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matik richtig gekennzeichnet ist; aber eine euklidische Seele, die im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben, zudem in der Religion, Philosophie und Kunst sich offenbaren soll, ist eben keine Seele, sondern ein Trugbild, ein klapperndes, gespenstisches Gerippe. Leidenschaftlich hat Goethe, der Kronzeuge Spenglers, immer wieder seine Abneigung gegen mathematische Formeln ausgesprochen, weil sie das Leben in dem Auf und Ab, Hin und Her seines Wogens und Flutens nicht gelten lassen und ihm gleichsam das Blut, das bald fiebernde, bald ruhig fließende Blut auspressen. Die Entschleierung aber einer Kultur gar gemäß den Weisungen der euklidischen Mathematik hätte er als eine Tollheit abgewiesen, sie hätte auf ihn gewirkt wie das „Système de la nature": unheimlich, gespenstisch.

Es liegt nicht in unserer Absicht, in dieser Einleitung das Bild der griechischen Kultur, wie es in unserem Geiste lebendig ist, zu entwerfen: im dritten Bande dieses Werkes sollen ihre Wesenszüge herausgearbeitet werden. Nur das sei gesagt: auch in Griechenland begegnet uns der Drang in die Ferne, und zwar auch als geschichtlicher Geist, es begegnen uns in die Zukunft weisende Ideale, also Sorge im Spenglerschen Sinne, weiterhin ein Machtwille, der in allen kulturellen Offenbarungen sichtbar wird und selbst zu grauenhaften Kriegen und sozialen Revolutionen führt, so daß immer wieder das Chaos über dieses heißblütige Volk der Griechen hereinbricht. Und um die Qualen seelischer Erschütterungen zu überwinden, haben die Griechen ihre Welten der Harmonie aufgebaut in der Form einmal der Religion, der Kunst, der Philosophie, des Staates: ja, die Erlösungssehnsucht kann mit solcher Macht die Geister ergreifen, daß das Auge in mystischer Ergriffenheit sich hinwendet zum Ewigen, um einzugehen in ein jenseits des Raumes und der Zeit schwebendes Reich der Vollendung. Die griechische Kultur steht gewissermaßen zwischen der indischen und der abendländischen. Das Tempo der Entwicklung ist beflügelter, der Machtwille stärker als dort und greift weiter um sich, während die abendländische Kultur die griechische wieder übertrifft durch ein gigantisches Machtstreben, das die Unendlichkeit erstürmen möchte und tragische und dionysische Energien aufbringt, die in Hellas nur gelegentlich aufströmen. So gelingt es den Griechen, leichter sich zu zügeln als den Abendländern, die zuweilen gewiß wild aufschäumenden Kräfte in eine besänftigende, harmonisierende Form zu gießen.

5 Muckle, Jüdische Kultur

Betont sei nun vor allem, daß auch in der griechischen Kultur, ganz wie in der indischen, das Leben so pulsiert, wie wir es auffassen. Mag auch der Grieche nicht von der gleichen Gewalt eines unersättlichen, immer wieder weitertreibenden Machtwillens beherrscht sein wie der Abendländer, mag er bedächtiger sein und sich, wo dieser in düsteren Abgründen mit Ungetümen kämpft, oder mit wilden Stürmen in die Weiten hineinbraust, sich flüchten in den weihevollen Bezirk der Harmonie: auch sein Leben ist von Gegensätzen durchwühlt, und immer können die Siege, die errungen worden, begriffen werden als Abschluß eines Ringens mit dem Chaos, das die Seele so martern kann, daß sie klagt, ja im Schmerz aufschreit. Auch hier ist das Leben, so wenig wie in Indien, ein Eindeutiges, sondern die Form der Systole und Diastole beschreibt seine Entfaltung, und wenn die Erlösungssehnsucht jenseitige Gefilde eröffnet, wo die,,Mütter" thronen und allem Ringen ein Ende bereitet ist, so wird dadurch Lewiesen, wie selbst die weltverklärende Kraft etwa der Kunst nicht die Sehnsucht zu stillen vermag, dem Reich des ewigen Werdens zu entfliehen. Und deutlich hat Plato das Leben als ein Reich des Werdens geschildert, in dem gewiß auch der Schönheit eine Stätte bereitet ist, aber das doch mit seinen Leiden, seiner Unruhe und seinen Wirren zu wesenlosem Schein versinkt gegenüber der in kristallenem Lichte strahlenden Herrlichkeit des ewigen Seins, das dem Auge des Frommen sich eröffnet.

