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hauchen verstand, wäre es ihm nie eingefallen, durch diese zu reizen, wenn er nicht für Jenes gesorgt hätte. Das Unerlaßliche blieb ihm auch das Erste und Höchste.

Alle Mannigfaltigkeit und Schönheit des Lebens hilft daher dem Künstler nicht, wenn ihr nicht in der Einsamkeit seiner Phantasie die begeisternde Liebe zur reinen Form gegenübersteht. Dadurch wird es begreiflich, wie die Kunst gerade in einem Volk entstand, dessen Leben wohl nicht das beweglichste und anmuthigste war, das sich schwerlich durch Schönheit auszeichnete, dessen tiefer Sinn aber sich früh auf Mathematik und Mechanik wandte, das an ungeheuren, sehr einfachen, aber streng regelmäßigen Gebäuden Geschmack fand, das diese Architek tonik der Verhältnisse auch auf die Nachahmung der menschlichen Gestalt übertrug, und dem sein hartes Material das Element jeder Linie streitig machte. Die Lage des Griechen war in allem verschieden; reizende Schönheit, ein reich bewegtes, zuweilen selbst regelloses Leben, eine mannigfaltige, üppige Mythologie umgaben ihn, und sein Meißel gewann dem bildsamen Marmor, ja in der ältesten Zeit dem Holze, leicht jede Gestalt ab. Desto mehr ist die Tiefe und der Ernst seines Kunstsinns zu bewundern, daß er, ungeachtet aller dieser Lockungen zu oberflächlicher Anmuth, die ägyptische Strenge nur noch durch gründlichere Kenntniß des organischen Baues erhöhte.

Es mag sonderbar scheinen, zur Grundlage der Kunst nicht ausschließend den Reichthum des Lebens, sondern zugleich die Trockenheit mathematischer Anschauung zu machen. Aber es bleibt darum nicht minder wahr, und der Künstler bedürfte nicht der beflügelnden Kraft des Genie's, wenn er nicht bestimmt wäre, den tiefen Ernst streng beherr schender Ideen in die Erscheinung freien Spiels umzuwandeln. Es liegt aber auch ein fesselnder Zauber in der bloßen Anschauung der mathematischen Wahrheiten, der ewigen Verhältnisse des Raumes und der Zeit, fie mögen sich nun an Tönen, Zahlen oder Linien offenbaren. Ihre Betrachtung gewährt durch sich selbst eine ewig neue Befriedigung in der Entdeckung immer neuer Verhältnisse, und sich immer vollkommen lösender Aufgaben. In uns schwächt nur den Sinn für die Schönheit der Form reiner Wissenschaft zu frühe und vielfache Anwendung.

Die Nachahmung des Künstlers geht also von Ideen aus, und die Wahrheit der Gestalt erscheint ihm nur vermittelst dieser. Dasselbe muß, da in beiden Fällen die Natur das Nachzuahmende ist, auch bei der historischen statt finden, und es fragt sich nur, ob und welche Ideen es giebt, die den Geschichtsschreiber zu leiten im Stande sind?

Hier aber fordert das weitere Vorschreiten große Behutsamkeit, damit nicht schon die bloße Erwähnung von Ideen die Reinheit der

