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Wenn ihr schon den Verschwender eines Lasters beschuldigt, was wollt ihr von dem denken, der mit den edelsten Gaben Gottes so schlecht Haus hält? Die äußeren Güter, die der Verschwender zu schnell und unbedachtsam durch seine Hände gehen läßt, entzieht er doch nur sich und den Seinigen; sie gehen unmittelbar auf andere über, die vielleicht einen bessern Gebrauch davon machen. Wer aber Weisheit zu erwerben unterläßt, der beraubt die Welt aller Früchte, die sein besser angebauter Verstand hätte tragen können.

Freiheit des Gemüthes, daß wir nichts bloß deshalb wieder thun müssen, weil wir es schon oft gethan haben, daß uns nichts bloß des. halb unmöglich werde, weil das Gegentheil davon uns leicht wird, diese Freiheit ist uns in allen Verhältnissen eben so nothwendig, als sie wirk lich einem jeden erreichbar ist. Ueberall sind wir in Gefahr, Gewohn heiten anzunehmen und fehlerhafte Neigungen Stärke gewinnen zu lassen : aber nirgends fehlt es uns auch an Aufforderungen, diese zu bezähmen, und jene auszurotten. Nur Wachsamkeit gehört dazu und unausgesezte Beobachtung unserer selbst, und das ist wiederum nicht die Sache des Trägen. Wenn er aber unter der vormundschaftlichen Aufsicht eines Freundes stände, wenn ein anderer es über sich nähme, über ihn nach. zudenken, ihn zu wecken und zu warnen: dann wollte er sich jeder angemaßten Herrschaft entziehen, dann wollte er ein neuer freier Mensch werden und alles entfernen, was eine nachlässige Erziehung in ihn einschleichen ließ, oder vielleicht selbst in ihm erzeugte. O des Thoren, welcher wünscht in den Zustand der unmündigen Kindheit zurückzukehren, und am Leitbande einherzugehen sein Lebelang! und der sich einbildet einen fremden Einfluß zu vertreiben durch einen anderen. Auf diesem Wege giebt es keine Heilung für solche Schwachheiten; nur auf der Oberfläche kann etwas geschehen, der Grund bleibt derselbe. Diese und jene einzelne Gewohnheit kann vielleicht besiegt werden durch solche fremde Anstrengungen; aber noch während des Kampfs hat sich gewiß schon mehr als eine neue gebildet. Die Neigung des Gemüths sich zu gewöhnen, die Unart sich unterjochen zu lassen von der Wiederholung und irgend etwas ohne Bewußtsein und unwillkührlich zu thun, oder vielmehr in sich vorgehn zu lassen, diese Fäulniß des Geistes weicht keinem äußeren Mittel, sondern nur den Verrichtungen des innern Lebens, der Macht des Willens und des Selbstbewußtseins.

Gutes zu thun und sich der menschlichen Gesellschaft nüßlich zu beweisen, dazu fehlt es nie an Gelegenheit. Schon wirkt jeder zum allgemeinen Besten durch Emsigkeit in seinem bürgerlichen Beruf; und im häuslichen Leben, im geselligen Umgange strömen uns die Auffor. derungen zu einer tugendhaften Thätigkeit auf allen Seiten zu. Un.