Und nun hat es Spengler gar unternommen, auch die abendländische Kultur in ein Gerüst zu spannen, daß sie gleichsam am Atmen verhindert wird. Hier sieht er nichts als Bewegung, aber eine immer in gleicher Richtung sich auswirkende Bewegung: ein leidenschaftliches Drängen hinein in die Ferne, die Ferne der Zukunft, des Raumes, und diese Bewegung läßt er entspringen einem Machtwillen, der immer wieder über das Erreichte hinaustreibt. Wer wollte leugnen, daß in der Tat eine solche Richtung sich feststellen läßt, aber krankt nicht auch diese Deutung wieder daran, daß nur das Eine gesehen wird, nicht auch das Andere: nicht die entsetzliche Pein, welche die ewige Unruhe des Werdens hervorruft, jene Pein, die so die Sehnsucht erweckt nach Erlösung, auf daß einmal der Horizont nicht mehr weiche, und der Gemarterte umfächelt werde von der Weihe der Stille, des Friedens, der Ruhe in einem Vollkommenen, in Gott? Wiederum verweisen wir auf die Ausführungen der folgenden Bände dieses Werkes, hier soll nur an einzelnen Beispielen gezeigt werden, wie Spengler sich außerstande zeigt,

dem Genius der abendländischen Kultur seine Geheimnisse abzulauschen.

Da lesen wir, daß der Wille zur Macht in der Gotik und den Kreuzzügen,,das Verhalten der nordischen Seele ihrer Welt gegenüber bezeichnet". Wer wollte leugnen, daß die gotischen Kathedralen düster aufstrahlen als Offenbarungen eines gewaltigen Machtwillens, zumal viele dieser Kirchen von Schichten gebaut wurden, die von rauhem kriegerischem Geist beseelt waren! Aber wer nicht in den jäh emporlodernden Flammen auch den Schrei des Gepeinigten heraushört, der seine Qualen in den harten Stein hineingemeißelt hat, den Hilferuf dessen, der nach einem Erlöser Ausschau hält: wer nicht ergriffen wird von der mystischen Stimmung, die geheimnisvoll im Innern dieser Kathedralen webt, von jener Andacht, als sei dem Staunenden ein Blick vergönnt in das Reich der Gnade, wo alle Erdenschwere aufgehoben: der hat nie die Gewalt dieser Baukunst empfunden. Und gewiß hat sich in den Kreuzzügen der Machtwille unheimlich ausgetobt. Aber umfaßt er denn auch alle seelischen Kräfte dieser mächtigen Bewegung? Wohl stürmten die Streiter voll rasenden Hasses und rasender Rachgier, voll Beutelust und Abenteurersinn in das Schlachtgewoge; aber bevor sie das Schwert zückten, fielen sie weinend und klagend vor dem Kreuze nieder, inbrünstig erbittend die Gnade des Erlösers: wohl den Sieg, aber auch ein seliges Leben erflehend, wenn die Feinde sie niederstrecken sollten. Das Kreuz haben sie an ihre Rüstung geheftet, und das Kreuz war im Mittelalter, namentlich auch in den furchtbar ernsten Zeiten der Kreuzzüge, eine Wirklichkeit, bei deren Anblick die Seele erbeben und in ihren Tiefen erschüttert werden konnte. Zum Machtwillen gesellt sich mithin der Erlösungsdrang, und so verhält es sich bei allen Erscheinungen der abendländischen Kultur.

Spengler will sogar für jene Macht, in welcher der Erlösungsdrang am reinsten und mächtigsten sich offenbart, nachweisen, daß in ihr vor allem Herrschaftsgefühle walten: für die Musik. Die Orgel gilt ihm,,als raumbeherrschendes Instrument", die Musik überhaupt als raumbeherrschende Macht. Wir dürfen sagen, daß wir uns vielleicht in keinem Gebiet der Kultur so heimisch fühlen als in dem der Musik, und da müssen wir denn gestehen, daß wir uns wiederum völlig außerstande zeigen, die Spenglersche Geheimsprache zu verstehen. Wir sagten schon einmal, daß, wer wirklich für die Macht der Musik

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empfänglich ist, über Raum und Zeit hinausgehoben wird, und da stoßen wir denn zufällig auf ein Wort Goethes, das ein Ähnliches aussagt. Der Meister hörte einmal Fugen Bachs, und da war es ihm, „als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich's etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung möchte zugetragen haben. So bewegte sich's auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen, und weiter keine Sinne besäße, noch brauchte." Hier wird also dargetan, daß uns die Musik geradezu aus dem Reich des Werdens mit seinem Chaos hinausrückt und uns zum abgeschlossenen, vollendeten, in seligen Harmonien schwelgenden Kosmos gestaltet. Wir selbst sehen in der Musik, wie schon früher angedeutet worden und noch weiterhin dargetan werden soll, sowohl den Machtwillen als auch den Erlösungsdrang am Werk; eine Auffassung aber wie die Spenglersche widerstreitet einfach unserem tiefsten Innern. Nicht den Raum beherrscht die Musik, und nicht die Zeit beherrscht sie. Auch wo der Machtwille sich kündet, werden wir in ein Reich gehoben, das überhaupt nicht von dieser Welt ist.

Doch wie bezeichnend ist es, daß auch hier wieder Spengler den Strom des Lebens lediglich nach einer Richtung hinfluten läßt, und wenn er in der abendländischen Kultur überall den Machtwillen aufspürt, wenn er damit in einer unerhörten Weise unzählige flehentliche, inbrünstige, oder auch jubelnde, vom Glück der Erlösung durchhauchte Stimmen überhört; wenn er so gerade jenes Goethesche Prinzip des Lebens nicht gelten läßt, das dieser in seiner eigenen Seele und damit der Seele eines der großartigsten Geister der abendländischen Kultur entnommen hat, den in der Form einer Systole und Diastole sich vollziehenden Rhythmus des Lebens: wird er damit nicht zum Verräter: zum Verräter seiner eigenen Seele, insofern, als in dieser das Leben nicht mehr in vollen Strömen flutet, d. h. so wie es der große Dichter philosophisch zu fassen suchte?

16.

WIEDERUM soll unsere Methode uns den Dienst erweisen, Spenglers Haltung begreiflich zu machen und demgemäß zu würdigen. Um unsere Anschauung gleich auszusprechen: es erscheint uns, daß Spengler auf der Grenzscheide steht zwischen Kultur und Zivilisation, indem er stark vom Geist der letzteren beherrscht ist, aber immerhin noch die Kraft

aufbringt, eine Gesamtschau des Lebens, wie sie Zeitaltern der Kultur gelingt, wenigstens als große Aufgabe zu empfinden.

In der abendländischen Zivilisation ringt sich der Machtwille in einer Auschließlichkeit durch wie nie zuvor. Gewiß fehlt etwa beim Kapitalisten und Proletarier das Erlösungsstreben nicht, aber es versinkt zur Bedeutungslosigkeit, hingesehen auf die Inbrunst, mit der es in Zeiten der Kultur die Seele erfüllt: die Philosophie, die Kunst, die Religion sind als erlösende Mächte entweiht, und wenn der aufgehetzte, von rohen Energien beherrschte Mensch einmal Vergessen sucht und dem Wettersturm, in den er verschlagen, entrinnen möchte: da gibt er sich derben Lustbarkeiten hin. So bleibt wohl die Systole und Diastole gewahrt, aber die Seele ist aus der Atmosphäre herausgerissen, in der die hohen Werke reifen, und zudem überwiegt der Machtwille sowohl beim Unternehmertum als auch beim Proletariat, dem klassenbewußten, nach politischer und wirtschaftlicher Herrschaft strebenden, so sehr, daß unheimliche Katastrophen, wie der Weltkrieg und die Revolutionen der jüngsten Zeit zeigen, sich einstellen können.

Es will uns bedünken, daß Spengler stärker im Banne der Zivilisation steht, als es auf den ersten Blick hin erscheinen möchte. Eben weil er nicht mehr von der Gewalt der Erlösungssehnsucht ergriffen wird wie die Menschen der Kultur, weil er nicht mehr die Mitternächte der Trübsal und das Himmelhochjauchzen des schwerringenden und nach Licht lechzenden Geistes kennt, vermag er es nicht mehr, sich in den Rhythmus des kulturellen Geschehens einzufühlen. So ist zu verstehen, daß er sowohl die indische wie die griechische und abendländische, zudem auch die arabische und ägyptische Kultur ihres Herzschlages beraubt, das tiefsinnige Spiel und Gegenspiel des Machtwillens und Erlösungsstrebens nicht mehr zu durchschauen vermag. Und wie vielsagend ist es namentlich, daß er in der Seele des Abendlandes lediglich den Machtwillen wirken sieht, also jene Kraft, die in der Zeit der Zivilisation geradezu mit einer dämonischen Unersättlichkeit um sich greift! So ergibt sich, daß die Atmosphäre unserer Zeit seiner Deutung der abendländischen Kultur, ohne daß er sich dessen bewußt wäre, die Grundfarbe verleiht, mag er auch den Machtwillen der Kultur von dem der Zivilisation zuweilen scheiden.

Und Spengler nimmt gegenüber allen Bestrebungen, einer neuen, edlen Geistigkeit wieder zum Siege zu verhelfen, offen Partei für die

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