ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Haben wir nun die Herkunft des Bösen Geistes, somit den Unterschied ermittelt, der zwischen der vermeintlich aus Gretchen's Innern stammenden Stimme des Gewissens und dem vonaußen kommenden Geiste besteht, so haben wir damit auch einen Anhalt für dessen Bühnendarstellung gewonnen. Zunächst darf er hiernach nicht als Frau gegeben werden, die nur die Annahme von Gretchen's anderem Ich entschuldigte, sondern wie böse Geister sonst allenthalben als ein männliches Wesen, übrigens aber ebenso wie das andere Kind Gottes, wie Mephistopheles, als ein Teufel, der sich ja im Maskenzug vom 18. December 1818 geradezu als böser Geist bekennt. In Einklang damit steht die bildliche Darstellung der Domscene von CORNELIUS und F. SIMM, worin hinter Gretchen's Kirchensitz sich eine Teufelsgestalt herüberbiegt. Da aber bei der Bühnenaufführung trotz der Teufelstracht die Natur des beim Beginn der Scene schon dastehenden Bösen Geistes, namentlich seine Unsichtbarkeit für Gretchen nicht klar zu erkennen sein würde, so möchte die Einrichtung so getroffen werden, daß er erst nach einigen Tacten des Orgelspiels aus der Versenkung aufstiege und nach seinen letzten Worten wieder verschwände. DRACH, früher Regisseur des Hoftheaters zu Dresden, jetzt in München, findet es indessen bedenklich, in der christlichen Kirche einen Teufel erscheinen zu lassen und will daher den bösen Geist durch einen bösen, daher dunkelfarbig gekleideten Engel dargestellt sehen, den er sich als Architekturtheil angebracht und als solcher sprechend denkt.

Bei dieser Gelegenheit will ich aber noch ein paar Bemerkungen über die Darstellung der Domscene anknüpfen. Das Todtenamt, das da gefeiert wird, gilt der Mutter Gretchen's. In der GÖCHHAUSEN'schen Abschrift des >> Faust << stand in der Ueberschrift der Scene ausdrücklich: »Exequien der Mutter Gretchen's. « Das hat GOETHE zwar nachmals gestrichen, aber jedenfalls nur deshalb, weil es undramatisch war, die Bedeutung des abgehaltenen Todtenamts auf diese

Weise zu bekunden, wie er auch z. B. in der Gartenscene die Vorschrift beseitigt hat, daß Gretchen mit Herzklopfen hereinkommen solle. Wem das Amt im Dome gilt, das geht aus dem Zusammenhange genügend hervor; denn einerseits wäre die Vorführung solcher kirchlichen Handlung, wenn sie dem Tode einer beliebigen fremden Person gälte, ganz ungehörig in der Dichtung, und andererseits machen auch die Gegenwart Gretchen's und die Reden des Bösen Geistes die Bestimmung des Todtenamts zweifellos. Wenn schon seit dem Hingang der Mutter Gretchen's einige Zeit verflossen sein muß, so ist das kein Gegengrund, da Seelenmessen oft erst Wochen nach dem Tode gefeiert werden, Der Zuschauer wegen und um diese von vornherein auf den richtigen Standpunkt zu stellen, erscheint es aber angemessen, daß Gretchen in dieser Scene Trauerkleidung trägt.

Torquato Tasso.

2. ZU »TASSO«.

Ein Schauspiel von GOETHE Mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von FRANZ KERN. Berlin 1893. Nicolai'sche Verlags-Buchhandlung R. STRICKER

In diesem Buche wird eine gründliche Arbeit über GOETHE'S Dichtung geboten, die KERN seit 1884 bereits in drei Schriften zum Gegenstand seiner

Forschung gemacht hat. Welche verschiedene Auffassungen der Dichtung für berechtigt gehalten werden können, wird bei so eingehender Behandlung begreiflich, daher auch, daß selbst mit dem gründlich zu Werke gehenden Verfasser nicht jeder sich allenthalben einverstanden erklären kann.

KERN wirft die Frage auf, ob GOETHE'S Drama eine Tragödie zu nennen sei. GOETHE nannte es Schauspiel, wenn es aber im Grunde nach unseren Anschauungen über Bühnenwerke nur zweierlei Gattungen derselben giebt, bei deren einer die ganze Persönlichkeit eines Menschen eingesetzt wird, bei der anderen dagegen Begebnisse vorgeführt werden, in welche Persönlichkeiten nur als bewegende Kräfte eingreifen, so muß Tasso unbedingt der ersteren, der Tragödie, zugezählt werden. KERN'S Zweifel erklärt sich aus seiner Ansicht über das Ziel der GOETHE'schen Dichtung; er findet es in der aus Tasso's Leiden gewonnenen Kraft

[ocr errors]

der Erhebung, die zu seiner Heilung führe. (S. 20 fg.) Er erblickt in der Handlung des Dramas die Absicht, Tasso's Heilung von krankhaften Vorstellungen und ungehörigen Ansprüchen herbeizuführen, und daher ist ihm die Katastrophe nicht die Zerstörung des zarten Verhältnisses, in dem Tasso zur Prinzessin steht, sondern der für ihn nothwendige Bruch mit dem herzoglichen Hause. (S. 9. 17. 26.) Um diese Voraussetzung zu stützen, erklärt KERN aus der Dichtung heraus, daß es Tasso an erster Stelle um die Gunst des Herzogs zu thun sei. Er sieht also in GOETHE'S Schauspiel ein seelenärztliches Experiment. Diese Auffassung ist aber entschieden abzuweisen; es würde ein Herabwürdigen der Bedeutung der Dichtung sein, wenn ihr Ziel wäre, einen Mann als, wenn auch nur für den Augenblick, vernichtet darzustellen, weil er die Gunst eines Fürsten verlor. Wäre dies Folge der krankhaften Vorstellungen, so gehörte deren. Vorführung in ein psychiatrisches Colleg einer medicinischen Facultät oder vor die Praktiker eines Irrenhauses, nicht aber auf eine Kunstbühne. Nur im Lustspiel, also bei ganz anderer Behandlung, könnte man sich ein solches Ziel eines Dramas etwa gefallen lassen. GOETHE hat indessen seinem Tasso nicht so mitgespielt, und man wird gern hören, daß KERN auf Irrwegen geht. Zwar legt GOETHE'S Tasso auf des Herzogs Gunst hohen Werth und spricht dies kräftig aus, es liegt aber auf der Hand, daß er von seiner Liebe zur Prinzessin nicht ebenso unverhüllt reden darf, wie ihm denn jene Gunst überdies gerade zu Erhaltung des Verhältnisses zur Prinzessin vom größten Werthe sein muß. Daß er jedoch letzteres höher stellt, setzt das Gespräch mit der Prinzessin im ersten Auftritte des zweiten Aufzugs außer Zweifel, wenn Tasso ihr sagt, daß er mit ihr

Aus freiem Busen wagen darf zu reden, und dann, auf das gleiche Vertrauen des Herzogs verwiesen, einwendet:

Er ist mein Fürst!

Noch eine Stelle läßt unwiderleglich erkennen, daß ihm die Beziehung zur Prinzessin jeder anderen voransteht, und zwar in der Schlußscene:

ich bin nichts!

Ich bin mir selbst entwandt, sie ist es mir. KERN obgleich er das sie auf die Prinzessin deutet bemerkt doch zu heimlicher Unterstützung seiner Auffassung, daß es auch auf die einige Zeilen vorher erwähnte »Kraft < bezogen werden könne. Das ist aber unmöglich. Denn Tasso fragt nicht nur, ob seine »Kraft«, sondern auch, ob sein >>Talent, auch noch, ob er selbst verloren gegangen

sei, und faßt das zusammen mit den Worten:

Nein, es ist Alles da!

Hiernach wäre es sprachlich schlechterdings unbegreiflich, wie das hierauf folgende sie auf die weit zurückliegende >> Kraft<< bezogen werden könnte.

Kehren wir zurück zu KERN'S Annahme, daß aus Tasso's letzten Worten die Hoffnung auf seine Heilung und Erhebung zu schöpfen sei, so kann ihm auch darin nicht beigepflichtet werden; denn wenn Tasso sich als einziges Rettungsmittel wie der Schiffer an den Felsen, an dem er scheitern sollte, an Antonio anklammert, an den Mann, der seinem Wesen nach um mit GOETHE zu reden um mehr als ein Erddiameter von ihm getrennt ist, so gleicht er eben dem Schiffer, der, nachdem er Alles verlor, nur das nackte Leben retten will: Tasso hat damit seine Persönlichkeit verloren. HERMANN GRIMM hat unbestreitbar Recht, wenn er in seiner fein und glänzend geschriebenen Entwickelung »>Leonore von Este« ausspricht, daß GOETHE'S >Tasso auf eine Vernichtung, ein Zugrundegehen« auslaufe. Diese Wahrheit kann nur diejenigen befremden, die in diesem Schauspiel das fast unabwendbare Leiden des, dem Niedrigirdischen abgewandten Dichters sehen. Es stünde aber schlimm um GOETHE'S Ansicht über Dichter, wenn ihm der Tasso seines Schauspiels das Ideal eines solchen gewesen

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »