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der ewigen Schönheit in ihren verschiedensten Erscheinungs- Formen und Stufen; der begeisterte Sinn für das göttliche Geheimniß der Natur, der Kunst und des Lebens. Als den dritten Weg bezeichneten wir das folgerechte Fortschreiten zur Einheit der Idee, zum Erfassen der Wahrheit in ihrem schöpferischen beherrschenden Mittelpunkte; jenes Streben des nach Erkenntniß dürstenden Geistes, der in Irrthum und Zweifel sich unglücklich und wie in der Verbannung fühlt. Je tiefer und reicher das religiöse Bewußtsein sich entfaltet, desto bedeutender wird es auf allen diesen Wegen sich versuchen, und immer von neuem eintauchen in jene drei Lebensquellen alles höheren Daseins, in welchem jede wahrhaft große geistige Persönlichkeit wurzelt. Wird auch stets eine von ihnen nach ewigen Gesezen vorherrschen, so wird uns der gänzliche Mangel der einen oder andern als die Verkümmerung eines edeln Organs, als Verstümmelung des geistigen Organismus berühren. Als den schöpferischen maßgebenden Ausgangspunkt innerer Religion wird sich aber vor Allem das sittliche Bewußtsein bewähren, das im Nothfalle eine Zeit lang die beiden andern Faktoren entbehren könnte, während diese für sich allein schwerlich. zu jenem Ziele gelangen würden.

In Luther nun erkennen wir großartige Anlagen für eine Vereinigung jener Grundtriebe der geistigen Natur des Menschen; am mächtigsten und entschiedensten trat aber das ethische Prinzip hervor, als heißester, unstillbarer Drang des Gewissens; hierin lag die Quelle seines reformatorischen Berufs. Seine energische Seele duldete keine Verhüllung, Verfälschung oder trügerische Vermittelung des ungeheuern Gegensages, den ein erwachtes Gewissen wahrnimmt zwischen menschlicher Mangelhaftigkeit und Sünde und dem reinen Lichte göttlicher Vollkommenheit und Heiligkeit. Er ruhete nicht, bis er nach unsäglichen Seelenleiden und Zweifelsnöthen sich zur höchsten Vermittelung und Versöhnung jenes ihn peinigenden Gegensazes durchgekämpft hatte. Er fand sie um dies hier schon vorauszunehmen im Glauben an die in Christus geoffenbarte Gnade. ,,Rechtfertigung durch den Glauben," freie Gnade Gottes in Christo: das wurde der leuchtende Grundgedanke seines Lebens und seiner Reformation. Jene Kluft zwischen dem heiligen Schöpfer und der fündigen Kreatur, sie wurde ihm überdeckt durch ein neues, zugleich geschichtliches und ideales Verständniß des Erlösers, durch einen rettenden Blick in den tiefsten Sinn des Evangeliums, als einer unermeßlichen weltgeschichtlichen und als einer durch alle Zeiten fortgehenden innern Erfahrung. Das Christenthum, als Geschichte und Idee wieder aus seinen ursprünglichen und inneren Quellen geschöpft, trat wie ein neu entdecktes Land der Sehnsucht vor seine Seele: nicht mehr in der Strenge eines den Geist niederdrückenden und die Seele erkältenden Gesezes, nein, als die göttliche Befähigung zu einem neuen geistigen Dasein, als Wiedergeburt des Willens und somit des gesammten Menschen.

In dem Obigen wollten wir zum voraus den innersten Aufschluß über Luthers religiösen Entwickelungsgang bis zum Kampfe mit Rom andeuten: die innere Geschichte dessen, was wir in der Ueberschrift als „Reformation in Luther" bezeichneten. Sein Eintritt in's Kloster gilt uns als erster wichtiger Schritt dieser Entwickelung. Was ihn dazu vermochte, war unverkennbar ein brennendes Verlangen nach Heiligung, nach einem Maße sittlicher und religiöser Vollendung, wie er sie nur im Kloster erreichen zu können meinte. Daß er in seiner Auffassung der Heiligung des Menschen und der Versöhnung mit Gott anfänglich von rein mönchischen Gesichtspunkten beherrscht war: das eben machte ihn am Ende zum Mönche. Ein Gewitter, das neben ihm einschlug, der plögliche gewaltsame Tod eines Freundes, kurz jeder Eindruck, jedes Ereigniß, das ihm Tod, Ewigkeit und Gericht eindringlich vor die Seele malte, ließ ihn im Innersten seines Gemüthes erbeben. In dieser Fassung das fühlte er könne er vor dem ewigen Richter nicht erscheinen, nicht vor ihm bestehen; dem Heiligen dürfe nur der Geheiligte nahen; wo aber Heiligung finden? außer im Kloster?

