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sen Bewußtsein Gott und Welt darstellen. Sehen wir nun, weil es doch unwesentlich ist, von Gottes Eigenschaften und der Welt ab, so bleibt als allein möglicher objektiver Inhalt Gott selbst noch übrig. Hier nun wirft sich die Frage auf, ob Gott selbst ein der Glaubenslehre wesentlicher Inhalt sei. Da, wie wir sahen, der eigentliche Inhalt der Glaubenslehre das Bewußtsein der absoluten Abhängigkeit ist, das Woher dieser Abhängkeit, Gott (Der chr. Glaube I. S. 20), aber nur dann in's Bewußtsein tritt, wenn wir über das Gefühl hinausgehend mit der Reflexion dasselbe zu erklären suchen - etwa wie wenn Jemand, über die Erfahrungsthatsache daß er schwer ist hinausgehend, nach dem Woher der Schwere fragt er den Weg des Wissens betritt - so leuchtet un schwer ein, daß das Gefühl der absoluten Abhängigkeit nur dadurch zum Gottesbewußtsein wird, daß der Fromme nicht bloß fühlt, sondern auf Grund des Gefühles Gott weiß. Kommt aber der Mensch, der sich absolut abhängig fühlt, nur auf dem Wege eines Wissensaktes auf Grund dieses Gefühls zu Gott, so ist evident, daß der Religion Lebenswurzel nicht bloß ein Fühlen, sondern auch ein Wissen ist. Ein Wissen auf Grund des Gefühles nennen wir Glauben. Die durch die ganze Dogs matik Schleiermacher's hindurchgehende Unklarheit ist, daß Schleiermacher nicht aus einander hält, was auf Grund des Abhängigkeitsgefühles der Fromme glaubt und was die dogmatische Reflexion aus dem Wesen jenes Gefühles entwickelt. Haben aber die Frommen aller Religionen ein—was wir vorerst zugeben wollen — im Gefühle begründetes Wissen von Gott und göttlichen Dingen d. h. Glauben, so ist eben dieser Glaube die Lebenswurzel aller Religion. Es ist Twesten's Verdienst, die Nothwendigkeit zu dem Schleiermacher'schen Gefühle ein Wissen hinzuzunehmen erkannt zu haben. Sobald aber dieß zugestanden ist, ist die Unmöglichkeit die Religion aus dem Gefühle überhaupt, dem Gefühle schlechthiniger Abhängigkeit insbesondere zu entwickeln, eingeräumt. Ein Materialprincip der Religion, welches den Inhalt, dessen es bedarf, nicht aus sich bestreiten kann, ist eben unhaltbar.

Im sonderbaren Widerspruche mit dem Streben Schleiermacher's die Religion auf eine Erfahrung unmittelbaren Bewußtseins zu gründen steht die Thatsache, für welche schon Schleiermacher's zwei Sendschreiben an Lücke den Beleg enthalten, daß sich nicht nur die Theologie, sondern auch die Philosophie des Zeitalters in dieß unmittelbare

Bewußtsein nicht finden konnte. Was man im unmittelbaren Selbst= bewußtsein — und dieß ist nach Schleiermacher das Gefühl — haben soll, muß man doch auch unmittelbar wissen. Es vermochte aber Niemand dieß geheimnißvolle Gefühl schlechthiniger Abhängigkeit recht zu fassen. Man konnte sich wohl sagen, daß jeder Fromme sich irgendwie von Gott abhängig fühle, mußte aber hinzufügen, daß dieß Gefühl gar nicht so etwas Ursprüngliches im Bewußtsein sei, sondern sich in sehr verschiedener Gestalt und in sehr verschiedenem Grade finde, je nach dem Gottesbegriffe, den Einer habe, und dem Ernste, welchen er mit demselben mache. Wie ein Knecht, ein Kind, ein Unterthan sich in dem Grade abhängig fühlt als er objektiv abhängig ist und dieß Abhängigkeitsverhältniß sittlich nimmt, so fühlen sich auch die Menschen von Gott ihrem Herrn, Vater, König bald mehr bald minder abhängig, je nachdem sie dieß Abhängigkeitsverhältniß sittlich nehmen. Sollte diese Frage legt sich überaus nahe - hier nicht eine Verwechselung stattfinden zwischen der Absolutheit des Abhängigkeitsverhältnisses und der Absolutheit des Abhängigkeitsgefühles. Der Mensch ist insofern von Gott absolut abhängig, als er gegenüber dem Allmächtigen absolut ohnmächtig ist. Daraus aber, daß Gott der absolut Mächtige, der Mensch als Creatur der absolut Ohnmächtige ist, folgt noch gar nicht, daß in der Wirklichkeit der Mensch nicht eine relative Freiheit Gott gegenüber hat. Gott kann sich ja seiner absoluten Macht in Beziehung auf den Menschen begeben und demselben relative Freiheit eingeräumt haben. Eine unzweifelhafte Thatsache ist, daß der Mensch auf dieser Erde sittlich sich Gott entziehen, Gott widerstehen kann. Gefeßt aber auch, daß der Mensch objektiv absolut abhängig von Gott ist: folgt denn daraus, daß der Mensch sich von Gott absolut abhängig fühlt? Je nachdem Einer religiös ist, fühlt er sich mehr oder weniger von Gott abhängig. Kein Religiöser aber, Einer ausgenommen, hat das seinem Abhängigkeitsverhältnisse entsprechende Abhängigkeitsgefühl. Das, wendet man ein, ist eine Verwechselung. Schleiermacher hat weder gesagt, daß das Abhängigkeitsgefühl dann religiös ist, wenn es den höchsten Grad seiner Intension erreicht, noch in Abrede gestellt, daß das Gefühl der absoluten Abhängigkeit in den Frommen einen sehr verschiedenen Grad habe. Was er hat sagen wollen ist vielmehr, daß der Fromme sich von Gott so abhängig fühlt, daß er das Bewußtsein

