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Goethe hat dies in unvergleichlicher Weise zum Ausdruck gebracht. Solange Helena, dieses Symbol der Schönheit, in Gefangenschaft weilt, herrscht in ihres Hauses Hallen ein schauerlicher Geist: Phorkyas, eine der Töchter des Chaos, in die Mephistopheles geschlüpft, führt ihr unheimliches Regiment. Und wo dieses Scheusal sein flammenumlohtes Szepter trägt, da umschlingt Angst den Geist, und doch ist solche Angst die Voraussetzung dafür, daß die Seele den Strahl der Schönheit als Labsal der Erlösung empfindet.

,,Doch uns Sterbliche nötigt, ach,
Leider trauriges Mißgeschick

Zu dem unsäglichen Augenschmerz,
Den das Verwerfliche, Ewig-Unselige
Schönheitliebenden rege macht."

So wird denn gezeigt, wie sich Phorkyas, die von Verworrenheit durchbebte Finsternis, dem nach Schönheit ringenden Menschen entgegenstellt. In den Worten Helenas ist es ausgesprochen:

„Doch das Entsetzen, das, dem Schoß der alten Nacht
Von Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch
Wie glühnde Wolken aus des Berges Feuerschlund
Herauf sich wälzt, erschüttert auch des Helden Brust.
So haben heute grauenvoll die Stygischen

Ins Haus den Eintritt mir bezeichnet, daß ich gern
Von oft betretner langersehnter Schwelle mich,
Entlassnem Gaste gleich, entfernend scheiden mag.
Doch nein! gewichen bin ich her ans Licht, und sollt
Ihr weiter nicht mich treiben, Mächte, wer ihr seid.
Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag

Des Herdes Glut die Frau begrüßen wie den Herrn."

Nun zeigt Goethe in feinen Bildern weiter, wie das Leben dafür sorgt, daß die Schönheit, will der Mensch in ihrer Glorie verharren, schwere Kämpfe erfordert: immer wieder muß sie erobert werden. Wird doch der Liebesbund zwischen Faust und Helena zum Zielpunkt eines Angriffes: die Heerscharen des Gatten der Helena suchen die Burg, auf der der beglückte Faust weilt, zu erstürmen, müssen aber vor dessen Mannen zurückweichen.

Die klassische Welt versinkt wieder, und erneut führt Goethe Faust in Abgründe der Not, um zeigen zu können, wie die entscheidende Hochtat des Helden in der Bändigung aufrührerischer Kräfte besteht. Das Reich ist von Anarchie durchschauert, und dem Kaiser gelingt es nicht,

die Ordnung herzustellen. Im Anblick dieser verworrenen Zustände ringt sich Faust zu dem Entschluß durch, durch eine erhabene Tat den Siegeskranz eines edlen Menschentums zu erwerben: dem Meere will er Boden abgewinnen, um auf ihm ein glückliches Geschlecht anzusiedeln. Doch als das Werk im Gang ist, als er, mit der Herrscherwürde gekrönt, inmitten der seinen Befehlen gehorchenden Scharen steht, da tritt wieder der Versucher an ihn heran. Verwegener Machtwille beherrscht ihn und läßt ihn zu einer Freveltat hinreißen. In die Gefilde des Friedens bricht er ein und schafft Zerstörung. In einem idyllischen Hütte verbringt ein altes Paar, Philemon und Baucis, die Lebenstage, die ihm noch beschieden sind, und nun schreckt es der Lärm der arbeitenden Scharen Fausts, ja es wird in höchste Angst versetzt, indem Faust das kleine Friedensreich bedroht. Dieser empfindet es als eine Beeinträchtigung seiner Machtfülle, daß inmitten seines Reiches ein Gebiet seiner Herrschaft entzogen ist, und so reift in ihm, nachdem ihn Mephistopheles aufgestachelt, der Entschluß, die alten, im Frieden dahinlebenden Leute zu vertreiben.

