ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

so wichtiger und heilsamer sein mußte. Besonders erfreuten sich dieses milden Schußes diejenigen Unglücklichen, die sich eines unfreiwilligen Mordes schuldig gemacht hatten, und dadurch der Blutrache der Ver. wandten preisgegeben waren, so wie der göttlichen Rache, von welcher nach den Begriffen des Alterthums auch ein unvorfäßlicher Mord nicht verschont blieb. War nun ein solcher zu dem Altar der Hestia geflohen, so hatte der Hausherr die Pflicht, ihn zu schüßen, durch vorgeschriebene Opfer und Gebräuche zu reinigen und so wieder in die Gemeinschaft der Götter und Menschen den Verstoßenen zurückzuführen. Alle diese eben genannten Pflichten und heiligen Gebräuche leiteten die Griechen von Zeus ab, stellten sie unter seinen Schuß, und verehrten ihn in die ser Beziehung mit den entsprechenden Namen: Zeus Xenios, Hikesīvs, Katharsios. Aber Zeus ist nicht blos die Quelle des Rechten und Ord. nungsmäßigen in den Privatverhältnissen, welche sich auf das Haus gründen: er ist auch Ertheiler des öffentlichen Rechtes, der Ordnung der Gemeinden, Völker und Staaten. Jene alten Stammkönige, jene Hirten der Völker, welche in der frühesten Zeit in erblichen Königreichen Anführer, Richter und Priester waren, leiteten meistens nach der mythifchen Genealogie ihr Geschlecht und eben so auch ihre Gewalt und ihr Recht von diesem obersten König der Menschen und Götter ab. Von Zeus kommt der Scepter her, ererbt von Vater auf Sohn, womit Agamemnon über die Achäer herrscht. Als später das Königthum nach und nach der Aristokratie und Demokratie wich, waren auch bei diesen neuen Formen die wichtigsten politischen Ideen, die bedeutendsten Staats. einrichtungen, die Autorität des öffentlichen Rechtes und der Geseße auf Religion gegründet und vielfältig an göttliche Wesen und Namen ges knüpft. Zeus, der städtische*), galt den Hellenen als höchster Stadtkönig und Stadtbeschüßer, sowohl der Gesammtheit der Gemeinde, als auch der einzelnen, für sich bestehenden Theile derselben. Denn so finden wir es doch in den Staaten des Alterthums, daß die Gemeinden wahrschein lich von ihrem ersten Entstehen an durch das Zusammentreten einzelner, vorher patriarchalisch geführter Familien und Stämme, aus kleinern und größern Abtheilungen, Phylen und Phratrien, Tribus und Curien genannt, bestanden. Die Glieder dieser Zünfte und Stämme nun waren durch gemeinschaftliche Götter, Opfer und Feste zur Hülfe und Luft des Lebens innig mit einander verbunden, und wurden durch dieses religiöse Band hauptsächlich zusammengehalten. Dieser Gesellschaften Eintracht und Wohlfahrt beaufsichtete und erhielt Zeus Phratrivs, Zeus Homo. gnios. Denselben Kreis ethisch - politischer Religions - Ideen berührt auch

*) πολιεύς.

die Göttin Athene, welche ohnehin als personifizirte Weisheit in den Künsten des Friedens und Krieges, als reine Jungfrau, als Beschüßerin kluger und tugendhafter Helden mehr der Sphäre des Geistigen als des Sinnlichen angehörte. Unter ihrer Autorität und ihrem Schuße stand eines der ältesten und angesehensten Criminalgerichte zu Athen, das bei dem Palladium. Ferner wie überhaupt die alte Welt Verträge der Völker und Bundesversammlungen durch Opfer, religiöse Gebräuche und Anrufung der Götter bekräftigte und heiligte: so stand auch das Gericht der Amphyktionen unter dem Schuße dieser Göttin, welche in dieser Beziehung Bronöa, die vorsichtige, hieß.

Ich breche diese Betrachtungen über den so äußerst wichtigen und folgereichen Zusammenhang der politischen Institutionen mit der Volks. religion der Griechen hier ab, um schließlich noch an einige einzelne Gottheiten erinnern zu können, welche dem Gebiete des Ethischen ange. hören. Diese sind theils solche, deren erste Hauptvorstellung ursprünglich physisch und historisch war, aber nachher ethisch gewendet wurde, oder es sind solche, welche gleich anfänglich und durchaus als Allegorien und Personifikationen ethischer Ideen angesehen werden müssen. Als ein sehr bedeutendes und beziehungsreiches Beispiel der ersten Art kann uns der Mythus des Herkules gelten. Diese ursprüngliche Personifikation der starken, siegreichen Sonne wurde ethisch aufgefaßt als Vorbild eines Kämpfers gegen alle Erzeugnisse des Dunkels und des Bösen, ́als Ideal der Heldenkraft und männlichen Tugend. Solche Deutungen hatte man nicht nöthig mit vieler Mühe zu suchen: sie boten sich gleich. sam von selbst dar nach dem Parallelismus zwischen Geist und Natur, der innern und äußern Welt, worauf am Ende aller bildliche Ausdruck, alle Symbolik und Allegorie beruht. Aber auch von rein ethischen Per. sonifikationen und -Allegorien hatte die griechische Volksreligion eine bes deutende Anzahl, die gleich anfangs mit lebendiger, fruchtbarer An. schauung aufgefaßt, um so glücklicher und reifer nachher von Künstlern und Dichtern weiter ausgeführt wurden. Mit der Themis, dem Urgefeße der Dinge, erzeugt Zeus die Dike, das Recht, eine der drei Horen, der Göttinnen, welche die Ordnung der Natur, die gefeßmäßige Folge und Entwickelung der reifenden Zeit bestimmen und lenken. Gleich dieser ewigen Ordnung der Natur sind auch die wesentlichen Geseße des Rech. tes unabänderlich und über menschliche Willkühr erhaben. Wer gegen diese heiligen Sazungen der Themis und Dike sich vergeht, den strafen die furchtbaren Erinnyen. Man kann die Qualen und nie ruhenden Vorwürfe eines schuldbewußten Gewissens nicht wahrer und lebendiger empfinden und darstellen, als es von den Griechen in der Vorstellung dieser Göttinnen geschehen ist. Noch mächtiger als sie, und das ganze

Gebiet des menschlichen Lebens umfassend, waltet die Göttin Nemesis, erzeugt im Schooße der Nacht, oder nach einer andern Sage Tochter der Gerechtigkeit, die Göttin des strengen Maaßes, welche den Uebermuth straft im Thun und Handeln einzelner Menschen und ganzer Völker, die jeden, der sich nicht selbst mäßigt, in die Schranken der Ord. pung mit vernichtender Macht zurückdrängt. Es läßt sich nicht leicht eine tiefer empfundene, klarer ausgesprochne und reicher ausgeführte ethische Allegorie irgendwo nachweisen, als diese. Keine Anschauung, keine Lehre war auch dem griechischen Geiste eigenthümlicher, als diese; ja in ihr liegt eigentlich der ganze, bis jezt noch von keinem Volke erreichte Vorzug der Griechen. Dieses Maaß, dieser überall angewendete goldne Spruch: „Nichts zu viel" war es, der ihr ganzes Denken und Thun in klarer Einfachheit und Ruhe hielt, entfernt von allen, über die Schranken einer gefunden, natürlichen Menschheit hinausschweifenden Gefühlen, Wünschen und Gedanken. Dieses Maaß schuf ihre Götter eingeschlossen in menschliche Formen und doch so voll Kraft und Erha, benheit; dieses Maaß schuf ihre Kunst, welche in ihren schönsten Werken mit weiser Enthaltsamkeit sich überall auf das Wesentliche beschränkt ; es zeigt sich in den Lehren ihrer Philosophen, welche die richtig gemes. sene, gleiche Entfernung von allem Aeußersten und Uebertriebenen für den sichersten Weg der Tugend und wahren Lebensweisheit hielten *). Dasselbe Maaß endlich spricht sich aus in ihrem Widerwillen gegen alle überschwengliche Macht und Vorzüge einzelner Stände und Personen, und gestaltete darnach die Freiheit ihres politischen Lebens. Ist es nicht, wie wenn auch jest das Walten dieser Göttin, welche die Welt. geschichte durchschreitet, sich offenbarte, da die Nachkommen der alten Hellenen den Thron ihrer übermüthigen, alles Maaß überschreitenden Zwingherren wanken sehen? Mögen auch nur sie Maaß halten im Ge fühle der Rache, Maaß in der Freude des Sieges, in ihren Wünschen und Forderungen. Dann wird wohl Nemesis das Rad der menschlichen Schicksale, das sie in ihren Händen hält, zu ihrer Rettung drehen. Und so wie ihre Ahnen zu mancher heißen Schlacht Götter und verklärte Heroen in den Reihen ihrer Vorkämpfer sahen, so mögen auch in diesem Kampfe der Verzweiflung sie führen und stärken alle die schönsten mensch. lichen Gefühle und edelsten Gesinnungen, aus welchen ihr Volk ehemals seine Götter schuf; mögen ihnen voranstreiten die großen Heldenseelen ihrer Ahnen, auf daß sie bei den Todten die Hülfe finden, welche ihnen die Lebenden versagen.

Karl Zell.

*) Vergl. des Verfasffers Ausgabe der Ethik des Aristoteles Bd. II. S. 72.

Grund

Grundzüge der griechischen Tragödie.

Der einzelne Mensch ist Repräsentant seines Geschlechts. Was im Individuo angedeutet liegt, vielleicht ohne je vollständig zum Bewußtsein zu kommen, sieht man im Ganzen entwickelt, ja nichts anders als dies kann sich entfalten; und umgekehrt kann jenes alle die Stufen zur vollendeten Selbstbildung schnell in sich durchlaufen, deren einzelne sich in großen Nationen firirt und ausgearbeitet finden.

Kein Volk hat sie alle in ihrer natürlichen reinen Folge so erschöpft, und jede so voll dargestellt, als die Griechen in den verschiedenen Gat. tungen ihrer poetischen Kunstwerke, deren jede Resultat einer Stimmung ist, welche auf dem Wege zur Vollendung liegt. Aus dem leisen Hin schweben der Phantasie, dem zarten Auffassen der Objekte, wie dem ersten sinnigen Erwachen des jugendlichen Geistes, erzeugte sich das Epos, leicht die Blumen des Lebens wie sie aufblühn zusammenreihend zu schönen Festons, ohne den Kranz zu vollenden. Mitten in kindlichen Spielen erwachte die heilige Sehnsucht, der Jüngling fing an, sich selbst zu belauschen, ein unbekanntes Ahnen rührte sein Gemüth, in die Freude mischte sich Sehnsucht, und in der Trauer ging ihm ein stilles Lächeln auf die zarte elegische Stimmung, welcher bald zwei entgegengesette sich entwanden. Entweder das Sehnen wurde befriedigt und willig schmiegte sich die Natur dem Verlangen des Geistes. Da entwickelte er sich leicht in den Armen der Liebe zur Göttlichkeit, entfaltete ein fröh liches Dasein, hauchte in lyrischen Tönen Seligkeit des Himmels aus, und erwärmte mit Göttergefühl jeden Gegenstand, den er berührte. Oder durch das Gefühl starken Widerstandes wurde er in sich selbst zurückgepreßt. War er kräftig, so trat sein unendlicher Trieb nach Freiheit nun mit voller Macht auf, die schöne Harmonie seines Selbst wurde zerrissen, er brach den Frieden mit der Welt und begann den Kampf mit der Natur, worin er fiegen, oder was an ihm Natur war vernich tet werden mußte, wenn sie nicht gegenseitig zu schönerer Eintracht zu. rückkehrten, und die tragische Stimmung in lyrische sich wieder auflös'te *).

*) Oder auch in komische, die mit dem Leben spielt. Diese war Hauptneigung der Athener, und es läßt sich so leicht erklären, wie sie auf ihre Tragödien in der Aufführung gleich Satyrstücke konnten folgen lassen. Nach diesem ist es möglich, sich mit Willkühr in alle die verschiedenen Stimmungen zurückzuverseßen, von welchen deswegen in jedem einzelnen der neuern Dichter so viele und verschiedenartige sich vereinigen können, als selten bei den Alten.

Hier liegt der Anfang der alten Tragödie. Der Mensch im Widerstreite mit der Natur, Freiheit mit der Nothwendigkeit, ist ihr Element: Jene ist - ihr umfang und Ziel wird sich im Folgenden ergeben. dargestellt in ihrem ursprünglichen Streben, sich geltend, den Menschen unabhängig zu machen; diese, ihn an den Augenblick zurückweisend, seine Schranken ihm fühlbar machend, und je heftiger er sich empört, desto mächtiger gegen ihn auftretend.

Also nicht in dem engen Kreise des bürgerlichen Treibens und des kleinen Spiels der Kabale drehet sie sich, wo nur Mensch gegen Men. fämpft, Bösewichter durch Lift oft auch nicht einmal diese schen und Ränke die wehrlose Tugend besiegen; auch nicht auf irgend eine Zeit, nicht auf die Drangsale eines Jahrhunderts, unsern Blick zu rich, ten, ist ihr Hauptzweck! Sie hebt uns an die Gränzen der Menschheit selbst, zu der Höhe, wo der Boden unter uns wankt, und wir sinken, wenn wir nicht unsern sichern eigenthümlichen Stand. punkt zu ergreifen wissen.

&$ Das die Freiheit Beschränkende nannte der Alte Schicksal. schwebt über allen Sterblichen, bindet sie unauflöslich mit seinen Stricken, wenn es sie faßt, und selbst Götter sind nur Erklärer und Vollstrecker, nicht Machthaber seines eisernen Zwangs. Wenn Mensch, ohne weitere Bedeutung als seine Figur, gegen Menschen streitet, so sind es nur geringe Kräfte, die einander bekämpfen, der Sieg ohne Erhebung und Freude, die Niederlage sonder tiefe Rührung. Aber hier ringen die bei den Mächte, aus deren Vereinigung des Menschen ganzes Wesen besteht. Der Anblick des Kampfes ist schon begeisternd, und, wie für ihn als Sinnenwesen der Ausgang auch sei, die Freiheit, welche aus den Trümmern aufsteigt, hebt uns auf ihren Schwingen in die heimischen Regio nen unsers Geistes.

Aus der Einzig von dieser geht auch alles in der Tragödie aus. eignen Brust des Menschen entspringt sein ganzes Schicksal, von der Freiheit hebt, wie alle Thätigkeit, auch der Streit mit ihm an. Ruhig wandelt er und in stillem Frieden, so lange er in dem Gleise bleibt, das der Menschheit gezeichnet ist. Sobald er aus ihm herausschwankt, durch eine unvorsichtige That unter ihre Gränzen tritt, oder im Gefühle seiner Kraft diese über die Schranken ausdehnen will, innerhalb deren allein bestehn kann, was hienieden gedeihen soll; da werden auch die Natur kräfte aufgeregt, mit denen sie gepaart ist, er wird unterthan den tüci. schen Mächten, oder der rächenden Nemesis, deren Wirksamkeit nun falt und finster unaufhaltsam fortgeht, ihn selbst ohne Rettung umstrict, und indem sie Unthat an Unthat knüpft, sich fortpflanzt von Geschlecht zu Geschlecht, bis sie gesättigt und erschöpft ruhet.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »