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Vorlesung in der öffentlichen Sißung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, am 24sten Jan. 1805." Berl. 1805.

,,Wenn ein Geschichtschreiber des Königlichen Hauses an diesem Tage, in dieser Versammlung zum erstenmal öffentlich spricht: von wem soll er reden, als von dem, zu dessen Gedächtnißfeier diese öffentliche Sigung angeordnet ist, dem großen Hersteller dieses gelehrten Instituts: von dem, welcher durch die Menge und Mannigfaltigkeit seiner Thaten und Anstalten allen künftigen Historiographen eine so lehrreiche als schwere Arbeit bereitet hat! Von wem wird man lieber hören, als von dem, welchen vor drei und neunzig Jahren dieser Tag der Welt gab, auf daß er einer Macht, bestimmt zur Stüße vieler anderen, und zur Freistätte einer liberalen Denkungsart, die Basis unterlegte, durch welche gesichert uns nun erlaubt ist, vollkommen rechtlich, ruhig und offen zu sein!

Aber die einzige Art, einen großen Mann würdig zu loben, die Aufzählung dessen, was er that, ist hier weder das Werk einer Stunde, noch eines Tages. Wer von dem Augenblick, wo unter zweifelnder Er. wartung Friedrich zuerst als König auftrat, und sofort von Tage zu Tage durch Ordnung, Fleiß, Unerforschlichkeit, Festigkeit und alle Zier. den der Geistescultur die Aufmerksamkeit höher und höher spannte, den langen Zeitraum und die tausend Arten seiner Wirksamkeit durchdenkt, bis auf den Tag, wo er, nach allgemeinem Geständniß der Größte seiner Zeit, nach abgelegter Heldenrolle ganz Vater seiner Preußen, und ande. rer Fürsten Vorbild oder Vormund, hinüber ging zu den Großen des Alterthums und seines Hauses: wer wollte sich unterfangen, die Bege. benheiten in einer Vorlesung, ich will nicht sagen zu erzählen, sondern zu berühren!

Darum haben wir, statt ein unvollkommenes Gemälde seiner Ge schichte zu entwerfen, uns vorgenommen, überhaupt von dem Gesichtspunkte zu handeln, welchen, wie wir glauben, sein künftiger Geschichtschreiber (wen immer inwohnender Muth und die Gunst des Schicksals zu der großen, ruhmvollen Arbeit berufen mag!) besonders zu nehmen hat, um ihn aufzufassen, wie er war, damit in allen großen Prüfungen des Vaterlandes die späten Enkel, das Heer und das Volk, um so besser erkennen, wie sie sein sollen.

Nichts ist in der Geschichte seltener, als die Darstellung eines erhabenen Geistes nach voller Wahrheit seiner Natur und seines Wirkens, so, daß sein Bild ganz ächt in seinem Licht und Schatten an dem Plas, wo es der Nachwelt ewig in die Augen fallen soll, eingefügt erscheine. Viele Fulgurationen der großen Seelen erhielt Plutarch, mit Verstand und mit Biedersinn; aber, weil nicht seine Zeit in solcher Art frucht.

bar

bar war, aus unvollkommener Ueberlieferung; und

wunderbar!

den größten Griechen, den Sieger bei Leuktra, und die beiden größten Männer des freien Roms, die Sieger bei Zama und über Numantia, ließ er unberührt. Spätere Zeiten hat Schmeichelei oder Haß entstellt; die Unerfahrenheit im Zusammenhang der Geschäfte, die Heuchelei phi. losophischer Strenge, oder orthodore Parteisucht, und in entnervten Zeit. altern der Unglaube an größere Naturen, und, bei der Unfähigkeit sich gleich hoch zu erheben, die niedrige Bemühung sie herunter zu seßen: alle diese Ursachen haben beigetragen, daß für die Haupteigenschaften solcher Biographieen, Einfalt und Gerechtigkeit, auch der Sinn verlo ren ging.

Es ist ein gewöhnlicher, der menschlichen Schwachheit natürlicher Fehler, große Männer weniger an sich und nach ihrer Zeit, als in Vergleichung mit andern, zu beurtheilen. In dem Augenblick der Vollendung einer Laufbahn, wo gerührten Zeitgenossen des lang Gefürchteten, lang Verehrten Bild in seiner vollen Majestät vorschwebet, und alles vor und neben ihm in Dunkelheit seßt, trägt sich zu, wie bei rohen Völkern, welche die Leiche ihrer Helden mit Menschenopfern ehren, daß dem angebeteten Herrn oder Mitbürger sein Denkmal aus den Trüm. mern aller deren errichtet wird, welche bei unsern Vätern und fremden Völkern Ehrfurcht und Liebe andern Verewigten erhoben hatten. Die Begeisterung für den Hingegangenen thut hier, was für Lebende die Schmeichelei, die den Helden vierzig verflossener Jahrhunderte allen ihren Weihrauch stiehlt, um Einen Sterblichen damit zu betäuben.

Diese Ungerechtigkeit kann erhabene Seelen, denen die Nachwelt etwas gilt, über die Eitelkeit des Ruhms philosophischer machen, als gut ist für das gemeine Wesen, welches, zum Lohn für große Anstren. gungen, den Werth dieser Münze erhalten muß. Auch verstimmt dieses Benehmen das Gefühl der wahren Größe, das edelste, dessen der Mensch fähig ist. Der große Mann ist nie ein anderer, als Er selbst, wie er in seiner Zeit und Lage zu sein hat; ohne Anderer Nachtheil allerdings der Einzige, in sofern er in Benußung seiner Anlagen, Zeiten und Umgebungen einzig war. Unbeneidet bleibe dem Macedonier der Ruhm raftloser Schnelligkeit in seinem großen planmäßigen Lauf; es mindere nichts den Glanz der Hoheit und Leichtigkeit, der unerreichten Lebensfülle und blißschnellen Thatkraft, mit welcher von den Mündungen des Rheins bis in den hintersten Pontus Cäsar die Welt und Herzen unterwarf; es leuchte in eigenthümlicher Würde die goldene Zeit, wo der edelste der Kaiser, Trajan, sein unermüdeter Nachfolger, und beider Antonine redliche Tugend im Feld, in der Verwaltung und Gesetzgebung das kaum je so lang' und so weit erhaltene Gleichgewicht aller militäri

schen und bürgerlichen Vollkommenheit behaupteten: Friedrichs Geschicht. schreiber braucht niemand herunter zu seßen, niemand zu beneiden. Der mit wenigen Hülfsmitteln gegen gute große Heere und zum Theil sehr geschickte Feldherren durch Geist und Beharrlichkeit ausgehaltene Kampf, die heilende Verwaltung, die im Alter ungeschwächte Oberherrschaft per sönlichen Ansehens, die Einwirkung der Denkungsart auf ein vor allen abgewichenen ideenreiches Jahrhundert erinnern an Verhältnisse, worin dem König gegeben ward, einzig zu sein. Nicht Cäsar war er, nicht Alexander, und nicht Marc Aurel; er ist der Preußen Friedrich, an dem die Natur zeigen wollte, daß solche Männer hervor zu bringen fie jest nicht minder gewaltig ist, als je im hohen Alterthum.

Bei aller scheinbaren Divergenz der äußerlichen Handlungen liegt in der Seele eines jeden an Kraft und Weisheit großen Mannes Ein Hauptlebensplan, Eine vorherrschende Idee, welche, als Commentar und Schlüssel all seines Thuns, aufgefaßt werden muß, um in die Darstel lung seines Lebens die Einheit zu bringen, ohne die zwar eine Chronik, nicht aber eine Geschichte, sich denken läßt.

Wenn der Vater der Dichter, wer immer er sei, den Zorn des göttlichen Achills, Ulysses aber durch Weisheit gerettet, besang, so wal. tete Ein Geist in dem zwiefachen Epos: dem aus alter Rohheit empor keimenden Volk die Gefahr unbändiger Leidenschaft und den Vorzug der Humanität einzuprägen. Ein und derselbe Geist machte Xenophon zum einnehmenden Lehrer der sokratischen Weisheit, gab ihm den Muth und die Feldherrnkunst, womit er zehntausend Krieger von des Euphrats Ufern über fünf und dreißigtausend Stadien weit glücklich zurückführte, und hieß ihn, bei gesunkenem Alter, bekümmert, gebeugt, die Geschichte des Falls aller großen Communen Griechenlands beschreiben, auf daß nämlich in allem der vollkommene griechische Mann in bürgerlichen und militärischen Verhältnissen dargestellt, und vor seinem einzigen Feinde, dem Parteigeist, gewarnt würde. Gegen solche Einheit des Zwecks be rufe man sich nicht auf allumfassende Geister, wie der erste Gesezgeber dieser Akademie, der bald mit Newton um den schönsten Lorbeer der Mathematik wetteiferte, bald in Erforschung der Quellen und Gründe der Sprachen, Rechte und Geschichten vor Anderen hervorleuchtete, bald die Ordnung Gottes gegen Zweifler scharfsinnig verfocht, und, keinem Zweig menschlichen Wissens fremd, keinen berührte, ohne ihn zu veredeln: denn gleichwie alle Stände und Lebensarten der bürgerlichen Welt auch in der gelehrten erscheinen (so daß Ackerleute die Materialien herausarbeiten, Künstler ohne Zusaß für die annehmlichste Form sorgen, Kauf. leute in gelehrten Zeitungen die Waare zur Schau auslegen, und eine große Menge Kriegsleute auch hier mit verschiedenem Recht, Talent und

Glück mannigfaltige Fehden bestehen): so find Männer wie Leibniß Königen gleich. Das ist der Könige Sache, die allgemeine Uebersicht; das ihre Größe, die Richtigkeit des umfassenden Blicks, und das von ihnen aus überall neu verbreitete Leben.

Diese Königspflicht ist die Idee, welche bei Karl dem Großen, dem großen Churfürsten Friedrich Wilhelm und seinem unsterblichen Urenkel die Richtschnur aller Tage ihrer beinahe gleich langen Herrscherbahn war. Denn das ist die Sache des Ersten im Staat, daß er die tau sendfachen Bande, welche die mancherlei Stände der menschlichen Gesell. schaft zusammenfassen, mit fester Hand hält, und mit gutem großen Geiste so elektrisirt, daß jeder die größte Freudigkeit fühle, in seinem Stande sich hervor zu thun. Der Privatmann hat für sich, der Vor. steher einer Anstalt, eines Regiments, eines Heers, eines Ministeriums für die zweckmäßige Ordnung, aber für das Ebenmaß Er zu sorgen, der Fürst, welcher die Seele ist: so wie in der physischen Welt alle Produkte in ihrer Art fortgehen und sind, alle das belebende Licht von dem Mittelpunkte, dieser und das All die Urkraft von der unnennbaren Ursache bekommen.

Wie Friedrich, dem vieles in der Jugend langweilig und lästig war, hierauf täglich sich selbst überwand, um ganz König zu sein; wie viel und streng er sich gebot; wie leicht ihm endlich wurde, die ihm auf dem großen Schauplaß von dem Schicksal zugetheilte Rolle bis zu dem lesten Alt des Lebens, so wie in gleichem Alter August, gut auszuspielen: dieses in der Ausführung seiner Geschichte gezeigt, wird beweisen, wie sehr und ganz er der zu sein wußte, der er wollte und sollte. Hierbei aber wird der Geschichtschreiber den Hauptzweck noch nicht beachtet haben, welcher für uns, diesen Staat, Deutschland, Europa und die Menschheit das vornehmste Interesse hat: wie nämlich seine ganze Regierung dahin zweckte, einen Staat zu bilden, der, so lange sein Geist in ihm bliebe, eine außerordentliche Vaterlandsliebe und auch unter fremben Völkern den besten Menschen vertrauensvolle Theilnahme einflößte. Dieses (zu zeigen, wie er nicht nur überhaupt König, sondern mit welchem Interesse für Deutschland und Europa er der Preußen König ward) erfordert einen Blick auf die politische und moralische Welt, wie er sie fand und hinterließ.

Jene alten großen Gefahren, scheinbar unter Karl V., verhaßter drohend unter Philipp, drückender unter den Ferdinanden, und kaum je so wahrhaft als unter Ludwig, waren bald nach dem Anfange des acht zehnten Jahrhunderts verschwunden. Ein Menschenalter, nicht glänzend, aber nüglich thätig, war über der Bemühung hingegangen, aus der Schlaffheit, welche die Folge übergroßer Anstrengung ist, sich mit neuer

Kraft zu erheben. Es glückte dem Greise, der mit wirthschaftlicher Mäßigung in Frankreich regierte; blühender als je erschien in wohlgeleiteter Freiheit Großbritanniens Flor und Macht, und deutlicher offenbarte sich die dem russischen Reich inwohnende Kraft. Diese fehlte dem deutschen Staatskörper, wegen Charakterlosigkeit und wegen der Schulden der meisten Churfürsten und Fürsten; Karl VI. aber hatte in wenigen Monaten Italien und bald nach diesem gegen Türken den Ruhm der Waffen verloren: doch aus der österreichischen Erde springen Männer und Hülfsquellen hervor, sobald eine selbstherrschende Hand mit Ge schicklichkeit sie berührt. Zu neuen Unruhen war Zunder genug vorhanden, und, wenn an der Spise einer der vornehmsten Mächte ein über allgemeine Mittelmäßigkeit erhabener Staatsmann oder Fürst erschien, konnte das Gleichgewicht unschwer zerrüttet und mit dem deutschen Völ kerbunde alles aufs neue in Gefahr gebracht werden. Periodische Gefahren müssen sein; in ruhiger Weichlichkeit verlernt der Mensch Mannzu sein.

Der damalige preußische Staat, so viele Aufmerksamkeit seine Ver waltung billig erregte, war noch fern, anderen ihr Dasein zu sichern. Ein Zeitraum nachlässiger Verwaltung oder beträchtliches Unglück konnte ihn so zurückstürzen, daß er nicht ohne viele Zeit und große. Gefahr sich hätte erholen können. In sofern er fast überall Gränzland und mit weit größeren Mächten in bedenklicher Berührung war, konnte er dem alten lotharingischen Reich oder der burgundischen Macht verglichen werden, deren jenes nie zu innerer Kraft gekommen, diese, obwohl mit Weisheit gegründet, ungemein reich, stark durch wohlgeübte Truppen und vortreffliche Ordnung, in Einem Jahr durch ein paar Niederlagen auf immer entkräftet worden ist.

Hier zeige Friedrichs Biograph, durch welche Mittel sein mächtiges Genie den Staat zu solcher Kraft erhob, daß am Ende einer Regie rung, wovon ein Viertheil in höchst schweren Kriegen verfloß, Volksmenge, Wohlstand, Lebendigkeit aller Arten von Cultur in niegesehenem Flor blüheten, und Er, der König, von den größten Mächten als ihres Gleichen gesucht, oder gefürchtet, von kleineren als Erhalter zutrauens. voll verehrt wurde.

Diese neue politische Schöpfung trug wesentlich bei, daß, als durch die Folge der Zeiten in der allergrößten Erschütterung des Gemeinwe sens von Europa ein altberühmtes Gleichgewicht unter dem Ruin vieler fallenden Staaten begraben wurde, die Kraft und Würde des germani schen Namens, wie dieses in den römischen Zeiten oft geschehen, augen. blicklich und scheinbar gefährdet, nicht für immer, nicht wesentlich und unheilbar geschwächt werden mochte. Dann fest, in der Kraft Friedrichs,

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