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In dem Bisherigen sind wir die geschichtlichen Zeugen gewesen von jener stillen, allmäligen, oft in den dunkelsten Tiefen der menschlichen Seele sich durcharbeitenden Entfaltung dessen, was wir vorher „die Reformation in Luther" nannten. Von dieser bis zu der Reformation durch Luther war dann nur noch ein Schritt, aber ein schwerer.

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Wer heut zu Tage Luthers ehemalige Klosterzellen in Erfurt und Wittenberg betritt, der darf sich ohne Uebertreibung sagen, daß in diesen Räumen einer der großartigsten und folgenreichsten Kämpfe durchgelitten und durchgerungen wurde, von welchem die Weltgeschichte weiß der Uebergang des christlichen Gewissens aus dem Mittelalter in die neue Zeit, der Durchbruch der innerlichen Religion aus der äußerlichen, die Entpuppung des geistig-freien persönlichen Christenthums aus der in Formen und Sagungen gebundenen vorbereitenden Hülle desselben.

Zweiter Umriß.

Kampf und Bruch mit Rom.

ir haben Luther bis an die Schwelle seines reformatorischen Lebens begleitet; jene mächtigen Gedanken und Thaten, die nachher die Welt erschüttern sollten, suchten wir bis zu ihrem geheimsten Ursprunge in der Seele des wenig bekannten Mönchs und Doctors zu verfolgen. Von nun an tritt er auf den Schauplag weltgeschichtlicher Ereignisse, deren tiefsten Zusammenhang und innerste Bedeutung wir uns jezt zu vergegenwärtigen haben, wenn wir das wahre Bild des Reformators mit seinen lebensvollen Zügen uns vor die Secle rufen wollen.

Unter jenen weltgeschichtlichen Ereignissen steht sein Kampf mit Rom im Vordergrunde; dieser gab dem Wittenberger Doctor seine europäische Bedeutung; und noch jezt verbinden Unzählige mit dem Namen Luthers keinen andern Begriff als denjenigen eines Beämpfers des Papstthums.

1. Der Kampf.

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Nach jenen schweren, innern und äußern Vorbereitungen deren Geschichte wir in den vorigen Abschnitten überblicktenwartete noch die schwerste und wichtigste Entwi ckelungs- Krise auf Luther: der zähe Widerstand, den ihm die Welt, und zwar zunächst die Welt in der Gestalt des gesunkenen und veräußerlichten Papstthums entgegenseßte. Nun erst sollte er aller Folgerungen seines innern Standpunktes ganz gewiß werden; nun erst mußte er lernen, ganz allein auf die erkannte Wahrheit, auf das theuer errungene geistige und religiöse Prinzip zu bauen, statt langsam verbessernd und fortbauend sich an die herrschende kirchliche Autorität anlehnen zu dürfen.

Der Kampf entbrannte an dem Punkte, der für Luthers inneres Leben der entscheidende und rettende geworden, während er in den Händen einer habsüchtigen, verweltlichten Priesterherrschaft und der abergläubigen Menge zur empörenden Religions - Schändung entartet war. Es handelte sich um nichts Geringeres als um die Frage: Wie findet der Mensch aus irdischer Verirrung und Befieckung den Rückweg zu seinem heiligen Ursprunge? wo ist für das sündige Geschöpf die Versöhnung mit seinem Schöpfer und Richter? Es war also die Gewissens-Frage nach Sünden-Vergebung, nach Erlösung und Versöhnung, es war die Frage nach der wahren Hülfe für die tiefsten Schäden der Menschheit, was dem Auftreten Luthers seine bleibende und höchste Bedeutung giebt; eine Bedeutung, die wir uns nicht dürfen durch die scholastische Form und Sprache verdunkeln lassen, in welcher der Kampf sich lange Zeit bewegte.

Die Antwort, die Luther auf jene einschneidende Lebensfrage gefunden, war von tiefinnerlicher, rein religiöser Natur: reuige Umkehr des Herzens zu Gott, unbedingtes, demüs thiges Vertrauen zu der freien Gnade, zu der Mensch gewordenen Liebe und Erbarmung Gottes. Die Antwort dagegen, welche damals Rom thatsächlich auf jene Frage ertheilte, lautete: um Geld könnt ihr euern Frieden mit dem Himmel erkaufen; mit Ablaß - Briefen, die euch die oberste kirchliche Autorität, der Papst selbst, verkaufen läßt aus dem Schaße seiner Gnaden, gewinnt ihr Sündenvergebung. Dies war der Sinn des Ablaßhandels, der für Rom eine reiche Finanzquelle geworden; so wurde er vom Volke verstanden, so wurde er dem Volke von den geistlichen Verkäufern angepriesen mögen auch neuere Romanisten noch so eifrig und gelehrt darzuthun suchen, daß der Ablaß von der Kirche" nie in jenem krassen Sinne verstanden worden sei. Unangetastet bleibt die Thatfache stehen: daß im Schoße jener Kirche“ öffentlich im Namen der obersten kirchlichen Würdenträger die Vergebung der Sünden zu Markt getragen, und in der Form

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von Ablaßbriefen verkauft wurde. Von der Anerkennung dieser unermeßlichen Thatsache muß jede Würdigung der Kirchentrennung des sechzehnten Jahrhunderts, jede Verständigung zwischen ernsten und aufrichtigen Katholiken und Protestanten ausgehen. Es ist keine rednerische Uebertreibung, sondern buchstäbliche Wahrheit: daß in dem ursprünglichen Kampfe zwischen Luther und dem Ablaßkrämer Tezel uns der grelle Gegensatz von Christus und Belial, von Gott und Mammon, so zu sagen, verkörpert entgegentritt.

Der erste Akt Luthers und der Reformation war also geradezu die Rettung des Christenthums aus seiner tiefsten Entartung, ein Nothschrei des christlichen Gewissens gegen die empörendste Verunstaltung und Verkehrung der Religion des Gekreuzigten dies ist die unvergängliche Ehre jenes 31. Octobers 1517, des Tages, an welchem Luther seine fünfundneunzig Säße gegen den Mißbrauch des Ablasses an die Schloßkirche zu Wittenberg heftete.

Schon der erste dieser Säße (Thesen) stellte der ganzen Buß- und Absolutions Theorie des damaligen entarteten Priester - Christenthums eine von Grund aus verschiedene, aus sittlichem und religiösem Ernste geschöpfte Anschauung entgegen: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: Thut Buße u. f. w. will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete Buße sein soll. ,,Und kann noch mag (fährt die zweite These fort) solch Wort nicht vom Sakrament der Buße, das ist von der Beichte und Genugthuung, so durch der Priester Amt geübet wird, verstanden werden." — Und noch viel kühner erklärt schon Saz 32:,,Die werden sammt ihren Meistern zum Teufel fahren, die vermeinen durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein.“ Es war im Wesentlichen schon eine Verwerfung des ganzen hierarchischen Gebäudes, wenn These 36 versicherte: „Ein jeder Christ, so wahre Reue und Leid hat über seine Sünden, der hat völlige Vergebung von Pein und Schuld, auch ohne Ablaßbriefe." Und 37:,,Ein jeder wahrhaftiger Christ, er sei lebendig oder todt, ist theilhaftig aller Güter Christi und der Kirche, aus Gottes Geschenk, auch ohne Ablaßbriefe." Ebenso 43 und 44: „Man soll die Christen lehren, daß, wer den Armen giebt oder leihet den Dürftigen, besser thut, denn daß er Ablaß löset. ,,Denn durch das Werk der Liebe wächst die Liebe, und der Mensch wird frömmer; durch den Ablaß aber wird er nicht besser, sondern allein sicherer und freier von der Pein oder Strafe." ,,Man soll die Christen lehren, daß des Papstes Ablaß gut, sofern man sein Vertrauen nicht darauf sezet (49). ,,Durch Ablaßbriefe vertrauen selig zu werden, ist nichtig und erlogen Ding, obgleich der Commissarius, ja der Papst selbst, seine Seele dafür zu Pfande wollte sezen (52). ,,Die Schäße der Kirche, davon der Papst das Ablaß austheilet, sind weder genugsam genannt noch bekannt bei der Gemeine Christi (56). —,,Der rechte wahre Schaß der Kirche ist das heilige Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes (62)."

