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ihren Gegensätzen. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet, gehört dieses Epos der versinkenden Heldenzeit an; denn noch ist Gilgamesch ein Held und Fürst, strahlend in Schönheit und Stärke, durchstürmt von der Leidenschaft des Kampfes mit äußeren Feinden: der Klang der Waffen hallt in dieser Dichtung. Aber nicht erstrebt der Held äußere Güter, nicht Städte und Reiche will er erobern, sondern er zieht mutbeseelt aus, um für das Heil seiner Seele zu streiten. Derbe, ja rohe Leidenschaften sind in seinem Innern vermischt mit zarten Regungen, und so ist denn dieses Epos herausgeboren aus der Stimmung einer Aristokratie, welcher der Boden unter den Füßen weicht, wobei aber der Einzelne sich inmitten des Verfalls zu behaupten sucht.

Schon haben wir Gilgamesch als den unstet umherschweifenden, wandernden, von Kampf zu Kampf stürmenden Helden kennen gelernt. Aber warum wagt er sich in die Abgründe hinein, wo unheimliche Gefahren lauern? Nun, um sich von der Furcht vor dem unheimlichen Problem des Daseins zu befreien. Die grausige Gestalt des Todes, die den Menschen würgt, durchschüttert ihm das Mark, und so macht er sich denn auf, das ewige Leben zu suchen und zu erkämpfen. Mit unbändiger Gewalt dringt der Gedanke an den Tod auf Gilgamesch ein. Vor der Leiche seines Freundes stehend, bricht er in ergreifende Klage aus: der Menschheit Jammer faßt ihn an: seine Wangen sind bleich und abgezehrt, betrübt ist seine Seele, gebeugt seine Gestalt: er gleicht ,,einem Wanderer ferner Wege." Er bäumt sich auf gegen die grausige Majestät des Todes, gegen das Chaos, das blühendes Leben verschlingt, und sehnt sich hin zu den herrlichen Gefilden, über denen ewig die Sonne leuchtet: zu der Insel des ewigen Lebens, zum Reiche der lichten Götter. Ein Einsamer ist er unter den Menschen, tiefes Leid wühlt in seiner Seele, das Leben ist ihm fragwürdig geworden.,,Über die Steppe bin ich gezogen im Elend der Einsamkeit, ein Stern nach dem andern ging unter, und alle Jahre lag ich nachts auf dem öden Felde. Nicht Sonne, nicht Mond, keine Sterne erschienen mir in dem finstern Hohlweg. Laß meine Augen dich sehen, Sonne, daß ich mich sättige an deiner schönen Helle!... Wann dürfte wohl der Sterbliche schauen. ins Auge der Sonne? Soll nicht auch ich das Leben suchen und das Leben finden für alle Tage?"

Hier ist die ganze Not der babylonischen Seele ausgesprochen, und sie redet noch deutlicher zu uns, wenn wir hören, daß Gilgamesch ein ,,Herz gegeben ist, dessen Ungestüm nicht Ruhe findet". Nicht das

Leben als solches ist Gilgamesch verhaßt, sondern nur ein solches, in welches das Gift quälender Erscheinungen wie der leidbringende Tod eingemischt ist. Und nun können wir deutlich in die Tiefen der babylonischen Seele hineinblicken. Dieses Forschen, Drängen, dieses immer neue Aufquellen der Kräfte, dieses himmel- und weltenerstürmende Wagen füllt sie nicht allein aus: das Verlangen stellt sich ein nach einem Endgültigen, Letzten und Höchsten, in dessen Sphäre sich der Mensch als ein Vollendeter ergehen kann, und so wendet sich denn das Auge hin zu den himmlischen Gefilden, wo den Erlösten die Krone des ewigen Lebens schmückt. Aber dieses Jenseits nimmt sich anders aus als die Friedensstätte, der der Inder zustrebt. Hier ist die Sonne untergegangen, nichts erinnert mehr an die Welt der Erscheinungen mit ihren Farben und Klängen, ihrem Leid und ihren Kämpfen, während das Jenseits, wie es im Gilgameschepos auftaucht, als das Reich eines ewigen,,Lebens" erscheint: als eine Stätte, wo die Seligen die Gemeinschaft mit jenen Göttern erlangen, die ihren Ruhm verkünden in gewaltigen erd- und himmelerfüllenden Machttaten.