geschichtlichen Treue verleze. Denn wenn auch der Künstler und Ges schichtsschreiber beide darstellend und nachahmend sind, so ist ihr Ziel doch durchaus verschieden. Jener streift nur die flüchtige Erscheinung von der Wirklichkeit ab, berührt sie nur, um sich aller Wirklichkeit zu entschwingen; dieser sucht bloß sie, und muß sich in sie vertiefen. Allein gerade darum, und weil er sich nicht begnügen kann bei dem lofen äußern Zusammenhange des Einzelnen, sondern zu dem Mittelpunkt gelangen muß, aus dem die wahre Verkettung verstanden werden kann, so muß er die Wahrheit der Begebenheit auf einem ähnlichen Wege suchen, als der Künstler die Wahrheit der Gestalt. Die Ereignisse der Geschichte liegen noch viel weniger, als die Erscheinungen der Sinnenwelt, so offen da, daß man sie rein abzulesen vermöchte; ihr Verständniß ist nur das vereinte Erzeugniß ihrer Beschaffenheit und des Sinnes, den der Betrachter hinzubringt, und wie bei der Kunst, läßt sich auch bei Ihnen nicht Alles durch bloße Verstandes operation, eines aus dem andern logisch herleiten und in Begriffe zerlegen; man faßt das Rechte, das Feine, das Verborgne nur auf, weil der Geist richtig, es aufzufassen, gestimmt ist. Auch der Geschichtsschreiber, wie der Zeichner, bringt nur Zerrbilder hervor, wenn er bloß die einzelnen Umstände der Begeben. heiten, sie so, wie sie sich scheinbar darstellen, an einander reihend, auf. zeichnet; wenn er sich nicht strenge Rechenschaft von ihrem innern Zu sammenhange giebt, sich die Anschauung der wirkenden Kräfte verschafft, die Richtung, die sie gerade in einem bestimmten Augenblick nehmen, erkennt, der Verbindung beider mit dem gleichzeitigen Zustand, und den vorhergegangenen Veränderungen nachforscht. Um dies aber zu können, muß er mit der Beschaffenheit, dem Wirken, der gegenseitigen Abhängigkeit dieser Kräfte überhaupt vertraut sein, wie die vollständige Durchsuchung des Besondern immer die Kenntniß des Allgemeinen vorausseßt, unter dem es begriffen ist. In diesem Sinn muß das Auffassen des Geschehenen von Ideen geleitet sein.

Es versteht sich indeß freilich von selbst, daß diese Ideen aus der Fülle der Begebenheiten selbst hervorgehen, oder, genauer zu reden, durch die mit ächt historischem Sinn unternommene Betrachtung derselben im Geist entspringen, nicht der Geschichte, wie eine fremde Zugabe, gelichen werden müssen, ein Fehler, in welchen tie sogenannte philosophische Geschichte leicht verfällt. Ueberhaupt droht der historischen Treue viel mehr Gefahr von der philosophischen, als der dichterischen Behandlung, da diese wenigstens dem Stoff Freiheit zu lassen gewohnt ist. Die Philosophie schreibt den Begebenheiten ein Ziel vor; dies Suchen nach Endursachen, man mag fie auch aus dem Wesen des Menschen und der Natur selbst ableiten wollen, stört und verfälscht alle freie Ansicht des

eigenthümlichen Wirkens der Kräfte. Die teleologische Geschichte erreicht auch darum niemals die lebendige Wahrheit der Weltschicksale, weil das Individuum seinen Gipfelpunkt immer innerhalb der Spanne seines flüchtigen Daseins finden muß, und sie daher den lesten Zweck der Ereignisse nicht eigentlich in das Lebendige seßen kann, sondern es in gewissermaßen todten Einrichtungen, und dem Begriff eines idealen Ganzen sucht; sei es in allgemein werdendem Anbau und Bevölkerung des Erdbodens, in zunehmender Kultur der Völker, in innigerer Verbindung aller, in endlicher Erreichung eines Zustandes der Vollkommen heit der bürgerlichen Gesellschaft, oder in irgend einer Idee dieser Art. Von allem diesem hängt zwar unmittelbar die Thätigkeit und Glück. seligkeit der Einzelnen ab, allein was jede Generation davon, als durch alle vorigen errungen, empfängt, ist nicht Beweis, und nicht einmal immer gleich bildender Uebungsstoff ihrer Kraft. Denn auch was Frucht des Geistes und der Sinnesart ist, Wissenschaft, Kunst, sittliche Ein. richtung, verliert das Geistige, und wird zur Materie, wenn nicht der Geist es immer von neuem belebt. Alle diese Dinge tragen die Natur des Gedankens an sich, der nur erhalten werden kann, indem er gebacht wird.

