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begreifen als Offenbarungen der Urmelodie, in der sich die Majestät des göttlichen Urgeistes offenbart. Nur demütigen Sinnes wird der Historiker, dem solche Ziele voranleuchten, sich an die Lösung seiner Aufgabe heranwagen, im Gefühl, wie begrenzt seine Kräfte, wie reich und geheimnisvoll das Leben ist, dessen Spuren er folgen möchte. Und so schwer es ihm auch fallen kann, seine Neigungen und Abneigungen zurückzudrängen, auf daß sie nicht seine Darstellung überfärben und dem Bilde, das er entwirft, fälschende Züge verleihen: er muß mit Aufbietung aller Kraft versuchen, die Welt zu verstehen, den Rhythmus ihres Werdens mit liebendem Auge zu verfolgen. Und mögen manchmal auch seine Augen getrübt sein: man wird ihm sein Straucheln verzeihen, beweist er, daß ein reines Streben ihn erfüllt und nichts als die Enthüllung dessen, was wir Wahrheit nennen, sein Ziel bildet.

Man könnte vielleicht einwerfen, daß eine solche, große Kulturkreise umspannende Betrachtung Vielen wohl eine erwünschte Schau hinein in Gebiete, die ihnen noch verschlossen sind, ermöglichen werde, daß aber den meisten derer, die forschend sich betätigen, wenig Gewinn zufallen wird. Gewiß, aus der seelischen Not eines Einzelnen einmal ist dieser Versuch einer philosophischen Durchleuchtung einer Reihe von Kulturen herausgeboren, und auf Fragen, die ihn vor allem peinigten, gilt es, Antwort zu geben. Aber unsere Methode erschließt ein Feld der Betätigung auch dem, der sich nicht in das weite Meer der Universalgeschichte forschend hineinwagt. Unsere Aufgabe kann es vorerst nur sein, die großen Linien der Kulturkreise herauszuheben: eine Fülle von Erscheinungen, die es verdienten, dem Kosmos unserer Betrachtung eingefügt zu werden, muß unberücksichtigt bleiben. Aber alle geschichtlichen Forschungsgebiete können gemäß den Weisungen unserer Methode, die den Fähigkeiten des Forschers den größten Spielraum gewährt und nichts von dem Starren einer mechanischen Formel verrät, neu bearbeitet werden, und deutlich schwebt unserem Auge das Bild dieser auf neuer Grundlage aufgebauten Einzelwissenschaften vor. Die wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung der Völker, die Geschichte der Religionen, der Kunst, des Denkeus: alle diese Gebiete können gemäß unserer Methode neu beackert werden, und groß wäre der Gewinn für eine auf die Ergebnisse dieser Einzelforschungen sich stützende Bewältigung des universalgeschichtlichen Problems. Von jedem Forschungsgebiet aus könnten Streiflichter fallen auf das Gesamtgebiet des geschichtlichen Geschehens, und um so wertvoller wäre

die Leistung, je mehr es gelänge, von einer geschichtlichen Einzelerscheinung, etwa von wirtschaftlichen oder religiösen Vorgängen aus, die mit ihnen aufs engste verflochtenen übrigen Kulturgebiete zu erhellen. Daß eine Behandlung geschichtlicher Teilgebiete gemäß unserer Methode zu fruchtbaren Ergebnissen führt, hat der Verfasser wohl bewiesen in seinen Arbeiten: ,,Das Kulturproblem der französischen Revolution" (Lichtenstein, 1921) und „,Friedrich Nietzsche und der Zusammenbruch der Kultur" (Duncker & Humblot, 1921). Der Geist, der in dem vorliegenden universalgeschichtlichen Werke waltet, erfüllt auch diese Forschungen. Geht die wissenschaftliche Arbeit in der bisher betriebenen Weise weiter, so versinken wir rettungslos im Chaos: gespenstisch umschwirren uns Millionen von Tatsachen, und nie wird die schauerliche geistige Verödung, an der unsere Zeit krankt, überwunden werden.

15.

