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Anfangs hatte der christliche Geist nur Eingang gefunden in der Familie und in der religiösen Gemeine (in Haus und Kirche); die andere Seite des sittlichen Lebens, in Staat und Schule, blieb noch dem Weltsinne in seiner ungöttlichen Leere und Sonderung überlassen. Aber bald sollte der christliche Gedanke auch die Wissenschaft umfassen und die ihm verheißenen Schäße der Erkenntniß“ zu heben beginnen; so daß jenes große apostolische Wort in Erfüllung ging: „Alles ist Euer!"

Noch blieb der leßte Schritt zu thun übrig: daß dem erstarkten, in allen Stürmen bes währten Christenthume die Schranken des Staates sich öffneten; als dies geschah, war die christliche Staats-Kirche geboren. Ein Schritt von unübersehbarer Bedeutung, von Unzähligen seitdem bitter beweint als Wurzel des späteren Verderbens, als Sieg der Verweltlichung, von Unzähligen hinwiederum laut gepriesen als die Vergeistigung des irdischen Staates, als der Grundstein der Versöhnung staatlicher und christlicher Bildung, von Welt und Gott. Damals aber so viel ist gewiß -war man noch weit entfernt von jenem höchs sten Ziele irdischer Entwickelung; wie ganz anders hätte Alles werden müssen, wenn der Staat Constantins und die Bildung seiner Zeit bis in die zartesten Adern und Nerven von dem ursprünglichen Geiste des Christenthums sich hätte durchdringen lassen! Das römische Reich glich einem verlebten Greise, der in Sünden seine Kraft vergeudet hat; zur Buße ist ihm Zeit gelassen, zu einer neuen Schöpfung hingegen bleibt ihm die Fülle des Lebens, die Frische der Seele versagt. Wohl aber war Rom durch seine staatliche Organisation und geistige Bildung bestimmt, als providentielles Gefäß für einen ewigen Gehalt zu dienen, den es künftigen Zeiten überliefern sollte.

Unter den Stößen der hereinbrechenden germanischen Völker stürzte das Römer-Reich zusammen. Was sollte damals aus der Welt werden, wenn diesen ungezähmten Naturvölkern nun nicht wenigstens Eine Kraft entgegentrat, die sie zu fittigen und in einem höheren Verbande zu erziehen verstand! Allerdings erschien ihnen das Christenthum nicht mehr in seiner ehemaligen schlichten, reinen Gestalt; es hatte sich in imponirende Formen, in den Glanz äußerer Würden gehüllt; und diese Pracht wie jene Formen hatte es vom Staate entlehnen müssen, indem es Staatskirche geworden war. Um die Welt leichter und schneller zu gewinnen, hatte die Kirche ein enges Bündniß mit dem altrömischen Geiste der Eroberung und Organisation nicht verschmäht; so trat sie an die siegreichen germanischen Völker heran, die sich vor ihrer geistigen Ueberlegenheit beugen lernten.

Das alte Römer-Reich erstand wieder als römische Kirche; die besiegte Weltherrscherin verjüngte sich als Papstthum. In Rom und unter den romanischen Völkern bildete sich das Band aus, welches Europa zusammenhalten sollte, doch nicht mehr als weltlicher

Staat, sondern als geistliche Organisation, als christliche Kirche. Dagegen kam die politische Herrschaft nun fast ausschließlich in die Hände der germanischen Völker, überall entstand ein kriegerischer Lehenstaat aus siegenden Eroberern und dienenden Unterworfenen.

So hatte sich im Mittelalter eine zwiefache Eroberung, eine gegenseitige Unterwerfung vollzogen: der germanischen Völker durch die romanische Kirche, und der romanischen Völker durch den germanischen Staat. In Papstthum und Kaiserreich, in römischer Hierarchie und germanischer Lehenherrschaft waren die beiden Höhepunkte mittelalterlicher Entwickelung erreicht.

