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bracht, wie in der Form der Systole und Diastole das Leben sich entfaltet: als nie rastender Kampf zwischen Licht und Finsternis wird dieses begriffen, und wenn eben noch Faust im Lichtreich der Wonne steht, anbetend und preisend die gütige Macht, die mit zarter Hand sein fiebriges Herz besänftigt und mit Frieden erfüllt: es währt nicht lange, und unholde Geister zertrümmern die herrliche Welt, die er in seinem Busen aufgebaut hat, auf daß erneut dem Chaos der Sieg abgerungen werde. Das Leben der Natur bildet ein Abbild auch des Menschenlebens:

,,Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;

Es wechselt Paradieseshelle

Mit tiefer, schauervoller Nacht;

Es schäumt das Meer in breiten Flüssen

Am tiefen Grund der Felsen auf,

Und Fels und Meer wird fortgerissen

In ewig schnellem Sphärenlauf.

Und Stürme brausen um die Wette,

Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer
Und bilden wütend eine Kette

Der tiefsten Wirkung ringsumher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags;
Doch deine Boten, Herr, verehren

Das sanfte Wandeln deines Tags."

Und in den Worten des Erdgeistes wird das Leben in all seiner furchtbaren Gegensätzlichkeit, in deren Strudel eben auch der Mensch einbezogen ist, herrlich geschildert:

,,In Lebensfluten, im Tatensturm

Wall' ich auf und ab,

Wehe hin und her!

Geburt und Grab,

Ein ewiges Meer,

Ein wechselnd Weben,

Ein glühend Leben,

So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid."

So begreifen wir, daß Faust als der nach großen Taten lechzende Mensch, der Mut fühlt, sich in die Welt hineinzuwagen, nie auf die Dauer, mögen auch herrliche Triumphe seine Stirne umglänzen, einen unheimlichen Gefährten los wird: Mephistopheles. Und Goethe hat,

indem er diese Gestalt schuf, die Faust bis an sein Lebensende als eine düstere Ausgeburt des Abgrundes begleitet, eine dichterische Großtat sondergleichen vollbracht.

Mephistopheles ist die Verkörperung der Hölle, der Finsternis, der menschlichen Gebrechlichkeit, die aus dem Leben im Sinn dessen, was wir als Kultur betrachten, gar nicht wegzudenken ist. Würde das Böse fehlen, wie könnten die Menschen das Gute vollbringen; wäre die Finsternis verbannt, wie könnten sie sich dem Lichte zuwenden und den Lichtgesängen der Sterne lauschen; würde das Chaos nicht die Seele aufwühlen, wie könnten sie hinstreben zu Gestaden, wo die entzückenden, harmoniedurchhauchten Marmorbilder stehen! So empfängt durch die Gestalt des Mephistopheles, der Goethe mit höchster Meisterschaft all das Unheimliche und Fragwürdige des Daseins einverleibt hat, das Chaos, und zwar als kosmisches und damit auch als seelisches und soziales Chaos, seine Rechtfertigung. Es bildet den durcheinanderwogenden Rohstoff gleichsam, an dem der Mensch seine bildenden Kräfte ausläßt, auf daß er sich ordne zum wohlgeformten, Vollendungsglanz ausstrahlenden Gebilde. Mephistopheles mag wohl als der verruchte Geist, der Faust in unsägliches Unglück stürzt, dessen Abscheu erregen: aber er ist alles andere als die Verkörperung der Sinnlosigkeit, er ist die Kraft, die das Böse will und das Gute schafft, indem eben der strebende Mensch im Kampfe sein Menschentum entfaltet und so seinem Leben einen Sinn verleiht. Alles, was die Menschen,,Sünde, Zerstörung, das Böse" nennen, ist wohl des Mephistopheles Element, und wo er die Vorherrschaft besitzt, da ist die Erde mit der Finsternis des Chaos bedeckt. Aber er ist auch ein Weiteres: nämlich die Voraussetzung dafür, daß das Licht seine Kraft erprobe, das Licht, das nur aus der Finsternis sich herausringen kann. So kann er sagen:

„Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht

Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht."

Und mit feiner Berechnung hat Goethe im Prolog Mephistopheles unter das Gesinde des Herrn gereiht. Unendlich ist zwar der Abstand zwischen ihm und der Gottheit; denn an allem, was deren Majestät kundgibt, läßt er als der Ruchlose, der Verneinende, der Spötter, der Verächter alles Hohen seinen Hohn aus. Aber, wie Goethe sagt, das Leben besteht in Bezügen, und so kann denn auch die Gottheit nur

gedacht werden als Gegenpol Luzifers, als der ordnende Geist, dessen Odem die wilden Gewalten des Aufruhrs niederzwingt, auf daß sich gründe das Reich der Harmonie.

In der Gestalt des Mephistopheles hat Goethe die verneinenden, zerstörenden Gewalten, die im einzelnen Menschen, aber auch in den Kulturen der Völker hervorbrechen, gleichsam angesammelt, und so ist denn seine Bahn, die uns das Drama hinzeichnet, mit Trümmern übersät. Alles das, was die Kultur dem Chaos abgewinnt, auf daß der Mensch sein Haupt ins Licht tauche und sich aus dem Banne herauslöse, den die wilden Mächte des Daseins um ihn legen, alles dies wird von Mephistopheles verachtet. Von Sonnen und Welten, die geheimnisvolle, fromme Schauer in der Menschenbrust wecken, weiß er nichts zu sagen; in den Anstrengungen der Menschen sieht er nicht Vorboten eines sie verklärenden Sieges, er sieht nur,,,wie sich die Menschen plagen". Alle die Denkmale ihrer Herrschermacht und ihres Strebens nach Erlösung sind ihm ein Gespött. Der Mensch ist stolz darauf, als ein vernunftbegabtes Wesen sich der Finsternis entgegenzustellen: aber die Vernunft, die als Glanz des Himmels ihn erleuchten soll, sie bringt ihn nach Mephistopheles dahin, daß er „nur tierischer als jedes Tier“ ist:

„Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,

Wie eine der langbeinigen Zikaden,

Die immer fliegt und fliegend springt

Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;

Und läg' er nur noch immer in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase."

Mephistopheles erblickt im Dasein der Menschen nichts als ein Gewühle, für ihn gibt es keine sinnbegabte geschichtliche Entwicklung, kein Leben, das die Weihe empfängt durch ein Ideal, das den Menschen herauslöst aus seinem Jammer und das Glück des Lichtes in seine Seele leitet. Alles was dieser als Gaben der Gottheit dankbar hinnimmt: für Mephistopheles bildet es die Zielscheibe seiner Zerstörungswut: mit einem Worthauch verwandelt er sie zu nichts. Ihm fehlt die Macht der Liebe, der Leben schaffenden, das Leben heiligenden Liebe. Wenn Faust sich beschwingt weiß von Hochgefühlen, die ihm eine erlösende Welt des Geistes eröffnen, da stellt sich Mephistopheles höhnend ein, niederreißend den Ätherbau, an dem sich Fausts Auge beglückt weidet. Faust wird vom balsamischen Hauch des Frühlings angeweht, und es ist ihm, als ob neue Lebensglut ihn erfülle. Solches Naturgefühl, das wie ein

Strahl von oben das wilde Herz des Menschen besänftigt und beseligt, berührt Mephistopheles nicht:

„Fürwahr, ich spüre nichts davon!

Mir ist es winterlich im Leibe;

Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.

Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe

Des roten Monds mit später Glut heran

Und leuchtet schlecht, daß man bei jedem Schritte

Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!

Erlaub', daß ich ein Irrlicht bitte!"

Nicht dort, wo die Harmonie den Menschen überwölbt, ist sein Reich, sondern dort, wo dämonische Kräfte toben und alles zerschmettern, was ihnen im Wege steht. Gewaltig weiß Goethe dieses unheimliche Rasen der Elemente zu schildern:

„Ein Nebel verdichtet die Nacht.

