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gebrochen, und zwar haben schon die Väter Jahwes Huld mit Undank belohnt.

Jeremia trägt seiner Darstellung des Chaos der Zeit die düstersten Farben auf, und keiner seiner Vorgänger hat so packend wie er die soziale und religiöse Auflösung geschildert: die ihn mit Entsetzen erfüllende Erscheinung, daß ein Volk seinen Gott verlassen hat. Als werde ihm sein nach Harmonie lechzendes Herz aus dem Leib gerissen, so quält den Propheten die Wirrung seiner Zeit, die Richtungs- und Hemmungslosigkeit der Menschen: die Vielgötterei, die er deutet als Ausfluß eines zerfahrenen Sinnes; die Herzenshärtigkeit der Mächtigen, die die Armen furchtbar zu spüren bekommen, so daß das Volk aus tausend Wunden blutet; das Machtstreben der Großen, die glauben, mit der Gewalt des Schwertes sich den Weg zur Höhe bahnen zu können; Bosheit, Falschheit, die sich eingefressen, während früher Treue waltete; die Auflösung aller sozialen Bande. Nicht kann er es fassen, daß Israel die Seile der Liebe, an denen es Jahwe führte, freventlich zerrissen, und schmerzdurchzuckte Weherufe entringen sich seiner gequälten Brust. Er, der sein Volk liebt mit der ganzen Inbrunst eines übervollen Herzens, er erschrickt förmlich im Anblick dieser Zerrüttung; keine Stelle findet er mehr, die heil ist, über und über ist das einst in majestätischer Kraft prangende Volk beschmutzt. „Erschrick, o Himmel, staune und starre!" ruft er entsetzt aus. Bei keinem Volk der Welt, so meint er, ist geschehen, was sich in Israel abspielt. Denn dieses Volk wendet sich in maßloser Verblendung gegen seine eigene Lebensgrundlage, verschüttet den segenspendenden Born und „,gräbt sich dürftige Brunnen aus, elende Löcher, voll von Rissen, in denen sich kein Wasser hält". Der Storch kennt seine Bahn hoch in den Lüften, Israel aber wendet sich ab von der Heilsbahn, die ihm die Hand der Gottheit vorgezeichnet. In der Natur herrscht Ordnung, nicht triumphiert hier die Willkür: das Volk Jahwes aber schmäht die heiligen, glückverbürgenden Satzungen. Es ist blind, die Augen sind ihm ausgestochen, wie ein Trunkener taumelt es dahin - bis der Abgrund es mit gespenstischen Händen in seine Tiefe ziehen wird.

So kündet der Prophet das Gericht. Immer mehr dringt bei ihm die Überzeugung durch, daß Jahwe einschreiten muß, um der Bosheit ein Ende zu bereiten und die Frevler zu demütigen. Freilich, nie gibt er die Hoffnung auf, daß Jahwe am Ende doch noch Gnade walten lassen werde, ja, er hegt den tröstenden Gedanken, daß selbst die Ver

30 Muckle, Jüdische Kultur

bannten wieder die liebe Luft der Heimat umfächeln werde. Aber da seine Mahnreden wirkungslos an den Eisenstirnen abprallen und man verwegen den Weg der Selbstherrlichkeit weitergeht, höhnisch abweisend den Propheten, so wird er immer wieder von den unheimlichen Erscheinungen des Gerichtes umflattert. Als die aufregende Kunde durch Juda läuft, daß ein grausiger Feind - es waren die Skythen heranstürme, da geht Jeremia die ihn beängstigende Erleuchtung auf: das Gericht kommt, Jahwe schickt todbringende Heere, auf daß der Gerechtigkeit Genüge geleistet werde. In erschütternden Versen wogt der Aufruhr seiner Seele dahin, und Grauen und Verwüstung breitet der Prophet aus.

Auch in den übrigen Gerichtsbildern, die uns erhalten sind, geistert das Grauen, ja zuweilen wirbelt vor seinen Augen ein Chaos, das alles zu verschlingen droht. Es ist ihm dann, als ob Jahwe die erquickende Hoheit einer die Menschen segnenden Macht abgelegt habe, als ob er zum leibhaftigen, wie ein Erdbeben wütenden Grauen geworden wäre. Wie ein die Welt durchtosender Dämon haust er da, Schrecken sind seine Begleiter, Vernichtung ist sein furchtbares Losungswort. Aber wenn auch der Prophet stark sein kann wie eine eiserne Mauer: diesen Visionen vermag er doch nicht standzuhalten. Er bricht zuweilen zusammen unter dem Unheimlichen einer solchen Stimmung, oder er stimmt ergreifende Klagelieder an, in denen sich die Liebe zu dem treulosen Volk wehmütig aussingt. Doch erfüllt ihn auch wieder die Hoffnung, daß das Gericht das Volk läutern, der vom Blitz getroffene Baum wieder neue Zweige ansetzen werde, an denen Jahwe wohlgefällige Früchte reifen können. Oder er findet in seinem Schmerz um das Schicksal Judas einen Trost in dem Glauben, daß auch die anderen Völker, die durch ihren Frevelsinn Jahwe gereizt, dem Flammenmeer des Gerichtes nicht entgehen werden. Ein andermal belebt ihn inmitten des Grauens wie ein erquickender Lichtstrahl der Gedanke, daß Jahwe nicht allein zerschmetternder Zorn, sondern auch hilfreiche Liebe ist: er wird nicht zu hart strafen, er wird dem Volk, wenn es sich reumütig ihm zuwendet, in erbarmender Huld zuwallen. Und so läßt er seinen Gott Worte der Liebe flüstern, mit denen ein besorgter, zärtlicher Vater versucht, einen auf Abwege geratenen Sohn zur Umkehr zu bewegen. Zuweilen auch hadert er mit Jahwe und sucht ihn zu beschwichtigen, hinweisend darauf, wie er, der Prophet, doch furchtlos für ihn gestritten.