Es konnte nicht ausbleiben, diese beiden höchsten Gewalten beide so stark und so anspruchsvoll mußten unter sich selbst in Zwiespalt gerathen. So entstand jener durch Jahrhunderte sich fortseßende, die Welt erschütternde Kampf zwischen der weltlichen und geist= lichen Gewalt, den die Gregore und Innocenze, die fränkischen und Hohenstaufischen Kaiser mit wechselndem Glücke durchfochten; ein Kampf, der die Theorie vom geistlichen und weltlichen Schwerte oder jene päpstliche: von der Kirche als der herrschenden Seele des staatlichen Leibes, veranlaßte, während er in erbitterten Gegnern der kirchlichen Herrschaft schon die Verdächtigung des Christenthums selber, als einer politischen Erfindung, hervorrief. Edlere religiöse Gemüther suchten den Grund der Verwirrung und Verwilderung in der Verweltlichung des Christenthums durch Constantins Staatskirche; Walther von der Vogelweide läßt einen Engel, bei der Beschenkung des Stuhls zu Rom" durch Constantin, in die Klageworte ausbrechen: „Sonst sei die Christenheit mit Züchten schön gestanden; nun aber sei ihr eine Gabe geworden, die ihren Honig in Galle verkehre, zum Unglücke der Welt."

Der Kampf hatte zur Erschöpfung geführt, und doch keine Versöhnung für die beiden tiefsten Aufgaben der Menschheit gebracht; unvermittelt, ungelöst lagen zeitliche und ewige Bestimmung des Menschen neben einander.

Allerdings hatte die Kirche des Mittelalters große unbestreitbare Verdienste um die christliche Welt; nur Unwissenheit oder irreligiöser Stumpfsinn könnte dies verkennen und verachten. Die kraftvolle, aber ungebändigte verwilderte Natur der erobernden Völker wurde durch die Kirche für höhere Gesittung und innere Bildung vorbereitet; die bildliche Sprache des vorherrschend sinnlichen Cultus, in welchen das Christenthum sich verhüllt hatte, machte einen tiefen Eindruck auf Gemüth und Phantasie jener Naturvölker. In dieser sinnbildlichen Sprache, in dieser Form der Religion war doch schon die stille Verheißung eines dereinstigen vergeistigten Glaubens gegeben.

Nicht minder muß es als eine Wohlthat für die europäische Entwickelung und Bildung gepriesen werden, daß in einer stark organisirten Kirche, in einer monarchisch gefestigten

Hierarchie ein geistig-sittliches Band gefunden war, das die europäischen Nationen in der Einheit des Glaubens und der Bildung umschlang. So ward es verhindert, daß das Christenthum nicht in den Händen gewaltthätiger Herrscher und roher, unwissender Massen in eine Unzahl verunstaltender Sekten zerfiel.

Mit dieser Anerkennung dessen, was die Kirche des Mittelalters geleistet, ist aber noch keineswegs ausgesprochen: daß die wahrsten und legten Zwecke des Christenthums damit schon erreicht, seine tiefsten Ideen schon verwirklicht waren. Noch wurde. im Ganzen der christliche Geist doch nur äußerlich aufgefaßt, als Symbol und Sazung, ohne daß Leben und Welt in ihrer Mannigfaltigkeit und Freiheit wahrhaft davon durchdrungen und bestimmt waren.

Zwar fehlte es auch zu dem Leßteren nicht an großartigen Versuchen; Ritterthum und Mönchswesen waren in ihrem ursprünglichen Sinne nichts Geringeres als kühne Anläufe zur Geltendmachung des christlichen Geistes im thätigen Leben und in Weltüberwindung.

Der Rittersinn wollte in seiner schönsten Zeit das thätige Leben durch einen höheren sittlichen Inhalt, durch begeisterte, thatkräftige Hingebung an Ehre, Treue und Liebe, verklären. Durch die Verehrung des Heiligen und Schönen, durch die Beschüßung des Zarten und Hülflosen suchte das Ritterthum eine christliche Weihe, die dann in der Vertheidigung und Ausbreitung des Glaubens bei den geistlichen Ritter-Orden sich noch höher steigerte, und endlich in den Kreuzzügen ihren Gipfelpunkt erreichte.

