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stand, die (wie man es gewöhnlich ansieht) mit Umgehung der aposto. lischen Vermittelung sich ein eklektisches Christenthum zurechtlegte, so besteht noch immer die große Selbsttäuschung Vieler darin, daß sie das im höchsten Grade subjektive Verfahren, durch eigenthümliche Schriftauslegung und eklektische Benußung der dogmengeschichtlichen, konfessionellen und philosophischen Entwickelung einen Dogmenkreis sich zu bilden, als das wahrhaft christliche, kirchliche, objektive hinstellen.

Zu dem Inhalt des lutherischen Bekenntnißglaubens hat die lutherische Dogmatik zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene Stellung eingenommen. Der orthodoxe Standpunkt geht von der unmittelbaren Einheit des Kirchenglaubens und der Wahrheit aus, der kritische von dem Unterschiede, der historisch-positive von der relativen Einheit beider.

Die beiden ersten Jahrhunderte der lutherischen Kirche waren das Zeitalter der Orthodoxie. Wie die erste Dogmatik, Melanchthon's Loci, im Wesentlichen eine Konfession war, so sind auch die während und nach der Bekenntnißbildung erschienenen dogmatischen Werke mehr oder weniger ausgeführte Darstellungen der Bekenntnißlehren. So naturgemäß die Dogmatik des Reformationszeitalters den Charakter des Konfessionellen hatte, so naturgemäß war der Fortschritt zum scholastischen Ausbau der Bekenntnißlehren während des 17. Jahrhunderts. Die Bekenntnißlehren sind, wie wir sehen, Dogmen, sofern sie Gegenstand wissenschaftlicher Aneignung sind. Sie bedürfen also der begrifflichen Formung. Darin lag aber eben die Kraft dieser Scholastik. Jene konfessionelle, diese scholastische Dogmatik war der einer Zeit, welche ganz in den Bekenntnißglauben aufging, nothwendige dogmatische Standpunkt. Indeß hat diese orthodoxe Dogmatik, welcher die Wahrheit des lutherischen Bekenntnisses unumstößliche Vorausseßung war, ihre Glaubenslehre immer aus dem Erkenntnißprincipe des Protestantismus zu beweisen, gegen die Einsprüche der Gegner zu vertheidigen, in systematische Einheit zu sehen gesucht. Nicht weil sie positiv waren, sondern weil sie dem Wahrheitsgrunde der Kirche entsprachen, erklärte die orthodore Dogmatif ihre Glaubenslehren für wahr. Und auch diesen Wahrheitsgrund suchte die orthodoxe Dogmatik in ihren Prolegomena zu rechtfertigen.

Als sich Ende des 17. Jahrhunderts das religiöse Leben mehr und mehr von dem Bekenntnißglauben ablöste, zuerst in Gestalt einer vom

kirchlichen Leben unabhängigen subjektiven Frömmigkeit (Pietismus), dann einer den Bekenntnißglauben in mehr oder weniger objektive Ferne rückenden Weitkirchlichkeit, endlich einer das positive Christenthum in Vernunftglauben auflösenden Aufklärung (Rationalismus), da hatte die orthodoxe Dogmatif ihre Lebensgrundlage verloren. Der einem Zeitalter, welches zwischen subjektiver und objektiver Religion (der Grundgedanke Semler's) unterschied, naturgemäße Standpunkt der Dogmatik war der kritische, welcher den Unterschied zwischen Kirchenglauben und Wahrheit vorausseßte. Es hatte aber dieser Standpunkt nicht bloß ein zeitalterliches Recht. Der Protestantismus, welcher an den zu Recht bestehenden Kirchenglauben des Mittelalters das Nichtmaß des Wortes Gottes gelegt hat, darf principgemäß seinen eignen Kirchenglauben der Prüfung nach dem Worte Gottes nicht entziehen. Eine kritische Stellung also zu allem Positiven der Kirche hat im Protestantismus geschichtliches Recht. Während im Zeitalter der Orthodoxie das Positive zwar nicht in thesi weil es positiv war für wahr galt, wohl aber in praxi als Wahrheit vorausgesezt ward, nahm die kritische Richtung besonders in Semler die Wendung, alles Positive weil es positiv war für verdächtig zu halten, bis sie in Strauß mit dem Resultate der gänzlichen Unhaltbarkeit des Kirchenglaubens, des christlichen Glaubens überhaupt endete. Aber diese Excesse der Kritik konnten das protestantische Recht derselben nicht aufheben. Muß der Protestantismus bekennen, daß sein Kirchenglaube dem Worte Gottes nicht gleichzustellen sei, sondern eine menschliche Seite an sich trage, so hat er kein Anathema gegen diejenigen, welche auf den Unterschied zwischen Schriftlehre und Kirchenlehre hinweisen. Es hatte also der im Wesen des Protestantismus begründete, von dem reflektirenden Charakter des Zeitalters getragene kritische Standpunkt gegenüber dem orthodoxen sein unzweifelhaftes Recht. So unkritisch aber die Voraussegung der unbedingten Einheit von Kirchenglauben und Wahrheit war, so unfritisch war die Vorausseßung ihrer gänzlichen Unvereinbarkeit. Was der kritischen Betrachtung der Kirchenlehre ihr protestantisches Recht gab, war der protestantische Grundsaß nichts weil es kirchlich zu Recht besteht als solches für wahr zu halten, sondern nur was aus der Schrift bewiesen ist. In einem Zeitalter aber, welchem das Christenthum selbst feine absolute Auktorität mehr ist, bedarf auch der Beweisgrund der

Schrift eines Beweises. Was also der kritische Standpunkt zum unabweisbaren Bewußtsein brachte, war die Nothwendigkeit, daß die protestantische Dogmatik nichts lehre, was sie nicht beweisen könne.

Nicht der einzige, nicht der höchste kann der kritische Standpunkt in der Dogmatik sein. Die kritische Forderung nichts für wahr zu halten was nicht bewiesen ist sezt doch einen zu beweisenden Glaubensstoff voraus, den die Dogmatik wohl darstellen aber nicht erzeugen kann. Was aber bewiesen ist, wird, wenn es nicht in der Dogmatik bleiben soll, im Leben die Gestalt des Positiven annehmen. Wer zwischen Positivem und Wahrem unterscheidet, sezt doch ein Verhältniß beider Faktoren zu einander voraus, somit eine Einheit von beiden. Es war aber nicht die Logik, sondern die thatsächliche Rückkehr der neuen Zeit zum Positiven (Der innere Gang des deutschen Protestantismus seit Mitte des vor. Jahrh.: zweites Buch: 2. A. S. 141 ff.), welche einen höheren Standpunkt in der Dogmatik erzeugte, den wir als den historischpositiven bezeichnen wollen. Dieser, der eine Fülle von Modificationen in sich schließt, ruht auf dem Grundsaße, daß im Reiche Jesu Christi die Wahrheit Geschichte, die Geschichte Wahrheit sei. Er theilt mit dem orthodoxen Standpunkte die Anerkennung der Kirchenlehre, mit dem kritischen die Unterscheidung zwischen Kirchenlehre und Wahrheit. Von der Orthodoxie des 16. und 17. Jahrhunderts unterscheidet er sich schon deshalb, weil er den Bruch unseres Zeitalters mit dem Glauben der Väterzeit nicht ignoriren kann. Die Neuzeit hat, so viel wir wissen, keinen Dogmatiker, der nicht durch den Zweifel hindurchgegangen ist. Solch ein Durchgangspunkt aber läßt sich nie verleugnen. Ein Dogmatiker, welcher vorausseßen wollte, was nicht vorhanden ist, die Uebereinstimmung mit dem Kirchenglauben, würde eine uns fremdartige Erscheinung sein. Auch der es nicht in thesi zugesteht, geht doch in praxi von der kritischen Unterscheidung zwischen Positivem und Wahrem aus. Und so trägt denn der Anschluß der positiven Dogmatik an die Kirchenlehre die Kritik als Moment in sich. Ist nun die dem kritischen Standpunkte eigene Funktion das Beweisen, so die dem historisch-positiven das Entwickeln. Entwickeln heißt die Nothwendigkeit darlegen, mit welcher aus dem Allgemeinen das in ihm keimartig enthaltne Besondere hervorgeht. Wer nun das Wesen des Allgemeinen für Wahrheit hält, wird zwar nicht alle Besonderungen, die aus dem Allgemeinen hervorgehen, als solche

für Wahrheit halten, wohl aber in dem geschichtlichen Werden derselben das Werden der Wahrheit erkennen. Der historisch-positive Standpunkt giebt dem kritischen zu, daß nicht Alles, was die Schrift enthält, inspirirte Wahrheit ist, sieht aber in der Geschichte alten und neuen Bundes die Offenbarung des Heils sich entfalten. Der historisch-positive Standpunkt giebt dem kritischen zu, daß keine geschichtliche Gestalt des kirchlichen Bewußtseins der Abschluß der Wahrheit sei, sieht aber in einer von Offenbarung ausgehenden, vom heiligen Geiste geleiteten, dem Ziele einer vollendeten Erkenntniß des Sohnes Gottes (Eph. 4, 17.) zuschreitenden Entwickelung die Wahrheit zur Erscheinung kommen.

