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eine Erlösung für den Inder undenkbar ist. Für ihn gibt es keinen Plan im geschichtlichen Leben, keinen Fortschritt in dem Sinn, daß immer neue Kräfte aufquellen und sich in Werken und Taten verherrlichen, die wieder überboten werden durch neue Leistungen: im geschichtlichen Leben herrscht die Unvernunft, der blinde, auf die Bahn des Leidens führende Wille. Weder die Vergangenheit noch die Zukunft lockt den Inder an. Er weiß nichts von Taten der Vorfahren, in deren Glanz sich der Nachlebende wie an der Pracht ehrwürdiger Stätten weidet; weiß nichts von einem Genius der Geschichte, in dessen Dienst die wechselnden Geschlechter stehen, um erhabene Werke aufzutürmen; nichts von einer Großes verheißenden Zukunft, der die Kräfte frohlockend zuströmen. Der Gemeinschaftswille als Wille eines vom Gefühl des Wachstums beflügelten Volkes ist in ihm völlig erstorben; sein Reich ist nicht von dieser Welt, sondern weist über sie hinaus in einen Bezirk, wo alles Drängen und Streben nach irdischen Gütern, indem der lebensgierige Wille erloschen ist, seinen Sinn verloren. Zwar ist es falsch, wie man zuweilen hört, daß der Inder kein Organ besessen habe, um die Idee eines geschichtlichen Geschehens zu erfassen. Rollen doch vor dem Auge des Buddhisten ungeheure Zeiten ab: von gewaltigen Weltperioden ist die Rede. Freilich, diese erfüllen ihn nicht mit den Hochgefühlen dessen, der schaffend und liebend sich dieser Welt zuwendet und in den Werken des Menschengeistes einen von Sieg zu Sieg führenden, wenn auch nicht von Erschütterungen freien Entwicklungsgang voller Sinn und Erhabenheit erblickt: er erbleicht und erbebt vielmehr vor diesem ungeheuren Geschehen und weiß sich gegenüber der erdrückenden Übergewalt der wie in einem kosmischen Sturm dahinrauschenden Vorgänge nicht anders zu retten, als daß er annimmt, es werden immer neue Buddhas erstehen, die, inmitten des tosenden Stromes des Werdens, die Botschaft von der Erlösung verkünden.

Auch in den unendlichen Raum schweift der Blick des Buddhisten hinein, in Weltsysteme, in die er freilich nicht erobernd wie der Astronom oder der am Gefühle des unendlichen Raums sich berauschende abendländische Philosoph vordringt, sondern vor denen er ebenfalls zurückbebt wie vor den Weiten der Zeit. Denn auch diese Weltsysteme sind ihm Stätten leiderfüllten Ringens und des Fluches, und auch hier harrt seufzend alle Kreatur auf die Stimme des Erlösers, dessen Stirne Friede und Seligkeit umleuchtet.

Es drängt sich nun die Frage auf: ist denn das Urphänomen des Lebens im Buddhismus überhaupt noch zu erkennen? Scheint es nicht, als ob hier jenes Spiel der Systole und Diastole - von dem wir sagten, daß ohne dieses das Leben nicht zu denken keine Stätte mehr habe? Unsere Darlegung hat ergeben, daß machtvoll die Erlösungssehnsucht den Buddhisten durchdringt. Aber diese Erlösung vollzieht sich, indem der Mensch den Gewalten des Lebens, den Leidenschaften auch seiner Seele, abwehrend, herrschend entgegentritt. Die Buddhisten haben die Brahmanen, die immer wieder den Gelüsten der Welt sich hingaben und sich's wohl ergehen ließen, mitunter verspottet: nun, auch ihre Seele birgt Leidenschaften und wird immer wieder von der Versuchung überfallen, sich dem Gewoge des Lebens hinzugeben: wie anders hätten sie sonst dessen Toben in solch nächtigen Farben schildern können? Indem man aber sich solcher Versuchung gegenüber zur Wehr setzt, in die Einsamkeit flüchtet, durch asketische Maßnahmen die Leidenschaften zu bändigen sucht und ihnen wie Rossen in die Zügel fällt, läßt man den Machttrieb an seiner eigenen Seele aus und verschafft sich so das Hochgefühl des Herrschers nicht nur über sich selbst, sondern auch gleichsam über die Welt.