Das Mönchsthum dagegen war von der Wahrnehmung ausgegangen, daß die wirkliche Welt troy aller äußeren Siege der Kirche noch im Argen liege, daß die Aufgabe einer inneren Umwandelung der Menschheit durch das Christenthum eine noch ungelöste sei. Um das Uebel in seiner Wurzel anzugreifen, entschloß man sich zum offenen und unbedingten Bruche mit der Welt in allen ihren Grundtrieben, zur unbedingten Unterwerfung und Ertödtung der irdischen Natur des Menschen; Freiheitsliebe und Herrschbegierde wurde dem Gehorsam geopfert, der persönliche Besiz mit freiwilliger Entsagung, der sinnliche Genuß mit Selbstfasteiung vertauscht. Die ursprüngliche Idee des Mönchsthums war (wer möchte es verkennen?) eine energische Auffassung des Christenthums als der Religion des Kreuzes, der Weltentsagung in der Wahl der Mittel fehlgreifend, in dem Verständnisse des Zieles irrend und in die Irre führend, war es dennoch ein großartiges Unternehmen zu einer wahrhafteren Weltüberwindung.

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Aber beide, Ritterthum wie Mönchsthum, hatten ihre Zeit: erst Blüthe, dann Verfall. Versuche der Erneuerung, dann abermaliges Zurücksinken. Wie der Rittergeist zuleßt entweder in Rohheit und Phantasterei oder in der Glätte der Höflinge verkam, so sank das Mönchsthum durch das Gewicht der Reichthümer und Genüsse, mit denen es sich beladen hatte, von neuem in die Untiefen des Weltfinnes zurück, dem es so gewaltsam sich hatte entreißen wol

len. Beide Versuche einer christlichen Veredlung und Ueberwindung der Welt schlugen am Ende in ihr Gegentheil um.

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Wir kommen noch ein Mal uf unseren obigen Schluß zurück: die höchsten Aufgaben des Christenthums standen am Ausgange des Mittelalters noch ungelöst, seine innersten Gedanken nur halb verstanden da. Im unbegrenzten Streben nach weltlicher Herrschaft hatte die Priester-Kirche, nachdem sie eine große Bestimmung erfüllt, ihrem wahren Ziele sich entfremdet; sie war, im engsten Zusammenhange mit dieser inneren Abirrung, auch äußerlich vielfach den unsittlichsten Weltmächten verfallen. Ein lauter Schrei der Entrüstung über diese Entsittlichung geht durch jene Zeit: „Nie noch (so klagt der edelste deutsche Dichter des dreizehnten Jahrhunderts) lebte die Christenheit so gar nach Wahne; die sie lehren sollten, sind ,,Gott verhaßt und sündigen ohne Furcht; uns weisen sie den Weg zum Himmel und fahren ,,selbst zur Hölle; ihren Worten - so sagen sie dürfe man folgen, nur nicht ihren Wer,,fen. - Wir klagen Alle, daß unser Vater, der Pabst, uns so verwirret, und doch geht er ,,uns so sehr väterlich mit seinem Beispiele voran; wir folgen ihm und weichen nicht aus sei,,nen Fußstapfen; geizt er, so geizen sie Alle mit ihm; lügt er, sie lügen Alle mit ihm; trügt „er, so trügen sie mit ihm. Der Hirte sei zu einem Wolfe geworden; der junge Judas ,,so schlimm als der alte; Gottes Schahmeister stehle ihm seinen himmlischen Hort; er fälsche ,,Gottes Wort und widerstrebe Gottes Werk." Aehnliche und noch stärkere Klageworte finden wir bei den damaligen Dichtern Süd-Frankreichs; in Italien selbst spricht Dante's göttliche Comödie mit strafendem Zorne von dem,,Herrn und Hort der neuen Pharisäer am Lateran;" und Petrarka schildert in den dunkelsten Farben den päpstlichen Hof zu Avignon: „Das Reich der Habsucht, wo man kein Verderben scheue, wenn nur Geld gewonnen werde, ,,wo die Hoffnung eines künftigen Lebens eine eitle Fabel heiße, wo man Höllenstrafe, Auf,,erstehung und Gericht zu den Kindermährchen zähle; Wahrheit sei dort Wahnsinn, Enthalt,,samkeit Plumpheit, Schaam ein Vorwurf.“

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Auch der Staat hatte, in Folge des Kampfes gegen die Herrschsucht und Habsucht der Kirche, schon hier und da angefangen, sich innerlich nicht nur der kirchlichen, sondern selbst der religiösen und sittlichen Macht zu entziehen, und, außer allem Zusammenhange mit den ewigen Grundlagen des Daseins, eine sich selbst genügende, unabhängige, auf blos vergångliche Zwecke sich beschränkende Stellung und Bedeutung zu erstreben. Aus diesen Gedanken erwuchs die italienische Politik in demselben Lande, das auch zum Mittelpunkte der kirchlichen Verweltlichung geworden; eine Politik, die als vollendete, selbstbewußte Lossagung von allen göttlichen Motiven, von allen sittlichen Schranken des Lebens, den Gipfel des entfesselten in sich selbst ruhenden Weltfinnes darstellt.

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Sollte der christliche Geist sein Werk in der Menschheit fortseßen, so mußte er sich neue Organe für seine Aufgabe schaffen und durch sie eine neue Gestalt der Welt herbeiführen.

Hatte das Christenthum bei seinem ersten Erscheinen sich von der Welt fern gehalten, so lange diese im offenen Widerspruche mit ihm stand: so riß es sich nun von seiner bisherigen äußeren Form, von der römischen Kirche, los, weil diese jezt seinem innersten Wesen durch Verunstaltung oder Knechtung widersprach.

Unter schweren Kämpfen sich von seiner geschichtlichen Erscheinungsform trennend, mußte der ursprüngliche Geist des Christenthums seine Kirche sich in den Herzen neu erbauen; im innern Heiligthum der Seele, in der Tiefe der Persönlichkeit mußte er seine Heimath suchen, um dann als geläuterte Gemeinschaft zu erstehen.

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Jeßt, da die früheren kirchlichen und staatlichen Gemeinschaften ihren einst wohlthätigen Einfluß mehr und mehr einbüßten und ein völlig heidnisches Staatswesen sich auszubilden drohte, dem die Kirche bedeutungs- und wirkungslos zur Seite gestanden hätte wie unermeßlich wichtig war es, daß gerade in dieser religiösen und sittlichen Auflösung eine geistige Macht erweckt wurde, die den verweltlichten Sinn wieder zu seinem ewigen Ursprunge zurückführte, und mit göttlichem Ansehen das Leben und die Gesinnung der Völker zu regeln und zu erheben unternahm. Gerade diese Zurückführung war, in einem größeren Zusammenhange angeschaut, die tiefste Bedeutung des Reformations - Zeitalters.

Durch das sich öffnende Gewölke blickte der Genius der Religion und der Menschheit wieder zu der Höhe auf, wo seine Bestimmung liegt. Die Entwickelung der Menschheit durch das Christenthum trat in ihr Mannesalter; was bisher dem jugendlichen Volksgemüthe in oft bedeutungsvollen, oft entstellenden Bildern und in verhüllten Verheißungen gegeben worden, das sollte nun dem verlangenden Geiste als eigenster Besiz, als innere Beseligung sich darbieten, und so, als freies Eigenthum der Herzen, von innen her wieder reinigend und erneuernd in die Welt treten. Von den Tagen der Reformation bis auf die unsrigen sehen wir daher nur Einen innig zusammenhängenden, noch lange nicht zu seinem Abschlusse gelangten Zeitraum.

Als der christliche Geist seine bisherige starke aber veräußerlichte Weltform verließ, um, nur seiner geistigen Macht vertrauend, sich an das Innere der Menschheit zu wenden, so begab er sich (es läßt sich nicht verkennen) gleichsam auf das offene Meer des Lebens, wo er allen Stürmen menschlicher Leidenschaft, Trübung und Wandelbarkeit sich ausseßte. Wie jeder große erschütternde Umschwung gewöhnlich den ganzen bisherigen Bestand in Frage stellt, so traten auch mit der Reformation sehr bedeutende Gefahren für das innere Wesen und die ungestörte organische Fortentwickelung des Christenthums ein; seiner Unabhängigkeit nach außen verlustig, konnte es nun auch seinen innern Einfluß bedroht sehen, wenn neue Triebe und Wünsche, wenn die Gedanken und Ueberzeugungen einer anders gearteten Zeit es überflutheten. Jene Gefahren zeigten sich in ihrer ganzen Größe, als späterhin die selbstsüchtigweltlichen und sinnlichen Interessen fast ausschließlich in den Vordergrund traten, und der Glaube nur noch zu einer Ziffer neben andern in der Rechnung der Politiker herabsank, bis

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