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wäre. Sein Tasso ist zwar echter Dichter, aber nur das; er ist kein rechter Mensch, d. h. er vernachlässigt seine Pflichten als Glied der Menschheit, was er nicht ungestraft thun kann. Im Gefühle seines eigenen Werthes verliert der, dem Wechselverkehr mit der übrigen Welt sich entziehende Tasso den Maßstab zur Schätzung des Werthverhältnisses zu anderen Menschen, und die daraus entspringende Unfähigkeit, andere zu beurtheilen, hindert ihn zunächst die Gründe ihres Handelns zu würdigen und läßt ihn dann das ihn unangenehm berührende fremde Handeln als Feindseligkeit auffassen; er geräth hierauf in den Zustand steter mißtrauischer Beobachtung der gesammten Umgebung, der sich endlich zum Verfolgungswahnsinn steigert. GOETHE hat mit wunderbarer psychologischer Feinheit ausgeführt, wie Tasso mit dem Scharfsinnn des Wahnwitzigen aus jeder, sogar ihm wohlwollenden Handlung anderer Personen etwas herausspäht, was seiner fixen Idee zustatten kommt. Nachdem er endlich durch seine, den Wahnsinn nur zeitweilig entkräftende Liebe zur Prinzessin einen Gewaltbruch herbeigeführt hat, der Wiederherstellung unmöglich erscheinen läßt, so ist auch für ihn selbst trotz der versöhnlichen Annäherung Antonio's keine Wiederherstellung mehr denkbar. GOETHE hat darin den geschichtlichen Tasso treuer dargestellt, als gemeinhin angenommen wird.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die Charaktere der übrigen Personen des Dramas durchzugehen; es kann um so eher unterbleiben, als KERN'S Darlegungen im Wesentlichen als zutreffend anzuerkennen sind. Für das Verständniß der Dichtung sind ferner seine Parallelen mit der » Natürlichen Tochter (S. 21) und noch mehr die mit »Iphigenie « (S. 23 fg.) von Werth; überdies ist auf die sehr glückliche Gegenüberstellung HERMANN GRIMM'S mit Werther hin

zuweisen.

Bei jeder Dichtung GOETHE'S drängt sich die Frage nach deren Veranlassung auf. Mag immerhin bei Tasso

diese Frage insofern müßig erscheinen, als ihre Beantwortung zum Verständniß und Genuß der Dichtung schwerlich beitragen wird, so ist doch die Kenntniß von GOETHE'S äußerem und innerem Leben uns so bedeutungsvoll, sie ist geradezu Theil unserer Nationalbildung geworden, daß wir aus lebensgeschichtlichem Wissensbedürfniß genöthigt sind, auch bei diesem Schauspiel zu forschen, inwieweit es von GOETHE erlebt ist. Nun versteht sich von selbst, daß alles, was Tasso in Hinsicht auf sich als Dichter sagt, GOETHE ihm aus eigner Erfahrung in den Mund gelegt hat, da er wußte, wie einem Dichter zumuthe ist. Das Gegentheil von Tasso aber war er, sofern er dem Leben und seinen mannigfaltigen Ansprüchen vollkommen gerecht zu werden strebte, ein Mensch im vollen Sinne war. Man hat desshalb in Tasso einen ebenfalls planlos schweifenden Dichter, LENZ, finden wollen. Allein auch dieser war dem italienischen Dichter entgegengesetzt, da er, nach GOETHE'S Schilderung, Intrigant war, also vielmehr andern Personen Anlaß gab, ihm zu mißtrauen, als daß er selbst sich mit Mißtrauen getragen hätte. Allenfalls könnte seine Haltungslosigkeit, die ihn endlich auch dem Wahnsinn verfallen ließ, Aehnlichkeit mit Tasso begründen. Ebenso wenig möchte GOETHE in dem Verhältniß zwischen Tasso und der Prinzessin ihn nahe berührende gleiche Erlebnisse vor Augen gehabt haben, wenn ihm nicht etwa Lili's Eigenschaft, anzuziehen, aber leicht wieder fahren zu lassen, bei der Prinzessin vorschwebte, der »Sirene«, deren Leidenschaftslosigkeit neben bezaubernder Gefühlsinnigkeit so verhängnißvoll für Tasso wird. An Frau v. STEIN kann auch gedacht werden; KERN führt aus, inwiefern.

Vom lebensgeschichtlichen Standpunkt aus liegt aber auch daran, zu wissen, wie GOETHE gerade darauf gekommen ist, Tasso zum Gegenstande seiner Dichtung zu wählen. An Nachrichten hierüber oder auch nur Andeutungen fehlt es gänzlich, auch darüber, warum und wann er die Lebensbeschreibung Tasso's von MANSO gelesen hat, nur daß er sie

früher kannte, als die von SERASSI. Ob GOLDONI'S Commedia » Torquato Tasso irgendwelchen Einfluß auf seine Dichtung gehabt hat, ist unsicher. Darin hat KERN allerdings Recht, daß die treibenden Motive in den beiden Bühnenstücken ganz andere sind, woraus sich die augenfälligsten Verschiedenheiten von selbst ergeben; auch mag auf die, den beiden gleichen oder doch ähnlichen Züge kein entschiedenes Gewicht gelegt werden, weil sie den gemeinschaftlichen Quellen entstammen. Demungeachtet halte ich nicht für überflüssig, die Beispiele KERN'S von solchen übereinstimmenden Zügen (S. 377 fg.) noch um ein paar zu vermehren. So sieht, wie bei GOETHE, auch bei GOLDONI im 1. Act in der 1. Scene Tasso überall Feinde, bezeichnet in der 2. Scene als deren Beschützer den Herzog, wird in der 4. Scene für wahnsinnig gehalten und erscheint in der 5. Scene als immerfort an seinen Gedichten bessernd. Ferner nimmt er in der I. und 3. Scene des 2. Acts den Rath des Herzogs, sich von Ferrara zu entfernen, mit tiefem Mißtrauen auf und bricht am Schlusse ebenso wie bei GOETHE, nachdem die Geliebte eben abgereist ist, mit der ganzen Vergangenheit, hier mit den Worten:

Corte, Ferrara, amici, bella Eleonora, addio

wobei ihm der römische Patrizier ähnlich tröstend zur Seite steht, wie ANTONIO. In Betracht dieser Uebereinstimmung ist die Vermuthung kaum abzuweisen, daß die jämmerliche Rolle, die GOLDONI seinen Tasso spielen läßt der durch fünf Acte sich abmüht, durch zweideutige Reden zu verhüten, daß man errathe, welche Eleonore die von ihm gefeierte sei —, GOETHE veranlaßt hat, eine würdigere Darstellung des Dichters zu geben und sich so von dem widerwärtigen Eindruck der Komödie GOLDONI'S auf seine Weise zu befreien.

3. THEATERZETTEL ZUR NATÜRLICHEN

TOCHTER.

ie GOETHE allerwärts zu Hause war, muß auch die GOETHE-Kunde ihm in alle Gebiete folgen, in denen.

W

er verkehrte. So gehört auch die Bühne in ihr Bereich, wenn es sich fragt, wie GOETHE'S Dramen aufzuführen sind, um des Dichters Absichten zu entsprechen. Bearbeitern seiner Bühnenstücke ist GOETHE-Kunde unentbehrlich, wenn sie deren auch leider oft entbehren. Die Befürchtung, daß sie dem Begehren nach Bühnenwirkung hindernd im Wege stehe, trifft übrigens nicht zu; daß sie diese befördere, soll ein Beispiel zeigen.

Die »Natürliche Tochter« ist den Bühnenleitern ein Rührnichtan. Es wird diesem Schauspiel keine Wirkung zugetraut. Die Ursache der vermeintlichen Wirkungslosigkeit sucht man theils im Mangel eines einschneidenden Ab. schlusses, theils in dem schemenhaften Personal. Das steht. ja fest, daß GOETHE eine Fortsetzung plante, aber er hat doch die Aufführung des vorliegenden Stückes allein nicht. nur für möglich gehalten, sondern auch wiederholt zu Stande gebracht. Dabei hat es sich mit seinen verzweigten Ränkeschmiedereien und dem dagegen ohnmächtigen Verzweiflungsringen der Heldin sehr bühnenwirksam erwiesen; nur der

Schluß wird matt gefunden. Der Ausgang hat Aehnlichkeit mit dem des Tasso: in beiden hoffnungsloser Zusammenbruch der Zustände, in denen so Tasso wie Eugenie das Glück ihres Lebens, die Bedingungen ihrer Existenz erblickten. Tasso ist am Schlusse vernichtet; sein Sichselbstaufgeben ersetzt das bühnenübliche Sichumbringen. Eugenie hat dagegen noch so viel Kraft, das Aeußerste, das ihr droht, durch Schließung einer Ehe abzuwenden, die sie von ihrer stolzen Höhe aus als eine, ihre Existenz vernichtende Erniedrigung empfindet. Diese Heirath erscheint aber Anderen nicht leicht im Lichte Eugenien's; Verheirathung mit einem Gerichtsrath gilt im Allgemeinen nicht als Unglück, und so ist man nicht geneigt, den Ausgang so tragisch zu empfinden, als er im Geiste Eugenien's erscheint, namentlich wenn die Schauspielerin Eugenien's letzte Worte >Hier meine Hand; wir gehen zum Altar so herzlich und vergnügt spricht, als wäre sie froh, unter die Haube zu kommen. Durch solchen Mißgriff wurde mir einmal der Eindruck einer sonst sehr guten und in der That ergreifend wirkenden Vorstellung fast aufgehoben. Der richtige Ausdruck dieser Worte bedarf eines ernsteren Studiums, als alle sonstigen Reden Eugenien's. Es ist allerdings schwierig zwischen einer, der Sachlage ganz unmöglichen Herzlichkeit. und einem, etwa auf den künftigen Pantoffel hinweisenden verletzenden Hochmuth die Mitte herauszufinden, und nur die Schwere des Kampfes beim letzten Entschlusse zu verdeutlichen; im Ausdruck dieser letzten Worte muß die Tragik im Schicksal Eugenien's zum Bewußtsein der Hörer kommen. Es ist die Aufgabe einer bedeutenden Künstlerin.

Der zweite Vorwurf über die Bühnenwidrigkeit des Stückes richtet sich gegen die abstracten Personen: König, Herzog, Graf u. s. w. Die Kunst fordert concrete Personen und erst der Name individualisirt, möge er geschichtlich oder erdichtet sein. Die Vorgänge, die in dem Schauspiele geschildert werden, gründen sich im Hauptzuge auf die

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