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,,Doch sie wandte den Sinn, von der Göttin erregt, zu der Unthat." Und diese selbst sagt von sich:

,,ich beseufze das Unheil, das Aphrodite

Gab, da sie dorthin mich vom Vaterlande geführet."

Diese Verblendung und Verführung zum Bösen, wodurch sich das menschliche Gemüth so oft umstrickt fühlt, in ihren mannigfaltigen Gründen und Wirkungen zusammengefaßt und personifizirt ist die furchtbare Göttin Ate.

Hiebei ist jedoch dieses zu berücksichtigen. Einmal, wie ich schon andeutete, findet sich keine Spur, daß man böse Handlungen mit Absicht unternahm, und dieselben dann durch diesen Saß gerechtfertigt glaubte. Es war dieser Glaube, wenn ich so sagen darf, mehr theoretisch als praktisch; man wollte sich damit nur das ewig dunkle Räthsel vom Ür sprunge des Bösen, von dem Zwiespalt der menschlichen Natur erklären. Ferner findet sich diese Vorstellung in vielen Fällen auch so gewendet, daß die erste böse Regung und der Anfang der Sünde von dem freien Entschlusse ausgehend gedacht wird; aber dann, nachdem dieser Anfang gemacht ist, verblenden die Götter den Bösen und Stolzen noch mehr, um ihn von einer um so höhern Höhe herabstürzen zu können. Endlich fehlt es hier auch nicht an reineren und richtigen Vorstellungen. So läßt Homerus, gleichsam zur Belehrung und Zurechtweisung seiner Zeitgenossen, Hermes, den Gott des klaren und hellen Verstandes, irgend gen:

,,Wunder, wie sehr doch klagen die Sterblichen wider die Götter!
Stur von uns sei Böses, vermeinen sie; aber sie selber
Schaffen durch Unverstand auch gegen Geschick sich das Elend."

Doch wundern wir uns nicht über diese Beschränkung des mensch. lichen Willens. Sind ja doch selbst die unsterblichen Götter nach grie chischer Ansicht nicht im Besiß vollkommner, unumschränkter Freiheit des Handelns. Auch sie stehen unter dem Geseße eines ewigen, unabänder. lichen Schicksals. So flagt Zeus selbst darüber, daß sein Sohn Sarpe don dem Geschicke unterliegt, und er vermag es nicht, ihn zu retten; und so war ja auch aller Wechsel der Götterherrschaft, des Uranos und Kronos Fall von dem Schicksale bestimmt, das auch die Begegnisse des menschlichen Lebens unabänderlich festseßt. Man würde jedoch irren, wenn man diese fatalistischen Vorstellungen in fittlicher Hinsicht für so nachtheilig hielte, als fie allerdings hätten werden können, wenn man sie mit bösartiger Absichtlichkeit als Marime des Handelns erdacht hätte. Es trat dieser Glaube fast nur in solchen Fällen hervor, wo auf eine besonders augenscheinliche und auffallende oder vernichtende Weise sich

die Wirkung jener unendlichen Macht zeigte, welche unserm Willen un bezwingbar entgegensteht. Daher denn auch die Inkonsequenz in der Volksansicht und deren treuestem Spiegel, den homerischen Gedichten, daß bald dem Schicksale die Bestimmung der Weltbegebenheiten und des Looses der Einzelnen zugeschrieben wird und bald dem Willen der Götter. In der ersten Ansicht spricht Hektor zu seiner Gemahlin *):

,,Armes Weib, nicht mußt du zu sehr mir trauern im Herzen!
Keiner wird gegen Geschick hinab mich senden zum Aïs.
Doch dem Verhängniß entrann wohl nie der Sterblichen einer,
Edel oder geringe, nachdem er einmal gezeugt ward.“

Dagegen heißt es an andern Stellen **):

„Zeus selber ertheilt der Olympier jeglichem Menschen, Edeln so wie geringen, nach eigner Wahl ihr Verhängniß.“ Und ***):

„Zeus, der sein Geschick giebt

Jedem sterblichen Mann, so wie ihm selbst es beliebet."

Eine Milderung dieser Schicksals. Idee war es auch, daß man au= nahm, Beschlüsse des Verhängnisses könnten zwar nicht aufgehoben, aber durch sittliche Kraft, durch Tugend und Anstrengung doch verschoben und geändert werden f). In den homerischen Gedichten überdies wird das Schicksal nicht so sehr oft von dem auf alles ausgedehnten und alles umfassenden Walten der unergründlichen Nothwendigkeit verstanden, son dern meistens nur von dem voraus bestimmten Lebensziele ††), welches, wie alles andre in der Natur, durch ewige Ordnung festgesest ist. Daß die älteste griechische Vorwelt überhaupt in dem Schicksal dem Grunde nach nichts anderes als die ewige Ordnung der Dinge sah, zeigen uns die für diese Vorstellung gebräuchlichen Wörter H), welche sowohl ihrer ursprünglichen Bedeutung, als ihrem sonstigen Gebrauche nach nichts anders aus. drücken als Ordnung, gehörigen Antheil, gehöriges Maaß. Liegt doch auch bei unserer deutschen Bezeichnung die nämliche Anschauung zu Grunde. Schicksal ist zulezt im Wesen und Laufe der Dinge das, was sich schickt und past, auch wenn wir nicht jedesmal die Gründe davon. einsehen. Die spätern Griechen, durch die Entwickelung eines helleren Selbstbewußtseins zu einer mehr geschlossenen und der Außenwelt schär.

*) Od. VI, 486. **) Od. VI, 188. ***) Od. I, 348.

†) Od. XVI, 780. XVII, 321.

+) Heyne zu II. VI, 487.

ttt) moïça, aioa..

fer entgegengeseßten Subjektivität gelangt, zugleich durch eine größere Fülle von Erfahrungen mehr mit der Schattenseite des Lebens bekannt, bildeten sich ein mit mehr Consequenz durchgeführtes, trüberes Fatum. Das ist die Ansicht, welche die tragische Bühne, ein eben so sehr der Religion als Poesie gewidmetes Institut, aufnahm und fortbildete. Doch auch diese Ansicht wirkte nicht verderblich oder lähmend auf die griechi sche Sittlichkeit, wie die Geschichte zeigt, und zwar, wie es scheint, aus folgenden Gründen. War das Gewicht und die Macht eines eisernen, oft zu Frevelthaten und Verbrechen gleichsam zwingenden Schicksales auf diese Weise verstärkt: so hatte sich auch auf der andern Seite im Ver lauf der Zeit das moralische Gefühl durch natürliche Entwickelung, so wie durch Einwirkung einzelner ausgezeichneter Männer, Gefeßgeber, Dichter und Philosophen geschärft und geläutert. Ferner wird man bei den meisten Schicksalsfabeln der griechischen Tragödie und gerade bei einigen der furchtbarsten finden, daß das Schicksal nicht leicht den ganz Unschuldigen und Reinen trifft, sondern meistens durch Vergehen und Fehltritte, durch Nichtachtung eines heiligen Orakelspruches, oder sonst irgend eines göttlichen oder menschlichen Gesezes herbeigeführt wird, und auf diese Art als ein rächendes, wenn auch furchtbar strenges, aber eben dadurch um so wirksameres Strafgericht erscheint. Dann bewegte sich auch das ganze tragische Spiel auf der Höhe der Herven. und Götter, welt, und das Schicksal der hier auftretenden alten Helden und Könige war den Griechen gleichsam Völker und Weltschicksal, so daß, was der Zuschauer mit Staunen und heiliger Furcht hier sah, sich nicht so unmittelbar zur Anwendung im gewöhnlichen Privatleben darbot. Ein klarer Beweis von dem ethischen Gehalt dieser dramatischen religiösen Festspiele geht endlich daraus hervor, daß noch jeßt der Leser derselben fein sittliches Gefühl und seine fittliche Thatkraft nicht gelähmt, noch niedergedrückt, sondern vielmehr durch den Anblick der erhabensten AeuBerungen menschlicher Kraft und Tugend, durch Gesänge und Sprüche voll gereifter Weisheit und der edelsten Gesinnungen gestärkt und erho ben fühlt.

Nachdem wir nun bei dieser Betrachtung des Ethischen in der griechischen Vorstellung von dem göttlichen Wesen den Anthropomorphismus und die Idee des Schicksals herausgehoben haben, bleibt uns jezt noch ein drittes allgemeines Moment dieser Untersuchung übrig, welches uns zugleich überführt zu einer kurzen Aufzählung der einzelnen Gottheiten, an welche bestimmte ethische Ideen geknüpft sind. Wie nämlich die ganze Natur dem Griechen eine große Gesammtheit göttlicher Wesen war, wie er alle natürlichen Vorzüge, alle Fertigkeiten und Künste als unmittelbare Geschenke eines Gottes ansah, und jedes Geschäft, jeden

Stand unter den theilnehmenden Schuß und die Leitung eines Gottes stellte: so stand gleichermaßen alles Rechtliche und Sittliche in den Lebensverhältnissen der Einzelnen, der Familien, der Staaten, in innigster Verbindung mit der Religion und in unmittelbarem Bezug auf das Göttliche. Es ist offenbar, von welch durchgreifendem Einflusse, von wie überaus heilsamen Folgen diese Ansicht der Dinge sein mußte. Denn mögen die griechischen Volksgötter auch noch so menschenähnlich· und darum in gewisser Hinsicht beschränkt sein: so behauptete doch das Ge fühl des Göttlichen seine Rechte, und so wenig befriedigend diese Ansicht der Dinge für uns ist, so enthielt sie doch für jene Menschheit, aus der sie hervorging, das Höchste und Schönste, dessen sie fähig war. Wenn nun also an dieses Höchste die sittlichen und rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft geknüpft waren, wenn die daraus entspringenden Rechte und Pflichten dem Schuße und der Aufsicht der Götter übergeben wurden, so bereicherte man einerseits die Religion mit einem wirksamen ethischen Elemente, so wie man andrerseits dem Rechte und der Verfassung eine Garantie gab, welche bei der damaligen Art zu denken und zu fühlen, die sicherste und höchste, ja beinahe die einzige war.

Auf diesem Gebiete tritt uns zuerst entgegen der panhellenische Nationalgott Zeus. Derselbe Gott, von dem die Dichter so viele Liebeshändel und täuschende Verwandlungen erzählten, der mit der Blüthe sterblicher Frauen in heitrer, leichter Lebensfülle ein Geschlecht kräftiger Herven erzeugte, derselbe Gott war auch Urheber und Aufseher von Recht, Ordnung und Gefeß im Hause, auf dem Markte, in dem Rathe der Könige, in der Versammlung des gesammten Volkes, und hatte als solcher eine Menge ehrender und bezeichnender Beinamen und eine got. tesdienstliche Verehrung, welche vielfältig Ernst, Heil und Ordnung in das Leben brachte. So wunderbar durchdrangen sich bei diesem Volke die heitersten, üppigsten Spiele der Phantasie und des Scherzes mit besonnenem Ernste und religiöser Scheu, da, wo es die ersten Pflichten und Einrichtungen der menschlichen Gesellschaft, wo es die Bande der Natur und überhaupt, wo es das Wesentliche im Leben galt. - Die erste Be dingung, so wie die erste Wohlthat eines menschlicheren, gesitteten Da. seins ist fester Wohnsis, Heimath, eigner Heerd und der dadurch theils gegründete, theils befestigte Familienverein. Das Alterthum, noch näher der Ürzeit thierischer Rohheit und wilden Umherschweifens, mußte eben darum den Werth dieser Einrichtungen lebendiger fühlen, als wir: ihm galten sie für etwas Göttliches und Heiliges. Diese Wohlthaten nun eines sichern Wohnortes, diese Freuden der Häuslichkeit leitete man unmittelbar von Zeus ab und stellte dieselben unter seinen Schuß und Segen. Von der griechischen Benennung des umschlossenen Hofraumes,

der alles dieses, Haus, Eigenthum, Familie, in sich barg, hieß der Gott in dieser Beziehung Zeus Herkeios. Sein Bild stand auf einem Hausaltar an dem äußersten Thore des Hofes. Bei wichtigen Vorfällen, welche des Hauses Ehre und Wohl berührten, wurden an diesem Altare Schwüre, Zeugnisse und Gericht gegeben. Eben so war auch das Innere des Hauses durch die Nähe und Verehrung einer Gottheit geheiligt. Der Heerd, von dem die Segnungen der Wärme ausgehen, so wie eine bessere, menschlichere Nahrung, als die rohe Kost der ersten Zeit war, galt für den Altar der hehren Hestia. In demselben Sinn hatte auch fast eine jede griechische Stadt in ihrer Mitte einen Tempel dieser Göt tin, den man Prytaneum nannte, gleichsam einen Gesammtheerd, der zu einer großen Familie vereinigten Gemeinde, und der sichtbare Mittelpunkt der gemeinsamen Heimath. Und gleichwie ruhiger, ungestörter Befiß und Genuß des Hauses Anfang und Ende der bürgerlichen Vereinigung ist: so war es Sitte der Griechen bei feierlichen Bündnissen und Verträgen, ja fast bei allen Opfern mit einem Gebete an Hestia zu beginnen und zu schließen. Wenn man am eignen Heerde fißend dessen Werth so lebendig fühlte, so war es natürlich, daß bessere Gemüther Unglückliche, welche keine Heimath hatten, daß sie Fremdlinge, welche sich fern von ihrem heimathlichen Heerde befanden, gern an den Vortheilen und Seg. nungen desselben Theil nehmen ließen. Dieser menschlichen und schönen Regungen bemächtigte sich die Religion, machte sich zu einer heiligen Pflicht und knüpfte ihre Ausübung an die Scheu vor den höchsten Göttern. Denn was der Sänger die Königstochter Nausikaa zum Troste des Odysseus sagen läßt *): -,,Zeus gehören ja alle Fremd ling' und Darbende an" war allgemeiner Glaube jener Zeit. Heilig war, wer irgend in einer Roth als Fremdling Hülfe suchte, und als folch ein Hülfsbedürftiger und Bittender sich durch gewisse Zeichen zu erkennen gab. Daran erinnert Odysseus den ungastfreundlichen Cyklo. pen, indem er sagt **):

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,,Scheue doch, Bester, die Götter! Wir nahn dir jezo mit Demuth;
Aber dem Bittenden ist und Fremdlingen Zeus ein Nächer,

Der gastfreundlich den Gang ehrwürdiger Fremdlinge leitet."

So bildete sich jene so schöne Sitte der griechischen Gastfreundschaft unter dem Schuße und der Autorität der Religion, eine Sitte, die immer dem menschlichen Gefühle wohlthätig und für den Verkehr der Menschen unter sich ersprießlich ist, die aber in jenen früheren Zeiten bei den noch nicht vervollkommneten gesellschaftlichen Einrichtungen um

*) Od. VI, 207.

**) Od. IX, 270.

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