hat ihm nicht widerstehen zu können. In der That ist dieß Schleiermacher's Meinung. Aber jener Einwurf ist darum nicht unberechtigt und überflüssig. Das Absolute des Abhängigkeitsgefühles liegt also nicht in dem Grade des Abhängigkeitsgefühles, sondern in dem alle Freiheit ausschließenden Wesen des Abhängigkeitsverhältnisses, welches das religiöse Bewußtsein aussagt. Ich fühle mich von Gott so abhängig, daß ich zugleich im Gefühle weiß: Ich kann ihm nicht widerstehen. Hier kommt nun zunächst zu Tage, daß das Abhängigkeitsbéwußtsein bei Schleiermacher nicht ein so einfaches, unmittelbares Gefühl ist. Der Fromme fühlt sich nicht in absoluter Weise abhängig, sondern fühlt, daß seine Abhängigkeit eine absolute sei: der Fromme verbindet also mit seinem Abhängigkeitsgefühle ein Bewußtsein von der Art seines Abhängigkeitsverhältnisses. Hier tritt uns nun zum zweiten Male entgegen, daß das Schleiermacher'sche Gefühl ein Element des Wissens und zwar sehr ausgeprägten dogmatischen Wissens in sich trägt. Woher weiß denn aber dieses wissende Gefühl, daß der Mensch wirklich objektiv von Gott absolut abhängig ist? Die einzige Antwort ist: Aus Schleiermacher's Philosophie. Wir haben oben gesehen (S.100), daß dem Schleiermacher'schen Begriffe von Gott, als der absoluten Indifferenz von Sein und Denken, das Gefühl entspricht, in welchem sich Wollen und Wissen neutralisiren. Was sich wenige Fromme aus ihrem Bewußtsein vorstellig machen können, daß nämlich das absolute Abhängigkeitsgefühl zwar aller Religion Wurzel ist, als solches aber nie rein vorkommt, sondern immer in Verbindung mit dem niedern Selbstbewußtsein, das erklärt sich außerordentlich einfach aus dem Charakter jenes Absoluten, das, ein reines Neutrum, natürlich nur in den concreten Dingen Boden hat (S. 101). Nur ein Philosoph dessen Gott ein weißes Blatt ist, konnte es dem Dogmatiker erlauben dieß Blatt mit Gemüthsaussagen zu beschreiben, und nur ein Dogmatiker der mit einer Philosophie pflügte, die einen inhaltslosen Begriff, eine metaphysische Null zum Gott erhob, konnte einen religiösen Zustand zum Gegenstand einer Glaubenslehre machen. Es wird für immer ein psychologisches Räthsel bleiben, daß ein Theologe von so viel Selbstbeobachtung den Schwerpunkt seiner Glaubenslehre in ihre Unabhängigkeit von jeder Philosophie segen konnte, der im Dienste einer pantheistischen Weltansicht ein unmittelbares Bewußtsein, das

in dieser Gestalt sich in keinem Menschen findet, zum Quell aller Religion machte. Diese Selbsttäuschung tritt uns schon in den Reden über Religion entgegen. Von jeder Metaphysik die Religion unabhängig gemacht zu haben rühmt sich der Priester einer Religion, die ganz in einer spinozistischen Anschauung wurzelt. Es ist als anerkannt anzusehen, daß die Anmerkungen, mit welchen Schleiermacher der Spätere jene Reden versah, in den Text einen ihm fremden Sinn legen. Schleiermacher dem Dogmatiker wollte Niemand glauben, daß er als Dogmatiker von Philosophie nichts wisse, wie er sich in der oben angeführten Stelle selbst beklagte (S. 102). Und war dieß Mißtrauen grundlos? Wie Schleiermacher's Stil ein Kunstprodukt ist, das ihm allmälig zur Natur wurde, so muß man auch diese principielle Selbsttäuschung sich daraus erklären, daß Schleiermacher das was er sich nach einem Instinkte seiner Natur auf dem Wege der Reflexion ausgesponnen seinem Bewußtsein assimilirt hatte.

Mit dem Vorwurfe des Philosophirens verband sich immer von Neuem die des Pantheismus. Ein unpersönlicher Gott, der das Neutrum der beiden Weltatribute Sein und Denken ist, ist ohne Zweisel ein pantheistischer (S. 102). Man wird einem theologisch gebildeten Philosophen, der sich in Schleiermachers Dialektik und Dogmatik so gründlich eingelebt hat wie Weißenborn, zutrauen, daß er ihm nicht hat Unrecht thun wollen, wenn er in seinen Vorlesungen über Pantheismus und Theismus (S.52 ff.) Schleiermachers Weltansicht eine pantheistische nennt. Natürlich konnten die Zeitgenossen, namentlich Delbrück, welche die philosophischen Vorlesungen Schleiermacher's nicht benußen konnten, ihr Urtheil nicht so begründen wie wir es vermögen. Nur Strauß fand mit Feinheit die vielen Anklänge an Spinoza in der Glaubenslehre heraus. Schleiermacher war Pantheist und widersprach mit eherner Stirne allen Anschuldigungen dieser Art. Auch das gehört zu jenen psychologischen Problemen. Ein Theologe, welcher keinen persönlichen Gott hatte, war ohne Zweifel unfähig die religiöse Grundlage des Christenthums zu verstehen. Nichts ist oberflächlicher als (wie es noch von Schenkel in Herzog's R. E. geschieht) das Abhängigkeitsbewußtsein mit der Furcht Gottes zusammenzustellen. Ein Theologe welcher keinen persönlichen Gott kannte der über dem Menschen als eine heilige Macht steht, war absolut unfähig den Gott Abraham's,

Isaak's und Jakob's zu verstehen. Und so war für Schleiermacher das alte Testament so gut wie nicht vorhanden. Der neue Bund ist die Erfüllung des alten. Wie aber vermag den neuen Bund zu verstehen wer den alten so wenig kennt und anerkennt? Verkennen wir nicht, daß Schleiermacher's Bestimmung des Christenthums als der Religion der Erlösung durch den urbildlichen Menschen Jesum Christum hoch über der rationalistischen Lehre stand und nicht bloß wissenschaftlich sondern auch reli giös tiefer war als die supranaturalistische Christologie. Ueberhaupt war es nicht von geringer Bedeutung, daß ein Theologe von dieser Geistesgröße seine Glaubenslehre der Kirchenlehre anschloß. Aber der Anschluß war doch in so vielen Lehren ein künstlicher. Und so hat Schleiermacher's Dogmatik nicht wenig zu der unendlichen Begriffsverwirrung beigetragen, die besonders in dem an Schleiermacher sich anschließenden Lager der vermittelnden Theologie heimisch ist. Das durch und durch Unprotestantische dieser Dogmatik ist aber, daß sie das Glaubensbewußtsein, wie es angeblich als Thatsache des Lebens vorhanden ist, in seinem innern Zusammenhange nur entwickelt, ohne es aus der Schrift zu beweisen. Nicht darum hält der Protestantismus seinen Glauben für wahr, weil er ein organisch gegliederter Kreis von Bewußtseinsinhalt ist - denn so läßt sich jede Religion rechtfertigen — sondern weil er schriftgemäß ist.

An Schleiermacher schließen sich Nißsch (System der chr. Lehre 1829. 6. A. 1853), Twesten (Vorlesungen über die Dogm. d. ev.-luth. Kirche nach dem Komp. d. Dr. de Wette: 1. B. 1827. 4. A. 1838. 2. B. 1. Abth. 1837) und Schweizer (Die Glaubenslehre der ev.-ref. Kirche 2 Bb. 1844) an. Der Versuch des Leßteren die reformirte Dogmatik als ein organisch entwickeltes Ganze in Gemäßheit der Lehrprincipien der reformirten Kirche aus den Dogmatikern derselben darzustellen mußte mißlingen, weil die Voraussetzung, daß in Schleiermacher diese Dogmatik ihren Höhepunkt erreicht, eine vollkommen verfehlte war (Baur, Zeller's Jahrbb. 1847. H. 3. S.309 ff. Ebrard, Chr. Dogm. I. S.97 ff.) Was Nitsch System der christlichen Lehre nennt, ist weder ein System, noch eine biblische Theologie, noch eine kirchliche Dogmatik, noch eine spekulative Theologie, wohl aber von alle dem etwas: mehr versichernd als entwickelnd, mehr eigenthümlich als ursprünglich, mehr dunkel als tief. S. m. Sendschreiben an Dr. Nizsch 1854. Indeß hat dieß Buch durch

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