Als das Unglück geschehen war, die Feinde Juda niedergerungen hatten, da ist der Prophet wie verwandelt. Nun bricht seine Liebe rein und lauter wie ein kristallener Quell hervor, keine Zorneswolke trübt sie mehr. Das ist der große Sieg, den Jeremia errungen: er steht, nachdem Judas Kraft gebrochen war und die Ketten in seinen Ohren klirrten, fest wie ein eiserner Turm da, kein Anfall von Schwäche beugt ihn mehr und verfinstert seine Stirne; das Bewußtsein, daß Juda gerettet worden wäre, hätte man seine Weisungen befolgt, gibt ihm eine früher unbekannte Sicherheit der Haltung. So spendet er denn Trost den Mühseligen und Beladenen, Worte der Huld und der Gnade gibt er seinem Gott ein, auf daß die verlassene Jungfrau wieder Lebensmut finde. Vergessen sind die Sünden, mit denen sich Juda befleckt, und in den gräßlichen Jammer des Volkes wehen liebliche Klänge hinein, die verkünden eine Zeit des Heils. Zu einer Zeit, wo Juda zerborsten war wie ein altes Gemäuer, da war Jeremia, den man bisher als einen Vaterlandsverräter behandelt hatte, der Einzige, der noch Kraft fand, zu hoffen und die Verzweifelnden durch gütigen Zuspruch zu erquicken. Laßt das Weinen, so wendet er sich an die Zurückgebliebenen, gebt euch nicht dem Schmerz hin, sondern richtet euch wieder auf und schaut hin zu dem Lichte, das als eine himmlische Botschaft die Dunkelheit, in die Juda versunken, durchbricht. Vertraut auf Jahwe, er wird sie, die in die Fremde gestoßen worden, wieder zurückbringen; wieder aufrichten wird er den vom Sturmwind umgerissenen Baum. Den Verbannten übermittelt er einen Abschiedsgruß, ein Gotteswort, das in ihre Trübsal wie ein Strahl aus einer höheren Welt dringen mußte: Jahwes überwallende Liebe, sein alles verzeihendes Erbarmen kündet er bewegten Herzens. Jahwe wird die Gebete der nun so schwer Gepeinigten nicht überhören, sein Lieblingskind ist ja Ephraim. „Denn wenn ich ihn nur nenne, gedenk ich seiner, drum wallt mein Herz ihm entgegen, ich muß mich erbarmen. Merkzeichen errichte dir, setze Wegweiser, der Straße hab acht, kehr heim deines Wegs, auf dem du fortgingst!"

Jeremia ist die reichste und innerlichste Gestalt unter den Propheten, und seiner Seele entschweben Offenbarungen, wie wir sie bisher noch nicht vernommen haben. Und gerade die schweren Leiden, denen er ausgesetzt, wecken diese neuen Laute. In furchtbarem Ringen mit der Unvernunft des Daseins entfaltet sich seine eigenwüchsige Seele. Eine schauerliche Tragik durchzieht dieses Leben, das sich verzehrt in fruchtlosem Kampfe gegen den Unverstand derer, die er so liebt, und