3.

Eine Disciplin der systematischen Theologie (S. 5), hat die Dogmatik ihren Stoff systematisch darzulegen. Unter System versteht man im Allgemeinen die einheitliche Darstellung eines Wissensstofses. In diesem allgemeinen Sinne soll jede Wissenschaft systematisch sein. In's Besondere aber versteht der wissenschaftliche Sprachgebrauch unter System die einheitliche Darstellung eines Wissensstoffes aus Principien. Princip ist aber die Wesenseinheit, aus welcher sich die Mehrheit der Erscheinungen eines Lebensgebietes erklären läßt. Wie objektiv alle Gestalten der Natur und Menschheit Entfaltungen einer Lebenseinheit sind, so entsteht nun auch nur dann eine Wissenschaft von ihnen, wenn wir die Mehrheit der Erscheinungen eines Kreises der Natur und Menschheit auf ihre Einheit zurückführen können. Zeigen nun, wie sich aus der Allgemeinheit mit Nothwendigkeit das Besondere entfaltet, heißt, wie wir sahen (S. 10), entwickeln. Der christliche Glaube ist eine Mehrheit von einzelnen Glaubenslehren. Diese Mehrheit aber von Glaubensartikeln muß einen Einheitspunkt haben, von dem aus sie ihren Ursprung, ihre Bedeutung, ihre Stellung im Ganzen erhalten. Für die Centrallehre des Christenthums erklärt nun das lutherische Bekenntniß die Lehre von der Rechtfertigung aus dem Glauben. Es ist also der lutherischen Dogmatik nicht überlassen für die Bekenntnißlehren ein Princip zu finden. Sie ist an ein gegebenes Princip gebunden. Dieses Princip des Entwickelns nennt der Sprachgebrauch Material princip. Wie das Ei eine unentwickelte Einheit ist, welche sich zum Thiere entfaltet, so ist Materialprincip die Einheit, in welcher die Keime aller Be

fonderungen liegen, die sich aus ihr entfalten. In diesem Sinne erklärte, wie wir bald sehen werden, Melanchthon die Rechtfertigung aus dem Glauben für die Summe des Evangeliums, den Kanon im Kanon. Allein was man aus einer Einheit entwickeln kann, ist deshalb noch nicht wahr. In der Natur freilich ist was thatsächlich ist als solches auch wahr. Wer also eine Thatsache der Natur erklärt, hat ebensomit ihre Wahrheit erklärt. Anders aber ist es auf dem Boden des menschlichen Geistes, besonders in der Sphäre der Religion. Es ist nicht schwer die Gestalten der griechischen Mythologie aus einem Principe religiöser Weltanschauung zu entwickeln. Sind sie deshalb wahr? Der Philosoph versucht alle Sphären des Seins aus einem Materialprincipe zu entwickeln: Fichte aus dem Ich, Hegel aus dem Begriff. Allein die Richtigkeit eines philosophischen Principes folgt nicht aus der geschlossenen Einheit einer darauf erbauten Weltansicht. Unabhängig von dem Wechsel der Systeme sind die Formen und Regeln des Denkens, die Grundsäge wissenschaftlichen Verfahrens, welche die Formalphilosophie in der Logik, Metaphysik und Methodik aufstellt. Und so kommt denn im systematischen Verfahren zur Funktion des Entwickelns die des Beweisens. Der Protestantismus nun steht und fällt mit dem Grundsaße, daß die Schrift das alleinige Princip des Beweisens, das alleinige Formalprincip sei. Es hat also die lutherische Dogmatik die Glaubenslehren aus dem Materialprincip der Rechtfertigung aus dem Glauben zu entwickeln, aus dem Formalprincip der alleinigen Auktorität der Schrift zu beweisen.

Es liegt in der Natur systematischen Verfahrens, daß es auf den Wissensgebieten besonders heimisch ist, welche einen elastischen, der begrifflichen Formung nachgiebigen Stoff haben. Das aber sind die vorzugsweise begrifflichen, allgemeinen, reinen Wissenschaften im Unterschiede von den empirischen, stofflichen, positiven. Die Philosophie, die Wissenschaft des Seins, deren Aufgabe ist jeder Sonderwissenschaft ihre Stelle im Bereiche des Wissens und die Methode ihres Verfahrens zu bestimmen, ist daher die vorzugsweise systematische Wissenschaft. Die Dogmatik, die systematische Darstellung des Kirchenglaubens, ist an einen gegebenen Stoff gebunden, den Kirchenglauben, welcher unabhängig von ihr im Bewußtsein der Gemeinde gegeben ist. Wir haben gesehen, wie die Dogmatik zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene

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