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Daß dies der ihn beherrschende Gedankengang gewesen, verbürgen uns seine eigenen Worte; was er von einem Bilde, das die mönchische Anschauung von christlicher Kirche und Seligkeit versinnbildlichen sollte, anführt, ist für den Ideenkreis feiner Jugendzeit in hohem Grade bezeichnend: „Da mahleten sie ein groß Schiff, das hieß die heilige christliche Kirche; darin saß kein Laie, auch weder Könige noch Fürsten, sondern allein der Papst mit den Cardinälen und Bischöfen vorn an, unter dem heiligen Geist, und die Pfaffen, Münche zur Seiten mit den Rudern und fuhren also zum Himmel zu. Die Laien aber schwammen im Wasser um das Schiff, etliche ersoffen, etliche zogen sich zum Schiff an Stricken und Sailen, welche ihnen die heiligen Väter aus Gnaden und Mittheilung ihrer guten Werk herauswarfen, und ihnen halfen, daß sie nicht ersöffen, sondern am Schiff klebend und hangend auch mit gen Himmel kämen. Und war kein Papst, Cardinal, Bischof, Pfaff noch Münch im Wasser, sondern eitel Laien. Solch Gemälde war ein Bild und kurzer Begriff ihrer Lehre, was sie von weltlichen Ständen hielten, und ist auch das rechte Bild wie sie es in ihren Büchern hatten; das können sie nicht leugnen. Denn ich bin auch solcher Gesellen einer gewest, der solches hat helfen lehren, und also geglaubt und nicht anders gewußt.“

Eben so bedeutsam sind die Worte eines späteren Briefes an seinen Vater:,,Es geht jest fast in das sechszehnte Jahr meiner Möncherei, darin ich mich ohne Euer Wissen und Willen begeben ... Ich gedenke noch allzuwohl, da es wieder unter uns gut ward und Ihr mit mir redetet, und da ich zu Euch sagte, daß ich mit schrecklicher Erscheinung vom Himmel gerufen wäre; denn ich ward ja nicht gerne oder willig ein Mönch, viel weniger um Mästung des Bauches willen; sondern als ich mit Schrecken und Angst des Todes eilend umgeben, gelobte ich ein gezwungen und gedrungen Gelübde. Und gleich daselbst fagtet Ihr: Gott gebe, daß es nicht ein Betrug und teufelisch Ge

spenst sei. Das Wort, gleichsam als hätte es Gott durch Euern Mund geredet, durchdrang und senkte sich bald in Grund meiner Seele. Aber ich verstopfte und versperrte mein Herz, soviel ich konnte, wider Euch und Euer Wort."

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,,Ich

Hiemit stimmen alle seine Aeußerungen aus verschiedenen Zeiten überein : dachte, o wenn ich in ein Kloster gehe, und in der Kappe und Platte Gott diene, so wird er mir lohnen und mich willkommen heißen. ,,Aus keiner andern Ursach begab ich mich in den geistlichen Stand, als daß ich Gott dienen und in Ewigkeit gefallen möchte. ,,Wir wußten gar nichts, was ein Christ wissen soll, was Gott, was Welt, was Kirche, was Sünde und Vergebung der Sünde sei; Alles hatten sie verdunkelt und unterdrückt... Wir wußten nicht anders denn Pfaffen und Mönche wären Alles gar allein, und auf ihren Werken standen wir, und nicht auf Chrifto. -,,Da ich zu Erfurt in der hohen Schule angefangen hatte in guten Künsten und in der Philosophie zu studiren, und darinnen so viel gefasset und gelernt hatte, daß ich Magister worden war, hätte ich daselbst nach dem Erempel der Andern die Jugend wiederum lehren und unterrichten können, oder aber hätte mögen fortfahren und weiter studiren. Aber ich verließ meine Eltern und verwandten Freunde und begab mich wider ihrer Aller Willen in das Kloster. Denn ich hatte mich überreden lassen, daß ich glaubete, ich würde in demselben Stande und mit solcher harten fauern Arbeit Gott einen großen Dienst thun. -,,Ein jeglicher von uns hat einen großen Mönch in seinem Busen sizen, das ist: wir möchten gern köstlicher Werke uns rühmen, und sagen können: siehe, das habe ich gethan; ich habe heute meinen Gott bezahlet mit Beten und meinen guten Werken. Wir suchen von Natur Reinigkeit in uns ... daß wir der Gnade nicht bedürften, sondern aus unserm Verdienst gerecht und fromm erkannt würden. Diese Unart und Heuchelei ist in unserm Fleische gewurzelt."