Höre, wie's durch die Wälder kracht!
Aufgescheucht fliegen die Eulen.
Hör'! es splittern die Säulen
Ewig grüner Paläste.

Girren und Brechen der Äste!

Der Stämme mächtiges Dröhnen!
Der Wurzeln Knarren und Gähnen!
Im fürchterlich verworrenen Falle
Übereinander krachen sie alle,

Und durch die übertrümmerten Klüfte
Zischen und heulen die Lüfte.

Hörst du die Stimmen in der Höhe?

In der Ferne, in der Nähe?

Ja, den ganzen Berg entlang

Strömt ein wütender Zaubergesang!"

Über alles, was Faust beseligt, gießt Mephistopheles seine giftige Säure. Himmelsglück zieht in Fausts Seele ein, nachdem sich Gretchen an sein Herz gehängt und Wonnen aus seinen zauberkräftigen Augen gesogen, und wie eine Madonna verklärt Faust das liebliche Kind. Mephistopheles aber ist Gretchen eine Dirne, für die paradiesischen Wonnen des Beglückten hat er kein Organ. Und als Faust aufstrahlt im Glücksgefühl des Herrschers, dem es gelungen, einen Boden zu bereiten für eine Menschengemeinschaft, auf deren Zinnen das Banner der Freiheit weht, und als er inmitten der Arbeit vom Tode hinweggerafft wird, da erfüllt den unholden Geist das so herrlich endende Leben nicht

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mit Wohlgefallen. Als ein Nichts erscheint ihm all das Mühen des unbändigen Helden, als ein Schutthaufen der Tempel der Freiheit, der den hemmenden Elementen abgerungen wird:

,,Was soll uns denn das ew'ge Schaffen!
Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen!

‚Da ist's vorbei!' Was ist daran zu lesen?

Es ist so gut, als wär' es nicht gewesen,

Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre.

Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere."

Und als Fausts Unsterbliches zum Himmel schwebt, wo für immer die Unruhe und das Leid verbannt, und die Heerscharen des Ewigen aus ihrer Glorie heraus es mit Engelszungen willkommen heißen: da bleibt Mephistopheles kalt, ja er wehrt die überirdischen Stimmen ab wie peinigendes Gekrächze. Denn die Harmonie ist sein Todfeind, die Zielscheibe, auf die er immer wieder die zerstörenden Blitze seiner Bosheit schleudert:

,,Miẞtöne hör' ich, garstiges Geklimper,

Von oben kommt's mit unwillkommnem Tag;
Es ist das bübisch-mädchenhafte Gestümper,
Wie frömmelnder Geschmack sich's lieben mag.
Ihr wißt, wie wir in tiefverruchten Stunden
Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht:
Das Schändlichste, was wir erfunden,
Ist ihrer Andacht eben recht.

Sie kommen gleisnerisch, die Laffen!
So haben sie uns manchen weggeschnappt,
Bekriegen uns mit unsern eignen Waffen;
Es sind auch Teufel, doch verkappt.
Hier zu verlieren, wär' euch ew'ge Schande;
Ans Grab heran und haltet fest am Rande!"

Wir sind nun vorbereitet, um die tragischen Erschütterungen im Leben Fausts, die symbolisch die Nachtseite des Daseins darstellen, zu verstehen als Abgründe, in die ihn Mephistopheles hineinzieht, als Abgründe auch, aus denen er herausstrebt, um zum Lichte, zur Harmonie zu gelangen. Goethe hat die Gestalt des Mephistopheles äußerlich von Faust losgelöst, um sie plastisch herauszuarbeiten, das in das Leben eingemischte Entsetzen sinnfällig zur Anschauung zu bringen. In Wirklichkeit ist Mephistopheles eine Grundkraft des strebenden Faust, ohne die dessen Ringen und Hoffen, Sehnsüchte und Siege nicht zu verstehen wären, ja ohne die er zu einem Schemen verblassen würde. Faust ist

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