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Kerkerhaft, erspart bleibt, da ist er meist hineingebannt in eine grauenhafte Einsamkeit und Verlassenheit, wie ein Fremdling inmitten seines Volkes lebend, dessen Not ihn aufs tiefste erschüttert. Das Tragische des Lebens fast aller jüdischen Propheten ist darin beschlossen, daß sie eine Gottesbotschaft verkünden, die auf die Herrschenden wie ein unerhörter Frevel wirkt, und so stehen sie mit ihrer Weisheit da wie in einer von schweren Gefahren bevölkerten Wüste.

Namentlich das Leben des Amos, des ersten großen Propheten, dessen Persönlichkeit klar zu fassen, ist in die Gewitterschwüle einer solchen Tragik gebannt. Ist ihm doch von der Gottheit ein furchtbarer Auftrag zuteil geworden: nämlich zu fluchen, wo die Machthaber wähnen, einen ewigen Bund mit dem Glücke geschlossen zu haben; göttlichen Zorn zu offenbaren, wo man in Festen, überschäumend im Hochgefühl des Lebens, sich dem Jubel überläßt.

Wie aber, sind denn die unteren Schichten, für die doch die Propheten streiten, nicht von der Hoffnung beschwingt, daß eine göttliche Wundertat sie in paradiesische Fülle führen wird, und müßte es denn da für die Propheten nicht eine wonnevolle Aufgabe sein, die Frühlingsbilder, die die Hoffnung zeitigt, mit betörenden Farben vor die Augen der Harrenden zu zaubern? Nun, es gibt keinen Propheten, in dessen Augen nicht irgendwie die besonnten Gefilde des Glücksreiches der Zukunft aufschimmern, und es gibt Propheten, die in überschwenglichen Lauten des Frohlockens die Segenszeit gepriesen haben. Aber man übersehe nicht: aus der wilden Brandung des Gerichts, einer Katastrophe also, taucht die Insel des Friedens auf, und da dieses Gericht vor allem den frevelnden Machthabern gilt, und da die Propheten mit der Sicherheit eines göttlichen Wissens das Kommen des Gerichts voraussagen, so geraten sie in einen gefährlichen Gegensatz zu den Herrschenden, denen sie den Zorn ihres Gottes entgegenschleudern und Tod und Verderben ansagen.

Ja, die Vision des Gerichts kann mit solcher Macht den Propheten umflammen, sein Groll, seine sittliche Entrüstung kann ihn mit solcher Gewalt bestürmen, daß kaum ein Schimmer des von der Gnade der Gottheit beschienenen Friedensreiches ihn berührt: Nacht und Grauen umfängt ihn dann, aus schwarzen Wolken zuckt das Verderben, dämonische Gewalten wälzen sich heran, daß der Prophet, in düsterem Triumphe dem schaurigen Schauspiel zugewandt, in einen wahren

Wirbel hineingebannt wird, in dem ihn bewahrt allein das Bewußtsein, von seinem Gott, dessen Gesandter und Sprecher er ist, behütet zu sein.

Ein solch nächtiges Bild bietet das Leben des Amos dar, wenn auch gewiß an seinem Himmel einmal leise das Frührot sich regt. Die Kraft, inmitten des Entsetzens zu jubeln im Gedanken an die kommende Gnadenzeit, hat er nicht aufgebracht, und so ist er weit mehr als ein Sprecher des nach dem Heile dürstenden unterdrückten Volkes. In einer höchstpersönlichen Weise wird ihm die Erscheinung des Gottesgerichts zu einem sein Wesen durchflammenden Erlebnis: die Vision des Gerichts lodert in ihm in einer einzigartigen, düsteren Leuchtkraft auf, die alles überglänzt, was sich im Bereich der babylonischen Kultur bisher auf eine solche Weltkatastrophe bezog.

Der Droh- und Zornesruf des Amos kommt aus dem Süden des Landes, aus einem der Wüste nahegelegenen Gebiet. Er war Viehzüchter, ein wirtschaftlich selbständiger Mann, der, wie wir es uns vorstellen können, vielleicht, indem er Schafe verkaufte, die Verhältnisse des Nordlandes kennenlernte. Er war kein Gelehrter, aber ein hochgebildeter Mann, der das Erbe jener Kulturströmung antrat, die sich gegen den Geist der Heldenzeit wandte, ein Mensch, in dem noch der ganze stolze Sinn des freien Mannes fortlebte: beherrscht von einem trotzigen Willen, der seiner Gestalt etwas Ehernes verleiht, dazu im Besitze eines Verstandes, dem es gelingt, die Erscheinungen, die ihn beschäftigen, aus dem Gewoge der Zeit herauszuheben. Dieser Mann zeichnet die wichtigsten Eindrücke, die sich seiner bemächtigen, auf, und da seine Seele hochgestimmt ist, und sei es auch allein im Gefühl, einem Furchtbaren, Ungeheuren Ausdruck verleihen zu müssen, so ist seine Sprache vom Rhythmus eben dieser jäh auflodernden Seele durchwogt. Erstmals gewinnt die sittliche Leidenschaft durch ihn einen künstlerischen Ausdruck, und diese sittliche Leidenschaft ist durchglüht vom Geiste Jahwes, des göttlichen Herrn, dessen Erhabenheit Amos, das Werk des Elia und des Jahwisten fortsetzend, in der gewaltigen Vision seines Geschichtsgemäldes wie niemand vor ihm gefeiert hat.

Amos ist stark von den Vorstellungen der in einfache Lebensverhältnisse zurückstrebenden unteren Schichten und deren Wortführer beherrscht. Mit Wohlgefallen gedenkt er der Nasiräer; doch wehrt er sich dagegen, mit den Nebim, den Jahwepropheten, zusammengestellt zu werden, und fürwahr, gewaltig überragt er sie. Er gehört keiner Prophetengenossenschaft an, er steht allein, bauend auf die Kraft seines

vom Geiste Jahwes erfüllten selbstherrlichen Willens. Das dionysische Gebaren der Nebim liegt ihm fern, mit Zaubereien hat er nichts zu tun. Er ist, in unserer Sprache ausgedrückt, ein moderner Mensch, atmend in einer Geistesklarheit, die seiner Rede Schärfe und Bestimmtheit verleiht, seinen Willen auf ein klar umschriebenes Ziel hinweist, das festgehalten wird, mögen ihn auch schwere Gefahren bedrohen. Er ist nicht gekommen, den Menschen zu Gefallen zu reden, sondern den Willen. Jahwes zu offenbaren, ja, eine furchtbare Wahrheit zu verkünden: nämlich, daß Israel morsch ist wie ein alter Baum, den der Blitzstrahl treffen und vernichten wird.

Niemand hat bisher ein so klares Bild des sozialen Verfalles entworfen wie Amos. Alles, was der Masse der Unterdrückten, den Nasiräern und Rechabiten, den Leviten, den Jahwepropheten auf der Zunge lag; was der Jahwist, der Elohist und die übrigen Schriftsteller noch mehr in das verhüllende Gewand der Poesie kleideten, das tritt nun bei ihm wuchtig hervor in einem düsteren Gemälde der sozialen Zustände, das überhaucht ist von der Glut der Erbitterung eines Mannes, der die sittliche Verwilderung der Zeit empfindet als eine unerhörte Schmach, die Jahwe, seinem Gotte, angetan worden.

Amos ist ein grimmiger Feind der Lebensweise der herrschenden Kreise, mit den Augen des Adels gesehen ein derber Bauer, ein Barbar, dem es nicht eingehen will, daß es Genüsse gibt, von denen sich der Mann der schwieligen Hand nicht träumen läßt. Er verabscheut die rauschenden Opferfeste und gibt seinem Jahwe Worte ein, die einer Aristokratenseele wie eine Verrücktheit erscheinen mußten.

,,Ich hasse und verschmäh' eure Tänze,
Und kann eure Feiern nicht riechen,

Mag eure Gaben nicht, sehe
Nicht an eure Mastkalbopfer.

Schafft fort mir den Lärm eurer Lieder,
Nicht hör ich aufs Spiel eurer Harfen!

Sie feiern den Teufelstag

Und opfern Mord und Gewalttat.

Sie liegen auf Elfenbeinlagern

Und lümmeln auf ihrem Diwan,

Und fressen das Lamm aus der Herde,

Die Kälber aus dem Stalle.

Sie klimpern auf der Harfe,
Erfinden Gesangsinstrumente,

Sie trinken Wein aus dem Becken,
Versalben die feinsten Öle.

Mich ekelt Jakobs Hoffart,

Ich hasse seine Paläste."

Er wagt das Unerhörte: er erscheint im Reichstempel zu Bethel, wo man, um Jahwe zu danken für eine Siegestat, sich zu einem Opferfest eingefunden, und während alles von Jubel erfüllt ist, stößt er im Namen seines Gottes furchtbare Drohungen aus: den Untergang des Nordreiches weissagt er. Man jagt ihn, den Judäer, in dem man nichts als einen gewöhnlichen Nebim erblickt, als einen Narren davon. Niemand ahnt, welche Bedeutung diesem seltsamen Schauspiel zukommt. Zwei Welten stoßen aufeinander: die herrschende Schicht, die Jahwe immer noch als den Herrn der Heerscharen feiert, der seinem Volk den Sieg verleiht, und der Genius des unterdrückten Volkes, der sich aufbäumt gegen die von einem unbändigen Machtwillen erfaßte Aristokratie, ihre religiösen Feste verdammt und als schönsten, Jahwe allein wohlgefälligen Gottesdienst preist ein der Gerechtigkeit geweihtes Leben.

Auch des Amos Gott ist wie der seiner Vorgänger der Schutzgeist der sozialen Harmonie, aber der Prophet erlebt das Gefühl der Gottesnähe nicht, indem er sich etwa wie der Jahwist in der Phantasie in lieblichen Gefilden sozialen Glückes ergeht, sondern indem er haẞerfüllt, grollend, mit der Wucht einer gewaltigen sittlichen Leidenschaft, den Frevlern seine Verachtung entgegenschleudert, enthüllend ihr schändliches Gebaren. Er hat nicht das geringste Verständnis für die schicksalhafte Notwendigkeit der Entwicklung seines Volkes, er sieht nicht, daß auch auf Seiten des Adels neue, edle religiöse Kräfte sich regen: er entdeckt nichts als Flecken. Es fehlt ihm die Wage, um auch den feineren, nicht an der Oberfläche liegenden Zügen der Entwicklung gerecht zu werden, und wenn so der Historiker das kulturelle Gemälde, das er entwirft, nicht ohne weiteres gelten lassen will: gerade dadurch, daß die feiner abgetönten Farben fehlen, gewinnt es die Wucht einer erschütternden Offenbarung. Und dieses Gemälde des Amos hat weltgeschichtliche Bedeutung erlangt. Bei allen Propheten, auch denen der Spätzeit, wie Jesus und Paulus, die sich der Verderbnis der Menschen entgegenstellen, taucht das Bild der Fluchzeit auf in den Farben des Amos, mögen auch entsprechend der Zeitlage Besonderheiten hervor

treten.

Amos ist der Revolutionär, der nicht mehr wie die Rechabiten und die alten Jahwepropheten mit dem Schwert in der Hand für Jahwes Majestät eintritt, sondern der baut auf seines Gottes Wundermacht. Aber der Groll jener Revolutionäre, der Groll auch des Elia, lebt in ihm fort, hoheitsvoll und erhaben als der Groll Jahwes, der in ihm stürmt, und so nimmt er den Kampf gegen die Herrschenden auf mit der Macht seiner ehernen Rede, die Jahwes Odem durchglüht: und als ein wahrer Held, alle Gefahren mißachtend, stellt er sich trotzig seinen Feinden entgegen.

Wuchtig tönt uns das schrille, drohende,,Wehe den Reichen!" entgegen, denen das Volk zum Fraße dient, die sich mästen und ihre stolzen Häuser mit Steinen der Ungerechtigkeit bauen: die Armen auspressen, die Richter bestechen, die Gerechtigkeit in Wermut verwandeln. Und auch der Frauen gedenkt er, die ihre Männer verleiten, Böses zu begehen, daß sie sich mästen und berauschen können.

Dieser Haß gegen die Herrschenden ist eingegeben von tiefem Mitgefühl für die Leiden des wehrlosen Volkes, und da Jahwe der Schutzgeist der Armen ist, der Gott einer auf den Grundsäulen der Gerechtigkeit ruhenden Volksgemeinschaft, so kommt für Amos die neue Entwicklung Israels einem Abfall von Jahwe gleich. Mögen die hohen Herren auch Jahwe im Munde führen und ihm bei ihren Opferfesten mit verschwenderischer Pracht huldigen als dem göttlichen König des Volkes: Jahwe flößt der Opferduft Abscheu ein. Auch in der Wüste, meint Amos, hat man ihm keine Opfergaben dargebracht, ihm ist der Kultus Nebensache: Jahwe feiern heißt, mit reinem Herzen vor ihn hintreten, heißt vor allem, Gerechtigkeit üben.

,,Schafft fort mir den Lärm eurer Lieder!
Nicht hör ich aufs Spiel eurer Harfen!

Gerechtigkeit quelle wie Wasser

Und Recht wie ein strömender Bach!"

So sehen wir, wie auch bei Amos die Frömmigkeit dem Innersten der Seele entströmt: auch er bewegt sich auf der Höhenlinie des Jahwisten, Elohisten und des Verfassers der Elialegenden, nur daß bei ihm die neuen Kräfte der vorhergehenden Entwicklung zusammenklingen. Ihm ist, mag er sich darüber auch nicht aussprechen, die Gottheit eine persönliche Lebensmacht, die ihn in den Stürmen des Lebens aufrechterhält: ein erhabener Schutzgeist, der ihm zur Seite steht, wenn Gefahren im Anzug sind. Ihn erfüllt also die Macht der Frömmigkeit als

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