ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Die Vernunft kann in einer anarchischen Welt nicht aushalten. Stets nach Lebereinstimmung strebend, läuft sie lieber Gefahr, die Ord. nung unglücklich zu vertheidigen, als mit Gleichgültigkeit zu entbehren.

War die Völkerwanderung und das Mittelalter, das dar. auf folgte, eine nothwendige Bedingung unsrer bessern Zeiten?

Asien kann uns einige Aufschlüsse darüber geben. Warum blühten hinter dem Heerzuge Alexanders keine griechischen Freistaaten auf? Warum sehen wir Sina, zu einer traurigen Dauer verdammt, in ewiger Kindheit altern? Weil Alexander mit Menschlichkeit erobert hatte, weil die kleine Schaar seiner Griechen unter den Millionen des großen Königs verschwand, weil sich die Horden der Mantschu in dem ungeheuren Sina unmerkbar verloren. Nur die Menschen hatten sie unterjocht; die Geseße und die Sitten, die Religion und der Staat waren Sieger geblieben. Für despotisch beherrschte Staaten ist keine Rettung, als in dem Untergang. Schonende Eroberer führen ihnen nur Pflanzvölker zu, nähren den siechen Körper, und können nichts, als seine Krankheit verewigen. Sollte das verpestete Land nicht den gesunden Sieger vergiften, sollte sich der Deutsche in Gallien nicht zum Römer verschlimmern, wie der Grieche zu Babylon in einen Perser ausartete, so mußte die Form zerbrochen werden, die seinem Nachahmungsgeist gefährlich werden konnte, und er mußte auf dem neuen Schauplah, den er jest betrat, in jedem Betracht der stärkere Theil bleiben.

Die scythische Wüste öffnet sich, und gießt ein rauhes Geschlecht über den Occident aus. Mit Blut ist seine Bahn bezeichnet. Städte sinken hinter ihm in Asche, mit gleicher Wuth zertritt es die Werke der Menschenhand und die Früchte des Ackers, Pest und Hunger holen nach, was Schwert und Feuer vergaßen; aber Leben geht nur unter, damit besseres Leben an seiner Stelle keime. Wir wollen ihm die Leichen nicht nachzählen, die es aufhäufte, die Städte nicht, die es in die Asche legte. Schöner werden sie hervorgehen unter den Händen der Freiheit, und ein besserer Stamm von Menschen wird sie bewohnen. Alle Künste der Schönheit und der Pracht, der Ueppigkeit und Verfeinerung gehen unter; kostbare Denkmäler, für die Ewigkeit gegründet, sinken in den Staub, und eine tolle Willkür darf in dem feinen Räderwerk einer geistreichen. Ordnung wühlen; aber auch in diesem wilden Tumult ist die Hand der Ordnung geschäftig, und was den kommenden Geschlechtern von den Schäßen der Vorzeit beschieden ist, wird unbemerkt vor dem zerstörenden Grimm des jeßigen geflüchtet. Eine wüste Finsterniß breitet sich jest über dieser weiten Brandstätte aus, und der elende ermattete Ueberrest ihrer Bewohner hat für einen neuen Sieger gleich wenig Widerstand und Verführung.

-

Raum ist jest gemacht auf der Bühne und ein neues Völkergeschlecht besest ihn, schon seit Jahrhunderten still, und ihm selbst unbe wußt, in den nordischen Wäldern zu einer erfrischenden Kolonie des erschöpften Westen erzogen. Roh und wild find seine Geseze, seine Sitten; aber sie ehren in ihrer rohen Weise die menschliche Natur, die der Alleinherrscher in seinen verfeinerten Sklaven nicht ehret. Unverrückt, als wär' er noch auf salischer Erde, und unversucht von den Gaben, die der unterjochte Römer ihm anbietet, bleibt der Franke den Gefeßen treu, die ihn zum Sieger machten; zu stolz und zu weise, aus den Händen der Unglücklichen Werkzeuge des Glücks anzunehmen. Auf dem Aschenhaufen römischer Pracht breitet er seine nomadischen Gezelte aus, bäumt den eisernen Speer, sein höchstes Gut, auf dem eroberten Boden, pflanzt ihn vor den Richterstühlen auf, und selbst das Christen thum, will es anders den Wilden fesseln, muß das schreckliche Schwert umgürten.

