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Zivilisation, deren nicht mehr zu entwurzelnde Herrschaft er begründet sieht in der Gesetzmäßigkeit des Geschehens, indem eben in Spätzeiten die Kultur sterbe und derbe Gelüste, nach außen gewandte Kräfte die Oberhand gewinnen. Doch wie schwankend ist wieder seine Stellung: auf der einen Seite erscheint ihm die Zivilisation als ein Minderwertiges, Verächtliches, als ein abgestorbener Baum der Kultur, der seine dürren Äste jammernd ausstreckt, auf der anderen Seite preist er die hohen Leistungen der Wirtschaft. Dabei bringt er die Kraft, anfeuernd sein Ideal der Zivilisation zu künden, nicht mehr auf. Und wie sollte er dies, wo er sich, wohl in Anlehnung an Nietzsche, stolz als Skeptiker bekennt und dabei die Skepsis als die einer Spätzeit einzig würdige Haltung betrachtet?

Damit bekennt er sich selbst deutlich als Sohn seiner Zeit, die ihm aber, sobald er sich von der Kultur her ihr nähert, immer als ein Minderwertiges, Rohes erscheint. Und in der Tat sind seinem Werke die Zeichen der Zeit eingegraben. Spengler fehlt die Liebe, die das, was es zu erforschen gilt, gleichsam in die Seele bettet, auf daß diese mit ihm eins werde. Er kann nicht schauen mit gütigen Augen, welche die Erscheinungen, die sich ihnen darbieten, umschmeicheln, auf daß sie ihr Geheimnis verraten. Die Formeln, mit denen er glaubt, die einzelnen Kulturen entschleiern zu können, sind nicht das Ergebnis einer eingehenden Beschäftigung mit diesen Gebieten, sondern sie stehen von vornherein fest und dienen so als Brecheisen, mit denen die kostbaren Schreine unbarmherzig geöffnet werden. So ist zu verstehen, daß Spengler zuweilen in roher Weise die geschichtliche Wirklichkeit vergewaltigt, längst feststehende Tatsachen überlegenen Sinnes miẞachtet, so daß sein Werk das Entsetzen vieler Historiker hervorgerufen hat. Aber Spengler kann auch nicht bauen. Die Kulturen fallen völlig auseinander: sie sind durchaus getrennte Gebiete, kein Pfad führt von der einen zur anderen, die einzelnen Kulturen leben ein Leben für sich: auf verschiedenen Sternen errichten sie ihre Bauwerke. Sie erheben sich nicht auf dem Grunde eines einzigen Urphänomens, sondern jede Kultur wird als Urphänomen begriffen, ohne daß im mindesten der Versuch gemacht wird, sie zu einander in seelische Beziehungen zu bringen. Dabei ist es seltsam, daß Spengler als Abendländer es überhaupt wagt, fremde Kulturgebiete zum Zwecke ihrer Erforschung zu betreten, wo sie doch nach seiner Versicherung dem abendländischen Menschen unendlich ferne gerückt sind.

Es zeigt sich Spenglers Unfähigkeit zu bauen weiterhin darin, daß sein Werk von Widersprüchen völlig durchsetzt ist. Und in diesen kommt zum Vorschein, daß das Grundprinzip, aus dem er die Kulturen ableiten möchte, nicht errungen worden ist, indem er etwa jahrelang mit den wirren Erscheinungen gekämpft, um ihnen das Geheimnis ihres Lebens abzutrotzen, sondern seine Formeln sind willkürlich, auf Grund miẞverstandener Lektüre auch, aufgerafft worden. So vergißt er sie immer wieder, und so ergeht er sich oft in Ausführungen, die seine Formeln förmlich verhöhnen.

Verächtlich spricht Spengler davon, daß Nietzsche, dem er übrigens unendlich viel zu verdanken, den Pöbel in den Gliedern habe. Wohlan, Nietzsche hat wenigstens mit den Problemen des Lebens gekämpft, bis er zerbrochen niedersank. Und wenn sein Werk mehr einem Wirbel von Gegensätzen gleicht als einem wohlgestalteten Bauwerk, es liegt immerhin die Weihe eines erhabenen Ringens über ihm. Aber auch Spenglers Werk zerfällt ähnlich wie das Nietzsches in tausend Stücke, nur empfangen wir nicht den Eindruck, daß hier ein hoher Geist sich vergebens abgemüht, um einem gewaltigen Problem den Schleier abzuziehen. Keine religiösen Schauer erfüllen mehr sein Werk, das doch vorgibt, zu den letzten Quellen des Daseins vordringen zu wollen; die furchtbare Tragik des menschlichen Lebens, die doch gerade bei einer solchen universalgeschichtlichen Wanderung sich auf Schritt und Tritt aufdrängen müßte, hallt kaum in einem ergreifenden Laut wieder; dabei drängt sich die Persönlichkeit Spenglers in zuweilen großsprecherischer Weise in den Vordergrund, während eine Geschichtsbetrachtung, die wirklich in die Tiefen des Lebens hineinführt, zur Demut stimmt. Aber Spengler weiß es anders. Er rückt sich selbst in die Nähe der Gewaltmenschen, für die er eine besondere Vorliebe bekundet, hofft, daß seine umwälzende Leistung sich würdig erweise den Hochtaten Ludendorffs, nach unserer Auffassung also eines der rohesten Gewaltmenschen aller Zeiten. Wohlan, wir schätzen Spenglers Leistung höher als die des deutschen Generals, aber wie deutlich kommt doch die Instinktverlassenheit des Historikers zum Vorschein, wenn er, der das Werk Goethes fortsetzen möchte, sich einem ausgeprägten Zivilisationsmenschen gleichstellt. In einem lichten Augenblick also ist es ihm selbst zum Bewußtsein gekommen, was wir zu erweisen suchten: nämlich, daß er in starker Weise den Einflüssen des Geistes der Zivilisation ausgesetzt ist.