Zu den wirkenden und schaffenden Kräften also hat sich der Ge schichtsschreiber zu wenden. Hier bleibt er auf seinem eigenthümlichen Gebiet. Was er thun kann, um zu der Betrachtung der labyrinthisch verschlungenen Begebenheiten der Weltgeschichte, in seinem Gemüthe ein. geprägt, die Form mitzubringen, unter der allein ihr wahrer Zu sammenhang erscheint, ist, diese Form von ihnen selbst abzuziehen. Der Widerspruch, der hierin zu liegen scheint, verschwindet bei näherer Betrachtung. Jedes Begreifen einer Sache seßt, als Bedingung seiner Möglichkeit, in dem Begreifenden schon ein Analogon des nachher wirklich Begriffenen voraus, eine vorhergängige, ursprüngliche Ueber. einstimmung zwischen dem Subjekt und Objekt. Das Begreifen ist leineswegs ein bloßes Entwickeln aus dem ersteren, aber auch kein bloßes Entnehmen vom lezteren, sondern beides zugleich. Denn es besteht allemal in der Anwendung eines früher vorhandenen Allgemeinen auf ein neues Besonderes. Wo zwei Wesen durch gänzliche Kluft getrennt find, führt keine Brücke der Verständigung von einem zum andern, und um sich zu verstehen, muß man sich in einem andern Sinn schon ver standen haben. Bei der Geschichte ist diese vorgängige Grundlage des Begreifens sehr klar, da Alles, was in der Weltgeschichte wirksam ist, sich auch in dem Innern des Menschen bewegt. Je tiefer daher das Gemüth einer Nation alles Menschliche empfindet, je zarter, vielseitiger und reiner sie dadurch ergriffen wird, desto mehr hat sie Anlage,

Geschichtsschreiber im wahren Sinne des Worts zu besiten. Zu dem so Vorbereiteten muß die prüfende Uebung hinzukommen, welche das Vorempfundene an dem Gegenstand berichtigend versucht, bis durch diese wiederholte Wechselwirkung die Klarheit zugleich mit der Gewißheit hervorgeht.

Auf diese Weise entwirft sich der Geschichtsschreiber durch das Studium der schaffenden Kräfte der Weltgeschichte ein allgemeines Bild der Form des Zusammenhanges aller Begebenheiten, und in diesem Kreis liegen die Ideen, von denen im vorigen die Rede war. Sie find nicht in die Geschichte hineingetragen, sondern machen ihr Wesen selbst aus. Denn jede todte und lebendige Kraft wirkt nach den Geseßen ihrer Natur, und Alles, was geschieht, steht, dem Raum und der Zeit nach, in unzertrennlichem Zusammenhange.

In diesem erscheint die Geschichte, wie mannigfaltig und lebendig sie sich auch vor unserm Blicke bewegt, doch wie ein todtes, unabänder. lichen Gesezen folgendes, und durch mechanische Kräfte getriebenes Ühr. werk. Denn eine Begebenheit erzeugt die andre, Maaß und Beschaffen. heit jeder Wirkung wird durch ihre Ursach gegeben, und selbst der frei scheinende Wille des Menschen findet seine Bestimmung in Umständen, die längst vor seiner Geburt, ja vor dem Werden der Nation, der er angehört, unabänderlich angelegt waren. Aus jedem einzelnen Moment die ganze Reihe der Vergangenheit, und selbst der Zukunft berechnen zu können, scheint nicht in sich, sondern wegen mangelnder Kenntniß einer Menge von Zwischengliedern unmöglich. Allein es ist längst erkannt, daß das ausschließende Verfolgen dieses Wegs gerade abführen würde von der Einsicht in die wahrhaft schaffenden Kräfte, daß in jedem Wirken, bei dem Lebendiges im Spiel ist, gerade das Hauptelement sich aller Berechnung entzieht, und daß jenes scheinbar mechanische Bestimmen doch ursprünglich frei wirkenden Impulsen gehorcht.