Und nun entfernen sich alle fremden Hände von dem Sohne der Natur. Zerbrochen werden die Brücken zwischen Byzanz und Massilien, zwischen Alexandria und Rom, der schüchterne Kaufmann eilt heim, und das ländergattende Schiff liegt entmastet am Strande. Eine Wüste von Gewässern und Bergen, eine Nacht wilder Sitten wälzt sich vor den Eingang Europens hin, der ganze Welttheil wird geschlossen.

1

Ein langwieriger, schwerer und merkwürdiger Kampf beginnt jest, der rohe germanische Geist ringt mit den Reizungen eines neuen Him. mels, mit neuen Leidenschaften, mit des Beispiels stiller Gewalt, mit dem Nachlaß des umgestürzten Roms, der in dem neuen Vaterland noch in tausend Nezen ihm nachstellt, und wehe dem Nachfolger eines Klo. dion, der auf der Herrscherbühne des Trajanus sich Trajanus dünkt! Tausend Klingen find gezückt, ihm die scythische Wildniß ins Gedächtniß zu rufen. Hart stößt die Herrschsucht mit der Freiheit zusammen, der Troß mit der Festigkeit, die Lift strebt, die Kühnheit zu umstricken, das schreckliche Recht der Stärke kommt zurück, und Jahrhunderte lang sieht man den rauchenden Stahl nicht erkalten. Eine trau rige Nacht, die alle Köpfe verfinstert, hängt über Europa herab, und nur wenige Lichtfunken fliegen auf, das nachgelassene Dunkel desto schrecklicher zu zeigen. Die ewige Ordnung scheint von dem Steuer der Welt geflohen, oder, indem sie ein entlegenes Ziel verfolgt, das gegen. wärtige Geschlecht aufgegeben zu haben. Aber, eine gleiche Mutter allen ihren Kindern, rettet sie einstweilen die erliegende Ohnmacht an den Fuß der Altäre, und gegen eine Noth, die sie ihm nicht erlassen kann, stärkt sie das Herz init dem Glauben der Ergebung. Die Sitten vertraut sie dem Schuß eines verwilderten Christenthums, und vergönnt dem mittlern

Geschlechte, sich an diese wankende Krücke zu lehnen, die sie dem stärkern Engel zerbrechen wird. Aber in diesem langen Kriege erwarmen zugleich die Staaten und ihre Bürger; kräftig wehrt sich der deutsche Geist gegen den herzumstrickenden Despotismus, der den zu früh ermattenden Römer erdrückte; der Quell der Freiheit Springt in lebendigem Strom, und unüberwunden, und wohlbehalten langt das spätere Ge schlecht bei dem schönen Jahrhundert an, wo sich endlich, herbeigeführt durch die vereinigte Arbeit des Glücks und der Menschen, das Licht des Gedankens mit der Kraft des Entschlusses, die Einsicht mit dem Heldenmuth gatten soll. Da Rom noch Scipionen und Fabier zeugte, fehlten ihm die Weisen, die ihrer Tugend das Ziel gezeigt hätten; als seine Weisen blühten, hatte der Despotismus sein Opfer gewürgt, und die Wohlthat ihrer Erscheinung war an dem entnervten Jahrhundert ver loren. Auch die griechische Tugend erreichte die hellen Zeiten des Perikles und Alexanders nicht mehr, und als Harun seine Araber denken lehrte, war die Glut ihres Busens erkaltet. Ein bessrer Genius war es, der über das neue Europa wachte. Die lange Waffenübung des Mittelalters hatte dem sechszehnten Jahrhundert ein gesundes, starkes Geschlecht zugeführt, und der Vernunft, die jezt ihr Panier entfaltet, kraftvolle Streiter erzogen.

Auf welchem andern Strich der Erde hat der Kopf die Herzen in Glut gefeßt und die Wahrheit *) den Arm der Tapfern bewaffnet? Wo sonst, als hier, erlebte man die Wundererscheinung, daß Vernunft. schlüsse des ruhigen Forschers das Feldgeschrei wurden in mörderischen Schlachten, daß die Stimme der Selbstliebe gegen den stärkern Zwang der Ueberzeugung schwieg, daß der Mensch endlich das Theuerste an das Edelste seşte? Die erhabenste Anstrengung griechischer und römischer Tugend hat sich nie über bürgerliche Pflichten geschwungen, nie oder nur in einem einzigen Weisen, dessen Name schon der größte Vorwurf seines Zeitalters ist: das höchste Opfer, das die Nation in ihrer Heldenzeit brachte, wurde dem Vaterland gebracht. Beim Ablauf des Mittelalters allein erblickt man in Europa einen Enthusiasmus, der einem höhern Vernunftidol auch das Vaterland opfert. Und warum nur hier,

*) Oder was man dafür hielt. Es braucht wohl nicht erst gesagt zu werden, daß es hier nicht auf den Werth der Materie ankommt, die gewonnen wurde, sondern auf die unternommene Mühe der Arbeit; auf den Fleiß und nicht auf das Erzeugniß. Was es auch sein möchte, wofür man kämpfte es war immer ein Kampf für die Vernunft; denn durch die Vernunft allein hatte man das Recht dazu erfahren, und für dieses Recht wurde eigentlich ja nur gestritten.

und auch hier nur einmal diese Erscheinung? Weil in Europa allein, und hier nur am Ausgang des Mittelalters, die Energie des Willens mit dem Licht des Verstandes zusammentraf, hier allein ein noch männliches Geschlecht in die Arme der Weisheit geliefert wurde.

Durch das ganze Gebiet der Geschichte sehen wir die Entwicklung der Staaten mit der Entwicklung der Köpfe einen sehr ungleichen Schritt beobachten. Staaten find jährige Pflanzen, die in einem kurzen Sommer verblühn, und von der Fülle des Saftes rasch in die Fäulniß hinübereilen; Aufklärung ist eine langsame Pflanze, die zu ihrer Zei tigung einen glücklichen Himmel, viele Pflege und eine lange Reihe von Frühlingen braucht. Und woher dieser Unterschied? Weil die Staaten der Leidenschaft anvertraut sind, die in jeder Menschenbrust ihren Zunder findet, die Aufklärung aber dem Verstande, der nur durch fremde Nachhülfe sich entwickelt, und dem Glück der Entdeckungen, welche Zeit und Zufälle nur langsam zusammentragen. Wie oft wird die eine Pflanze blühen und welken, ehe die andere einmal heranreift? Wie schwer ist es also, daß die Staaten die Erleuchtung abwarten, daß die späte Vernunft die frühe Freiheit noch findet? Einmal nur in der ganzen Weltgeschichte hat sich die Vorsehung dieses Problem aufgegeben, und wir haben gesehen, wie sie es lös'te. Durch den langen Krieg der mittlern Jahrhunderte hielt sich das politische Leben in Europa frisch, bis der Stoff endlich zusammengetragen war, das mora lische zur Entwicklung zu bringen *).

*) Freiheit und Kultur, so unzertrennlich beide in ihrer höchsten Fülle mit einander vereinigt sind, und nur durch diese Vereinigung zu ihrer höchsten Fülle gelangen, so schwer sind sie in ihrem Werden zu verbinden. Ruhe ist die Bedingung der Kultur, aber nichts ist der Freiheit gefährlicher als Ruhe. Alle verfeinerte Nationen des Alterthums haben die Blüthe ihrer Kultur mit ihrer Freiheit erkauft, weil sie ihre Ruhe von der Unterdrückung erhielten. Und eben darum gereichte ihre Kultur ihnen zum Verderben, weil sie aus dem Verderblichen entstanden war. Sollte dem neuen Menschengeschlecht dieses Opfer erspart werden, d. i. sollten Freiheit und Kultur sich bei ihm vereinigen, so mußte es seine Nuhe auf einem ganz andern Weg als dem Despotismus empfangen. Kein andrer Weg war aber möglich als die Geseze, und diese kann der noch freie Mensch nur sich selber geben. Dazu aber wird er sich nur aus Einsicht und Erfahrung entweder ihres Nuzens, oder der schlimmen Folgen ihres Gegentheils entschließen. Jenes sezte schon voraus, was erst geschehen und erhalten werden soll; er kann also nur durch die schlimmen Folgen der Gesezlosigkeit dazu gezwungen werden. Geseglosigkeit aber ist nur von sehr kurzer Dauer, und führt mit rafchem Uebergange zur willkürlichen Gewalt. Ehe die Vernunft die Geseze gefunden

Nur Europa hat Staaten, die zugleich erleuchtet, gesittet und ununterworfen sind; sonst überall wohnt die Wildheit bei der Freiheit, und die Knechtschaft bei der Kultur. Aber auch Europa allein hat sich durch ein kriegerisches Jahrtausend gerungen, und nur die Verwüstung im fünften und sechsten Jahrhundert konnte dieses kriegerische Jahrtausend herbeiführen. Es ist nicht das Blut ihrer Ahnherren, nicht der Charakter ihres Stammes, der unsre Väter vor dem Joch der Unter drückung bewahrte, denn ihre gleich frei gebornen Brüder, die Turkomannen und Mantschu, haben ihre Nacken unter den Despotismus gebeugt. Es ist nicht der europäische Boden und Himmel, der ihnen dieses Schicksal ersparte, denn auf eben diesem Boden und unter eben diesem Himmel haben Gallier und Britten, Hetrurier und Lusitaner das Joch der Römer geduldet. Das Schwert der Vandalen und Hunnen, das ohne Schonung durch den Occident mähte, und das kraftvolle Völ kergeschlecht, das den gereinigten Schauplaß besezte, und aus einem tausendjährigen Kriege unüberwunden kam diese sind die Schöp. fer unsers jeßigen Glücks; und so finden wir den Geist der Ordnung in den zwei schrecklichsten Erscheinungen wieder, welche die Geschichte aufweiset.

Ich glaube dieser langen Ausschweifung wegen keiner Entschuldigung zu bedürfen. Die großen Epochen in der Geschichte verknüpfen sich zu genau mit einander, als daß die Eine ohne die Andre erklärt werden könnte; und die Begebenheit der Kreuzzüge ist nur der Anfang zur Auf. lösung eines Räthsels, das dem Philosophen der Geschichte in der Völkerwanderung aufgegeben worden.

Im dreizehnten Jahrhundert ist es, wo der Genius der Welt, der schaffend in der Finsterniß gesponnen, die Decke hinwegzieht, um einen Theil seines Werks zu zeigen. Die trübe Nebelhülle, welche tausend Jahre den Horizont von Europa umzogen, scheidet sich in diesem Zeit punkt, und heller Himmel sieht hervor. Das vereinigte Elend der geistlichen Einförmigkeit und der politischen Zwietracht, der Hierarchie und der Lehenverfassung, vollzählig und erschöpft beim Ablauf des eilsten Jahrhunderts, muß sich in seiner ungeheuersten Geburt, in dem Taumel der heiligen Kriege, selbst ein Ende bereiten.

Ein fanatischer Eifer sprengt den verschlossenen Westen wieder auf, und der erwachsene Sohn tritt aus dem väterlichen Hause. Erstaunt

hätte, würde die Anarchie sich längst in Despotismus geendigt haben. Sollte die Vernunft also Zeit finden, die Geseze sich zu geben, so mußte die Gesch losigkeit verlängert werden, welches in dem Mittelalter geschehen ist.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »