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väterlichen Begräbnisse verschanzt hatte, durch eine doppelte Erscheinung des Bacchus angemahnt worden sei, die Beerdigung des Sophokles da selbst zu gestatten, und deßhalb einen Herold an die Athener gesandt, für wahrhaft, so wie Alles, was dazu dient, die verklärte Ehrwürdigkeit dieses Mannes in's Licht zu stellen. Fromm und heilig nannte ich ihn in seinem eigenen Sinne. Aber wiewohl seine Werke ganz die antike. Großheit, Anmuth und Einfalt athmen, ist er dennoch unter allen griechischen Dichtern derjenige, dessen Empfindungen am meisten Verwandtschaft mit dem Geiste unserer Religion haben.

Nur Eine Naturgabe war ihm versagt: eine tönende Stimme zum Gesange. Er konnte nur die harmonischen Ergießungen anderer Stim men veranlassen und lenken, und soll daher auch die vorher bestehende Sitte, daß der Dichter in seinen Stücken selbst mitspielte, für sich auf. gehoben, und nur ein einziges Mal (wieder ein sehr bedeutender Zug) als der blinde Sänger Thamyris erscheinend die Either gespielt haben.

In sofern Aeschylus, welcher die tragische Poesie von der ersten Rohheit zu der Würde seines Kothurns ausgebildet hatte, ihm voran. ging, steht Sophokles in einem historischen Kunstverhältnisse zu ihm, worin ihm freilich die Unternehmungen jenes ursprünglichen Meisters zu Statten kamen, so daß Aeschylus als der entwerfende Vorgänger, So. phokles als der vollendende Nachfolger erscheint. Die kunstreichere Ver fassung der Dramen des lest genannten ist leicht zu bemerken: die Ein schränkung des Chores im Verhältnisse zum Dialog, die Ausbildung der Rhythmen und der reinen attischen Diction, die Einführung mehrerer Personen, die reichere Verknüpfung der Fabeln, die Vermannichfaltigung der Vorfälle, und die vollständigere Entwicklung, das ruhigere Festhalten aller Momente der Handlung, und die mehr theatralische Heraushebung der entscheidenden, die vollkommnere Abrundung des Ganzen, auch schon äußerlich betrachtet. Allein, es ist noch etwas anderes, wodurch er den Aeschylus überstrahlt, und die Gunst des Schicksals verdiente, einen solchen Vorgänger gehabt zu haben, und mit ihm an denselben Gegenständen zu wetteifern: ich meine die innere harmonische Vollendung seis nes Gemüths, vermöge deren er jede Pflicht des Schönen aus Neigung erfüllte, und dessen freier Trieb von einem bis zur Durchsichtigkeit klar gewordenen Selbstbewußtsein begleitet war. An Kühnheit den Aeschylus zu übertreffen dürfte unmöglich sein: ich halte aber dafür, daß Sopho. kles nur wegen seiner weisen Mäßigung weniger kühn erscheint, da er überall mit größtem Nachdrucke zu Werke geht, ja vielleicht mit durch. geführterer Strenge; wie ein Mensch, der seine Gränzen genau kennt, innerhalb derselben desto zuversichtlicher auf seinen Rechten besteht. Wie Aeschylus gern alles in die Empörungen der titanischen Urwelt hinaus

spielt, so scheint Sophokles fich hingegen der Göttererscheinungen nur nothwendiger Weise zu bedienen: er bildete Menschen, wie das Alterthum allgemein eingestand, besser, das heißt nicht, sittlicher und fehler. freier, sondern schöner und edler als die wirklichen, und indem er Alles in dem menschlichsten Sinne nahm, fiel ihm zugleich die höhere Bedeutung zu. Allem Anscheine nach ist er auch in der scenischen Ausschmük. kung gemäßigter gewesen als Aeschylus, hat vielleicht gewähltere Schönheit, aber nicht so kolossalen Pomp wie dieser gesucht.

Als charakteristisch haben die Alten an diesem Dichter die angeborne Süßigkeit und Anmuth gepriesen, wegen deren sie ihn die attische Biene nannten. Wer zum Gefühle dieser Eigenschaft hindurch gedrungen ist, der darf sich schmeicheln, daß ihm der Sinn für die antike Kunst auf. gegangen sei, denn die heutige Empfindsamkeit möchte, weit entfernt in jenes Urtheil einstimmen zu können, vielmehr in den sophokleischen Tra. gödien, sowohl was die Darstellung körperlicher Leiden betrifft, als in den Gesinnungen und Anordnungen, vieles unerträglich herbe finden.

Im Verhältnisse zu der großen Fruchtbarkeit des Sophokles, da er nach Einigen hundert und dreißig Stücke geschrieben haben soll (wovon aber der Grammatiker Aristophanes siebzehn für unecht erklärte), nach den mäßigsten Angaben achtzig, ist uns freilich von ihm wenig übrig geblieben, da wir nur sieben haben. Doch hat uns der Zufall dabei gut bedacht, indem sich hierunter verschiedene finden, die bei den Alten als seine vorzüglichsten Meisterwerke anerkannt waren, wie die Antigone, die Elektra, und beide Oedipus; auch sind sie ziemlich unverstümmelt und mit unverdorbenem Terte auf uns gekommen. Von den neueren Kunstrichtern ist ohne Grund meistens der erste Oedipus und der Philoktetes vor allen andern bewundert worden: jener wegen der künstlichen Verwickelung, bei welcher die schreckliche, selbst die Neugierde spannende Katastrophe (welche leste in den griechischen Tragödien so selten der Fall ist) unvermeidlich durch eine Folge unter einander zusammen hängender Veranlassungen herbeigeführt wird; dieser wegen der meisterhaften Charakteristik und der schönen Gegenfäße zwischen den drei Hauptfiguren, neben dem einfachen Bau des Stückes, da bei so wenigen Personen Alles aus den wahrsten Triebfedern abgeleitet ist. Aber die sämmtlichen Tragödien des Sophokles glänzen jede mit eigenthümlichen Vorzügen. In der Antigone ist der Heroismus in der reinsten Weiblichkeit dargestellt, im Ajar das männliche Ehrge. fühl in seiner ganzen Stärke; in den Trachinerinnen (nach unserer Weise zu benennen, dem sterbenden Herkules) wird der weibliche Leicht. finn der Dejanira durch ihren Tod schön abgebüßt, und das herkulische Leiden ist würdig geschildert; die Elektra zeichnet sich durch Energie

und Pathos aus; im Oedipus zu Kolonos herrscht die mildeste Rührung, und es ist über das Ganze die größte Anmuth verbreitet. Den Werth diefer Stücke gegen einander zu wägen, unternehme ich nicht: doch gestehe ich, daß ich eine besondere Vorliebe für das leßtge= nannte Stück hege, weil es mir die Persönlichkeit des Sophokles am meisten auszusprechen scheint. Da dieses Stück überhaupt der Verherr lichung von Athen, und seines Geburtfleckens insbesondere gewidmet ist, so scheint er es auch mit besonderer Liebe gearbeitet zu haben.

August Wilhelm von Schlegel.

Das Biel der Alterthumswissenschaft.

Es ist dieses Ziel kein anderes als die Kenntniß der al. terthümlichen Menschheit selbst, welche Kenntniß aus der durch das Studium der alten Ueberreste bedingten Beob. achtung einer organisch entwickelten bedeutungsvollen National Bildung hervorgeht. Kein niedrigerer Standpunkt als dieser kann allgemeine und wissenschaftliche Forschungen über das Alterthum begründen; und ihm find theils andere untergeordnet, theils der gewöhnliche, der sich auf die Kenntniß der schönen und clas fischen Werke der von den Alten bearbeiteten Gattungen bezieht, als welcher bei den sogenannten Humaniora zum Grunde liegt. Zu dieser Bestimmung kann auch in der That nur eine ausge wählte Zahl schriftlicher und anderer Werke dienen; bei jener hingegen vereinigen sich alle alterthümlichen Ueberreste, gleichgültig ob eines gröBere oder geringere oder gar keine Classicität hat, nebst jeder Art von Inhalten und Angaben in ihnen, die auf beobachtungswerthe Eigenthümlichkeiten von Zeiten und Menschen hinweisen.

Wenn von Menschenkenntniß die Rede ist, so versteht man darunter gemeiniglich etwas von eingeschränktem Werth und Umfang; nämlich eine gewisse Routine, die aus dem Umgange mit vielen Individuen ab. gezogen ist und wieder brauchbar zum Umgange, wie zur vortheilhaften Abfertigung der gewöhnlichen Geschäfte des öffentlichen und Privatlebens. Daß hiezu jene zum Theil dornige Gelehrsamkeit nicht viel nüße, zeigt die Erfahrung; es bedarf dazu auch keines Studiums einer NationalLiteratur; eine kleine Anzahl kluger Wegweiser durch das Weltleben und eigener Beobachtungen genügen solchen Absichten. Hier aber reden wir von der Kenntniß des Menschen, von der empirischen Kenntniß der menschlichen Natur, ihrer ursprünglichen Kräfte und Richtungen, und

aller der Bestimmungen und Einschränkungen, die jene bald durch ein. ander selbst, bald durch den Einfluß äußerer Umstände erhalten. Um uns zu dieser vorzüglichern Menschenkenntniß zu erheben, die, wie alle andern empirischen Betrachtungen der Natur, jede Klasse von Gelehrten und jeden Stand, auch den geschäftlosesten, anreizt, ja durch ihr Ob. jekt, den moralischen Menschen, mit größerer Stärke reizt *), und

*) Das allgemeine Interesse der obigen Tendenz wird vielleicht manchem Leser näher gerückt, wenn ich hier einige in einem Briefwechsel verstreute Ge Sanfen cines Gelehrten mittheile, συμφιλολογοῦντός τινός ποθ ̓ ἡμῖν καλ nayad, wie man deren in unsern Zeiten höchst selten unter Männern seines Standes findet. Die durch einen angenehmen Zufall mir vorliegenden Bruchstücke sind zwar vom Jahre 1788, doch geht ihnen dadurch nichts von der Neuheit ab, die alles das haben wird, was der in Geschichte und Philosophie mit dem hellesten Blick und dem tiefsten Sinn forschende Verfasser dem Publikum allzu lange vorenthält.

,,Die Betrachtung der Werke des Alterthums ist gewiß dann am fruchtbarsten, wenn man nicht sowohl auf sie selbst sieht, als auf ihre Urheber und die Perioden, aus denen jedes herstammt. Nur diese Betrachtungsart kann zu wahrer philosophischer Kenntniß des Menschen führen, in sofern sie uns nöthigt, den Zustand und die gänzliche Lage einer Nation zu erforschen und alle Seiten davon in ihrem großen Zusammenhange aufzufassen. Das Streben nach einer solchen Kenntniß (da niemand eigentliche Vollendung derselben hoffen darf) kann man jedem Menschen, als Menschen, in verschiedenen Graden der Intension und Extension unentbehrlich nennen, nicht nur dem handelnden, sondern auch dem mit Ideen beschäftigten, dem Historiker im wei testen Sinne des Wortes, dem Philosophen, dem Künstler, auch dem bloß Genießenden. Um von dem Manne im größern praktischen Leben zu reden: wenn er wirklich des höchsten Zweckes aller Moralität, der wachsenden Veredlung des Menschen, eingedenk ist, so wird er durch kein Studium besser belehrt, was er moralisch unternehmen dürfe, und politisch mit Erfolg unterneh men könne; so daß von dieser Seite sein Verstand geleitet wird. Aber auch fein Wille wird dadurch geleitet. Alle Unvollkommenheiten des Menschen lassen sich auf Mißverhältnisse seiner Kräfte zurückführen: indem nun jenes Studium ihm die Totalität zeigt, werden die Unvollkommenheiten gewissermaßen aufgehoben, und es erscheint zugleich die Nothwendigkeit ihres Entstehens und die Möglichkeit ihrer Ausgleichung, wodurch das vorher einseitig betrachtete Individuum nach diesem Ueberblick gleichsam in eine höhere Klasse versezt wird."

,,Von dem bloß genießenden Menschen ließe sich eigentlich nichts sagen, da der Eigensinn des Genusses keine Regel annimmt. Aber ich sehe mich hier in die Stelle, nicht gerade der edelsten Menschen, aber der Menschen in ihren edelsten Momenten. In diesen nun sind die vollkommenßten Freuden diejenis gen, welche man durch Selbstbetrachtung und durch Umgang in seinen mannigfachen Abstufungen empfängt. Je höher solche Freuden sind, desto eher find sie zerstört ohne ein scharfes Auffassen des Seins unserer selbst und Anderer: aber dies ist nicht möglich ohne eindringendes Studium des Menschen über

um die Zwecke einer solchen Kenntniß in möglichster Vollständigkeit zu erreichen, muß unser Blick anhaltend auf eine große Nation und auf des ren Bildungsgang in den wichtigsten Verhältnissen und Beziehungen ge richtet sein. Völker treten hier an die Stelle von Individuen; und was bei leßtern die Darstellung eines merkwürdigen Lebens leistet, eben das gewährt bei den erstern ein aus unzähligen zerstreuten Zügen erwach. sendes Gemälde von ihrem ganzen National. Sein, ein Gemälde, welches eifrige Beschäftigung mit allen Werken der Litteratur und Kunst einer Nation von dem Zustande derselben nach seinen interessantesten Seiten und in den gehaltreichsten Zeitpunkten zu entwerfen sucht. Mittheilbar ist allerdings eine Kenntniß dieser Art weniger als die meisten andern; sie ist darin aller Philosophie ähnlich, daß sie nur diejenigen fördert und belohnt, die sich ein Studium daraus machen, und mit ihrer fortgefesten Erwerbung beschäftigt sind. Aber gerade dies ist es, was, wenn wir Wissenschaften nicht als Amtsbeschwerden, nicht als Zeitverkürzungen, sondern um ihrer selbst willen treiben, diesem Studium einen unwiderstehlichen Reiz ertheilt; zumal da, wie wir gesehen haben, die führenden Wege an sich so belohnend find, und da, wenn das Augen. merk stets nach jenem Ziele hinstrebt, hiedurch neue Anlässe zu vollendeter Erhöhung aller unserer Geistes und Gemüthskräfte gewonnen wer den. Denn um das Leben und Wesen einer vorzüglich organisirten und vielseitig gebildeten Nation mit Wahrheit zu ergreifen, um die längst verschwundenen Gestalten in die Anschauung der Gegenwart zurückzu ziehen, dazu müssen wir unsere Kräfte und Fähigkeiten zu vereinter Thätigkeit aufbieten; um eine als unendlich erscheinende Menge fremder Formen in uns aufzunehmen, dazu wird es nothwendig, unsere eigenen nach Möglichkeit zu vertilgen und gleichsam aus dem ganzen gewohnten Wesen herauszugehen. Hieraus entspringt aber eine Vielseitigkeit des

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haupt. Diesen Freuden an die Seite treten billig diejenigen, welche der ästhetische Genuß der Werke der Natur und der Kunst gewährt. Diese wirken vorzüglich durch Erregung der Empfindungen, welche von den äußern Gestalten, wie von Symbolen, geweckt werden. Je mehr nun lebendige Ansichten möglicher menschlichen Empfindungen uns zu Gebote stehen, desto mehr äußerer Gestalten ist die Seele empfänglich. Selbst der finnliche Genuß wird so vervielfacht, erhöht und verfeinert, indem die Phantasie ihm das reiche Schauspiel seiner möglichen Mannigfaltigkeit nach der Verschiedenheit des Genießenden zugesellt, und indem sie dadurch gleichsam mehrere Individuen in eins vereinigt. Endlich mindert sich durch eine solche Ansicht das Gefühl auch des wirklichen Unglücks. Das Leiden, wie das Laster, ist, näher betrachtet, immer nur partiell: wer das Ganze vor Augen hat, sieht, wie es dort erhebt, wenn es hier niederschlägt.“

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