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will um Christi willen... werde ich mit meinen Gelübden und guten Werken nicht bestehen. können, sondern verloren sein müssen.“ Luther nennt dies eine,,wunderherrliche Rede“; damit habe er eine neue Kunst“ gelernt: „daß eigne Frömmigkeit vor Gott nicht bestehe.“

Und doch näherte er sich dieser Wahrheit auch jezt noch nur stufenweise, nur mit der mühsamsten Ueberwindung immer neuer Hindernisse und Bedenken. Aber gerade diese langsame und schmerzvolle Geburt jener rettenden Erkenntniß ist die bedeutsamste und folgenreichste Erscheinung in Luthers innerer Geschichte, von deren lebendigem Verständnisse die gerechte Würdigung Luthers und seines Werkes zum großen Theil abhängt.

Wir sehen, er ringt noch immer nach einem tieferen befriedigenden Einblick in das christliche Geheimniß der Sünden - Vergebung, also gerade in den Kern der religiösen Ueberzeugungen, aus welchen die neue geistigere und innigere Fassung des Christenthums hervorgehen sollte. „Es ist bald gesagt (äußerte Luther später im Rückblick auf seine Anfänge) Vergebung der Sünden, wie denn auch die ganze christliche Lehre leicht ist. Ja wenn es mit Worten ausgerichtet wäre; aber wenn's zum Ernst und Treffen kommt, so weiß man nichts davon. Denn es ist ein groß Ding, daß ich mit dem Herzen soll faffen und glauben, mir sei all meine Sünde vergeben, und daß ich durch solchen Glauben gerecht bin vor Gott. Ich habe es oftmals erfahren, und erfahre es noch täglich je länger je mehr, wie über die Maßen es einem schwer wird... Wer da Christum als den freundlichsten Erlöser ansehen könnte, der hätte schon Alles überwunden." Er war indessen schon auf dem Wege zu diesem Ziel, als er zu Weihnacht mit einer früher nicht gekannten innern Bewegung und Erquickung den Vers mitsang: „O selige Schuld, die uns einen solchen Erlöser erworben!" (O beata culpa, quae talem meruisti redemtorem.)

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Die entscheidende Bestätigung der in ihm aufdämmernden Wahrheit fand er nach langem angestrengten Nachdenken und Vergleichen in einigen Stellen der Schrift, die von da die eigentlichen Ecksteine seiner christlichen Erkenntniß wurden. Es waren die Worte des Propheten Habakuk (2, 4),,der Gerechte wird seines Glaubens leben," und des Apostels Paulus (Römer 1, 17), der das Evangelium eine Kraft Gottes nennt, selig zu machen Alle, die daran glauben. „Sintemal darinnen geoffenbaret wird die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben" (nach Luthers freier, aber dem Sinn und Zusammenhang der Urschrift entsprechender Uebersezung; wörtlich heißt es:,,die Gerechtigkeit Gottes, dizaiσívy Dɛov).

erzählt Luther

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Pauli Römerbrief recht

,,Ich hatte das sehnlichste Verlangen zu verstehen, woran mich stets nur das Wort Gerechtigkeit (Justitia) gehindert, 1, 17... Ich war dem Worte,,Gerechtigkeit Gottes" sehr feind, denn ich war nach Gewohnheit

