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nicht versiegt, man liebt das Leben und sucht, auch mit dem Schwerte in der Hand, die Widerstände zu brechen, die sich dem Herrschaftswillen des Menschen entgegenstellen. Aber auch das Bedürfnis regt sich, einmal in den Lichtschein einer vollkommenen Welt einzugehen, die Mühsal des Lebens abzuschütteln, sich am Fuße des Thrones der leidensfreien Himmlischen zu lagern und den Lauten der Harmonie zu lauschen. Daß solche Regungen sich einstellten, beweist die Verehrung, die man den fremden Gottheiten, namentlich Istar und Tamusz, erwies.

Diese beiden Götter waren, wie unsere Darstellung ergeben hat, babylonische Fruchtbarkeitsgötter, und als solche wurden sie als Erlösungsgötter, als Heilande gefeiert. In das Bild des Sterbens und Wiederaufblühens der Natur sah man hinein das Schicksal von himmlischen Gestalten, die in die Unterwelt steigen und wieder zum Lichte emporschweben, und als solche den Bann des Todes sprengende Helden gaben sie dem Frommen die Gewähr, daß auch er, stößt ihn das Verderben in das Reich der Unterwelt, zuletzt zur Freiheit in einem ewigen Leben gelangen werde.

So fallen gewiß schon düstere Schatten auf das Leben, man bringt nicht mehr die Energie auf, es als der Güter einziges zu verherrlichen wie in der noch von ungebrochenen Kräften durchschäumten Heldenzeit, man möchte es gewiß auskosten, aber es stellen sich Zweifel, Bedenken, seelische Erschütterungen ein, die die Sehnsucht eingeben, in ein himmlisches Land zu gelangen, wo die Erdenmühsal verbannt ist. Noch sind an Istar gerichtete babylonische Gebete erhalten, in denen in unvergleichlicher Weise die Herzensregungen der Frommen laut werden. Sie künden die gewaltige Erhabenheit dieser die Menschen in den Werken des Krieges und des Friedens schützenden Götter, doch auch die Klage des Gemarterten, der wohl lechzt nach irdischem Wohlergehen, aber auch nach der Ruhe des aufgestörten Gemütes, nach dem Frieden der Seele.

,,Ich flehe zu dir, Herrin der Herrinnen, Göttin der Göttinnen, Istar, Königin aller Wohnstätten, Leiterin der Menschen!

Irnini, du bist gepriesen, größte unter den Igigi,

Bist gewaltig, bist Herrscherin, dein Name ist erhaben.

Du, du bist die Leuchte des Himmels und der Erde, mächtige Tochter Sins,
Führst die Waffen, veranstaltest den Kampf;

Erteilst alle Befehle, bekleidest dich mit der Herrscherkrone,

O Herrin, herrlich ist deine Größe, über alle Götter erhaben!

Die Sache der Mannen in Recht und Gerechtigkeit richtest du, ja du;
Blickst auf den Mißhandelten und Zerschlagenen, bringst sie zurecht täglich.
Leuchtende Fackel Himmels und der Erde, Glanz aller Wohnstätten;

Zornig im unwiderstehlichen Angriff, gewaltig im Kampf!

Brandscheit gegen die Feinde entfacht, die den Kriegern Vernichtung bringt;
Aufreizende Istar, die die Scharen zusammenschart!

Göttin der Männer, Gottheit der Frauen, deren Ratschluß niemand versteht!

Wo du hinblickst wird der Tote lebendig, steht der Kranke auf,

Kommt der Irrende zurecht, da er auf dein Antlitz schaut.

Ich, ich schreie zu dir, hinfällig, seufzend, dein schmerzerfüllter Knecht.

Schau auf mich, meine Herrin, nimm' an mein Seufzen!

Treulich blick' auf mich, höre auf mein Flehen!

,Wie lange noch ich!' sprich aus, dein Gemüt erweiche sich!

Wie lange noch mein kläglicher Leib, der voll ist von Störungen und Wirrnissen!
Wie lange noch mein schmerzliches Herz, das voll ist von Tränen und Seufzern!
Wie lange noch meine kläglichen Eingeweide, die gestört und verwirrt sind!
Wie lange noch mein bedrängtes Haus, das die Klagelieder in Trauer bringen!
Wie lange noch mein Gemüt, das gesättigt ist von Tränen und Seufzern!
Ich woge wie eine Hochflut, die ein böser Wind erregt,

Es fliegt, es flattert mein Herz wie ein Vogel des Himmels.

Ich girre wie eine Taube, Nacht und Tag,

Bin niedergeschlagen und weine qualvoll;

Von Weh und Ach ist schmerzvoll mein Gemüt.

Es kam über mich Krankheit, Siechtum, Verderben und Vernichtung;

Es kam über mich Not, Abkehr des Antlitzes und Zornesfülle.

Wut, Groll, Grimm von Göttern und Menschen.