Es muß also, neben dem mechanischen Bestimmen einer Begebenheit durch die andre, mehr auf das eigenthümliche Wesen der Kräfte gesehen werden, und hier ist die erste Stufe ihr physiologisches Wirken. Alle lebendigen Kräfte, der Mensch wie die Pflanze, die Nationen wie das Individuum, das Menschengeschlecht wie die einzelnen Völker, ja selbst die Erzeugnisse des Geistes, so wie sie auf einem, in einer gewissen Folge fortgefeßten Wirken beruhen, wie Litteratur, Kunst, Sitten, die äußere Form der bürgerlichen Gesellschaft, haben Beschaffenheiten, Ent. wicklungen, Geseze mit einander gemein. So das stufenweise Erreichen eines Gipfelpunkts, und das allmählige Herabsinken davon, den Uebergang von gewissen Vollkommenheiten zu gewissen Ausartungen u. s. f. Unläugbar liegt hierin eine Menge geschichtlicher Aufschlüsse, aber

sichtbar wird auch hierdurch nicht das schaffende Princip selbst, sondern nur eine Form erkannt, der es sich beugen muß, wo es nicht an ihr einen erhebenden und beflügelnden Träger findet.

Noch weniger zu berechnen in seinem Gange, und nicht sowohl erkennbaren Gefeßen unterworfen, als nur in gewisse Analogieen zu fassen, sind die psychologischen Kräfte der mannigfaltig in einander greifenden menschlichen Fähigkeiten, Empfindungen, Neigungen und Leidenschaften. Als die nächsten Triebfedern der Handlungen, und die unmittelbarsten Ursachen der daraus entspringenden Ereignisse, beschäftigen sie den Geschichtsschreiber vorzugsweise, und werden am häufigsten zur Erklärung der Begebenheiten gebraucht. Aber diese Ansicht gerade erfordert die meiste Behutsamkeit. Sie ist am wenigsten welthistorisch, würdigt die Tragödie der Weltgeschichte zum Drama des Alltagslebens herab, ver. führt zu leicht, die einzelne Begebenheit aus dem Zusammenhange des Ganzen herauszureißen, und an die Stelle des Weltschicksals ein klein liches Getreibe persönlicher Beweggründe zu seßen. Alles wird auf dem von ihr ausgehenden Wege in das Individuum gelegt, und das Indivi duum doch nicht in seiner Einheit und Tiefe, seinem eigentlichen Wesen erkannt. Denn dies läßt sich nicht so spalten, analysiren, nach Erfah. rungen beurtheilen, die, von Vielen genommen, auf Viele passen sollen. Seine eigenthümliche Kraft geht alle menschliche Empfindungen und Leidenschaften durch, drückt aber allen ihren Stempel und ihren Cha rakter auf.

Man könnte den Versuch machen, nach diesen drei, hier angedeuteten Ansichten, die Geschichtsschreiber zu klasificiren, aber die Charakteristik der wahrhaft genialischen unter ihnen würde durch keine, ja nicht durch alle zusammengenommen erschöpft. Denn diese Ansichten selbst erschöpfen auch nicht die Ursachen des Zusammenhangs der Begebenheiten, und die Grundidee, von welcher aus allein das Verstehen dieser in ihrer vollen Wahrheit möglich ist, liegt nicht in ihrem Kreise. Sie umfassen nur die, in regelmäßig sich wieder erzeugender Ordnung überschaubaren Erscheinungen der todten, lebendigen und geistigen Natur, aber keinen freien und selbstständigen Impuls einer ursprünglichen Kraft; jene Erscheinungen geben daher auch nur Rechenschaft von regelmäßig, nach erkanntem Gesez, oder sichrer Erfahrung wiederkehrenden Entwicklungen; was aber wie ein Wunder entsteht, sich wohl mit mechanischen, physiologischen und psychologischen Erklärungen begleiten, aber aus keiner solchen wirklich ableiten läßt, das bleibt innerhalb jenes Kreises auch nicht bloß uner. klärt, sondern unerkannt.

Wie man es immer anfangen möge, so kann das Gebiet der Erscheinungen nur von einem Punkte außer demselben begriffen werden,

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