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den wahren Gehorsam, so ist es alles gebessert und gebüßet und vergeben... Und möchte der Teufel zu dem wahren Glauben kommen, er würde ein Engel, und alle feine Sünde und Bosheit wäre gebessert und gebüßet, und wäre auf einmal vergeben." -,,Wäre es möglich, daß ein Mensch so gar und lauter ohne sich selbst und ohne alle Dinge in dem wahren Gehorsam wäre, als Christi Menschheit war, derselbige Mensch wäre ohne Sünde und auch Eins mit Christo, und wäre dasselbe aus Gnaden, was Christus war von Natur. Aber man spricht: es möge nicht sein... Doch ist einem Menschen möglich, also nahe dazu zu kommen, daß er göttlich und vergottet heißet und ist...“ „Wer Christi Leben weiß und erkennet, der weiß und erkennet auch Christum... und so viel Christi Leben im Menschen ist, so viel ist auch Christus in ihm; und so wenig des Einen, also wenig auch des Andern." „Siche, Ein Wort oder zwei begreifen dies Alles, das man sonst mit viel Worten ausreden muß: sei lauter und gänzlich ohne dich selbst!“

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Auf diese und ähnliche Grundgedanken der deutschen Theologie mußten wir - unferer Aufgabe gemäß ausführlicher hinweisen, weil es sich hiebei um eines der wichtigsten innern Bildungs-Elemente des deutschen Reformators handelte.

Schließlich erwähnen wir unter den deutschen Mitarbeitern an der Reformation vor Luther noch den Verfasser der „Nachfolge Chrifti“, Thomas von Kempen (1380-1471), der zwölf Jahre vor Luther's Geburt seine Augen schloß. Seine innere Geschichte und Bedeutung weist in ihrem Ursprunge rückwärts auf Ruysbroek (1293–1381) und Gerhard Groot, und in ihren Folgen und Nachwirkungen auf Wessel und durch diesen auf Luther.

In der Waldeinsamkeit des Klosters Grünthal bei Brüssel, wo Johannes Ruysbroek in tiefsinniger Beschaulichkeit und erhabenem Sittenernste lebte, wurde er von zwei Männern besucht, die nachher ein geistiges Salz für ihre Heimath geworden: Tauler für Deutschland, Groot für die Niederlande; auf beide wirkte der Anblick des ehrwürdigen christlichen Sehers und der Umgang mit ihm tiefeingreifend in ihr Innerstes und mitentscheidend für ihre Zukunft. Gerhard Groot aus Deventer (1340–1384) war anfangs als ernster, tief ergriffener und eben so tief ergreifender geistlicher Volksredner und sittlicher Reformator in seiner niederländischen Heimath aufgetreten; als aber der Ernst feines Wortes dem zahlreichen verdorbenen Theile der Geistlichkeit Anstoß gab, fügte er sich dem Befehle seiner kirchlichen Behörde, und zog sich in einen stilleren und beschränkteren Wirkungskreis zurück, der dessenungeachtet bald für seine Heimath und für die Welt die größte Bedeutung erhalten sollte. Denn nun erst in seiner Zurückgezogenheit wurde er der Stifter der Brüder vom gemeinsamen Leben, jener christlichen Vereine und Anstalten, die für die religiöse Volksbildung und die geistige Erweckung der Niederlande und Deutschlands in dem lezten Jahrhunderte vor der Reformation

mit dem segensreichsten und ausgebreitetsten Erfolge wirkten. Während seines Besuches bei Ruysbroek im Kloster Grünthal (1378) war in Groot durch das schöne brüderliche Zusammenleben der dortigen Kanoniker zuerst der Gedanke angeregt worden, in der Vaterstadt eine ähnliche Verbindung für wahre chriftliche Gemeinschaft und Verbrüderung vorzubereiten. Das von Groot angefangene Werk erhielt durch seinen Schüler und Nachfolger, Florentius Radewin (1350-1400), die nöthige Vollendung und Erweiterung. Und unter der Leitung dieses Mannes wurde der junge Thomas von Kempen von seinem dreizehnten Jahre an (1393) vorbereitet und herangebildet zu seiner späteren Bestimmung, die ihn, ohne daß er es in seiner kindlichen Demuth ahnete, zum geistlichen Lehrer vieler Tausende ausersehen hatte.

