Als eine ungeheure Willensgewalt wird die Gottheit empfunden, Großherr, höchster Fürst der Fürsten wird sie genannt, allmächtiger und allweiser Schöpfer, und in immer neuen Schilderungen wird ihre Macht und Herrlichkeit gefeiert. Alle Dinge sind in ihr verwurzelt, sie baut und zerstört die Welten, alle Wesen beherrscht und lenkt sie; zu ihren Füßen rollen dahin die Tage und Jahre; sie bildet die Brücke, welche die Welten zusammenhält. Überall gebietet und webt der Geist der Gottheit, das Brahma, im winzigen Tierchen sowohl wie in der majestätischen Sonne, im Aufruhr des Gewitters sowohl wie in der Stille des Waldes, im frommen Gebet wie im Toben der Leidenschaft. Und nun beachte man: die Gottheit steht dem indischen Frommen nicht wie etwa dem Juden als eine selbständige Lebensmacht gegenüber. Nein, dadurch, daß der Fromme seine Leidenschaften abschirrt und sich versenkt in den Abgrund des Herzens, wird er ja selbst Brahma, so daß er teilnimmt an dem geheimnisvollen Leben und Weben des Unendlichen.

Ein Rhythmus von hoher Bedeutung erschließt sich uns so. Nicht immer vermag sich der Weise auf der Höhe der Ewigkeit zu halten, auf jener abgründigen Höhe, wo aller Dinge Anfang und Ende zugleich und alles erlöst wird: es regt sich der Machtwille, der Drang nach Tätigkeit, nach Bewegung, und aus diesem Erlebnis heraus wird die erhabene Gestalt des weltenschaffenden Gottes geboren. Wie schon die Askese die Bedeutung hat, dem in die Einsamkeit sich zurückziehenden Frommen das Wohlgefühl der Tätigkeit, der Willensregung zu verschaffen, wie der Asket seinen Machtwillen an sich selbst ausläßt, um die mit der Zeit drückend werdende Stille, das beklemmende Schweigen zu durchbrechen und gleichsam die entschlummernden Lebensgeister wieder zu entfesseln: so quillt auch wie durch ein Wunder aus dem vom Schweigen bedeckten Abgrunde der Seele ein mächtiger Lebensstrom, der sich ergießt in die unendlichen Weiten der Welt.

Die Berichte über die Weltentstehung verraten es deutlich, welche seelischen Regungen der Herausbildung der Gestalt des Weltenschöpfers zugrundeliegen. Im Anfang, so heißt es, war das Brahma noch nicht entfaltet, es war einsam und wurde in der Einsamkeit von der Angst gepackt. Da schuf es die Welt, um nicht allein zu sein, und aus der Wonne strömte diese hervor. Und als die Sonne sich aus der Finsternis des Abgrundes herausrang, „da erhob sich lärmendes Jauchzen hinter ihr her und alle Wesen und Wünsche."

Hier ist es ausgesprochen: um die Qual des Alleinseins abzuschütteln, regt sich der Machtwille, und Hochgefühle, Wonnegefühle umflammen ihn, den König der Welt. Wohlan, der Heilige, der das Brahma verehrt, ist selbst der Glanzfürst dieser Welt. Allwünschend, allwirkend, allriechend, allschmeckend ist er; die ganze Welt ist in seinem Herzen beschlossen, die unendlichen Himmelsräume, die dahinflutende Zeit, alle Schrecken und Freuden des Daseins, alle Herrlichkeiten und die finsteren Mächte, alles was da lebt und webt. Mit Herrscherkräften gebietet er über die Welt, denn sie ist sein Eigentum, seine Schöpfung. Die Krone höchster Macht hat er empfangen. Er ist siegreich, bezwingt alle anderen, allgewaltig ist er; unendliche Welten gewinnt, wer das erhabene Wissen hat. Die Brahmaburg wird das Herz genannt, Herrschersitz des Großkönigs, auf dessen Befehl hin sich alles beugt. Schön wird in der Bhagavadgita dieses aus dem Machtwillen herauswallende Hochgefühl besungen:

[blocks in formation]

Das Werden und Vergehn der ganzen Welt.
Nichts anderes, nichts Höh'res gibt es als ich!
Auf mir ist alles dieses aufgereiht

Wie eine Reihe Perlen auf der Schnur.
Ich bin des Wassers labender Geschmack,
Ich bin der Glanz der Sonne und des Monds,

Ich bin der Vedalehre heil'ges Om,

Im leeren Raume schwinge ich als Ton,
Bin Manneskraft im Mann. Der Wohlgeruch
Der feuchten Erde und des Feuers Glut,

In allen Wesen das Lebendige.“

(Übers. von Th. Springmann.)