wissende belehren, Unbesonnene warnen und zurückhalten, Unerfahrnen Rath ertheilen, der Wahrheit Zeugniß geben, sich für die Unschuld ver. wenden, die Ungerechtigkeit in Schranken halten, die Blut der Leiden. schaft in einer fremden Brust abkühlen, wer fann läugnen, daß ihm dies alles oft genug obliege zu thun. Aber solche Erweisungen der Liebe und des Gehorsams wollen mit Lust und Eifer behandelt sein, und ohne Anstrengung mancher Art wird diese Lorbeeren niemand einsammeln. Darum wählt sich der Träge einen leichteren Weg. Von sei nem Beruf macht er sich die engste und eingeschränkteste Vorstellung die nur möglich ist, und thut nur eben soviel als erfordert wird, um nicht sich selbst unmittelbar unangenehme Folgen zuzuziehen; alles andere aber was außerhalb seines eigentlichen Berufs liegt, will er mit der Wohlthätigkeit abmachen, mit derjenigen nämlich, die dem Dürftigen Geld bietet. An dieser läßt er es nicht fehlen, die ist für ihn der Inbegriff alles guten und aller Menschenliebe, und wenn er sich nur neben bei in einem solchen Ueberfluß befände, daß er mit vollen Händen aus. spenden könnte, dann würde er sogar ein rechter Held der Tugend werden, und alle seine Verbindlichkeiten gegen die Welt auf eine höchst bequeme Art erfüllen. Ihr werdet dies vielleicht lieber nur einen Jrr. thum nennen, und zwar einen solchen, zu dem die gegenwärtige Lage der menschlichen Dinge Veranlassung genug giebt. Aber bedenkt nur auch, wie theuer der Welt dieser Jrrthum zu stehen kommt. Von der allge. meinen guten Sache heißt es mit Recht, wer nicht für sie ist, der ist gegen sie; wer das gute nicht befördert, der hintertreibt es. Alle Veranstaltungen, durch welche etwas heilsames gewirkt werden soll, bestehen aus verschiedenen Thätigkeiten, die in einer gewissen Regelmäßigkeit auf einander folgen, und in einander eingreifen müssen. Unterläßt einer dabei das seinige, so wird dadurch alle Mühe, welche alle frühere an gewendet haben, unnüß, und die späteren warten vergeblich auf ihre Arbeit. Doch das gute wollte er ja eigentlich nicht; aber auch den geringfügigen Endzweck, den er etwa hatte mit seiner Wohlthätigkeit, erreicht er nicht. Ist es ihm um die armselige Dankbarkeit der Menschen zu thun: sie wird ihm nicht zu Theil für diese unbedeutenden und leichten guten Werke; will er den Anblick des Wohlbefindens genießen, das er verbreitet: die Gabe ist bald dem, dem sie gereicht wird, nicht mehr werth, als sie dem war, der sie gab.

So hat also auch in diesen wichtigsten Angelegenheiten des Men schen der Träge nur nichtige Wünsche, denen nichts entsprechen kann, und ehe diese erfüllt werden, beharrt er sorglos und freiwillig in seiner Rohheit, giebt seine Seele ohne Widerstand dem Einfluß aller Umstände hin, geht gleichgültig vorüber vor allen Gelegenheiten zu edeln aber