wenn etwas versöhnlich wirkt in diesem Jammer, so ist es der Heroismus, mit dem er sich inmitten des Grauses einer zusammenstürzenden, wild aufflammenden Welt aufrecht erhält, Feierstunden eines Sieges erlebend, der seine zuckende und stürmende Seele beschwichtigt. Er ist kein Mann aus Erz wie Amos, und auch das Triumphierende eines Jesaja geht ihm ab. Wie fürchtet er sich zuerst vor seiner Sendung, im Gefühl, es möchten seine Kräfte nicht ausreichen, um den Wall der Bosheit zu erstürmen. Aber mit der Zeit weichen doch die Bedenken, und nun steht auch er da, von Jahwe behütet wie eine feste Burg, „eine eiserne Säule, eine eherne Mauer". Ein gewaltiges Machtgefühl durchdringt ihn gewiß als Sprecher seines allmächtigen Gottes, freilich, es ist auch so viel Zartes, Weiches in seine Natur eingesenkt, daß er zuweilen zittert und schluchzt wie ein Kind. Er ist einsam, wie nur je ein Einsamer war, ist mit allem, was Geltung besitzt, zerfallen: mit der ganzen Lebensrichtung seiner Zeit, mit seinen Verwandten und Freunden. Er wird verhöhnt, verspottet, beargwöhnt, verfolgt wie ein Verbrecher, und er leidet entsetzlich unter dieser Verlassenheit: nach Liebe dürstet seine Seele, und statt Liebe wird ihm bitterste Schmach zuteil. So würgt ihn mitunter ein Jammer, daß er hilflos am Boden liegt. Die Bosheit, die man an ihm ausläßt, das Elend seines Volkes, das Grollen des Gerichtes: alles dringt auf ihn ein wie eine von Gespenstern erfüllte Finsternis; nichts als Grauen umgibt ihn: am liebsten möchte er sein Volk verlassen und in die Wüste ziehen.,,Mein Herz ist mir gebrochen," klagt er, „erschlafft die Glieder, ich bin wie trunken worden, vom Wein bewältigt.“ Sein „Auge zerfließt in Tränen bei Nacht und Tage,“ blickt er hin auf den Jammer. Unheilbar ist sein Kummer, denkt er daran, wie das Gericht toben wird; herzzerreißende Klage stößt er aus:,,O, daß mir das Haupt und Auge zu Tränen zerflössen, um Tag und Nacht zu beweinen des Volkes Durchbohrte."

Und in furchtbarer Bedrängnis bäumt er sich auf gegen Jahwe, der es zuläßt, daß er, sein getreuester Sohn, im Harme sich verzehren muß; von Leiden bedrückt wie von Bergeslast, von Flüchen umschwirrt, als sei er ein Verbrecher.,,Weh', daß ich lebe, Mutter," ruft er verzweifelnd aus,,,weh', daß ich wie ein Verstoßener unter Menschen weilen muß; daß ich mit meiner zarten, liebenden Seele von Qual zu Qual gepeitscht werde und nie froh mit den Fröhlichen sein kann!" Jeremia hat Zeiten erlebt, wo ihm das Licht Jahwes unterging; wo ihm nicht allein sein Leben, sondern das Dasein überhaupt erschien als ein wogendes Meer

des Fluches, ein Rasen vernunftloser Kräfte. Aber diese Stimmungen waren doch nur schauerliche Schatten, die wie Gespenster über seine Seele flogen, und immer wieder findet er den Weg zur Pforte des Heils.

Noch nie stand ein Frommer seinem Gott so nahe wie dieser Prophet. Keiner hat so wie er gerungen mit den Gewalten des Lebens, keiner so die Qualen der Friedlosigkeit durchlebt wie er. Und aus dieser schauerlichen Stimmung heraus strebt er denn hin zu Jahwe, auf daß er mit erbarmender Hand ihn befreie aus dem Grauen der sternenlosen Nächte. Mit den Schwingen des Gebets gelangt er hin zur seligen Stätte auf der Höhe, und wenn der Atem seines Gottes seine fiebrige Seele streift, da fällt alle Erdenschwere und Erdentrübsal von ihm ab: es wird licht um ihn, und Klänge des Friedens ziehen durch sein vom Aufruhr durchtobtes Herz. Noch ist Jeremia der Gottheit nicht so nahe wie Jesus, aber auch er hat das Glück der Erlösung empfunden als den Gemarterte, der die Gespenster der Nacht weichen sieht und erlöst sein Auge dem Wunder des Horizontes zuwendet, wo sich das Licht aus der Dämmerung herausringt. Noch sind die Jubelklänge des Christentums nicht zu vernehmen, aber Jahwe ist doch auch dem Propheten, was er Jesus war: der Hort im Kampfe, der schattige Quell, an dem der müde Wanderer ruhen und sich laben kann.

Das messianische Ideal taucht bei Jeremia nicht auf als die lichte Botschaft, wie sie ein Jesaja, Deuterojesaja, Jesus und Paulus jubelnd verkündet haben, aber doch hat der Prophet auch in der Zeit der tiefsten Erniedrigung den Glauben bewahrt, daß Jahwe sein Volk wieder mit Heil bekränzen werde. Und machtvoll wirken seine Erlebnisse fort. Nicht allein, daß das messianische Ideal unter ihrem Anhauche vergeistigt wurde; im Christentum, das ja ebenfalls die frohe Botschaft in einer Zeit tiefen Verfalls den Mühseligen brachte, lebt das innerliche Wesen des Propheten fort, ja, diese Religion bildet die Krönung einer Entwicklung, aus der als ein Markstein Jeremia herausragt.

DEUTERO JESAJA

'S bezeugt die außerordentliche Zähigkeit unseres Volkes, daß trotz des zermalmenden Ansturms der Babylonier der Glaube an seine weltgeschichtliche Bestimmung bald wieder seine bannende Macht entfaltete. Gewiß, unmittelbar nach den Zornesschlägen Jahwes waren die Verbannten verwirrt und betäubt. In leidenschaftlicher Freiheitsliebe, vertrauend auf Jahwes Beistand, hatte man sich dem Feinde entgegen

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