,,Die Alten droben sollen weichen,

Die Linden wünscht' ich mir zum Sitz,
Die wenigen Bäume, nicht mein eigen,
Verderben mir den Weltbesitz.
Dort wollt' ich, weit umher zu schauen,
Von Ast zu Ast Gerüste bauen,
Dem Blick eröffnen weite Bahn,
Zu sehn, was alles ich getan,
Zu überschaun mit einem Blick
Des Menschengeistes Meisterstück,
Betätigend mit klugem Sinn
Der Völker breiten Wohngewinn.
So sind am härt'sten wir gequält:

Im Reichtum fühlend, was uns fehlt.
Des Glöckchens Klang, der Linden Duft
Umfängt mich wie in Kirch' und Gruft.

Des Allgewaltigen Willenskür

Bricht sich an diesem Sande hier.

Wie schaff' ich mir es vom Gemüte!

Das Glöcklein läutet, und ich wüte."

Die Hütte geht in Flammen auf, die alten Leute werden von den Flammen verzehrt. Mephistopheles hat das Unheil angerichtet, denn Tausch wollte Faust, keinen Raub. Doch wenn er nun wieder Mephi

stopheles verflucht und sich von ihm abwendet: auch er ist mit Schuld belastet. Sein Machtstreben hat ihn aufgestachelt, sich an fremdem Eigentum zu vergreifen, friedliche Menschen aus ihrer ihnen lieb gewordenen Heimat zu vertreiben.

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Hier hat Goethe wiederum symbolisch gezeigt, welche unheimliche Schatten das Völkerleben verfinstern, wie ein großes Werk, wie die Gründung eines Staates, auch wenn ein hohes Ideal den Führer leitet, Unheil schaffen kann, und so empfindet denn Faust am Ende seines Lebens, nachdem ihm so Erhabenes gelungen, noch einmal die ganze Not des Lebens, die uns Goethe in ergreifenden Bildern vorführt. Schauerliche Angst beklemmt das Herz des nun alt gewordenen Faust. Wohl besitzt er Herrscherwürde: sein Gebot ist ein Befehl. Aber das Glück, nach dem er so oft gestrebt, stellt sich nicht ein. Schauerliche Geister entsteigen der Asche der Hütte, die Mephistopheles, sein Genosse, zerstört: vier graue Weiber, der Mangel, die Schuld, die Sorge, die Not, und zur Gestalt der Not gesellt sich ihr düsterer, gespenstischer Bruder: der Tod. Das Grauenvolle des Lebens drängt sich ihm, nun, wo er wähnt, am Ende einer sieggekrönten Laufbahn zu stehen, entsetzensvoll auf:

,,Wenn auch ein Tag uns klar vernünftig lacht,

In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht;

Wir kehren froh von junger Flur zurück,

Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick."

Freilich, er, der noch immer Kräfte zu wagemutigem Tun in sich spürt, wehrt sich gegen den Andrang der grauen Gespenster, aber zu schwach ist er, ihren Bann zu brechen.

,,Unselige Gespenster! So behandelt ihr
Das menschliche Geschlecht zu tausendmalen;
Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr
Im garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.
Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,
Ich werde sie nicht anerkennen."

Doch das Gespenst der Sorge haucht Faust an, und so erblindet er. Wohl umfängt ihn nun die Nacht, aber in seinem Inneren leuchtet helles Licht: noch verfügt er über die Kraft zu befehlen, sein Werk der Völkerbefreiung will er fördern, eine große Zukunft aufbauen. Aber wiederum durchkreuzt eine blinde Schicksalsmacht seine Pläne: der Tod

steht vor der Pforte und begehrt Einlaß. Mephistopheles, der Geist der Zerstörung, ist wieder auf dem Plan. Lemuren schaufeln unter seiner Aufsicht das Grab Fausts, und ergreifend wirkt es, wie dieser wähnt, der Lärm der Werkzeuge dringe als rauher Siegesgesang der Arbeit seiner Knechte zu ihm. Fausts Kräfte versiegen, der Tod setzt das Siegel auf sein Leben, und so findet er nicht hienieden die Erlösung, sondern dort, wo keine Qual und Angst mehr die Seele bedrückt: im himmlischen Paradies.

Goethe hat in großartiger Weise in Anlehnung an die Schicksale Fausts das Leben so geschildert, wie es sich schlechthin dem Historiker darbietet: als nie verstummende Systole und Diastole, als ewigen Kampf zwischen Finsternis und Licht. Immer wieder läßt er uns ins Chaos hineinblicken, und wo eine Glorie den Menschen verklärt, da zeigt er, wie sie sich ringend herauslöst aus den Finsternissen, um von diesen wieder verschlungen zu werden.

Machtwille

Unsere Darstellung hat bereits alle seelischen Grundkräfte Fausts irgendwie berührt, doch war unser Auge vor allem der Nachtseite des Daseins zugewandt, indem wir den düsteren Untergrund freilegen wollten, auf dem sich das Leben des Helden erhebt. Seelische Gebrechen und Nöte drängten sich auf, und es gilt nun im einzelnen zu zeigen, in welcher Weise Faust deren Last von sich abzuwälzen sucht, um sich zu retten, die Freiheit der Seele zu gewinnen.

Da ergibt sich denn, daß er in zweierlei Art sich zu behaupten sucht: das Männliche in ihm setzt sich zur Wehr in Form des Machtwillens, das Weibliche äußert sich in Form des Erlösungsstrebens. Doch lassen sich die beiden Tendenzen nicht scharf trennen: und Aufgabe einer erleuchtenden Darstellung ist es, jeweils den vorwaltenden Klang zu erlauschen.

Die Gestalt Faustens bietet sich dar als eine großartige Verkörperung des Genius des Abendlandes: ein dämonischer Machtwille durchstürmt ihn. Das Leben in all seinen Höhen und Tiefen will er ausmessen:

,,Ihn treibt die Gärung in die Ferne;

Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt:

Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne

Und von der Erde jede höchste Lust,

Und alle Näh' und alle Ferne

Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust."

Der leidenschaftliche Drang erfüllt ihn, sein Menschentum zu steigern zur alles überschattenden Größe, sein Ich auszuweiten zur Riesenhaftigkeit, im Wirbel des Daseins aufzustrahlen als eine majestätische Gewalt. Die Welt will er bemeistern mit der Kraft seiner Vernunft, auf daß sie durchleuchtet werde mit Klarheit und sich vor ihm ausbreite als ein Reich, in dem er Herrscher und Gebieter ist. Er hat alle Wissenschaften studiert, Hölle und Teufel stemmt er seine erzene Brust entgegen, um sie zu besiegen, und als er, furchtbar gepeinigt, erkennen muß, daß sich das geheimnisvolle Tor nicht öffnen will, durch das der Weg hinführt zu den innersten Quellen des Lebens, da ergibt er sich der Magie, hoffend, daß sie das Welträtsel ihm löse. Die tobende Unruhe des Fragens und Forschens erfüllt ihn, einen tiefen Schmerz bereitet ihm das Bewußtsein, als ein Tor in dieser geheimnisvollen Welt dastehen zu müssen, aber gegen diesen Schmerz bäumt sich der Wille auf, das Chaos zu bändigen, auf daß es seiner leidenschaftlichen Frage Antwort gebe.

,,Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,
Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,

Mit Stürmen mich herumzuschlagen

Und in des Schiffsbruchs Knirschen nicht zu zagen."

Bis zur Gottähnlichkeit fühlt er sich zuweilen erhoben, beschwingt vom Glauben, daß es gelingen müsse, die Dunkelheit zu durchdringen; freilich, auf den Aufstieg folgt jäh der Fall in den Abgrund, indem es ihm bewußt wird, daß zu schwach seine Kräfte, das Weltgeheimnis zu enthüllen. Unerhört bleibt sein machtvolles Seelenflehen, zu gewaltig ist das Weltwesen, als daß es gelingen könnte, es gleichsam im Sturm zu erobern.

So wird er wieder ins ungewisse Menschenlos mit all seinen Schranken und Schrecken zurückgestoßen. Es bleibt ihm nichts übrig, als den Kampf mit dem Leben erneut aufzunehmen. Gewiß, schon hat er einen Fuß in das Reich des Todes gesetzt, Selbstmordgedanken lassen ihn nach Gift greifen. Und wenn die Osterglocken seinen zerstörten Geist besänftigen und Friede und Freude verkünden und ihn wieder bestimmen, sich dem Lichte der Sonne zuzuwenden: neue Pein erwartet ihn, will er sich kämpfend im Dasein aufrechterhalten. An der Seite des Mephi

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