mühevollen Handlungen, und beweiset seinen Eifer für diese wichtigen Theile der menschlichen Bestimmung nur dadurch, daß er sich oft und gern einen Zustand ausmalt, wo er sie ohne Arbeit würde erreichen können. Und indem er wünscht, ergeht das gerechteste Gericht über ihn, Wer nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat *). Nicht nur durch Laster und Leidenschaften, die den Körper zerstören, wird am Ende auch der Geist angegriffen: sondern blöder Stumpfsinn ist zulest das Antheil auch dessen, der mit seinen Augen nicht sehen und mit seinen Ohren nicht hören wollte, für dessen Belehrung die Welt mit ihren Wundern, der Mensch mit seinen Eigenheiten und Schwächen, das Wort des Herrn mit seinen erhabenen Anleitungen vergeblich da war. Nicht nur die Sklaven der Lüste verlieren zulest alle Freiheit in ihren Handlungen: sondern auch der versinkt in eine nicht minder selbstver schuldete geistige Ohnmacht, dem das heilsame Wachen und Nachdenken über sich selbst zu schwer war, und der nachlässig dem Zufall die Zügel seines Gemüthes überließ. Aller Ueberlegung und Selbstbetrachtung entwöhnt, wandelt er, der nur durch Gewohnheit etwas kann, in dichter Finsterniß, unbekannt mit dem, was er ist, unbekannt mit der Art, wie er es wurde, gleichgültig gegen das, was er sein wird, verloren jede Spur von Kraft, von Freiheit, von Willen; nicht mehr einem vernünftigen Wesen gleicht er, sondern einer leblosen Masse, die sich bewegt, wohin sie gestoßen wird. Nicht nur dem verstummt am Ende das Ge wissen, der es troßig bekriegte: sondern dieselbe unheilbare Blindheit für alles was Pflicht ist und heischt, dieselbe Erstarrung des edelsten Gefühls ist zulezt auch das Lovs dessen, der zaghaft die Augen niederschlug vor jeder Tugend, die ihn mit stärkerer Stimme zu sich rief. Alle Kräfte ersterben, die der Träge nicht gebraucht hat, und seine einzige freie Thä tigkeit ist jenes leere Spiel der Einbildung, das ohne Anstrengung aus sich selbst fortgeht, und in dem keine Ordnung und kein Maaß zu beob. achten ist. Und wenn einst sein lester Wunsch darauf gerichtet ist, die verträumte Reise noch einmal anzutreten, den längst crstorbenen Geist noch einmal in das alte Leben zurückzurufen, wenn er über seinen Wün. schen stirbt: so stirbt er auch nur über seinen Wünschen, so ist sein Wunsch und seine Klage allein. Keinem verlöscht ein Licht der Weisheit, wenn seine Augen sich schließen, keinem verstummt ein weiser Rath, wenn seine Lippen erkalten, keine Thräne der Dankbarkeit kann ihm fließen, und kein klagender Seufzer der Achtung und der Liebe vermischt sich mit seinem lesten Hauch, ja nicht einmal das Bedauern wird ihm

*) Matth. 25, 29.

zu Theil, welches wir dem unglücklichen verleiteten Opfer der Leidenschaft nicht versagen, über welches wir ausrufen, Schade für ihn, er hätte zu etwas besserem gedeihen können. Wohlthätig ist vielmehr der Augenblick, der die Erde von einer unnüşen Last befreit, und selbst die. jenigen müssen sich freuen, deren Pflicht es sonst wäre zu trauern.

Dies ist das jammervolle Ende, welches die Trägheit dem Menschen bereitet; dies sind die Verschuldungen, welche demselben voran. gehen. Diese zeigen sich freilich in einem solchen Bilde, als wir hier gezeichnet haben, sehr zahlreich und dicht an einander gedrängt: laßt uns aber deshalb die Warnung, die uns dadurch gegeben werden sollte, nicht vernachlässigen, und die Aehnlichkeit mancher Erscheinungen in un ferm Gemüth mit den einzelnen Zügen desselben nicht verkennen. Wer sich einbilden wollte, gar nicht an diesem Fehler zu leiden, weil er sich doch so nicht findet, der wäre gewiß auf dem graden Wege ganz das zu werden, was die Trägheit aus einem Menschen, dessen sie sich bemäch tiget hat, zu machen pflegt. Ganz frei von diesem Fehler kann keiner unter uns sein, weil wir alle unvollkommene Geschöpfe sind. Unser guter Wille und unsere fromme Thätigkeit sind begrenzt, und diese Grenzen bezeichnen eben, wie weit wir schon die Trägheit zu besiegen wußten, und von wo an sie noch über uns herrscht. Wo wir irgend einen Gegenstand, über den wir uns, um unsere Entschließungen darnach zu richten, eine feste Ueberzeugung verschaffen müßten, auf sich beruhen lassen, weil wir die Mühe der Untersuchung scheuen, da offenbaret sich in uns die Trägheit, die uns hindert, an Weisheit zuzunehmen. Wo wir etwas neues, das uns von dem fleißigeren Nachdenken anderer dar geboten wird, ohne Prüfung verwerfen, da offenbaret sich die Trägheit in uns, die sich dem allgemeinen Fortstreben widersett. Wo wir zögern, eine Handlungsweise abzulegen, von deren Schädlichkeit wir überzeugt worden sind, da ist es die Trägheit, die uns hindern will, alte Fesselu abzuwerfen. Wo wir uns weigern, etwas gutes zu thun, das uns vorhanden kommt, ohue das wir etwas besseres vorzeigen können, was wir an der Stelle desselben verrichten; wo wir uns nur deshalb weigern, weil etwa andere eine nähere Verpflichtung dazu haben, oder weil etwa späterhin es leichter werden könnte: da will die Trägheit uns verführen einen Augenblick verstreichen zu lassen, ohne daß wir ihm das Zeichen einer lobenswerthen That mitgeben können. Solche Aeußerungen dieses Fehlers werden keinem unter uns fremd sein. Kämpfen wir dagegen, m. Fr., sonst wird wir haben es gesehen. das anvertraute Pfund, mit welchem wir nicht wuchern, von uns genommen, und die Wirksam. keit unseres Geistes in immer engere Grenzen eingeschlossen! kämpfen wir dagegen, sonst geben auch wir Veranlassung, zu der nur allzu

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gegründeten Klage, daß der Arbeiter so wenige sind zu der großen Erndte des Herrn! kämpfen wir dagegen, sonst wird auch uns unbereitet zur Rechenschaft die Nacht übereilen, da niemand mehr wirken kann. Amen.

Friedrich Schleiermacher.

Die Novelle.

Die Novelle ist die poetische Erzählung einer Thatsache, welche als dem wirklichen Kulturleben eines bestimmten Zeitraumes angehörig er scheinen soll. Dies hat sie mit dem Roman gemein. Der Roman aber umfaßt einen bedeutenden Theil eines ungewöhnlichen Menschenlebens, ja wohl ein ganzes und oft mehr als ein Menschenleben; Der Roman bildet eine poetische Biographie; dagegen hat die Novelle nur eine einzelne Erscheinung eines Menschenlebens, eine ungewöhnliche Situation zum Gegenstande. Wenn in dem Roman das Leben des Helden mit feinen mannigfaltigen Abwechselungen und Lagen interessiren soll, so soll das Interesse der Novelle sich dagegen auf eine einzelne Situation, als auf eine einzelne Thatsache concentriren. Welch' ein bedeutender Un.

terschied wird daraus in der Behandlung hervorgehen.

Durch diese Concentrirung des Interesse auf eine einzelne Thatsache, in welcher ein menschliches Schicksal entschieden wird, nähert sich die Novelle dem Drama, bei welchem dies ebenfalls eintritt, daher auch aus einer Novelle leichter ein Drama fich bilden läßt (wie von Shakspeare aus den Novellen italienischer Dichter), als aus einem Roman; nur nicht aus jeder Novelle, weil bei dem Drama das Interesse vorzüglich auf die Erreichung oder Verfehlung eines bestimmten Zweckes und auf den Kampf dafür fällt, nicht aber so in der Novelle, wo es auf einen bestimmten Zweck und einen Kampf dafür nicht ankömmt.

Ein Leben, auch das bewegteste, entwickelt sich nur nach und nach in einem längern Zeitraum und hat mehrere Perioden; die Situation gehört einem einzelnen Zeitmomente an. Daher wird der Verlauf in der Novelle, wie im Drama rascher von Statten gehen, und das foge. nannte epische Ausmalen und Verweilen, und alles, was nicht unmittel bar zur Thatsache gehört, wird wegfallen müssen, also alle Episoden, alle ausführlichen Charakterzeichnungen und Schilderungen und Reflexivnen und Raisonnements, die schon im Romane leicht breit und lang. weilig werden.

Die Novelle ist rein erzählend, und zwar vertritt sie, wie dies, fich schon aus ihrer historischen Entwicklung bei Boccaccio ergiebt, weit

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