NUN hat sich Oswald Spengler in seinem berühmt gewordenen Werk „Der Untergang des Abendlandes" angepriesen als der Retter in der Not: als der große Bändiger der durch die Einzelwissenschaften wirr aufgetürmten Stoffmassen. So ungeheuer der Erfolg dieses Werkes war, so sehr wird es nun abgelehnt gleichsam als eine groteske Mythologie, indem man nachweist, daß der als großer Philosoph sich zur Schau stellende Verfasser zu seinen Ergebnissen lediglich gelangen konnte, indem er mit einer nicht zu überbietenden Kühnheit feststehende Ergebnisse der Wissenschaften mißachtet hat, um Raum zu gewinnen für sein in der Luft hängendes phantastisches Gebäude. Wir gehören nicht zu denen, die ohne Weiteres in den Chor der Spezialisten und „Eckensteher" einstimmen, wenn sie daran sind, die Maden und Würmer einer von großen Prinzipien geleiteten Forscherarbeit aufzuspüren, um sich selbst durch einen kleinen Triumph die Mühen und Nöte des Tages zu erleichtern. Aber Spenglers Miẞachtung geschichtlicher Erscheinungen macht auch den, der besten Willens ist, ihm gerecht zu werden, stutzig. Gerade der Historiker, der seine Augen auf weite Horizonte richtet, um die Fülle großer Gebiete zu umspannen, darf das, was auf den ersten Blick vielleicht unscheinbar sich ausnimmt, nicht miẞachten, da er andernfalls ins Phantastische gerät, einem Dichten und Trachten verfällt, das mehr schadet als nützt. Trotz alledem darf Spengler ein großes Verdienst nicht abgesprochen werden. Er hat wieder den Mut

gehabt, die ganze Erbärmlichkeit unseres heutigen wissenschaftlichen Betriebes aufzudecken, hat die Kraft gefunden, ein Problem aufzurollen, das zwar nicht neu ist, aber immer wieder denen, die ihr armseliges Leben hinbringen, indem sie geistlos toten Stoff anhäufen, eingeschärft werden muß: daß alle geschichtliche Forschung, steht sie nicht im Dienste einer Gesamtschau des Lebens, als Arbeit niederen Ranges zu betrachten ist, die den Menschen selbst schänden kann.

Spengler hätte, das zeigt der rissige Bau seines gewiß groß angelegten Werkes, nie die Kraft gefunden, sich in das Chaos der geschichtlichen Erscheinungen hineinzuwagen, um ihnen einen Sinn abzugewinnen, hätte ihm nicht Goethes Auffassung des Weltgeschehens die Richtlinien vorgezeichnet: und mit dem Anspruch, aus dem Geiste Goethes die Kulturen zu deuten, tritt er auf.

So möge denn, da auch wir uns auf den großen Meister berufen, dessen philosophische Grundanschauung als Maßstab für die Beurteilung des Spenglerschen Werkes dienen. Und da sei es denn gleich ausgesprochen: Spengler zeigt sich außerstande, nicht nur Goethes Philosophie getreu wiederzugeben, sondern auch gemäß ihren Prinzipien die geschichtliche Wirklichkeit zu bemeistern.

Unsere Darstellung hat doch wohl mit voller Klarheit ergeben, daß zum Wesen des seelischen Lebens im Sinne Goethes gehört, daß Kräfte mit Gegenkräften ringen, daß ein Rhythmus im Sinne einer Systole und Diastole es durchzieht, daß weiterhin, wenn nicht ein solcher Rhythmus sich ausprägt, von Leben gar nicht gesprochen werden kann. Also muß, wer sich auf Goethe beruft und gleichsam mit dessen Augen die Wirrung des geschichtlichen Geschehens durchdringen will, nachzuweisen suchen, daß jede Kultur, um uns der Worte des Meisters zu bedienen, ein Ringen des Lichtes mit der Finsternis darstellt, daß es keine Kultur ohne Kampf gibt, und kommt der Forscher zu anderen Ergebnissen, indem etwa Kulturen sich darbieten, die kampflos sich entfalten, indem sie immer der gleichen Richtung des Geschehens folgen: so muß er betonen, daß eben in diesem Falle die Idee des Lebens, so wie sie Goethe versteht, keine Gültigkeit besitzt.

Da ist es denn vielsagend, daß bei Spengler die ungemein wichtige Einsicht Goethes, daß in der Form einer Systole und Diastole das Leben seine tausendfältige Gestalt empfängt, so gut wie keine Rolle spielt. Er läßt eine Reihe von Kulturen an uns vorüberziehen, und keine einzige dieser Kulturen empfängt in seiner Darstellung ihre Eigenart dadurch,

daß in einem Kampfe mit dem Chaos, in einem nie aufhörenden Ringen mit der Finsternis, in einem ewigen Hin und Her, wie Goethe sagen würde, ihr Lebensvorgang sich äußert.

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Wir behaupten und das vorliegende Werk, namentlich auch die noch folgenden Bände, werden es zu erweisen suchen - daß keine einzige der Deutungen der Kulturen, wie sie in Spenglers Werk hervor. treten, die Fülle und den Rhythmus des Lebens einfängt: daß das Leben, wie er es auffaßt, ein starres Denkgebilde ist, und zwar das Denkgebilde eines Mannes, in dem selbst kein volles, ursprüngliches Leben mehr flutet. Spengler reißt allen Kulturen, indem er es nicht vermag, den ewigen Widerstreit der Kräfte aufzudecken, gleichsam das Herz heraus, und so wirken seine Deutungen auf uns zuweilen geradezu gespenstisch.

Da wird behauptet, die Inder,,besäßen keine Lebenserinnerungen, keine Sorge. Was wir.... indische Geschichte nennen, ist ohne das geringste Bewußtsein seiner selbst verwirklicht worden. Das Jahrtausend der indischen Kultur, von den Veden bis auf Buddha herab, wirkt auf uns wie die Regungen eines Schlafenden. Hier war das Leben wirklich ein Traum." Diese Deutung wirkt auf uns wie eine Groteske. Das Leben der Inder, der indischen Heldenzeit, der Philosophen ein Traum! Ist das nicht ein Leben ohne wahres Leben, ein Unding also? Wir werden uns noch eingehend mit der indischen Kultur zu beschäftigen haben, hier sei nur gesagt: die indische Entwicklung ist, und zwar auch noch in ihren letzten seelischen Offenbarungen, erfüllt von einem glutvollen, drängenden Leben, und das Leben war auch den Indern, was es uns ist: einmal ein von Leidenschaften bewegtes und schweres Leiden, ja furchtbare „Sorgen" bringendes Chaos, und in wahren Nachtgemälden haben sowohl die Philosophen wie auch Buddha dieses von höllischen Gewalten durchraste Dasein geschildert. Das Bild des ewig träumend im Waldesschatten liegenden Inders ist eine Erfindung, aber keine geschichtliche Wirklichkeit. Nicht träumend wandelten die Frommen durchs Leben, sondern aufgeschreckt wurden sie von finsteren Mächten, und durchleuchtet von einer erhabenen philosophischen Besinnung, suchten sie gewiß entsagend, aber auch kämpfend das Chaos des Lebens zu bezwingen, um die Qual, die Furcht, die ewige Sorge, mit denen dieses den Menschen aufschreckt, von sich abzuwenden. Und wir werden sehen, daß auch der Lebensprozeß dieser großartigen Kultur sich auswirkt in der Form einer deutlich zu fassenden Systole und Diastole, wobei bald

der Machtwille, bald der Erlösungsdrang vorherrscht. Das Bild, das Spengler ohne eingehende Kenntnis der indischen Kultur entwirft, preßt das flutende Leben in eine von außen herangetragene Form, so daß es erstarrt zu einem Unding. Der Geist Goethes, der gebietet, sich liebend und teilnehmend in das Fremde zu versenken, auf daß es in uns lebendig werde, wird durch solche willkürliche Deutungen förmlich verhöhnt. Auch aus der griechischen Kultur wird alles, was auf eine Entwicklung, einen Kampf, auf Erschütterungen und Gegensätze hinweist, hinweggedeutet, und zwar mit einer Kühnheit, die uns in Erstaunen versetzt. Spengler hat Goethe und Nietzsche gelesen, weiß also, daß das Eigenste der griechischen Kultur im Apollinischen beschlossen ist. Aber die Schönheit, die Harmonie, die würde- und weihevolle, von Anmut und Hoheit übergossene Form ist ihm nichts Errungenes, sondern sie quillt, gleichsam vom Zauberhauch eines Genius geweckt, hervor wie eine in paradiesischen Gefilden wurzelnde Pflanze, der es erspart bleibt, im Kampf mit Wettern sich zu behaupten und zu entfalten. Ja, was noch schwerer zu fassen ist, im Apollinischen, in der wundervollen Harmonie etwa der Bildwerke, der Architektur und der Sprache erblickt Spengler nicht ein Geformtes, das seine Weihe spendet, indem hier Kräfte so gebändigt werden, daß sie harmonisch ineinander strömen: er sieht in dieser Harmonie ein räumlich Begrenztes. Die antike Zahl, die er als Symbol der griechischen Kultur betrachtet, bedeutet ihm ,,sinnliche Grenze, abgeschlossene Größe“, die alles verneint, was an Kraft erinnert: als ein Quantitatives wird sie wie die ganze Kultur begriffen.,,Das reife antike Denken konnte seinem ganzen Weltgefühl nach in der Mathematik nur die Lehre von den Größen-, Maß- und Gestaltverhältnissen leibhafter Körper sehen." „Der behandelte Stein ist nur insofern ein Etwas, als er abgewogene Grenzen und gemessene Form besitzt, als das, was er unter dem Meißel des Künstlers geworden ist." Der Sinn für die Ferne, die Unendlichkeit, die Vergangenheit und Zukunft ist dem Griechen nach Spengler völlig verschlossen: er ruht in sich selbst und kennt so auch keine Sorge. Er lebt völlig in der Gegenwart, ja,,die antike, historische, euklidische Seele hat keine Entwicklung. Die abendländische erschöpft sich in ihr;... die eine,ist', die andere,wird.“

Wir müssen gestehen, daß wir vollkommen außerstande sind, diese Deutung zu erfassen: wir haben einfach kein seelisches Organ, um ihr einen Sinn abzugewinnen. Geben wir zu, daß die euklidische Mathe

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