So ergibt sich, wie das Streben nach Stille und Vollendung, nach der Wonne des Einsseins mit dem göttlichen Urgrund abgelöst wird vom Machtwillen, der hineinführt in die Welt des Werdens, ja, diese Welt des Werdens in einem nicht weiter zu deutenden seelischen Vorgang selbst schafft. Dadurch entsteht in der Seele eine Bewegung, ohne die kein hohes Leben denkbar ist: abwechselnd wird sie vom Machtwillen und Erlösungsdrang erfaßt, und je nach der Besonderheit des Rhythmus, in dem sich diese Bewegung vollzieht, empfängt das Leben der Frommen verschiedene Gestalt.

Aber nun gelingt dem Inder noch ein Großes: aus dem Machtstreben quillt in einem geheimnisvollen seelischen Vorgang die Welt des Werdens, aber wird denn diese nicht als ein Abgrund von Bosheit und Leidenschaft, von Qual und Not empfunden, welcher der nach Erkenntnis strebende Mensch entflieht, um als ein Erlöster im Wonneschein der Gottheit zu verharren? Machtvoll ist diese Linie dem Seelenbild des Frommen eingeprägt, aber er bringt auch die Kraft auf, wenigstens ein Teilgebiet der Wirklichkeit so zu verklären, daß es als ein wohltönender Kosmos sich seiner Seele einschmeichelt: das Reich der Natur. Verschafft ihm schon der Machtwille das Wonnegefühl des Schöpfers, so werden ihm erneut Hochgefühle des Freien zuteil, indem er das Reich der Natur wieder in der Weise formt, daß die schrillen Klänge einmünden in eine beseeligende Harmonie. Der Mensch als Herr der Welt ist zugleich Beschauer, und mit schauendem Auge, mit dem Hauche einer liebeatmenden Seele verklärt er sie, daß sie aufquillt in göttlichen Farben. Staunend steht der Fromme vor den Wundern der Natur, in die er hineinblickt den Allgeist, der selbst seine Seele ist. Die Natur wird beseelt und in oft

herrlichen Hymnen gefeiert ihre Schönheit und Erhabenheit. Der Glanz des Allgeistes durchdringt sie, und tief empfänglich ist man für die Atemzüge der Stille, der zarten Wonnen ihrer Andachtsfeiern. „Ja, es ist eine Melodie in der Welt welch Wunder, daß sie stets zusammenklingt." Die jubelnde Sonne, der träumende Mond, die funkelnden Sterne: sie sind die Boten der Gottheit: glanz- und lichterfüllt ist das All, durchweht vom Atem des Ewigen. Ja selbst dionysische Flammenmacht schlägt uns zuweilen entgegen aus den Hymnen der Frommen: womit bewiesen ist, wie auch einmal stürmisch aufwallen konnte ihre Seele, die so inbrünstig nach ewigem Frieden lechzende: durch Prajapati fuhr „ein loderndes Feuer, und er grüßte die Sonne wie seine Schwester. Seine Seele wogte wie ein Sturm durch die Welt, und sie brach wie ein Meer durch alle Dämme. Meinem Gott will ich singen', rief er, ,meinem Gott, der in mir ist." (Übers. von Eberhardt.) Und von dem Selbst, das in vielen Masken sich bergen kann, wird versichert, daß es nicht allein als Blume am Bächlein sinnig steht, nicht allein als Schmetterling kost oder leise im Bache plätschert, sondern auch als Sturm durch die Wälder braust und im Meere aufheult, als Flamme hochauflodert, ja, als Raubtierwut sich auf seine Feinde stürzt.

Damit haben wir die Hauptäußerungen des Urphänomens im Bereiche der indischen Kultur enthüllt: den Willen zur Macht, der vor allem sich auswirkt als Weltschöpfungsdrang, dann das Erlösungsbedürfnis, demzufolge sich über die Seele Verklärung breitet, indem sie die Natur als Gottesreich der Harmonie empfindet, dann, indem sie sich versenkt in das Geheimnis des Herzens, wo Brahma wohnt, in dem alle Dinge wonnevoll zur Ruhe gebettet sind. Wenn Goethe singt, daß alles Drängen, alles Ringen ewige Ruhe ist in Gott dem Herrn, so kann der Inder mit voller Seele einstimmen, umschreibt er doch das Weltgeheimnis in ähnlicher Weise: „Wie aus dem wohlentflammten Feuer die Funken, Ihm gleichen Wesens, tausendfach entspringen, So gehn, o Teurer, aus dem Unvergänglichen

Die mannigfachen Wesen

Hervor und wieder in dasselbe ein."

Oder, um die bereits angeführten Verse nochmals wiederzugeben:

,,Der jedem Mutterschoße als der Eine vorsteht,

In dem die Welt zergeht und sich entfaltet,

Wer den als Herrn, als Gott, reichspendend, preiswert
Erkennt, geht ein in jene Ruh für immer."..

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »