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Ueber Klugheit und Bedachtsamkeit im Reden. (,,Kurzes Pflichten und Sittenbuch." J. 6. Seume's sämmtliche Werke. 2. Ausg. in 1. Bde. Leipzig. 1837.)

Zwischen Weisheit und Klugheit ist ein großer Unterschied. Der

Weise ist immer klug; aber der Kluge ist nicht immer weise. Weisheit ist Tugend, verbunden mit Klugheit: Klugheit ist oft ohne Tugend. Wir sagen oft, er ist ein kluger Mann! von einem Menschen, der nur seine Geschäfte mit vieler Feinheit macht und sich zuweilen über einen Betrug, den man ihm nicht beweisen kann, kein großes Gewissen macht. Das ist eine sehr boshafte Klugheit. Aber wir sollen doch auch klug seyn; das heißt: wenn wir gut und tugendhaft sind, so sollen wir uns auch bemühen, so zu scheinen, daß man uns nicht für schlimm halte, daß wir durch Unachtsamkeit, Leichtsinn und Unbesonnenheit nicht uns selbst und vielleicht auch Andern schaden. Was hilft es manchmal einem Manne viel in der Welt, wenn er wirklich der ehrlichste Mann ist, und doch je dermann das Gegentheil von ihm glaubt, und deswegen durchaus kein Zutrauen zu ihm hat? Der Schein thut viel in der Welt. Wir sollten also auch auf den guten Schein halten. Sehr schlimm ist es, wenn viele Menschen auf mehr nichts als auf den Schein halten. Diese nennt man mit Recht, wenn sie fromm scheinen wollen, Frömmler und Scheinheilige, und wenn sie für ehrliche Leute gelten wollen, Gleißner und Duckmäuser. Wir dürfen nur erst wirklich gut seyn, so wird uns der Schein nicht schwer werden. Der Schein ist meistens nur wegen der Schlimmen, welche so gern immer Arges von ihrem Nächsten denken, weil sie selbst arg sind. Wir sollen also Klugheit mit der Tugend verbinden; aber nicht durch den Schein der Klugheit den völligen Mangel der Tugend verbergen. Seid klug, steht in der Schrift, aber seid ohne Falsch. Wir sollen also nicht allein nichts Böses thun, sondern wir sollen auch etwas Gleichgültiges unterlassen, wenn es durch die Umstände uns in den Verdacht des Schlimmen bringen kann. Ich spreche nur

vom Gleichgültigen, das an sich selbst weder gut noch böse ist. Denn etwas wirklich Gutes dürfen wir auch des Verdachtes wegen nicht unter lassen. Zum Beispiel, es geht jemand oft des Nachts einen gewissen Weg, wo man glaubt, daß er keine gute Absicht habe; so soll er ihn nicht gehen, wenn seine Absicht nicht wirklich sehr gut und wichtig, fondern vielleicht nur gleichgültig ist: denn er muß den Verdacht vermeiden. Es kann ihm selbst und vielleicht auch Andern schaden. Das verwickelt oft in gefährliche Weitläufigkeiten, und man kann zuweilen dabei den guten Namen verlieren, ohne wirklich etwas Böses gethan zu haben. Und nach einem guten Gewissen ist ein guter Name für jeden Ehrliebenden das größte Glück in der Welt. Wer oft mit schlechten Leuten zusammen ist, den wird man bald für ihren Gesellen halten, und wenn er auch wirk lich mit ihnen weiter keine Gemeinschaft hat. Sage mir, mit wem du umgehst, heißt das Sprichwort, und ich will dir sagen, wer du bist. Vor Gott ist es genug, reines Herzens zu seyn, denn Gott siehet das Herz an. Aber die Welt kann nicht die Herzen prüfen, und muß oft nach dem äußern Schein urtheilen. Wer also den Schein gar zu sehr vernachlässigt, handelt nicht klug, handelt auch nicht gut und weise. Denn da wir mit Menschen umgehen müssen, sollen wir wissentlich den Menschen auch nicht die entfernteste Gelegenheit geben, Böses von uns denken zu können.

Eben so große Behutsamkeit ist im Reden nöthig. Die Zunge ist ein kleines Glied, aber sie richtet viel Unheil an. Gedanken sind zollfrei, fagt man; das heißt: der Mensch darf über alle Dinge nach seiner Ueberzeugung, so wie er die Wahrheit zu erkennen glaubt, bei sich ur. theilen; aber sein Urtheil und das Gedachte zu sagen und unbedachtsam ohne Unterschied darüber zu sprechen, kann große oft sehr schädliche Fol. gen haben. Wir haben vielleicht selbst die Sache noch nicht recht eingesehen, und sehen sodann durch unsere Voreiligkeit und Ungeschicktheit Andere in Verwirrung, aus der wir weder sie noch uns wieder heraus. bringen können. Wir glauben, etwas sei wahr, welches doch vielleicht nicht wahr oder nur halb wahr ist. Wir glauben etwas sei recht, welches doch nur unter gewissen sehr wenigen Umständen recht ist. Wir find vielleicht gar nicht im Stande über alle Umstände zu urtheilen, und wagen es doch, über die Sache selbst zu sprechen, als ob wir sie so ge= wiß und fest entscheiden könnten, wie zwei mal zwei vier ist. Dadurch hat Mancher große Verwirrung angerichtet und sich in große Gefahr gestürzt. Bedenke, doch, was du sprichst! ist ein so gewöhnlicher Zuruf, eine so gewöhnliche Regel, daß man sie täglich vielmal hört, die aber desto öfter vergessen und vernachlässigt wird, je öfter man sie hört. Ein unbesonnenes Wort hat Manchen ins größte Unglück gebracht. Er kann

seine Zunge nicht im Zaume halten, ist ein Vorwurf, den man einem Menschen mit Recht macht, welcher sich durch seine Heftigkeit oder Un besonnenheit verleiten läßt, Dinge zu sagen, die er nicht beweisen kann, oder die in seiner Lage doch ihm nur schaden, ohne sonst jemanden zu nußen. Was deines Amts nicht ist, da laß deinen Vorwih, sagt der alte biblische Klugheitslehrer. Das erstreckt sich aber nicht so weit, daß wir zahm und furchtsam schweigen sollten, wo Recht und Ordnung will, daß wir sprechen. Ein Mann, der mit Muth, Standhaftigkeit, Klug: heit und Mäßigung für sich und die Gemeine spricht, verdient den Dank und die Achtung aller seiner Mitbrüder, auch wenn er seinen guten, ges rechten Zweck nicht erreichen und vielleicht für seine Offenherzigkeit leiden sollte. Gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit dürfen wir nicht allein, sondern wir sollen sprechen. Die höhere Obrigkeit wird und will uns schüßen: es ist ihre Pflicht, so wie es unsere Pflicht ist, ihr zu gehorchen und uns mit Ehrerbietung gegen sie zu betragen. Aber Gerechtig keit und Ordnung, Mäßigung und Klugheit müssen überall unsere Führerinnen seyn. Ünnüße Worte verderben die Sache. Wir beleidigen oft durch ein übereiltes Wort bitter und ziehen uns unnöthig Feindschaften zu, die wir mit vieler Mühe kaum wieder aussöhnen können. Uebers haupt ist das Vielreden selten ein Zeichen der guten Rede. Wenig reden und viel denken ist allezeit besser, als viel reden und wenig denken, wie das oft der Fall ist. Wo viel Worte sind, da geht es ohne Sünde nicht ab, da werden gewöhnlich manche Fehler gemacht. Daher ist ein Großsprecher nie in dem Ansehen, daß er viel Verstand und Muth habe.

Auch in unsern häuslichen Angelegenheiten und in Gesellschaften ist die äußerste Behutsamkeit der Zunge nöthig, damit wir uns nicht scha den oder durch Ucbereilung und Unachtsamkeit Böses stiften. Ein Wort giebt das andere, sagt man im Guten; aber eben so oft giebt ein Wort das andere im Schlimmen. Aus einer Freiheit wird oft Ausgelassenheit, aus der Ausgelassenheit wilder Muthwille, aus diesem Bitterkeit, aus dieser Beleidigung, aus der Beleidigung heftiger Zorn und großes Unglück. Der Sittenlehrer der Schrift kann nicht oft genug wiederholen: bewahre deine Zunge..

J. G. Seume.

Von den Pflichten gegen Andere überhaupt.

In der Schöpfung Gottes ist überall Ordnung und Schönheit; überall deutliche Absicht, daß er nur das Glück aller seiner Geschöpfe will. Wer diese Ordnung störet, diese Schönheit entstellt, der ist der

Verderber seines eigenen Wohls, der Beleidiger der Majestät Gottes. Wir fühlen alle und beständig in uns das Bedürfniß und den Wunsch, daß es uns immer wohl gehe; wir wenden dazu jedes Mittel an, das uns unser Verstand zeigt. Wir verlangen, daß uns niemand in der Erreichung unserer Absichten stören soll; und wir verlangen das mit Recht. Gott hat uns zu vernünftigen und glücklichen Geschöpfen geschaffen; und das wollen wir seyn. Aber Gott hat auch alle übrigen Menschen, die uns in allem ähnlich sind, zu vernünftigen und glücklichen Geschöpfen geschaffen; und sie wollen das auch seyn. So wie sie uns also in der Erreichung unserer erlaubten Absichten nicht stören dürfen, so dürfen wir fie auch in der Erreichung der ihrigen nicht stören. Sie haben die nämlichen Bedürfnisse, die nämlichen Fähigkeiten, die nämlichen Gedan ken; sie sind uns gleich; sie sind Geschöpfe des nämlichen Gottes; sie haben das nämliche Recht. Jedermann fühlt die Verbindlichkeit der Pflichten, die ihn gegen Andere binden; aber jedermann kann sie auch leicht sehen und begreifen, wenn er nur mit etwas Aufmerksamkeit nach. denken will. Was du nicht willst, daß dir die Leute thun sollen, das follst du ihnen auch nicht thun: das ist ein alter, goldener, ewig wahrer Ausspruch, den die Weisen und Sittenlehrer aller Zeiten und aller Völ ker auf mancherlei Weise, aber immer mit dem nämlichen Sinn, ausge drückt haben. Er enthält den ganzen Grund unserer Pflichten gegen Andere, wie wir sie uns nur denken können. Gott will, es soll alles Ordnung und Wohlstand seyn: beides kann nicht bestehen, wenn jeder den andern in seiner Ordnung und in seinem Wohlstande beeinträchtigen wollte. Gott ist die unendliche Vollkommenheit und allerhöchste reine Ordnung; wir sollen ihm so viel, als in unsern Kräften stehet, nach. eifern: denn wir sind nach seinem Bilde geschaffen; er hat uns Vernunft und Liebe und Mitempfindung gegen alle unsere Mitgeschöpfe ge. geben. Kein Stern hemmt den andern in seiner Laufbahn; Millionen große Weltkörper gehen neben und zwischen einander mit der schönsten Eintracht, und bilden Jahrtausende und Jahrtausende das große, herr liche, glänzende, uns unbegreifliche Weltgebäude. So soll es auch auf der Erde gehen; wie im Großen, so im Kleinen: und so kann es gehen. Das Ganze ist gleichsam ein schönes wohl geordnetes Gebäude, wo jeder Theil in seiner Art gut und schön ist, aber es nicht bloß für sich allein ist, sondern auch die übrigen zweckmäßig mit unterstüßet und sie wenig stens auf keine Weise hindert. Alles ist mit Weisheit und Kunst in ein ander gefügt; alles ist zu einer allgemeinen Absicht abgemessen; alles thut seinen Dienst, nichts ist überflüssig oder unnüß. So soll es unter den Menschen seyn; und so könnte es seyn, wenn jeder in seiner Lage alle seine Pflichten treu erfüllen wollte. Wer die Verbindlichkeit seiner Pflich

ten läugnen wollte, der gäbe durch diesen ruchlosen Unsinn auch allen Uebrigen die Freiheit, sich gleichfalls von den ihrigen los zu machen. Und was entstände daraus? Alle Ordnung verschwände, alle Bande zerrissen, alle Sicherheit wäre verloren: Gewaltthätigkeit, Verwüstung und Greuel würden herrschen, die wir zuweilen in Ländern sehen, wo die Geseze auf eine Zeit gar keine Kraft haben. Unsere Pflichten entspringen aus der ewigen Einrichtung der Natur und unseres Wesens; sie sind die einzigen Stüßen unserer Sicherheit und unserer irdischen Wohlfahrt. Wer sich von seinen Pflichten los sagen wollte, sagte sich von seiner Vernunft los, sagte sich los von allen Ansprüchen auf die Rechte, welche er als Mensch hat. Die Pflichten sind für alle, binden alle; aber sie sichern auch alle, schüßen alle. Die Pflichten, die uns gegen Andere obliegen, liegen auch Andern ob gegen uns. Sie sind Menschen wie wir. Wir können in der Haupt. fache auf die nämliche Weise und durch die nämlichen Mittel glücklich werden, durch gegenseitige Tugenden. Pflichten sind keine Lasten; denn ohne sie wären wir elend. Es giebt vielleicht Fälle, wo sie Beschwerden. zu seyn scheinen; aber meistens liegt die Beschwerde nur in unserer Kurzfichtigkeit. Eine kleine Mühe, mit welcher wir uns vor unendlichen un absehbaren Uebeln in Sicherheit sehen, ist eine sehr wohlthätige Mühe. Unsere Vernunft gebietet alle Pflichten, und die Religion heiliget sie. Wir wollen also als vernünftige Geschöpfe alle unsere Pflichten und alles, was denselben zuwider ist, fennen lernen, um nie etwas nur in Gedanken zu unternehmen, was das Glück unserer Mitbrüder stören könnte, und dadurch nothwendig unser eigenes in Gefahr sehen müßte. J. G. Seume.

Werth der Dankbarkeit.

Undant ist das größte Lafter, sagt das Sprichwort; und das Sprichwort redet die Wahrheit tief aus der menschlichen Natur. Der Undankbare muß ein hartes, empfindungsloses, ganz verwahrlos'tes Herz haben; oder vielmehr, er muß kein Herz haben: denn ein solches Herz verdient nicht mehr ein Herz genannt zu werden. Das Laster des Uns danks ist desto größer, da warme Empfindungen für Güte und Wohl. thaten bei jedem Menschen vorausgesezt werden müssen, der nur Ber nunft hat und sein eigenes Glück fühlt und wünscht. Es ist desto grö Fer, da die bürgerlichen Geseze es nicht durch alle Verhältnisse und La gen des menschlichen Lebens verfolgen und also nicht bestrafen können. Aber der Abscheu aller Redlichgesinnten verfolgt einen Undankbaren. Ein Undankbarer ist leicht fähig, von einer Stufe des Lasters herab zur an dern bis zu dem schrecklichsten Verbrechen zu sinken. Leichtsinn und Un.

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