Und was fand er in seinem Kloster? Wurde er hier eingeführt in die Seligkeit jenes innern Friedens, den ihm eine unverstandene dunkle Ahnung verhieß? Statt des gehofften Friedens fand er in den ersten Jahren nur vermehrte, unendlich gesteigerte innere Bedrängniß und Seelen-Noth. Umsonst unterwarf sich Bruder Augustinus (wie er nun hieß) den niedrigsten Uebungen äußerlicher Demüthigungen, bald Knechtesdienste im Kloster verrichtend, bald mit dem Bettelsacke durch die Straßen Erfurts ziehend; umsonst steigerte er die Kasteiungen seines Leibes, fastend, betend, wachend, bis in's leidenschaftlichste Uebermaß; umsonst durchforschte er mit dem geistigen Heißhunger eines heilsbegierigen Gemüthes, aber ohne die unentbehrlichen Schlüssel des wahren Schrift - Verständnisses, seine lateinische Bibel, nach deren vollständiger Kenntniß er sich schon auf der Universität, als er sie zum ersten Male aufschlug, so sehr gesehnt hatte. Umsonst, er fühlte sich von seinem Gott durch eine immer

tiefere Kluft getrennt, je heftiger er sie mit fast selbstmörderischer Anspannung und Qual durch eigene fleckenlose Heiligkeit auszufüllen suchte. Seinen damaligen Seelen-Zustand mag er uns selbst schildern:

„Zuerst, als ich Mönch geworden war, ich hätt' in den Himmel gestürmt. „Ich meinte, durch meine Möncherei genug zu thun. Was suchte ich damit anders denn Gott, der da sollte anschen wie ich meinen Orden hielte, und ein so streng Leben führte; ging also immer im Traum und rechter Abgötterei. ,,Wahr ist's, ein frommer Mönch bin ich gewest, und so gestrenge meinen Orden gehalten, daß ich's sagen darf: ist je ein Mönch gen Himmel kommen durch Möncherei, so wollt' ich auch hinein kommen sein; das werden mir zeugen alle meine Klostergesellen, die mich gekennet haben. Denn ich hätte mich, wo es länger gewährt hätte, zu todt gemartert mit Wachen, Beten, Lesen und ander Arbeit. ,,Im Papstthum haben wir tollen Heiligen einen Saß über den andern gemacht, und ist der Geseze kein Ende gewesen, haben die Gewissen nur geschrecket und durftig gemacht; ihre Prediger haben den Durst nur gemehret. -,,Da ich ein Mönch war, kreuzigte ich Christum alle Tage, und lästerte ihn durch mein falsches Vertrauen, das mir damals immerdar anhieng. Von außen war ich freilich nicht wie andere Leute, sondern hielt Keuschheit, Gehorsam und Armuth; nahm mich dazu gar nichts an um dies gegenwärtige Leben .... Hatte aber gleichwohl unter solcher Heiligkeit und falschem Vertrauen auf die eigene Gerechtigkeit im Herzen ewiges Mißtrauen und Zweiflung, Furcht, Haß und Lästerung Gottes. -,,Als ich noch ein Mönch im Kloster war, war ich äußerlich viel heiliger als jezt ... mein Leben hatte vor der Leute Augen einen großen Schein; doch vor meinen eigenen Augen nicht, denn ich hatte einen zerbrochenen Geist und war immer betrübt. - „Ich habe es selbst erfahren, da ich ein Mönch war, wenn ich mich so sehr zerplagte mit Wachen, Studiren, so blieb doch allezeit der Zweifel in meinem Gewissen haften, daß ich dachte: wer weiß, ob es Gott auch gefällig und angenehm ist oder nicht? -,,Wenn ich am andächtigsten war, so ging ich ein Zweifler zum Altar, ein Zweifler ging ich wieder davon; hatte ich meine Buße gesprochen, so zweifelte ich doch; hatte ich sie nicht gebetet, so verzweifelte ich abermals; denn wir waren schlecht in dem Wahn, wir könnten nicht beten, und würden nicht erhöret, wir wären denn ganz rein und ohne Sünde wie die Engel im Himmel. ,,Da ich ein Mönch war, meinte ich, ich müßte verloren sein, wenn ich eine fleischliche Begierde fühlte, das ist Unkeuschheit, Zorn, Haß, Neid und dergleichen wider einen Bruder. Da versuchte ich mancherlei, beichtete alle Tage, und half mich doch nichts; denn dieselben Begierden kamen immerdar wieder. Darum konnte ich nicht zufrieden sein, sondern marterte mich für und für mit solchen Gedanken: Siche, da hast du die und die Sünde gethan ... Darum hilft dich's nicht, daß du den heiligen Orden angenommen hast, alle deine guten Werke sind verloren. „Die größefte Anfechtung des Teufels ist die, daß er sagt: Gott ist den Sündern feind, du bist ein

