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Was nun das erstere betrifft, so ist es aus der eigenthümlichen Verfassung der hellenischen Nation erklärbar. Die Stämme, aus denen fie bestand, wie überall durch Sprache, Gebräuche und politische Einrichtungen getrennt, knüpften wohl zuweilen, auf kurze Zeit, ein politi sches Band unter sich; aber nie flossen sie zu gemeinsamen Staaten zusammen. Selbst in den einzelnen Stämmen stand fast jede Stadt für sich, und nur in gemeinschaftlichen Festen und feierlichen Spielen erkannten sie sich als Zweige des nämlichen Stammes. Da war kein Herrscher und kein Beherrschter zu finden; jedes Einzelne entwickelte sich eigenthümlich und frei; jedes gestaltete sich, wie es wollte und konnte. So geschah es, daß jeder Stamm, in dem erhebenden Gefühle seiner Unabhängigkeit sich selbst schäßend, so wohl Anderes, was ihm eigen war, als auch seine Sprache eifersüchtig behauptete, und sie als ein Recht nicht bloß in dem gewöhnlichen Verkehre des Lebens, sondern in jeder Art der Mittheilung gebrauchte. Mehr als einmal wechselte die Hege. monie unter den Staaten von Griechenland. Aber es mochte nun Sparta oder Athen, oder Thebä, später als beide, an der Spite der griechischen Staaten stehn, nie hat der Einfluß der politischen Ueberlegenheit die Rechte der Sprache gekränkt. Und so wie jene ohne Erfolg blieb, so auch, was weit wunderbarer ist, die Ueberlegenheit der Kultur. Der Ruhm der jonischen Bildung erfüllte die Welt; die Werke ihrer Poesie und Prosa erfreuten jedes empfängliche Gemüth; aber dennoch blieb der freie Geist der attischen Sprache, obschon der jonischen auf das engste verschwistert, ungefesselt. Sie trat mit der ältern Siegerin kühn in die Schranken, und gewann tausendfache Kränze des Ruhms, ohne daß die Kränze der Schwester verwelkten. Und schon stand der Ruhm von Athen in seiner Mittagshöhe, schon war die Sprache von Attika in mannichfaltigen Werken zur Bewunderung der Welt ausgebildet, da lehrten noch die Pythagoreer ihre Weisheit in dorischer Mundart, und Archytas, der edelste von allen, gab in seinen Werken der angestammten Sprache die höchste Vollendung.

Man würde aber durchaus irren, wenn man glaubte, daß die Unabhängigkeit der griechischen Staaten von einander allein hinreiche, das aufgegebene Problem zu erklären, oder daß die Beschränkung des Nationalstolzes allein dem Gebrauche der gebildetern Mundart den Eingang verboten habe. Herodotos, obgleich von dorischer Abkunft, faßte doch feine Geschichte in jonischer Prose ab; und in früherer Zeit hatte der Kumäische Hesiodos seine Leyer nach der Tonart Homers gestimmt. Auf gleiche Weise schrieb auch der Dorier Hippokrates jonisch. Mehrere

Beispiele anzuführen, würde unnüß sein *). Es ist aber hier vornehmlich das Beispiel der Dorier wichtig, weil dieser Stamm von allen der stolzeste, und folglich am wenigsten geneigt war, das Fremde sich an. zueignen.

Ehe wir indeß den Grund dieser Ausnahmen aufsuchen, müssen wir noch einmal auf die erste Frage zurückkehren, welche durch die Bemer kung der äußern Verhältnisse der Stämme gegen einander noch keines. wegs zur Befriedigung aufgelös't ist.

Um zu diesem Zwecke zu gelangen, müssen wir auch das innere Leben der Hellenen erwägen. Zwei Dinge aber sind es, welche hier be trachtet werden müssen; erstlich, die innere Verfassung, deren erstes Element in allen Staaten Freiheit und Gleichheit war. Nur die Bürger bildeten den Staat; alle übrigen Einwohner des Landes waren seine Werkzeuge, und kamen für sich selbst wenig in Betracht. Diejenigen aber, die den Staat bildeten, waren sich gleich. Mochten immer einige Geschlechter den Vorzug des Reichthums oder einer ältern und ruhm. vollern Abkunft behaupten, nie bildeten sie unter andern ächten Bürgern einen besondern Stand; und selbst Sparta's Könige waren nur als Feldherren und Obrigkeiten höher gestellt; in allem übrigen war ihnen auch der Leste der Spartaner gleich. Meist auf die nämliche Weise und durch die nämlichen Mittel gebildet, durch Religion, die ein gemein fames Gut war; durch das Beispiel der Alten, welches alle vor sich hatten, und durch das Leben selbst, standen die meisten auf derselben Höhe, und keine Klasse ragte über der andern empor. Und so wie die Hallen und Märkte, die Tempel der Götter und ihre Hayne, die Geseze und Rechte allen gemein waren, dem ersten wie dem legten, so war auch Eine Sprache allen gemein. Nur der tiefere und eindringendere Geist, die größere Fülle der Gedanken, der vollere Fluß der Rede, die sorg. fältigere Wahl der Bilder und Worte, unterschied den Tüchtigern von dem Schlechtern, aber die äußere Form der Sprache war in der Rede des einen, wie des andern, die nämliche. Und so wie noch jezt in den demokratischen Kantonen Helvetiens Eine Sprache den Herrn und den Knecht vereint, und im Verkehr mit den Einwohnern seines Landes Keiner die angeerbte Sprache der Väter verläßt, ohne sich seinen Mitbürgern zu entfremden: so würde sich auch ein Bürger in den Freistaaten Griechenlands durch den Gebrauch einer fremden, wenn schon gebildetern

*) Diog. Laert. II. 83. erwähnt 25 Dialogen Aristipps, einige in attischer, andere in dorischer Mundart geschrieben; ob aus Laune, oder mit tieferer Beachtung gewisser Eigenthümlichkeiten, läßt sich nicht bestimmen.

Mundart, gleichsam als eines selbstgenommenen Privilegiums, aller Ansprüche auf Vertrauen und Einfluß beraubt haben. So geschah es denn, daß, da auch die Geistreichsten und Edelsten ihre Landessprache ehrten, und sie von keiner Art des Gebrauches ausschlossen, ein jeder Stamm, sobald er sich zu geistiger Bildung erhob, seine angeerbte Sprache bis zur klassischen Vortrefflichkeit veredeln konnte.

Das zweite, welches hier erwogen werden muß, ist die Beschaffen. heit der öffentlichen Mittheilung in den griechischen Staaten. Sobald sich in der neuern Welt ein Stand von Schriftstellern erhob, so war damit zugleich die Nothwendigkeit einer allgemeinen Schriftsprache ausgesprochen. Das geschriebene Wort wendet sich an die Welt, die Rede an die nächsten Umgebungen. Jenes bedarf also ein allgemein geltendes Organ; diese begnügt sich mit dem, was in ihrem Umkreise verstanden. wird. Nun ist aber die Schriftstellerei ein spätes Erzeugniß der griechischen Kultur. Fast fünf Jahrhunderte verflossen, ehe man die Gesänge Homers in Schriftzeichen fesselte; und auch dann gingen sie lieber, ihrer ersten Bestimmung eingedenk, von dem Munde zum Ohr. In einem Bürgerstaate, so lange die Verfassung in ihrer Reinheit besteht, pflegt auch die Mittheilung der Ideen bürgerlich zu sein; auch der Edelste mischt sich in die Maße seiner Mitbürger; das Individuum schmilzt mit dem Ganzen zusammen; und so wie jeder sein irdisches Gut gern als ein Darlehn des Staates betrachtet, und alle Güter nur ein gemeinsames scheinen, so betrachtet er auch seine geistige Errungenschaft als ein Gemeingut, dessen Ertrag zuerst und vor allem seinen Mitbürgern nüßen müsse. So war ursprünglich alle geistige Mittheilung mündlich. Wie hätte sie also anders geschehen können, als in der Mundart des Volkes, dessen Geist und Gemüth bewegt werden sollte? wie anders als in den Tönen, in denen es seine ersten Ideen empfangen hatte, und mit denen es seine innersten Gefühle auszusprechen gewohnt war? So war also die älteste Poesie, so war die älteste Beredsamkeit schon darum nicht sowohl national, als recht eigentlich volksmäßig. Nicht jeder Schriftsteller aber will in diesem Sinne volksmäßig sein. Je mehr die münd. liche Mittheilung an Werth und Würde verliert, was doch in Griechenland zum Heile der Kultur erst spät geschah, je mehr sich der bürgerliche Sinn der Ersten und Edelsten auflöst, und das Individuum sich von der Masse sondert, desto mehr sinkt auch jene Popularität, und die Anzahl derer vermehrt sich, welche sich zu vornehm dünken, mit dem Volke nach seiner Weise zu reden. Die Schrift besiegt und tödtet die Rede. Die Leyer verstummt und lebt nur noch als Symbol in geschriebenen Liedern fort; der Gesang erstirbt in dem Tonzeichen; und das lehrende Wort strebt stolz und kalt über die nächsten Umgebungen nach einer fern

stehenden und zerstreuten Welt, oft auch über die Gegenwart unmittelbar zu der Nachwelt hin.

Das Nächste, was uns zu erörtern obliegt, ist die schon oben be rührte Erscheinung, die mit unsern bisherigen Bemerkungen in Widerspruch zu stehen scheint; daß nämlich manche Arten der geistigen Mit. theilung, wie z. B. das Evos, von dem allgemeinen Gebrauche abweichen, und unter allen Stämmen auf einerlei Weise in derselben, also in einer fremden Mundart, behandelt wurden; und, was damit Eines ist, daß einige Schriftsteller in ihren Werken die Landessprache gegen eine fremde vertauschten.

Die Erklärung dieser Abweichung, wie gemeiniglich geschicht, durch das überwiegende Ansehn einiger Schriftsteller, welches Andere gleichsam unterjocht, und sie nach fremder Weise zu reden genöthigt habe, ist zwar leicht und faßlich, aber keineswegs befriedigend. Denn warum wäre das Beispiel Herodot's in der Geschichte nicht eben so wirksam gewor den, als es das Beispiel Homer's in der Epik war? oder warum hätte Pindaros den dorischen Dialekt dem angestammten äolischen vorgezogen, in welchem seine Lehrerin, die treffliche Korinna, sang, und vor ihm die größten Lyriker gesungen hatten? Auch wäre in der übrigen Geschichte der griechischen Kunst eine solche Anmaßung der Autorität durchaus ohne Beispiel. Wenn irgendwo der freie Geist sein Recht behauptete, so war es hier, wo betretene Pfade weder mühsam aufgesucht, noch ängstlich vermieden wurden; wo man den Vorgängern nicht nachahmte, sondern nacherfand; wo nur das, was das Wesen der Kunst und jeder ihrer Arten forderte, nicht aber ihr zufälliger Schmuck stehende Form ward; wo vornämlich die redenden Künste, in ihrem weitesten Umfange, die Sprache mit einer Sicherheit und Sorgfalt wählten, welche das Joch der Autorität auf keine Weise vertrug. Schwerlich ist irgendwo der Grundsaß, daß das Reich der Kunst den Zufall ausschließe, so vollkom men anerkannt worden, wie in Griechenland, wo auch das, was der Zufall bot, wie etwa der Chor des Drama, bald mit dem Uebrigen der Handlung so innig verschmolzen ward, daß es mit ihm zugleich, wie ein organischer Theil, erwachsen schien. Und nur der Zufall, der den Sän. ger der Ilias unter dem Himmel Joniens geboren werden ließ, sollte der Epopõe auf ewige Zeiten die jonische Mundart angebildet, und ein noch größerer Zufall, etwa die Laune des Augenblicks, sollte den finnigen Herodotos bewogen haben, dieselbe Sprache der dorischen, die ihm angeboren war, oder der attischen, die gerade damals ihre schönsten Zweige trieb, in seinem unschäzbaren Werke vorzuziehn?

Wir müssen uns also nach einem andern und befriedigerenden Grunde umsehen.

Es ist von allen, welche die Geschichte der geistigen Bildung des hellenischen Volkes mit Aufmerksamkeit verfolgt haben, anerkannt, daß sie sich, wie sonst wohl nirgend, vollkommen organisch entwickelt, und ihre höchsten Blüthen nicht eher gezeigt habe, als bis sich jeder andere Theil des wundervollen Gewächses auf das vollkommenste entfaltet hatte. Wie in keinem andern Lande, und unter keinem andern Geschlechte, verfolgte in Hellas die Menschheit den natürlichsten Gang ihrer Entwicke Iung. Als ein heiteres Kind erwachte sie unter dem weichen Himmel Joniens. Hier erfreute sie sich des mühelosen Daseins bei schönen Festen und in feierlichen Zusammenkünften, voll Empfänglichkeit, froher Lebenslust, unschuldiger Neugier und kindlichen Glaubens. Der Außenwelt hingegeben, und allem, was durch Neuheit, Schönheit und Größe an fich zog, geneigt, horchten sie hier vornämlich auf die Geschichte der Männer und Helden, deren Thaten, Abentheuer und Irren die Vorwelt mit Ruhm, und wenn sie in Liedern wiederklangen, die Brust der Hörer mit Entzücken erfüllten. So ergriffen hier die Dichter zuerst jene Helden. Sagen als den günstigsten Stoff, und aus der Sage erwuchs allmählich das epische Gedicht. Die Erzählung war, wie es der Jugendfinn der Zeit und des hörenden Volkes heischte, finnlich, gestaltvoll, mannich. faltig und ausführlich. Daß sich die That in dem Liede spiegle, daß jede Gestalt klar und lebendig hervortrete, daß auch in dem einzelnen Theile das Ganze sich kund thue, daß, mit einem Worte, die herrliche Heldenwelt sich in voller Würde und heiterm poetischen Glanze bewege, das war das Streben des epischen Dichters, wie eines jeden, in dessen frischer und kräftiger Phantaste ein beseelter Stoff zur Mittheilung sich drängt. Diesem Streben aber entsprach die jonische Mundart auf das vollkommenste. Wie der Herameter das eigenthümliche Versmaaß der Epopöe ist und sein muß, so kann auch der jonische Dialekt als ihr eigenthümliches Organ betrachtet werden; nicht bloß, weil er den größten Reichthum finnlicher und bildlicher Ausdrücke, sondern auch die größte Mannigfaltigkeit der Formen, im weitesten Umfange dieses Wortes darbietet. Wie der Herameter sich unter allen Versmaaßen am freisten innerhalb der Schranken des Gesezes bewegt, so genießt auch der Jonis. mus schon in seiner alterthümlichen Gestalt der größten und gemüthlichsten Freiheit in seinen Auflösungen und Zusammenziehungen, so wie in der lockern Verbindung der Säße, der freien Bewegung seines Numerus, und selbst in der Nachlässigkeit, deren er sich als eines Rechtes bedient. Das ganze Wesen desselben ist auseinandergehend, entfaltend, spielend und episodisch, wie das Wesen der Epopöe selbst, die in ihrem freien Gange nach nichts so sehr als nach objektiver Entfaltung strebt. Nachdem nun dem empfänglichen Sinne der Griechen diese Angemessen

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