Doch verdient sein Werk nicht die Ablehnung, die es von seiten der Fachgelehrten erfahren hat - von den Literaten, die über Spengler herfallen, um ihr eigenes Licht leuchten zu lassen, sprechen wir lieber nicht: ein großes Problem hat er aufgegriffen, und als die Leistung eines Geistes, der über einen in die Weiten des Völkerlebens eindringenden Blick, zudem über einen außerordentlichen Verstand gebietet und guten Willens ist, die schreckliche,,Empirie" unserer Zeit zu überwinden, wird es geschichtliche Bedeutung gewinnen.

ZWEI SYMBOLE

GOETHES FAUST

Chaos

'S wird vielleicht jenen Lesern, denen philosophische Betrachtungen ferner liegen, erwünscht sein, wenn wir nach diesen Ausführungen allgemeiner Art an erleuchtenden Beispielen zeigen, was wir mit unserer Methode zu leisten imstande sind. Es muß also gelingen, Kulturerscheinungen, mögen sie auch durch Jahrtausende oder gewaltige Räume getrennt sein, auf eine vom Urphänomen ausgehende Strahlenbahn zu rücken, so daß deutlich sichtbar wird, wie diese Urgewalt in ihnen sich entfaltet. Wir wählen Goethes Faust und die religiösen Offenbarungen des Jahrhunderte vor Christus lebenden Iraniers Zarathushtra, indem wir annehmen dürfen, hier Gebiete zu betreten, die dem Gebildeten mehr oder minder vertraut sind. Und es sei betont, daß wir uns zu dieser Wahl verstanden haben nicht deshalb, weil etwa die zu behandelnden Probleme unserer Methode besonders angemessen wären. Nein, die Probe würde auch gelingen, wenn wir einen beliebigen Zauberer der Urzeit und Michelangelo, die babylonische Architektur und Dante, einen römischen Kapitalisten und Novalis, Plotin und Napoleon zum Vorwurf ausersehen hätten, und wir hoffen, daß das vorliegende Werk, vor allem auch die bis zur Gegenwart führenden folgenden Bände nachweisen werden, wie das Urphänomen in allen Erscheinungen, die in den Kreis einer geschichtlichen Entwicklung einbezogen sind, lebt und webt.

Goethe hat sein erhabenstes Werk mit der Meisterschaft des großen Gestalters herausgehoben aus den Abgründen seiner unermeßlichen Seele: einer Seele, in der das Leben flutet mit all seinen unheimlichen Schauern und tiefen Beglückungen. Nie hätte er die furchtbaren Schrecknisse, die dem Dasein einverleibt sind, so ergreifend zu schildern vermocht, hätten sie nicht seine eigene Seele durchwühlt, oder hätte er nicht die Gabe

besessen, mit feinfühligem, allen Erscheinungen zugewandtem Geiste die Ängste und Nöte, die den Menschen peinigen, mitzuempfinden. Und Goethe ist nicht der Sohn des Glückes, als der er so oft gepriesen worden, nicht, meinen wir, der harmonieumflossene Göttersohn, der nur die Hand auszustrecken braucht, um mit leichtem Druck von paradiesischen Bäumen die Früchte zu brechen. Er hat, denkt man an sein langes Leben und die große Zahl seiner Werke, die er sich oft in schmerzensvollem Ringen abgetrotzt, eine Fülle von Leid getragen, und wenn sein Werk durchhallt ist auch von Lauten der Harmonie; wenn er, wie nur je ein großer Mensch, das Glück der Erlösung, des Friedens, der Wonne in Gott besungen hat in unvergleichlichen Melodien: er ist mit Blutstropfen besprengt der Kranz, der das Haupt des Beseligten schmückt. Und in keinem Werk hat er den unheimlichen Untergrund alles Erhabenen und Großen, das in unser fragwürdiges Leben hineinglänzt, so rückhaltlos aufgedeckt wie im Faust, diesem Werk, das die Schrecken der Hölle entkoppelt und in schmelzenden Lauten himmlische Weisen erklingen läßt.

Ist es richtig, wie man behauptet hat, daß Goethes Faust lediglich als eine Äußerung des abendländischen Geistes zu gelten hat, daß sich also in ihm ein Leben verdichtet, das strenge zu scheiden vom Rhythmus der anderen Kulturen? Es würde unserer geschichtsphilosophischen Grundauffassung widersprechen, wollten wir solcher Anschauung beipflichten. Gewiß, eine Fülle von Zügen ist in die Gestalt Faustens eingemeißelt, die seine Zugehörigkeit zur abendländischen Kultur erweisen: und wir geben zu, daß es einem Inder schwer fallen würde, das auf schwankendem Grunde sich abspielende verworrene Leben des Goetheschen Helden ohne weiteres als Widerhall eigener seelischer Erfahrungen zu empfinden. Aber trotz alledem: auch Faust bietet sich in dem Hin und Her seines Lebens, in seinem Ringen mit unheimlichen Mächten, seinem Aufstieg zu den Gipfeln erlösender Wonnen, seinem ewigen Drängen, seinem nie verstummenden Kampf mit der Unvernunft des Lebens, auf daß die Schlacken sich abscheiden und reinem Metall der Ton des Glückes entschwebe: auch Faust bietet sich dar als Verkörperung des Lebens, so wie wir es auffassen: ein großartiges Symbol ist er des Menschenwehs und Menschenglückes, wie es tausendfältig in allen Kulturen lebendig ist.

Goethe hat, schöpfend aus seiner reichen seelischen Erfahrung, in einer überwältigenden Weise in seinem Drama zur Anschauung ge

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