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Sünder, darum ist dir Gott seind. Machen wir da nicht den Unterschied, daß Gott mur den Unbußfertigen feind ist... so liegt das Gewissen überwunden danieder und verzweifelt.

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„Sobald das Gewissen hört: dem Gesetz muß genug geschehen, und es muß gehalten werden, so sagt's und schleußt von Stund an: Du mußt es halten oder bist verdammt; du hast es nicht gehalten, kannst es nicht halten... Da hebt sich denn eine ewige Angst und Marter im Gewissen an... Die Worte: gerecht und Gottes Gerechtigkeit waren mir in meinem Gewissen wie ein Donnerschlag. ,,Wir haben vor dieser Zeit im Papstthum geschrieen um die ewige Seligkeit und das Reich Gottes; wir haben gesucht und angeklopft Tag und Nacht. Und ich selbst, wo ich nicht durch den Trost des Evangelii Christi wäre erlöset worden, so hätte ich nicht zwei Jahre leben können, also zermarterte ich mich, und flohe vor dem Zorn Gottes, und mangelte auch an Thränen und Seufzen nicht. Wir richteten aber damit nichts aus. ,,Ein Mönch mit seinen Messen, bei der Menge seiner Werke, wird entweder hochmüthig oder er verzweifelt. —,,Als ein erfahrener Mönch, der mit großem Ernst ein Mönch sein wollte, mag ich die Möncherei wohl ein höllisch Giftküchlein nennen, das mit Zucker überzogen ist. Denn es war aus der Maßen füße zu hören, und schmeckt der Vernunft köstlich solche tröstliche Verheißung: daß ein Mensch sich selbs könnt' fromm, lebendig und selig machen, ehe denn Christus und sein heiliger Geist dazu käme. Ja, wir wollten ihm den Himmel ersteigen und das Reich erschleichen... Solches war der Zucker, der uns in die Möncherei und ihre Taufe locket. Darnach wenn wir das Küchlein verschlungen hatten, fand sich die Gift, daß Christus verloren, und nun nicht mehr ein Heiland noch Tröster, sondern ein zorniger Richter war in unserm Herzen, und eitel Furcht, Zagen, Schrecken uns marterten... Summa, ein Kloster ist eine Hölle.“

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So ernst und strenge er das Mönchthum in sich aufnehmen wollte, eben so hoch faßte er seine Priesterwürde (seit 1507); aber auch diese erfüllte ihn mehr mit Angst und innerem Beben, als daß sie ihn zur Klarheit und Ruhe geführt hätte. Schon bei der ersten Messe hätte ihn beinahe ein inneres Grauen und Entseßen überwältigt, als er zu den Worten kam, mit welchen er dem allmächtigen Gott dies unbefleckte Opfer für seine und der Andern Sünden, für Lebende und Todte darbringen sollte. Seine Empfindung war: Wie soll ich die hohe Majestät Gottes anreden, da ja sonst die Menschen schon verzagen, wenn sie nur einen König anreden sollen?” Auch jezt blieb dieses innere Bangen das Vorherrschende in ihm:,,Der Gottlose so schreibt er später sichet und fühlet keinen Zorn Gottes, sondern lebt sicher dahin... Ein gottfürchtiger und gläubiger Mensch aber fühlt allezeit mehr Sünde denn Gnade, mehr Zorn denn Barmherzigkeit Gottes... Je frömmer einer ist, desto mehr wird er den Kampf des Fleisches wider den Geist empfinden. „Ich war sehr fromm im Kloster, und doch immer so traurig, weil ich meinte, Gott wäre mir nicht gnädig. Da hielt ich Messe und betete, und nach der Beicht und wenn ich Messe gelesen hatte, konnte ich

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