aller Lehrer nicht anders unterwiesen, denn daß ich's philosophisch von solcher Gerechtigkeit verstehen müßte, wonach Gott gerecht ist und die Sünder straft. Obwohl ich nun ein unsträflicher Mensch war, fühlte ich mich doch einen großen Sünder vor Gott, war dazu eines ängstlichen Gewissens und getraute mich nicht, durch meine Genugthuungen und Verdienste Gott zu versöhnen. Ich liebte daher den gerechten und zornigen Gott gar nicht, sondern zürnte heimlich wider ihn... Da sann ich Tag und Nacht der wahren Meinung Pauli nach, wo ich denn zuleßt erkannte, sie sei so zu fassen: Durch das Evangelium wird die Gerechtigkeit geoffenbart, die vor Gott gilt, in welcher uns Gott aus Gnaden und Barmherzigkeit rechtfertigt, wie geschrieben steht: Der Gerechte lebt seines Glaubens. Hiebei fühlte ich mich alsbald wie ganz neu geboren, als hätte ich eine weit geöffnete Thüre in das Paradies gefunden. Nun sah mich auch die liebe heilige Schrift ganz anders an denn zuvor geschehen war, lief derohalben bald durch die ganze Bibel... Wie ich nun zuvor dieses Wörtlein „Gottes Gerechtigkeit“ mit rechtem Ernst haßte, so achtete ich es nun dagegen theuer und hoch als mein allerliebstes und tröstliches Wort, und war nun derselbige Ort in St. Paulo in der Wahrheit die rechte Pforte des Paradicses." ,,Zuvor mangelte mir nichts, denn daß ich Gesez und Evangelium für Eins hielt, und meinte, daß zwischen Christo und Mose kein Unterschied wäre, denn der Zeit und Vollkommenheit nach. Aber da ich den rechten Unterschied fand... da riß ich hindurch." — ,,Auch noch heutiges Tages entsege ich mich, wenn ich das Wort Justus Deus (der gerechte Gott) lese oder höre, so hart klebet mir an die eingewurzelte Gewohnheit. „Ich arbeitete fleißig und ängstlich, wie ich doch den Spruch Pauli (Röm. 1, 17) verstehen sollte... Bis daß ich endlich durch Erleuchtung des heiligen Geistes den Spruch des Propheten Habakuk etwas fleißiger erwogen habe... Daraus habe ich abgenommen und geschlossen, daß das Leben aus dem Glauben muß herkommen... daß der Mensch vor Gott gerecht würde durch den Glauben. Da wurde mir die ganze heilige Schrift und der Himmel selbst auch geöffnet.“

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War die nähere Bekanntschaft mit Staupig schon für seine innere Entwickelung in Erfurt von größter Bedeutung gewesen, so wurde sie durch die Verseßung Luthers nach Wittenberg (1508) noch folgenreicher. Dorthin, an die junge (seit 1502 gestiftete) Universität wollte Staupit seinen jungen Freund befördern, um diesem zu lange schon in sich selbst versunkenen Geiste auch ein Feld der Thätigkeit nach außen zu eröffnen.

Denn diese Bedeutung vorzugsweise haben die nun folgenden neun Jahre (1508—1517) in Wittenberg für Luthers innere Geschichte, daß sie die mönchische Ueberspannung der einseitigen Arbeit an der eigenen Seele nun durch die pflichtmäßige Einwirkung auf Andere

wohlthätig dämpften, und ihn worauf so unendlich viel ankam

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stufenweise mit den Menschen und der wirklichen Gestalt der Welt vertraut machten, was denn auch unfehlbar die fruchtbarste Rückwirkung auf seine innern Fortschritte ausüben mußte. Als philosophischer und dann theologischer Universitätslehrer, als Prediger im Kloster und in der Gemeinde, auf seiner Reise nach Rom und in den praktischen Geschäften des Ordens, die ihm eine Zeit lang von Staupig übertragen wurden — überall lernte er mit wachsender Einsicht dem wirklichen Leben und den Zuständen seiner Zeit in's Auge blicken.