Es ist eine immer wiederkehrende Behauptung, daß die Babylonier ein lebensfrohes Volk gewesen seien. Das waren sie gewiß in dem Sinne, daß hier nie wie in Indien die Sehnsucht wach wurde nach einem zeit- und raumfernen, in die Tiefen eines mystischen Erlebnisses eingesenkten Dasein; aber auch in Babylon greift das Verlangen nach Erlösung um sich: eine Sehnsucht, die hindrängt zu einem Leben, dem der Stachel des Leides entrissen, und das aufblüht unter dem segnenden Hauch der ewigen, allmächtigen, leidlosen Götter. Nicht allein das Gilgameschepos, auch andere Dokumente offenbaren Erschütterungen, die zeigen, daß das Leben, das so machtvoll anlockende, auch Grauen erweckt und den Drang entbindet, seinem Chaos zu entfliehen, auf daß der Mensch in göttlichen Gefilden sich im Glanze ewigen Friedens ergehen kann. Freilich handelt es sich hier um religiöse Bedürfnisse kleiner Kreise, die ihren Glauben als Mysterium hüteten. Das Volk als solches und gewiß auch die meisten der Gebildeten ließ wohl ein erdenfernes Jenseits gleichgültig; ihnen galt ein glückliches, langes Leben als der Güter höchstes: als schweres Verhängnis wurde der Tod empfunden. Man nimmt ihn zwar hin als ein Schicksal, dem nicht zu entrinnen ist, doch die Unterwelt, in welche die Verstorbenen eingehen, stellt man sich als einen grausigen Ort vor. Eine Wohnung der Finsternis ist sie, aus der es kein Entrinnen mehr gibt; von Erdstaub nähren sich

die Geister der Verstorbenen, gespenstisch leben sie dahin,,,bekleidet mit Flügeln und wie Fledermäuse und Eulen", und alle sind dort versammelt: die einst großmächtigen Könige, die Reinen und Propheten, die Lieblinge der Götter wie die Bösen.

Doch von diesem unheimlichen Reich der Schatten, auf das der lebensgierige Mensch, wenn ihn das Grauen vor dem Tode packt, erschauernd hinblickt, von diesem Reich hebt sich ein leidloses, doch mit irdischen Farben ausgeschmücktes Jenseits ab, dem wohl vor allem die seelisch feiner gearteten, schwer von der Last des Daseins gequälten Gebildeten zustrebten.

Schon in der Urzeit, und zwar in der Urzeit wohl fast aller Völker wird das alljährliche Sterben der Natur in Verbindung gebracht mit dem Schwinden der Kraft der Geister oder Götter, und der Frühling, den man jubelnd im Bilde der aufsteigenden Sonne begrüßt, wird betrachtet als Erwachen dieser Geister aus dem Schlafe ihrer Machtlosigkeit. Im Laufe der Entwicklung wird die Erscheinung der sterbenden und wiederauflebenden Natur in neuer, tiefsinniger Weise gedeutet. Im Schicksal göttlicher Helden offenbart sich der Gang des Naturgeschehens, in ihrem Untergang einmal, den man sich meistens vorstellt als Verbannung in die Unterwelt, wodurch die Quellen des Lebens versiegen. Aber der Held ringt sich, schwere Kämpfe bestehend und tiefes Leid erduldend, aus dem Reich der Finsternis wieder los, sieggekrönt hinaufsteigend ins lichte Reich der Sonne: unter seinen segnenden Händen grünt und blüht es wieder, daß die Menschen jubelnd sich des Lebens erfreuen können.

In großartiger Weise wird nun dieser von tiefen religiösen Erlebnissen eingegebene Mythus in Babylon ausgebaut, und unter dem Eindruck namentlich auch sozialer Erschütterungen wird nicht allein der Jenseitsglaube in Beziehung gebracht zu dem glorreichen Aufstieg einzelner Götter aus der Nacht der Unterwelt: es werden auch soziale Ideale gewonnen, die hineinweisen in ein Reich der Harmonie, das auf den Grundsäulen göttlichen Segens ruht.

Wir haben schon angedeutet, daß die babylonische Spekulation mit gewaltigen Weltenjahren rechnet, welche die Weltenuhr anzeigt. Astronomische Beobachtungen, dann dann die immer wiederkehrende Erscheinung der sterbenden und erwachenden Natur geben nun die Lehre ein, daß sich die Weltentwicklung in der Form eines Kreislaufes vollzieht: Fluch- und Segenszeiten lösen sich beständig ab: auf Zeiten

eines reinigenden Weltbrandes oder einer Sintflut folgt ein Weltenfrühling, wo die von verderbenden Gewalten aufgestörten Kräfte des Kosmos sich wieder harmonisch verbinden. Auf diese Weise gelingt es dem babylonischen Denken, das Ungeheure des zeitlichen Ablaufs der Welt zu gliedern: ein zwar noch roher, aber zu gewaltigen Gemälden des kosmischen Geschehens führender geschichtlicher Geist regt sich.

In dieser Lehre von dem nie zur Ruhe kommenden Kreislauf spiegelt sich die Weltentwicklung gemäß den Bedürfnissen der babylonischen Seele ab. Wie in ihr, der ringenden und kämpfenden, weltzerstörende und welterobernde Kräfte lebendig sind, so nimmt sich auch die Welt als Wirkungsstätte eines vernichtenden und bauenden Geistes aus, eines fast dionysisch zu nennenden Geistes, der aus der Überfülle seiner Kräfte heraus immer wieder das, was seiner formenden Hand als ein Vollkommenes entsprungen, zertrümmert, um ewig sich dem Trieb des Zerstörens und Bildens hinzugeben. So gibt es keinen Abschluß der Entwicklung.

So sehr nun diese Lehre auch den Philosophen in eine erhabene Stimmung zu setzen vermag, indem sich vor seinen Augen das chaotische Weltgetriebe entschleiert: auf den von den Nöten des Lebens gepeinigten Menschen muß sie niederdrückend wirken. Als ein Nichts erscheint er in dem nie rastenden Gewoge der Kräfte, das der Philosoph enthüllt, während er sich im Leben zu behaupten sucht, und da das Leben in der Tat alles andere ist als eine Stätte der Lustbarkeit; da auch in Babylon eine kulturelle Auflösung um sich griff und schwere soziale Miẞstände sich einstellten, und da nicht allein der starke Einzelne, sondern auch weite Kreise des Volkes, die von den Grundherren gedrückten Bauern namentlich, in einen Wirbel gerieten: so strebte man hin zu Stätten des Friedens und der Harmonie.

In doppelter Weise suchte man sich aus den Banden des Kreislaufes zu befreien: einmal, indem man sich dem Glauben an die Auferstehung hingab, dann, indem man sich an den glühenden Farben eines goldenen Zeitalters erquickte, das sich herausringen sollte aus dem Abgrund der verderbten Gegenwart.

Das Gilgameschepos läßt insofern deutlich erkennen, daß es einer Zeit sozialer Erschütterungen entstammt, wo die Erlösungssehnsucht die Menschen überkommt, als es die Idee des Weltgerichtes enthält, das Verderben bedeutet für die im Morast der Sünden steckenden

Menschen. Und da in diesem Epos das Streben nach Erlösung von den Ketten des Todes mit leiddurchzitterten Farben hingezeichnet ist, so ist erwiesen, daß der Jenseitsglaube in den Kreisen wenigstens der vom Vorgang der „,Individualisierung" erfaßten Aristokratie um sich gegriffen hat. Jene Götter aber, in deren Schicksal auch das Schicksal der sterbenden und wiederauflebenden Natur sich verkörpert, gelten nun als Totenerwecker. Marduk, Istar, Tamusz sind solche befreiende Mächte, die den Menschen aus der Knechtschaft des Todes herausziehen, doch läßt es sich nicht ausmachen, welche Bedeutung ihrem Kult zukam. Aber wenn auch das fromme Gemüt, vielleicht selbst unter mystischen Schauern, sich versenkte in die Herrlichkeit eines ewigen, von aller Pein befreiten Lebens: von einem Abscheu vor der Welt im indischen Sinn, der zur Weltflucht oder Askese führte, ist nichts zu spüren. Werden doch gerade jene Götter, die den Menschen Unsterblichkeit gewähren, auch als Schutzherren des Feldes und des Hauses, überhaupt der sozialen Ordnung verehrt!

Mithin drängt auch die willensgewaltig aufrauschende babylonische Seele, um von dem Peinigenden des Gefühls der Unrast und der Unfertigkeit loszukommen, hin zu einem Abschluß, und nicht allein ein himmlisches, freilich von irdischem Glanz erfülltes Jenseits leuchtet so vor dem nach Erlösung verlangenden Menschen auf: auch auf das bürgerliche Dasein fällt das Licht einer verklärenden Hoffnung: der Hoffnung, daß ein Reich der Harmonie, des Glückes von den starken, wundertätigen Händen eines Heilandes aufgebaut werde. Mag nach der Anschauung der Philosophen das Weltgeschehen in einem ins Unendliche hineinweisenden Kreislauf sich vollziehen: das Auge des Menschen, der nach Erlösung von der Not des Lebens lechzt, heftet sich auf die nächste Zukunft, die er mit glaubender, hoffender Seele sich ausmalt als eine Ordnung des Friedens.

Solche Glückserwartung, die das Traumbild einer vollkommenen Zeit eingibt, läßt vermuten, daß in Babylon schwere soziale Miẞstände die Sehnsucht weckten, einmal unter einem gütigen, gerechten Regiment des Daseins froh zu werden. Namentlich in den Kreisen bedrückter Bauern wird der Geist der Unzufriedenheit sich geregt und Bilder sozialen Friedens erweckt haben. Sicher sind Propheten erstanden, die Trost spendeten den Mühseligen und Beladenen und vor ihnen aufstrahlen ließen das beglückende Licht einer besseren Welt.

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