In grauenhaften Bildern wird die Macht des Bösen, das dämonische Ungeheuer der Welt, festgehalten: Buddha, dem Erlöser, wird Mara, der Bōse, als die in der Welt tobende dämonische Grauengestalt entgegengestellt, die flammenwogende, leidbringende. Ihm gilt der Kampf, und seine Überwindung bedeutet die Vernichtung der Welt, die Befreiung der Seele aus den Klauen des Willens zum Leben. So verschafft sich der Machtwille auf den verwegensten Höhen der Geistigkeit noch einen letzten Triumph. Man ist nicht imstande, wie die Philosophen das Ungeheuer des Chaos zu bändigen, daß es sich zum Kosmos gestaltet, den der Atem der Gottheit belebt, sondern zerstörend, vernichtend wirkt sich der Machtwille aus: niedergerungen wird das Scheusal der Welt, auf daß der Mensch, befreit von allen Banden, die ihn an das Leben fesseln, aufschweben kann zur Höhe der Vollendung, der Erlösung. Aber dieses Vernichtungswerk wird durchaus empfunden als Wirkungsmacht eines erhabenen Herrscherwillens: Buddha, der das höchste Wissen verkündet und die Menschen auffordert, ihm nachzufolgen, er ist nicht allein der Heiland, der Erlöser, sondern auch der Herrscher über sich selbst und die Welt. Held wird er genannt, der sich selbst bezwungen, Siegesfürst, der mit der Gewalt seines von

Allwissenheit durchleuchteten Willens das von Stürmen durchbrauste Dasein wie einen Dämon niedergerungen; dem alle Wesen, selbst die Götter, untertan sind.

So bleibt auch hier die Systole und Diastole gewahrt: als weltzerstörender Machtwille und als Erlösungssehnsucht. Aber wie sind nun die aufbauenden, lebenerweckenden Kräfte geschwächt! Wie eintönig ist die Bewegung der Seele im Vergleich zu dem Rhythmus, der die großen Philosophen belebt, wie verdünnt der Strom der Seele! Noch bringt diese Frömmigkeit ein Glück ein, aber es ist nicht mehr jenes Glück, dem die Jubellaute des Entzückens entströmen im Anblick der vom Geiste der Gottheit erfüllten Natur; nicht mehr jenes Glück, das aus einem im Glanze der Gottheit atmenden Herzen quillt: wesenseins werdend mit dieser und sich ausstrahlend mit ihr, flammenmächtig wie die Sonne, die die Nebel vertreibt und die Welt mit ihrem Glorienschein übergießt. Und schon jetzt sei es gesagt, daß gerade heute der Buddhismus im Abendland stärker wirkt als die in den Upanishads niedergelegte religiöse Philosophie, heute, in einem Zeitalter der Zivilisation, wo die schöpferischen Kräfte immer mehr versiegen und so auch die Frömmigkeit, wo sich noch derartiges regt, gleichsam von den Schatten des Todes umspielt ist.

BABYLON

IE indische Kultur hebt sich in ihren letzten Ausstrahlungen schroff

DIE indische Kultur kulturen, die ihre Werke gleichsam in die Zeit

ab

und den Raum hineinbauen, Werke, ausreifend unter dem Blick einer lebenspendenden Sonne, Harmonie ausströmend als Meisterwerke des formenden, das Chaos bezwingenden Willens oder als Schöpfungen, in denen das Leben, mag es auch noch so sehr aufwallen, doch irgendwie gebändigt quillt, so daß ihm der Fluch der Sinnlosigkeit geraubt wird. Wo immer unterdrückte Schichten, durch ihre Leidenschaften und Sehnsüchte bewegt, gestaltend- und sei es auch nur durch ihre Fürsprecher - auf den Kulturverlauf einzuwirken suchen, da drängen sie hin zum Leben und zur Sonne, mögen auch ihre Ideale die Farben eines vom Schimmer der Göttlichkeit bedeckten Jenseits tragen. Bürger dieser oder einer neuen Erde wollen sie werden, genießen wollen sie, im Lichte des Glückes sich ergehen, und nichts wäre ihnen unverständlicher als jenes Glück der Abgeschiedenheit der indischen Heiligen, das weglockt vom sozialen Verbande. Von solcher Rücksichtnahme auf die Sehnsucht des Volkes ist das indische Erleben vollkommen frei. Hier handelt es sich um Stimmungen von Kreisen, die hoch über dem im Dunkeln hausenden Volke dahinleben, um Stimmungen einer geistigen Aristokratie, die beständig Zuzug bekommt aus der herrschenden Schicht, und diese Kreise sind, hingesehen auf den Adel der Heldenzeit, von einer gliederlähmenden Müdigkeit befallen: die Lebensflamme lodert nicht mehr auf in einem Heroismus, der das Dasein segnet, auch wenn ihm Bitternisse eingemischt sind. Sie sind ganz nach Innen gewandt, und wenn noch etwas wie Heroismus am Werke ist, so jener Heroismus, der dem Willen entspringt, die dem Leben zudrängende Gier zu ertöten, auf daß sich das Licht einer im Frieden der Stille atmenden Seele rein entzünde.

So läßt der Inder keine, wenn auch noch so verinnerlichte Lebensgemeinschaft, die in die Zeiten hineinwächst, gelten, und wenn auch gewiß in den Genossenschaften der Mönche sich so etwas wie ein

Lebens- und Gemeinschaftswille äußert: letzten Endes stehen auch sie im Dienste der Abkehr des Willens vom Dasein: Pflanzschulen sind sie jenes Sinnes, der zugewandt ist dem zeitlosen Einen, das über die Sinnenwelt hinausweist. Kein Gedanke an soziale Reform taucht auf, und die leidenschaftliche Sehnsucht jener Völker und Klassen, die oft in heroischer Anstrengung sich erkühnen, diese Erde zur Stätte sozialer Harmonie auszubauen, sie würde lediglich ein überlegenes Lächeln hervorrufen.

Wir haben uns so eingehend mit dem Geist der indischen Kultur beschäftigt, weil uns dadurch die Möglichkeit gegeben ist, das Besondere der babylonischen und damit auch der jüdischen Kultur scharf zu erfassen. Es sind zwei verschiedene Welten, die sich vor uns auftun, und wenn gewiß auch beidemal das Urphänomen des Lebens wirksam ist: es handelt sich doch um durchaus verschiedene seelische Haltungen. Denn während der Inder durch eine Überwindung der Welt das ganze rastlose Getriebe einbetten will in den Schoß der Ruhe, des nicht zu enträtselnden Einen, führt die babylonische Kultur machtvoll hinein in das Gebiet des Werdens, das in einem durchaus neuen Sinn erobert und verklärt wird. Gewiß, auch in Indien fehlt der Machtwille, der sich die Welt untertan machen möchte, nicht: als Weltschöpfer fühlt sich ja der im Ureinen versinkende Heilige, aber dieses Machtgefühl wird doch stark übertönt von der Sehnsucht nach ewigem Frieden, der sich auf die Seele niederläßt, wenn sie eintaucht in den raum- und zeitlosen Abgrund der Gottheit. Eine zarte, von erschauernden Geheimnissen durchbebte herbstliche Luft, die zum Schauen und Träumen überredet, weht uns doch vor allem aus Indien an*), während die babylonische Kultur auf uns einwirkt im Bilde eines Stromes mächtiger Willensgewalten, die sich imperialistisch in das Chaos der Welt hineinwagen, um dieses zu bemeistern.

Auch die babylonische Entwicklung weist wie die indische in ihren Anfängen auf eine Urzeit und, dieser folgend, auf eine Heldenzeit hin, die wir Mittelalter bezeichnen können, und dieser reiht sich an eine Zeit,,individualistischer" Färbung mit großartigen religiös-philosophischen Offenbarungen. Und wie in Indien folgt auf die Zeit der großen Kulturleistungen eine solche der Verflachung: eine Epoche der Zivilisation, mit der zwar nicht die ehedem so machtvoll sprudelnden

*) Wie bezeichnend ist es, daß die machtvollste Königsgestalt Indiens, Açoka, ihren ganzen Stolz dareingesetzt, die Lehre Buddhas zu verbreiten!

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