Von einer bedeutenden Einwirkung der Schriften des Thomas auf Luther haben wir zwar keine Spuren; wohl aber ist diese Wirkung nachweisbar bei dem Manne, welcher als der geistige Vermittler, als der innere Berührungspunkt zwischen Thomas und Luther aufgefaßt werden kann: bei Johannes Weffel (1419-1489), dem größten deutschen reformatorisch gesinnten Theologen im fünfzehnten Jahrhundert. Weffel hatte seine Jugendbildung im Hause der Brüder vom gemeinsamen Leben in Zwoll erhalten, und hier auch den greisen Thomas von Kempen, der im nahen St. Agneskloster lebte, kennen gelernt. Des Thomas Büchlein von der Nachfolge Christi, das er damals gerade schrieb, war für Wessel nach dessen eigenem mündlichen Zeugnisse: „die erste kräftige Anregung zur Frömmigkeit, und eine Grundlage der wahren Theologie“ geworden. An dieser ächten liebevoll hingebenden Religiosität des Herzens, wie sie in Thomas und den Brüdern vom gemeinsamen Leben waltete, hatte der jugendliche Wessel sich für die Aufgabe seines Lebens erwärmt, die ihn zum deutschen Reformator des fünfzehnten Jahrhunderts, zum geistigen Vorläufer und theologischen Gesinnungsgenossen Luther's erhob. Luther spricht darum mit der unbedingtesten Anerkennung von ihm (1522):,,Es kommt dieser Wessel jezt auch hervor an's Licht... der einen hohen Verstand und großen Geist gehabt hat, dergleichen nicht viel mehr gefunden; und man sichet, daß er wahrhaftig aus Gott gelehret sei, wie von solchen Christen Jesajas geweissagt. Denn man kann von ihm nicht urtheilen, daß er seine Lehre von Menschen habe, gleichwie auch ich nicht. Und wenn ich den Wessel zuvor gelesen, so ließen meine Widersacher sich dünken, Luther hätte Alles vom Wessel genommen, also stimmet unser beider Geist zusammen. Es wächset mir daher eine sonderliche Freude und Stärke, auch zweifle ich nicht mehr daran, ich habe recht gelehrt, weil er so mit beständigem Sinn und schier mit einerlei Worten wiewohl zu ungleicher Zeit, da gar eine andere Luft gewehet — mit mir in allen Dingen übereinstimmt.“ —

In allem Bisherigen erblicken wir eine nicht von Willkür und Eigensinn, nicht mit individueller Absichtlichkeit und Ueberhebung ausgedachte, eine providentiell aus dem innersten

Wachsthum und Weben der Geschichte hervorgegangene Kette großer Zurüstungen und Vorarbeiten, eine aus unzähligen geistigen Ringen allmälig und unsichtbar sich zusammenfügende Kette, die endlich in der heroischen Seele Luther's wie in einer Granit - Säule - einen Mittel- und Anhaltspunkt erhielt, von wo sie sich nach allen Seiten hin zum Rahmen einer neuen Zeit gestaltete. In diesem Sinne haben wir von einer Reformation vor Luther gesprochen; wie aber bildete sie sich nun in Luther?

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2. Die Reformation in Luther.

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Wie wurde er zu seiner Aufgabe erzogen? er, der zur Umgestaltung der Welt ein so mächtiges Werkzeug werden sollte? Vor Allem durch die schwere Zucht des äußern, durch die heißen Kämpfe des innern Lebens.

In den Entbehrungen und Demüthigungen der Armuth, unter der strengen, oft harten Hand der elterlichen und der Schul-Zucht sollte das Kind des Mansfelder Bergmanns für die große Bestimmung seines Lebens gestählt werden an Leib und Seele. Wie so viele unserer glänzendsten Namen aus dem Kerne unseres Volkes, dem Bürger- und Bauernstande hervorgegangen, so war auch Luther der Sohn eines Bauern aus dem Thüringischen Dorfe Möhra, der wahrscheinlich um bessern Erwerbs willen (die Sage meint: wegen eines jähzornigen Vergehens) als Bergknappe erst nach Eisleben, dann nach Mansfeld gezogen war, wo er nur langsam und mit großer Anstrengung zum wohlhabenden Bürger der kleinen Stadt emporstieg. Und wie Viele unserer edelsten Geister aus bitterer Noth und Armuth der Jugendjahre sich zu ihrer späteren Bedeutung und Macht emporarbeiten mußten, so lernte Luther in zarter Kindheit schon sein Brot mit Thränen essen." —

