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Später bewog GOETHE das, dem angestrebten ernsten Gehalte nicht entfernt gerecht werdende ungeschickte Buch zu MOZART'S Zauberflöte, eine sogenannte Fortsetzung, die aber eigentlich eine Erneuerung nach höheren Ansprüchen. war, in Angriff zu nehmen, und ungefähr um dieselbe Zeit waren es die beiden epischen Gedichte Reincke Fuchs und >Hermann und Dorothea, welche zu Erzeugnissen productiver Kritik zu rechnen sind. Im letzten Jahrzehend des vorigen Jahrhunderts, welches diese beiden Epen entstehen sah, wurde über den Bau der antiken Versmaaße bei ihrer Nachbildung im Deutschen lebhaft gestritten, und GOETHE, zweifelhaft, auf welcher Seite das Rechte zu suchen sei, konnte seine eigene Ansicht nicht verständlicher begründen, als daß er selbst Proben nach antikem Muster gebauter Verse gab. Hauptsächlich zwei Aeußerungen sind es, die das Wesen productiver Kritik im Verhalten GOETHE'S gegenüber dieser Sachlage aussprechen. Gegen Ende der »Campagne in Frankreich 1792 sagt er mit Bezug auf Reineke Fuchs: Da mir recht gut bewußt war, daß alle meine Bildung nur praktisch sein könne, so ergriff ich die Gelegenheit, ein paar Tausend Hexameter hinzuschreiben.< Uebereinstimmend schrieb er am 5. December 1796 an H. Meyer in Hinblick auf Hermann und Dorothea: In Absicht auf die poetische sowohl als prosodische Organisation des Ganzen habe ich beständig vor Augen gehabt, was in dieser letzten Zeit bei Gelegenheit der Voss'schen Arbeiten mehrmals zur Sprache gekommen ist, und habe verschiedene streitige Punkte zu entscheiden gesucht, wenigstens kann ich meine Ueberzeugung nicht besser ausdrücken, als auf diese Weise.<<

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keit hatte, so spricht auch GOETHE wiederholt aus, im Aufsatz Individualpoesie, ingleichen in den Briefen an J. H. Voss vom 6. December 1796, an F. A. WOLF vom 26. desselben Monats und an SCHILLER vom 28. Februar 1798 daß » Hermann und Dorothea« durch VOSS'ENS > Luise hervorgerufen sei; daß aber diese Productivität eine kritische war, lehrt eine Vergleichung heider Dichtungen was zu entwickeln hier zu weit führen würde, worüber indessen z. B. die kurze, aber die Hauptpunkte berührende Gegenüberstellung von A. W. v. SCHLEGEL in seiner Anzeige von Hermann und Dorothea nachgelesen werden kann. (Sämmtl. Werke X, 205.)

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Ein bekanntes Lied von FRIEDERIKE BRUN

Ich denke Dein, wenn sich im Blüthenregen
Der Frühling malt

gewann großen Reiz für GOETHE durch ZELTER'S Composition, welcher ihm das Gedicht nicht ebenbürtig erschien, weßhalb er die Nähe des Geliebten unterlegte, in welchem Liede anstatt der verstreuten Erinnerungen an den geliebten Gegenstand bei der BRUN der Eine durchgehende Gedanke der durch die verschiedensten Erscheinungen hervorgerufenen Hoffnung auf das Nahen des Geliebten getreten ist.

bo Zu Anfang dieses Jahrhunderts dichtete GOETHE den Nachtgesang in fast Uebersetzung zu nennendem Anschluß an ein italienisches Lied, das deutsch lautet:

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Du bist die süße Flamme,

Ja, meine Seele bist Du,
Zu allem was ich ersehne
Schlafe! was willst Du dazu?

Zu allem was ich ersehne,
Verwahrst die Schlüssel Du,
Von diesem meinen Herzen
Schlafe! was willst Du dazu?

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In diesem Liede ist der Kehrreim ganz unvermittelt: der Sänger unterbricht einfach den Fluß seiner Gedanken, um die Geliebte unerwartet zum Schlafen aufzufordern. GOETHE dagegen abgesehen von der weit vollendeteren sprachlichen Form seines Gesanges verflicht in der ersten Strophe die gleiche Aufforderung mit dem Inhalte der vorhergehenden Worte. Konnte nunmehr in den folgenden der Kehrreim lediglich als solcher, ohne Einfügung in den Satz, wiederholt werden, so bietet doch noch immer im Nachtgesang der Inhalt jeder Strophe eine Verbindung mit dem Kehrreim durch Gegenüberstellung des in Folge seiner Liebe wach gehaltenen und in nächtlicher Kälte weilenden Sängers gegen den Schlummer der Geliebten.

Auch wo es in Gedichten noch ausdrücklicher auf Uebersetzung abgesehen war, wie in Offene Tafel (1813), oder »Gutmann und Gutweibe (1828) unterließ GOETHE nicht, in Einzelheiten, besonders am Schlusse von feiner Kritik gebotene Aenderungen seiner Vorlagen anzubringen. (Goethe's Lyrische Gedichte, erläutert von H. Düntzer, 2. Aufl. II., 210, 403f.)

Wieder aus dem ersten Jahrzehend ist es das Trauerspiel in der Christenheit, welches in den Formen der spanischen Komödien des classischen Zeitalters ein christliches Trauerspiel ohne CALDERON'S beschränkten Fanatism zur Darstellung bringen sollte. (Goethe-Forschungen 154ff.)

Ebenfalls, wenigstens meistentheils, während des ersten.

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Jahrzehends entstanden abermals eine Reihe Umbildungen von Volksliedern in gleicher Weise, wie oben bei den drei Jahrzehende früher umgestalteten Volksliedern angedeutet ist, und zwar ist dies der Fall bei: Schäfers Klagelied, Trost in Thränen«, »Liebhaber in allen Gestalten«, »Freibeuter«, > Schweizerlied«, »Gegenseitig « und » März«. (GoetheForschungen, Neue Folge, 340ff.)

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Das früher beliebte Lied von UELTZEN »Namen nennen Dich nicht erregte GOETHE'S Mißfallen durch seine Verneinungen und Verheimlichungen, die er unlyrisch fand, während ihn die Weise des Liedes ansprach, weßhalb er dazu Gegenwart dichtete. Alles giebt sich hier als Anschauung und im Gegensatz zu UELTZEN, der zuletzt seine Lieder der Liebe der Ewigkeit aufspart, während GOETHE zum Schluß darin, daß ihm die Geliebte Schöpferin herrlicher Tage wird, schon jetzt die Ewigkeit erblickt. (Goethe's Gespräche III, 49ƒ.)

Ergo bibamus schrieb GOETHE nieder, nachdem auf seine Veranlassung RIEMER ein Lied mit den Titelworten im Kehrreim geliefert hatte, dem er, da man ihm die Mache zu deutlich anmerkte, seinen vollen Beifall nicht schenken konnte. (Briefe von und an Goethe etc. Herausgegeben von F. W. Riemer, 376f.)

In geraden Widerspruch setzte sich GOETHE aber zu dem »elendesten aller deutscher Lieder << wie er es im Brief an ZELTER vom 3. Mai 1813 nennt welches beginnt Ich habe geliebt, nun lieb' ich nicht mehr«. Er hatte es von SOLBRIG in Leipzig vortragen gehört und dichtete dagegen am 19. April 1813 im » Goldnen Löwen<< zu Oschatz » Gewohnt, gethan«. (Goethe und Leipzig, II, 83ff.)

Da ich nicht darauf ausgehe, sämmtliche Dichtungen GOETHE'S, die als productive Kritik entstanden sind, aufzuführen, es mir vielmehr nur darauf ankommt, durch eine größere Anzahl derselben das häufige Vorhandensein productiver Kritik bei GOETHE'S Dichten festzustellen, andern

2. GOETHE'S PRODUCTIVE KRITIK,

ichter zu verstehen, setzt bekanntlich mehr voraus, als Verstehen der Sprache; auch ist dies nicht so sehr allgemeine Eigenschaft derer, welche Dichter lesen, ja auch lieben, wie Manche denken mögen. Liebe findet sich oft trotz mangelhaften Verstehens des geliebten Gegenstandes! Man braucht nun nicht eben Dichter zu sein, um sich das Verständniß einer echten Dichtung zu erschließen, aber in die Werkstätte des Dichters muß man doch ein wenig hineingucken. Sowie indessen ein Gymnasiast keinen Geschmack an den alten griechischen und römischen Dichtern gewinnen kann, wenn ihm der Schulmeister nur die in den Dichtungen Vorkommenden Redetheile, Wortbeugungen und Satzbildungen abfragt, so wenig kann es in den Genuß eines Gedichtes einführen, wenn nur wie es ja vorkommt das, was der Dichter in geweihter Sprache sagt, in der Sprache eines trockenen Pedanten wiederholt wird; denn wenn auch nicht die Kraft, als Dichter zu schaffen, so ist doch dichterisches Fühlen und die Fähigkeit, die Schönheiten der Dichtung in's Licht zu setzen, für den Erläuterer dichterischer Werke allerdings unerläßlich. Wie ein solcher es aber anzufangen hat, seine Aufgabe zu erfüllen, soll hier nicht etwa untersucht und nur auf einen Weg hin

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