heißt es dann ferner

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Hiemit war nun der Kampf eröffnet, dessen Verlauf mit allen Einzelnheiten schon so oft geschildert wurde, daß wir uns darauf beschränken dürfen, nur die entscheidenden Wendepunkte desselben hervorzuheben. So kühn und eingreifend auch die Sprache der Thesen war, so hatte doch Luther selbst keine Ahnung davon, welches Feuer er damit anzünden würde; sein noch zwischen der Autorität der Schrift und der Kirche peinlich schwankender Geist würde vielleicht erzittert und zurückgebebt sein, wenn er damals schon mit Einem Blicke alle Folgen seines ersten Schrittes hätte überschauen können. Noch mehrere Jahre hindurch bekämpften sich in seinem Innern Freimuth und Demuth, Glaubenseifer und Pietät, Ueberzeugung und Gehorsam; Gewissen und Einsicht drängten zum Bruche, anerzogene Ehrfurcht und Gehorsam zum Frieden mit Rom.

Diese seine innere Geschichte in den ersten Jahren des Kampfes charakterisirt er selbst in höchst beachtenswerthen Worten: „Ich war allein und aus Unvorsichtigkeit in diesen Handel gerathen; und weil ich nicht konnte zurückweichen, räumte ich dem Papst in vielen und hohen Artikeln nicht allein viel ein, sondern betete ihn auch mit rechtem Ernste williglich an. Denn wer war ich elender verachteter Bruder, der dazumal mehr einer Leiche, denn einem Menschen ähnlich, der sich sollte wider des Papstes Majestät sehen!... Was und auf welche Weise mein Herz dasselbe erste und andere Jahr gelitten und ausgestanden hat, und in welcher Demuth (die nicht falscher und erdichteter, sondern rechter Art war) wollte schier sagen: Verzweiflung, ich da schwebte - ach! da wissen die sichern Geister wenig von, die hernach des Papsts Majestät mit großem Stolz und Vermessenheit angegriffen. Ich aber, der ich allein in der Fahr steckte, war nicht so fröhlich und der Sache so gewiß; denn ich wußte vieles nicht, welches ich, Gottlob, nun weiß. Ich disputirte nur, und war begierig mich belehren zu lassen. Und weil mich die Todten und stummen Meister, das ist der Theologen und Juristen Bücher nicht genugsam berichten konnten, begehrte ich bei den Lebendigen Rath zu suchen, und die Kirche Gottes selbst zu hören. Da fanden sich zwar viele fromme Männer, die groß Gefallen an meinen Propofitionen hatten; aber es war mir (damals) unmöglich, daß ich dieselben für Gliedmaßen der Kirche, mit dem heiligen Geist begabt, hätte können ansehen und erkennen, sahe allein auf den Papst, Kardinäle, Bischöfe, Theologen, Juristen, Mönche, Pfaffen. Von daher erwartete ich des Geistes; denn ich hatte ihre Lehre so gierig angenommen, daß ich gar dumm davon ward, und nicht fühlte, ob ich schlief oder wachte. Und da ich alle Argumente, die mir im Wege lagen, durch die Schrift überwunden hatte, hab ich leztlich dies eine: nämlich, daß man die Kirche hören sollte mit großer Angst, Mühe und Arbeit durch Christi Gnade kaum überwunden. Denn ich hielt mit viel größerem Ernst und rechter Ehrerbietung des Papstes Kirche für die rechte Kirche, denn diese fchändlichen Verkehrer, die des Papstes Kirche wider mich hochrühmen.“

In obiger Aeußerung haben wir den Schlüffel für so manches Wort unbedingter

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