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das Böse, das Dunkle, das Leere in der Welt, und wenn die Gottheit den Inbegriff des Lebens und zwar des gestalteten Lebens darstellt, wie sollte da, indem alles Leben in Bezügen besteht, ihre Macht ein Betätigungsfeld finden, wenn nicht Luzifer mit seinen dämonischen Heerscharen sich ihr entgegenstellte?

Am schroffsten vielleicht bringt Goethe seine Naturauffassung in seiner Jugend zum Ausdruck, wo ihn rasende Leidenschaften bewegten, die ihn bald aufjubeln ließen in der Trunkenheit göttlichen Glückes, bald hineinzwangen in nächtige Abgründe. Unter dem Anhauch solch jäh wechselnder Stimmungen quillt die Natur bald im Siegesglanz auf, daß er sie feiert, herrlicher als der Psalmist, als die Freudenbotschaft des Allmächtigen und Alliebenden, „der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält“, bald vor ihr erschauert als vor dem „Abgrund des ewig offenen Grabes", vor einem „ewig verschlingenden, ewig wiederkäuenden Ungeheuer." Später hat sich, was hier in Form von Stimmungen sich äußerte, abgeklärt zu jener philosophischen Grundanschauung, die wir eben beleuchtet haben, wobei freilich bemerkt werden muß, daß Goethe, der nach Harmonie Lechzende, zum Unterschied etwa von Schopenhauer, vor allem der Tagseite sich zugewandt, um die Schrekkensklänge der Zerstörung abzuwehren, die ihn, der wie jeder große Mensch in sich selbst Chaos trug, aufs Tiefste erschüttert, zu seinem Leid noch neues Leid hinzugefügt hätten.

3.

DAS für unsere Aufgabe Wichtige besteht nun darin, daß Goethe auch den Menschen als Abbild der Natur betrachtet, indem lichte und dunkle Mächte in seiner Seele miteinander im Streite liegen. Schon in seiner Durchleuchtung einzelner Naturgebiete kommt der Meister gelegentlich zu Deutungen, die ganz den Regungen der Menschenseele entnommen sind: das Leben und Weben der Farben, wie es vom menschlichen Geist empfunden wird, er schildert es als ein Spiel und Widerspiel seelischer Kräfte, und in einem Abschnitt der Farbenlehre hat er mit der ganzen Meisterschaft seiner Schilderungskunst uns das Wirken des Urphänomens als Vorgang im Bereiche der Seele zur Anschauung gebracht. Er spricht davon, wie wir beim Betrachten der Farben „zu einzelnen Empfindungen fortgerissen werden, uns bald lebhaft und strebend, bald weich und sehnend, bald zum Edlen emporgehoben, bald zum Gemeinen herab

gezogen fühlen“. Und er weist darauf hin, wie „,das Bedürfnis nach Totalität, welches unserem Organ eingeboren ist, uns aus dieser Beschränkung" herausführt. ,,Es setzt sich selbst in Freiheit, indem es den Gegensatz des ihm aufgedrungenen Einzelnen und somit eine befriedigende Ganzheit hervorbringt.“

Hier wird das Walten der Urseele, die in allen seelischen Vorgängen durchleuchtet, in knappester Weise zur Anschauung gebracht: erfaßt ist der Rhythmus des Lebens, dergestalt, daß bald tätig, folgend einer Willensgewalt, die Seele sich äußert, daß sie bald hingebend, ,,weich und sehnend" sich entfaltet; daß sie sich entweder erhoben weiß, vom Hauch der Verklärung umweht, oder sich hinabgezogen fühlt in düstere, peinigende Niederungen.

Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die seelischen Wirkungen der Farben, wie sie Goethe zu erfassen versucht hat, in allen Einzelheiten hier wiederzugeben, dieses bannende Spiel und Widerspiel, demzufolge die Farben den menschlichen Geist mit einem ewig bewegten, auf- und abwallenden Leben erfüllen. Betonen wir vor allem, daß Goethe Farben unterscheidet, welche den Eindruck des Tätigen, Willensmäßigen oder auch hingebender Stimmungen erwecken: der männliche und weibliche Teil der menschlichen Seele wird also jeweils von besonderen Farben in Schwingung versetzt. Keine Farbe, behauptet Goethe, und damit berührt er ein Prinzip, das für die Ausdeutung der Seele auch der Kulturen von hoher Bedeutung werden kann keine Farbe läßt sich als stillstehend betrachten, und nun gibt es Farben, die, geben wir uns ihrem Eindruck hin, uns beschwingen, als werde in uns eine starke Willensgewalt wirksam. Wird Gelb ins Rötliche gesteigert, so wird die Kraft des Heiteren, die Gelb auslöst, mächtig beflügelt, wir werden erhoben und treten in eine herrliche Region ein. Wird das Rotgelb zum Gelbroten gesteigert, so ist es uns, als ob uns eine stürmische Gewalt erfasse, daß wir bis in die Tiefen der Seele aufgewühlt werden:,,eine unglaubliche Erschütterung" kann eintreten. Als eine aktiv wirkende Farbe erscheint auch das Rot: das Erschütternde fehlt, in seinem dunklen Zustand löst es die Stimmung gebändigter Kraft aus, Ernst und Würde. Und tiefster, ja unheimlicher Ernst kann uns überkommen, wie sie das Walten einer gewaltigen, doch hoheitsvollen Macht hervorruft, wenn eine Landschaft im Flammenschein des Rot vor uns auftaucht.,,Das Purpurglas zeigt eine wohlerleuchtete Landschaft in furchtbarem Lichte. So müßte der Farbeton über Erd und Himmel am Tage des Gerichtes ausgebreitet sein."

Wie im Rot,,,im besten Karmin" etwa, das Aktive und Passive ein Gleichgewicht findet, daß wir in den Zustand der Ruhe und Befriedigung gelangen, ohne nach der einen oder anderen Seite hingezogen zu werden: so gibt es auch Farben, die uns mit der Unruhe des Sehnens erfüllen, und zwar des Sehnens in dem Sinne, daß wir das Drängende des Willens von uns abschütteln möchten, um einzutauchen in eine uns besänftigende, liebevoll aufnehmende Sphäre. Das Blau ist eine solche Farbe. Mächtig wie mit Mutterarmen zieht uns das Blau des Himmels an, wir möchten aufschweben in seine Reinheit, aufgehen in seiner Herrlichkeit.

Und nun möge die Skala der Stimmungen noch erweitert werden: Tiefen des Seelenlebens werden uns erschlossen, die eben auch dem Blick des Geschichtsphilosophen sich eröffnen. Es gibt Farben, möchten wir, Goethe ausdeutend sagen, in denen gleichsam ein erhabener oder gütiger Genius waltet, so daß wir uns behütet und beglückt wissen: auf das Hoheitsvolle und Erhebende der roten Farbe sei nochmals hingewiesen. Gelb nun,,führt in seiner höchsten Reinheit immer die Natur des Hellen mit sich und besitzt eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft", Grün versetzt uns in ein Gleichgewicht, es wirkt behaglich, lösend. Man will, wenn die Mutterfarben gelb und blau harmonisch gemischt sind,,,nicht weiter und man kann nicht weiter".

Aber das Leben, und damit auch das Leben der in unsere Seele so tief eingreifenden Farben, das Goethe so fein schildert, bewegt sich nicht immer auf Höhen, wo wir uns geborgen fühlen. Die Nacht bricht herein, oft eine unheimliche Nacht, aus der sich eben wieder der jubelnde Tag herausringt. Es gibt Farben, die uns stärker oder schwächer daran gemahnen, daß wir aus dem Paradies vertrieben und in die Öde gestoßen worden. Wir haben schon gesehen, wie das Rotgelb uns förmlich aus dem Gleichgewicht bringen kann. In der Tat, es wirkt, als ob eine Explosion in uns stattfände. Die niederdrückende Stimmung des Chaos löst auch die gelbe Farbe aus, wenn sie ,,unreinen und unedelen Oberflächen mitgeteilt wird. Durch eine geringe und unmerkliche Bewegung wird der schöne Eindruck des Feuers und Goldes in die Empfindung des Kotigen verwandelt und die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande, des Abscheus und Mißbehagens umgekehrt." Ein Gefühl beklemmender Unruhe entsteht, wenn das Blaue ins Rotblaue sich wandelt, und diese Unruhe kann geradezu unerträglich wirken, wird die Steigerung des Blauen ins Rote fortgesetzt.

Nun macht es den höchsten Reiz der Goetheschen Farbenlehre aus, nicht allein, daß der Meister zeigt, wie eine Farbe in die andere übergehen kann — wobei er eine aufsteigende und absteigende Linie, das Aktive und Hingebende der ausgelösten Stimmung hinzeichnet

son

dern auch, daß gezeigt wird, wie das Auge, sobald es auf eine Farbe blickt,,,seiner Natur gemäß auf der Stelle eine andere, so unbewußt als notwendig“ hervorbringt, „welche mit der gegebenen die Totalität des ganzen Farbenkreises enthält".,,Gelb fordert Rotblau, Blau fordert Rotgelb, Purpur fordert Grün." Was bedeutet nun diese unbewußte Tätigkeit? In ihr kommt zum Ausdruck das Streben nach Allgemeinheit, nach Harmonie. Sobald wir uns einer einzelnen Farbe hingeben, befinden wir uns in einer Beschränkung. Aus dieser aber,,führt uns das Bedürfnis nach Totalität, welches unserm Organ eingeboren", heraus; ,,es setzt sich selbst in Freiheit, indem es den Gegensatz des ihm aufgedrungenen Einzelnen und somit eine befriedigende Ganzheit hervor. bringt."

Aber, möchte man vielleicht einwenden, ist denn die Goethesche Lehre auch richtig, handelt es sich hier nicht lediglich um die Anschauung eines Einzelnen, wo sie doch in das schwankende, schwer zu enträtselnde Gebiet der Seele hineinführt? Jedenfalls gibt sie uns einen tiefen Einblick in das Seelenleben eines ursprünglichen, großen Geistes, und sie zeigt uns, daß dieses Seelenleben sich offenbart als eine ewige Bewegung, als Glück und Leid wobei beide im Wechselverhältnis zu einander stehen, das eine das andere fordert — dann als Streben nach Harmonie, als ein immer wieder durchbrechendes Verlangen inmitten des rastlosen Spieles der Kräfte. Damit kommt das Urphänomen, aus dem die Farben quellen, als das Urphänomen der Seele des Forschers Goethe prachtvoll zur Anschauung. Der Gegensatz von Natur und Geist ist überbrückt, beide sind Ausstrahlungen einer einzigen Urkraft: des Urwesens, des Urlebendigen.

Goethe hat es zuweilen deutlich ausgesprochen, daß jener Zwiespalt, der durch die Natur geht, indem hier die Kraft des Lichtes mit dem Fürsten des Chaos, mit Luzifer, beständig ringend sich mißt, auch das Leben der Seele des Menschen bestimmt. Die Macht des Lichtes stellt sich auch hier den Gewalten der Dunkelheit entgegen, und die göttlichen Kräfte können nicht als ein Fürsichbestehendes betrachtet werden: im Kampfe allein mit niederzwingenden, nächtigen Energien gelangen sie zur Wirksamkeit und Sichtbarkeit, und um so reiner treten sie auf, je

mehr es gelingt, dem Chaos das Flammensiegel des Lichtes aufzudrücken. In der Natur wie im Menschen waltet das gleiche Urphänomen, freilich ist es Goethe mitnichten gelungen, diese großartige Auffassung im Einzelnen zu begründen. Nicht allein, daß er nur wenige Gebiete der Natur mit den Augen seines nach Einheit strebenden Geistes wissenschaftlich zu durchleuchten sucht: die große Welt des geschichtlichen Geschehens hat er nie gemäß den Weisungen seiner Lehre vom Urphänomen zu durchforschen unternommen, so daß auf einem festen Grunde ein unfertiges Gebäude sich erhebt. Aber immer wieder betont er die engste Zusammengehörigkeit von Natur und Mensch. „Unsere Zustände schreiben wir bald Gott, bald dem Teufel zu und fehlen ein wie das andere Mal: in uns selbst liegt das Rätsel, die wir Ausgeburt zweier Welten sind."

4.

NUN sei es ausgesprochen, was in diesem Werk und den folgenden Bänden auf breiter Grundlage erwiesen werden soll: daß das Urphänomen, das im geschichtlichen Leben, in den großen Kulturen, den großen Geistern, den Gemeinschaften, in jedem einzelnen Menschen sich äußert, begriffen werden kann als nie rastendes Wechselspiel von Machtwillen und Erlösungsdrang.

Nicht willkürlich sind wir zu dieser Anschauung gelangt, sondern erst nachdem wir uns in das Wesen und Werden einer unermeßlichen Anzahl geschichtlicher Erscheinungen versenkt, voll Verlangen, den Grund zu erspähen, der sie alle trägt und nährt, erst dann trat uns die majestätische Urgestalt, die in allem Geschehen zutage tritt, vor die Augen unseres Geistes. Eine solche Deutung des geschichtlichen Geschehens wir gestehen es hat zunächst einmal Gültigkeit lediglich für uns, sie ist Ausdruck der seelischen Kräfte, die in uns walten. Und wenn wir wissen, daß es Unzählige gibt, die für eine solche Deutung völlig unempfänglich sind, so wissen wir auch, daß sie anderen das sein wird, was sie uns geworden: eine Leuchte in der schrecklichen Wirrnis der Einzeltatsachen, die eine richtungslos arbeitende, in der Fülle und Oberfläche der Erscheinungen sich verlierende Wissenschaft um uns ausbreitet.

Es kann nicht die Aufgabe dieser Einleitung sein, mehr als andeutend die Art der Äußerungen der Urseele im Bereiche der Kulturen zu

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