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Seine Aeußerungen über den Aufenthalt in Rom (1510) beweisen, wie wenig er sich damals noch zum Gegner des Papstthums berufen glaubte, wenn auch Manches, was er sah und hörte, seinen ernsten Sinn abstieß, und erst später in ihm nachwirkte. Gleich wie mir geschah zu Rom (schreibt er zwanzig Jahre später) da ich auch so ein toller Heiliger war, lief durch alle Kirchen und Klüfte, glaubte Alles, was daselbst erlogen ist... wir wußten's nicht besser. - Ich habe auch wohl eine Messe oder zehn zu Rom gehalten, und war mir dazumal sehr leid, daß mein Vater und Mutter noch lebten, denn ich hätte sie gern aus dem Fegefeuer erlöset mit meinen Messen und andern köstlichen Werken und Gebeten. — ,,Da hörte ich unter andern groben Grumpen über Tische Curtisanen lachen und rühmen, wie Etliche Messe hielten und über dem Brote und Weine sprächen diese Worte: Panis es et panis manebis, vinum es et vinum manebis! (,,Du bist Brot und wirst Brot bleiben; Du bist Wein und wirst Wein bleiben“)... Was sollte ich denken? redet man hier zu Rom frei öffentlich über Tisch also, wie wenn sie allzumal Papst, Kardinäle sammt ihren Curtisanen also Messe hielten? Und zwar ekelte mir sehr daneben, daß sie so sicher und fein rips raps konnten Messe halten, als trieben sie ein Gaukelspiel, denn ehe ich zum Evangelium kam, hatte mein Nebenpfaff seine Messe ausgerichtet, und schrien zu mir: Passa, passa! immer weg, komm davon!“ ,,Ich wollte nur wünschen (konnte er zuweilen bei Tische ausrufen) daß ein Jeglicher, der ein Prediger sollte werden, zuvor zu Rom wäre gewest, und hätte gesehen wie es da zugeht!“ „So hab' ich selbs zu Rom gehört sagen: ist eine Hölle, so ist Rom darauf gebaut.“ ,,Niemand glaubt, was zu Rom für Büberei und gräuliche Sünde und Schande gehen; man kann's keinen bereden, daß so große Bosheit da ist, er sehe, höre und erfahre es denn." „Je größere Ehre und Würden sie haben, desto muthwilliger sündigen sie, daß daher vorlängst das Sprüchwort ist gemacht worden: je näher Rom, je ärgerer Christ!" Auch sein Widerwille gegen die dunkeln Seiten im Charakter der unglücklich gesunkenen italienischen Nation schreibt sich wohl vorzugsweise von seinem Aufenthalte in Italien her: „Die Wälschen haben listige verschmißte Köpfe... „Die muß man beschämen und ihre Schande aufdecken... daß sie andere Leute nicht so verachten als wären sie allein klug; denn ein böser Ast will einen harten Keil haben... Darum ist allzeit mein Rath gewesen, daß junge Gesellen, wenn sie ihren Katechismus zuvor wohl gelernt

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haben, und in Gottes Wort recht unterrichtet sind, Italien besehen, ihre Tücke und Büberei erfahren, damit sie sich wissen davor zu hüten... „Die Italiener spotten und lachen unser, daß wir Alles der Schrift glauben... „Sie sind entweder gar abergläubisch oder epikurisch; denn der wenigste Theil von ihnen glaubt eine Auferstehung der Todten; und ist eine gemeine Rede in Italien, wenn sie wollen in die Kirche gehen: laß uns zum gemeinen Irrthum gehen!...,,Es ist ein sinnreich und gescheidt Volk, das des Papstes Uebermuth und der Mönche Unwissenheit merkt, die alle Religion als Fabel verspotten. -,,Sobald ein Deutscher in Italien den Epikurismus gelernt hat, und verdauet das Hölle - Küchlein, so ist er viel ärger und tückischer denn ein Wahl (Wälscher).“

In die fünf Jahre von seiner Ernennung zum Doctor der heiligen Schrift (1512) bis zu seinem ersten öffentlichen Angriffe gegen den Ablaßhandel (1517) fallen höchst bedeutende Stufen seiner inneren Entwickelung zum Reformator. Sein Doctor-Eid bot seinem Gewissen einen Stüßpunkt für die Berechtigung seines Auftretens, den er in späteren Stunden innerer und äußerer Anfechtung um Alles nicht hätte entbehren mögen. Zu einem guten Werke bemerkt er hierüber gehört ein gewisser göttlicher Beruf und nicht eigene Anschläge. Es wird denen sauer, die gewissen Beruf von Gott haben, daß sie etwas Gutes anfangen und ausrichten, obwohl Gott bei ihnen und mit ihnen ist. Was sollten den die thun, die ohne Beruf hinan wollen, dazu eitel eigene Ehre und Ruhm suchen?" So sprach er, dem die innere Vollmacht des Gewissens als die erste und unerläßlichste Bedingung zu all seinem Thun und Streben galt, und zwar die Vollmacht eines Gewissens, das durchaus auf göttlichen Beruf, auf die Gewißheit des Einklangs mit dem göttlichen Willen, sich stüßen wollte.

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Als Universitätslehrer und als Prediger durchbrach er in diesen Jahren mit immer wachsender Sicherheit und Klarheit die verdumpfenden Schranken der hergebrachten Scholastik in Philosophie und Theologie; immer lebendiger fühlte er, daß er sich losringen müsse von den überlieferten Formen der Schulweisheit, von den mit Aristoteles Namen geschüßten Feffeln des Geistes und der Seele. „Ich sagte, das sind seine Worte man müsse beweisen, nicht supponiren; und so machte ich mich nach und nach von den Sophisten frei, und studirte für mich weiter unter Gebet." In einem Briefe an seinen Freund Lange in Erfurt von 1516 macht sich sein Widerwille gegen die Aristotelische Scholastik und den gesammten Zustand der damaligen Studien schon in den heftigsten Worten Luft; nicht nur innerlich hat er damit gebrochen; es drängt ihn auch zum öffentlichen Kampfe dagegen. Gerade damals war Reuchlins und Huttens geistige Schlacht gegen die verfolgungsfüchtigen Dunkelmänner des Mönchthums und der alten Universitäts- Scholastik am heißesten entbrannt; wovon eine ermuthigende Rückwirkung auch auf Luthers Gemüth schwerlich ausbleiben konnte. Schon damals war in ihm die Ueberzeugung entschieden, die sich später (1520) in den glühendsten

Worten des Hasses äußerte; die Ueberzeugung, daß Christus und Aristoteles so weit von einander entfernt seien als der Himmel von der Erde, und daß die christliche Wahrheit, statt bei der Aristotelischen Philosophie zu Lehen zu gehen, fortan nur aus ihren selbständigen, ursprünglichen Quellen geschöpft werden dürfe. „Es thut mir wehe in meinem Herzen, daß der verdammte hochmüthige Heide mit seinen falschen Worten so viele der besten Christen verführet und genarret hat... Lehret doch der elende Mensch in seinem besten Buch de Anima, daß die Seele sterblich sei mit dem Körper;... als hätten wir nicht die heilige Schrift, darinnen wir überreichlich von allen Dingen gelehrt werden, deren Aristoteles nicht einen kleinsten Geruch je empfunden! Dennoch hat der todte Heide überwunden und des lebendigen Gottes Bücher verhindert und fast unterdrückt!... Desselben gleichen das Buch der Ethik ärger denn kein Buch stracks der Gnade Gottes und christlichen Tugend entgegen ist."

Auf der Kanzel schärfte er seinen Zuhörern schon im Jahre 1515 den Grundgedanken seiner christlichen Lebensauffassung ein: daß all unser Thun nur durch die Gesinnung, aus welcher es stamme, seinen Werth vor Gott erhalte. Mit diesem Einen Gedanken war die gesammte mönchische Sittenlehre und Weltanschauung in ihrem Mittelpunkte angegriffen; jener todte Mechanismus sogenannter,,guter Werke," d. h. eine Frömmigkeit nach dem vorgeschriebenen Maß von Büßungen, Kasteiungen, Fasten, Beten, Wallfahrten u. s. w. war hiemit als seelenlose Verknöcherung der Religion des Herzens und des Lebens schon verurtheilt und verworfen, wenn diese Verurtheilung auch noch nicht mit dürren Worten ausgesprochen wurde, wie späterhin. Doch war es schon kühn genug, wenn er damals predigte: für den Anfänger (im christlichen Glauben und Leben) sei viel Fasten, Wachen, Beten und Arbeit (also überhaupt strenge, äußere Ascese) zwar nothwendig, für den Vollkommenen dagegen sei sie das größte Hinderniß. ,,Wie die Tropfen so heißt es in einer Predigt die das Land beneßen, fällt das Wort auf die Menschen herab. So ist Christus durch die Predigt zu allen Völkern herabgestiegen; und wie der Regen herab fällt ohne unserer Hände Werk, kommt auch die Gnade Christi ohne unser Verdienst hernieder."... „Der Herr will unsere Henne sein zur Seligkeit; wir aber wollen nicht. Denn das ist es, was ich gesagt habe, daß wir durch unsere Gerech tigkeit schlechterdings nicht können selig werden; sondern wir müssen unter die Flügel dieser unserer Henne fliehen, auf daß wir aus ihrer Fülle empfangen, was uns gebricht. Die aber sicher einhergehen, werden eine Beute der Raubvögel ... sie wollen die Stimme der rufenden Henne nicht hören, daß ihre eigene Gerechtigkeit Sünde sei."

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