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,,Meine Eltern erzählt uns Luther selber sind erstlich recht arm gewesen. Mein Vater war ein armer Hauer und die Mutter hat ihr Holz auf dem Rücken getragen, damit sie uns Kinder erzogen haben; sie haben's sich lassen blutsauer werden." In frühester Jugend, sobald er eines höheren Eindruckes fähig war, wurde in die kindliche Seele der Keim jener ernsten und innigen Frömmigkeit gepflanzt, die später der tiefste Lebensgrund seiner Persönlichkeit geworden; ohne viele Worte wirkte das Vorbild des strengen, kernhaften Vaters und der frommen ernsten Mutter von selbst in diesem Sinne. - Doch ging die elterliche Strenge auch zuweilen in unangemessene Härte über:,,Mein Vater stäupte mich einmal so sehr, daß ich ihn floh und ward ihm gram, bis er mich wieder zu sich gewöhnte. Die Mutter stäupte mich einmal um einer geringen Nuß willen, daß das Blut darnach floß; und ihr ernstes und gestrenges Leben, das sie führte, das verursachte mich, daß ich darnach

in ein Kloster lief und ein Mönch wurde. Aber sie meinten es herzlich gut und konnten nur nicht die ingenia unterscheiden, darnach man die Strafe abmessen muß.“

Sonst aber wußte Niemand besser als er, wie viel er der doppelten Zucht der elterlichen Strenge und der Armuth zu verdanken hatte: „Eine große Barmherzigkeit ist's, wenn man dem jungen Volk seinen Willen nicht läßt, man bringe nun solches zuwege mit Drohen oder Schlagen ... Wiederum ist das eine große Unbarmherzigkeit, ja ein gräulicher Mord, wenn ein Vater sein Kind ungestraft läßt ... Wenn du deinen Knaben nicht stäupest, so wird er zum Buben, und Meister Hans muß ihn mit der tödtlichen Ruthe strafen. Die sich demüthigen und leiden, da werden Leute aus; welche aber stolz sein und nichts leiden wollen, die müssen verderben." Und dann im Blick auf die sittliche Kräftigung durch Armuth und Entbehrung: Reicher Leute Kinder gerathen felten, sind sicher, vermessen, stolz, meinen: sie dürfen nichts lernen, weil sie sonst genug haben, davon sie sich nähren können. Dagegen aber armer Leute Söhne müssen sich aus dem Staube arbeiten, müssen viel leiden. Und weil sie nichts haben, worauf sie können stolziren und pochen, lernen sie Gott vertrauen, drücken sich und schweigen still. Die Armen fürchten Gott, darum giebt ihnen Gott gute Köpfe, daß sie wohl studiren und lernen, gelehrt und verständig werden, daß sie Fürsten, Könige und Kaiser mit ihrer Weisheit lehren können." In solchen Aeußerungen liegt ohne Zweifel ein dankender Rückblick auf seine eigene Lebensführung von Jugend auf.

Wie im Elternhause, so war in der Mansfelder Schule die Strenge oft eine übertriebene tyrannische, so daß sie ihm zu einer „Hölle und Fegfeuer“ werden konnte,,,darinnen wir gemartert sind über den Casualibus und Temporalibus, da wir doch nichts denn eitel nichts gelernt haben durch so viel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer."

Im vierzehnten Jahre (1497) besuchte er mit seinem Schulfreunde Johann Reinecke aus Mansfeld die Schule der Franziskaner in Magdeburg, von wo er ein Jahr später nach Eisenach, dem Geburtsorte seiner Mutter Margaretha, zog. Dort genoß er gegen vier Jahre (bis 1501) an der lateinischen Schule der Georgenkirche eines bessern Unterrichtes als bisher (wahrscheinlich bei dem milden Rector Trebonius), der nun erst in Luther die rechte Luft des Lernens weckte, und dies besonders von dem Augenblicke an, wo er durch die Güte der Frau Ursula Kotta endlich auch der bittersten äußeren Noth enthoben wurde. Wie in Magdeburg so hatte er anfänglich auch in Eisenach, vor den Häusern singend, nur kümmerlich sein Brot erbetteln müssen, bis jene wohlthätige Bürgersfrau den frommen, traurigen Knaben an ihren Tisch, und wohl auch in ihr Haus aufnahm. Das Haus wurde ihm zum vielfachen Segen; hier gewann er durch Wort und Wesen der gemüthvollen Wohlthäterin eine Ahnung von der Würde des reinen christlichen Hausstandes; und hier wurde er auch mit der Musik vertraut, die für immer seine füßeste und liebste Trösterin nach der Schrift werden follte.

Als er Eisenach verließ (1501), um die Universität Erfurt zu besuchen, wo er die

erste innere Weihe zum Reformator empfing, schmachtete ein ihm noch unbekannter Vorgänger, ein Geistesverwandter Savonarola's, der Franziskaner Hilten in dem Kerker seines Klosters zu Eisenach (neben der Georgenschule), wo er seinen Drängern den Helden weissagte, „der euch Mönche hart antasten wird, und dem ihr nicht widerstehen werdet.“

Den studirenden Jüngling zeichnete beharrlicher Fleiß, Sittenreinheit und Frömmigkeit auch während seines akademischen Lebens in Erfurt (1501-1505) aus; schon war er (im Jahre 1505) Magister der Philosophie geworden; dem Wunsche seines unterdessen wohlhabend gewordenen Vaters gemäß sollte er nun die Rechte studiren - da durchkreuzt er plößlich alle derartigen Wünsche und Hoffnungen. Er wird Mönch im Augustiner - Kloster zu Erfurt. Damit stehen wir an einem großen Wendepunkte seines Lebens, den wir in seiner innersten Bedeutung erfassen müssen, wenn wir Luther's tiefstes Wesen und seine ganze fernere Entwickelung recht verstehen wollen.

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Die Zucht des äußern, die schweren Kämpfe des innern Lebens so sagten wir haben ihn für seine Aufgabe erzogen. Diese Bedrängnisse und Nöthen seiner Seele führten ihn in's Kloster; sie erreichten dort erst ihren Höhepunkt. Weil er Ernst machte mit den geistigen und religiösen Autoritäten seiner Zeit, nicht durch stumpfe oder verachtende Gleichgültigkeit sich mit ihnen abfindend, so mußte seine innerste Herzensgeschichte ihn lehren, daß es dort an lebendigem Wasser für den Durst seiner Seele fehlte. Eben weil er so aufrichtig nach wahrer innerer Genugthuung verlangte, sollte er um so empfindlicher erfahren, daß die geltenden religiösen Institutionen damals von dem Geiste des Lebens verlassen waren. Es war von entscheidender Wichtigkeit, daß er in unmittelbare innere Berührung mit den geistigen Mächten kam, welche vorzugsweise den geraden Weg zu der Wahrheit, wie er sie bedurfte, hemmten und verdüsterten. Im Mönchthum, in Scholastik und hierarchischem Priesterthum follte er vergeblich nach wahrer Stillung feiner Seele, nach wirklichem Genügen und göttlicher Befriedigung ringen.

Auf drei Wegen nähert sich der höhere Mensch dem Siege des göttlichen Prinzips, dem Leben in ewigen Ideen. Die Gemeinschaft mit Gott, die Realität des ewigen Lebens in uns wird entweder zunächst im sittlichen oder im ästhetischen oder endlich im speculativen Bewußtsein vernommen; so daß die Religion eines jeden ernsteren Menschen sich überwältigend als moralisches Bedürfniß oder als ästhetische und intellectuelle Anschauung kundgeben wird. Als den ersten von jenen drei Wegen nannten wir den ethischen, jenen unabweisbaren heiligen Drang des Gewissens, irgendwie die gähnende Kluft auszufüllen zwischen Heiligkeit und Sünde, zwischen der seligen Einheit des göttlichen Willens und der unseligen Zerrissenheit und Befleckung des unsrigen. Der zweite Weg ist der ästhetische, das lebendige Gefühl

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