Ich muß sehen, meine Herrin, düstre Tage, finstre Monate, Jahre des Unglücks; Ich muß sehen, meine Herrin, ein Gericht der Verwirrung und Empörung;

Es erfaßt mich Tod und Not.

Verwüstet ist mein.... Hausheiligtum,

Über mein Haus, Tor und Gefild ist Verödung ausgegossen.

Mein Gott: nach einem andern Ort ist sein Antlitz gewendet,

Aufgelöst ist meine Sippe, meine Hofmauer zerbrochen.

Es merken nur dich, meine Herrin, es sind auf dich gerichtet meine Ohren,

Ich flehe zu dir, ja, zu dir, löse meinen Bann!

Löse meine Schuld, meine Missetat, meinen Frevel und meine Sünde;

Vergib meinen Frevel, nimm an mein Seufzen!

Lockre meine Brust, schaffe mir Unterstützung:

Leite recht meine Schritte, daß ich fröhlich und frei unter den Lebenden meine Wege gehe!" (Übersetzt von Alfred Jeremias)

Diese Göttin Istar wurde, das ergibt sich aus den Schriften des Alten Testamentes mit voller Deutlichkeit, gemeinsam mit Tamusz in Israel, genau so wie in Babylon, in Zeiten schwerer Not betrauert und beweint,

und nichts gebietet, die Annahme abzuweisen, daß auch hier der Jenseitsgedanke tröstend die bekümmerte Seele beglückt hat. Die furchtbaren seelischen Martern, von denen das angeführte Klagelied Kunde gibt, sie kehren wieder bei den großen jüdischen Propheten, und seltsam wäre es, wenn nicht schon vor diesen, wenn hoch die Flut der Not ging, fromme Seelen die Hände emporgestreckt hätten zu den himmlischen Helfern, daß sie den Gepeinigten abnehmen die Lasten ihrer Trübsal. Der alte Jahweglaube vermochte eben, nachdem einmal freier die Menschen im Leben standen, nicht mehr den seelischen Bedürfnissen Genüge zu leisten: Schutzherr war Jahwe lediglich des Volkes, nicht des einzelnen: unberührt ließ ihn dessen Leid.

So ist zu verstehen, daß gerade die in seelischer Hinsicht verfeinerten Kreise des Adels sich leidenschaftlich fremden Göttern zuwandten, eben solchen Göttern, die gnädig auch die Gebete des einzelnen erhörten, und wir müssen annehmen, daß man in Mysteriengenossenschaften sich zusammenfand, um die Gnade dieser himmlischen Helfer zu gewinnen. Ja, es ist selbst denkbar, daß auch machtgierige, trotzige Menschen, die sich wild in das Getriebe der Welt hineinstürzten, sich den neuen Göttern zu Füßen warfen: Menschen, bei denen sich zufolge der Wirrung eines heftig bewegten Lebens das Verlangen einstellte, auch einmal aus dem Strudel herauszukommen und hinaufzuschweben in die Gefilde eines Frieden aushauchenden Äthers, ohne daß durch solche Erlösungssehnsucht das unter der Sonne sich abspielende Leben schlechthin als ein fluchwürdiges erachtet worden wäre. Etwas wie Bußstimmung mag zuweilen die Aristokratie durchbebt haben, gewiß noch als vorübergehende Wallung, nicht als jene düstere Sündenpein, die in der Spätzeit der jüdischen Entwicklung die Frommen mit ungeheurer Gewalt durchdrang.

Die Spuren eines neuen religiösen Lebens enthüllen sich uns so: tiefer Schmerz mag zuweilen die Seele aufgewühlt haben, wenn man die im Abgrund der Unterwelt weilende Gottheit betrauert hat, und Jubellaute des Entzückens mögen gen Himmel gestiegen sein, wenn man die glorreich wieder im Reiche des Lichtes einziehende Gottheit feierte.

Diese nur ahnend zu erfassende religiöse Entwicklung steht durchaus im Einklang mit dem tiefsten Wesen unserer Kultur: als eine neue Äußerungsform des Urphänomens nimmt sie sich aus. Noch durchdringt ein dem rauhen Leben zugewandter Machtwille die Seele: herr

schend, kämpfend will man das Leben bemeistern, lüstern ist man nach seinen Genüssen, denn jene Fruchtbarkeitsgötter sind Spender holder Gaben: wenn sie nicht gelten sollten als Herren des Hauses und des Feldes wie in Babylon: von ihnen stammen doch die Güter, welche der auswärtige Handel herbeischafft, Güter, die man als wahre Kostbarkeiten empfindet. Aber zugleich sind sie Erlösergötter: Messianische Helden von einer allerdings durchaus neuen Prägung. Nun ist es nicht mehr das ganze Volk, das sie betreuen und aus der Not herausführen, sondern lediglich über einzelnen Kreisen, die von einer Kultgenossenschaft umschlungen sind, spannen sie die Fittiche aus, und zudem haben diese Götter gemäß der nun eingetretenen Verfeinerung des Seelenlebens viel von der dämonischen Größe und Urwüchsigkeit des alten Volksgottes Jahwe eingebüßt. Indem tiefer das Leid in die Seele dringt, färbt sich dieses ab auch auf die Gottheiten: leidende Helden sind diese, die schwere Not erdulden müssen, um die Menschen aus den Ketten ihrer Pein herauszuführen. Not und Tod müssen sie tragen, in die Abgründe des Grauens müssen sie hinabfahren, auf daß es wieder licht werde um sie und die ihnen Verehrung darbringenden Menschen.

Mag man die Richtigkeit dieser Auffassung bestreiten, zumal wir sie nicht mit geschichtlichen Tatsachen im einzelnen belegen können: dem schauenden, den verborgenen Kräften der Entwicklung zugewandten Auge geht sie ohne weiteres ein. Und nichts Unerhörtes würde diese religiöse Wandlung in der Kulturentwicklung unseres Volkes darstellen: der Jahweglauben selbst hat eine ähnliche Neuerung erfahren. Unsere Überlegungen führen uns nun zu wichtigen Folgerungen: es drängt sich die Wesensverwandtschaft der babylonischen Götter Istar und Tamusz mit den Baalen auf. Istar, die Gattin des Tamusz, wurde in Babylon sowohl als auch in Israel verehrt als Fruchtbarkeitsgöttin, dann als Sternengöttin, und als das ihr geweihte heilige Tier galt der Stier. Stimmen aber in dieser Hinsicht die Baale, erinnern wir uns des früher Ausgeführten, mit ihnen nicht vollkommen überein? Und da auch Jahwe, raste nicht der Krieg im Lande, immer mehr die Wesenszüge der Baale annahm: ist es denn da abzuweisen, daß auch er den babylonischen Heilanden sich annäherte? Auch ihm zu Ehren wurden in den Tempeln Stiere aufgestellt, und noch spricht das Alte Testament davon, daß Salomo und einzelne seiner Nachfolger die Sonne und Sterne anbeteten.

So ist es wahrscheinlich, daß auch im Baals- und Jahwekultus sich die gleichen religiösen Bedürfnisse wie im Kult der babylonischen Gottheiten Ausdruck verschafften. Jahwe und die Baale mögen beweint und umjubelt worden sein wie diese, in Mysterienvereinen mag der einzelne alle Schauer und Verzückungen erlebt haben einer religiösen Inbrunst, wie sie in den wilden Zeiten der kriegerischen Kämpfe, wo der einzelne mit seinem Volk zu einer stählernen Masse zusammenschmolz, in dieser Weise unbekannt war. Wir wissen, daß es in den Jahwetempeln Buhldirnen gab, die sich Jahwe selbst oder auch Istar weihten: in der Ekstase des Geschlechtsgenusses wird man die mystische Vereinigung mit der Gottheit machtvoll genossen haben. Die Baale sowohl wie Jahwe waren ja Götter der Fruchtbarkeit und so auch der Zeugung, und wo konnte so ihre Macht tiefer empfunden werden als im Taumel des Orgiasmus? Und weiterhin sind bezeugt mystische Mahle, bei denen der Wein, die liebliche Baals- und Jahwegabe, in Strömen floß: berauscht hat man sich, und im Rausche die Wollust dionysischer Verzückung genossen. In dionysischer Raserei haben sich, das zeigen deutlich die Elialegenden, die im Dienste der Baale stehenden Priester die Gottheit ihrer Seele einverleibt, und in solchen Ekstasen mag man in der Pracht himmlischen Flammenscheins die Heilsgewißheit gewonnen haben: die Gewißheit, daß der Gott als Messias seine Getreuen in eine von ewigem Glück durchleuchtete himmlische Welt geleiten werde.

Diese schwer zu entschleiernde religiöse Entwicklung drang aber keineswegs mit solcher Macht durch, daß sie zu einer neuen Kultur führte, die in großen Offenbarungen sich rechtfertigte. Leidenschaftlich haßte das ausgepreßte Volk den Adel und damit auch die Götter, um die er sich verehrend scharte. Aber auch inmitten seiner Not regte sich ein neuer Geist: die unheimliche Wolke, die über dem Volke lag, erweckte die Sehnsucht nach reinem Himmel: Ausschau hielt man nach einem Retter, und wer anders sollte dieser Retter sein als Jahwe, der große Gott, der einst zum Heile des Volkes so herrliche Taten vollbracht? Der Beschützer der Gemeinschaft, der den Unfrieden im Innern haßt und als Gott der Eintracht und Gerechtigkeit die starke Säule bildet des Glückes Aller?

Eine bange Frage freilich drängte sich auf: wie sind die schweren Leiden, in die die fleißigen Bauern und Hirten versunken, in Einklang zu bringen mit dem Willen des einst triumphierend vor seinem Volke einherziehenden Gottes? Wie kommt es, daß ein Fluch sich in Israel

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