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empfindsamkeit sind der Grund der Undankbarkeit. Wer erzeigte Wohlthaten nicht erkennt, wie will der im Stande seyn, einst aus Mitempfindung für das Schicksal seiner Brüder selbst Wohlthaten zu erweisen? Dankgefühl ist das erste, was der gute Mensch in der Freude seines Glücks äußert. Unser Dank muß zuerst zu Gott, unserm Schöpfer, Vater, Erhalter, Versorger und unendlichen Wohlthäter empor steigen. Alles unser Gebet muß Dank seyn, denn unser ganzes Leben ist Genuß seiner Liebe und Güte. Die ganze lebendige Schöpfung, und selbst die leblose ist ein lautes Chor zu seinem Lobe: und der Mensch, das herrlichste Geschöpf, das mit Vernunft empfindet, denkt und handelt, sollte nicht mit in dem Chore seyn!

Der kleinste Halm

Ist seiner Weisheit Spiegel;

und Luft und Meer und Wald und Thal und Hügel
Sind Gottes Loblied und sein Psalm.

Jede Empfindung der Freude durch die Natur ist ein Dank, den die Kreaturen unbewußt ihrem Schöpfer stammeln; und wir, die wir wissen und erkennen, sollten nicht heiß empfinden und laut und deutlich sprechen zu seinem Preise! Die Lerche erhebt ihr Lied in dem Saat. felde, und steigt hoch mit demselben in die Lüfte bis an die Wolken: und der Mensch, für den der Himmel die Saaten segnet, wollte zurückbleiben, und nicht sein Lob durch die Wolken und alle Himmel singen. Dankbarkeit gegen Gott, unsern allgemeinen Wohlthäter, ist der Grund unserer Erkenntlichkeit gegen alle unsere übrigen Wohlthäter auf Erden. Wer nie mit glühender Andacht seinem himmlischen Vater für alle seine tausend Segnungen dankte, wie will der seinem Bruder danken, der im Namen dieses großen Wohlthäters ihm bloß hier und da eine hülfreiche Hand gab? Aber Worte und geschmückte Reden sind kein sicherer Beweis der wahren Dankbarkeit; sind noch kein gültiger Bürge, daß der Sprechende von dem wahren echten Gefühl derselben durchdrungen ist. Mancher macht viel Wortgepränge, und seine Seele ist leer von Em. pfindungen; und mancher Bescheidene spricht wenig oder nichts; aber wenn gleich sein Mund verstummet, ist doch sein Herz ein lautes Gebet.

Vorzüglich sind wir sodann Dank schuldig unsern Aeltern, unsern Lehrern, unsern nähern Wohlthätern, der guten Obrigkeit und allen, die auf irgend eine Weise thätigen Antheil an unserm Schicksal nehmen. Wer den Aeltern nicht vergilt durch Liebe und Achtung alle ihre ehemalige Sorgfalt, alle ihre Treue, mit welcher sie ihn erzogen, der verdient auch von Kindern einst keinen Dank für alles, was er für sie thut. Gute Lehrer und gute Obrigkeiten sind nach guten Aeltern die größte Wohlthat des Himmels. Wer ihre Mühe und ihre Sorgfalt nicht mit Dankbarkeit und Willfäh.

rigkeit erwiedert, der verdient nicht das Glück, das sie ihm verschaffen könnten und das er durch seinen Leichtsinn und seine Halsstarrigkeit verliert. Jede freundschaftliche Theilnahme, jeder gute Rath, jede nügliche Zurechtweisung verdient unsere Erkenntlichkeit. Der dankbare Mensch ist im Grunde gewiß ein guter Mensch, und wenn er auch viele Fehler hätte; und der Undankbare ist gewiß kein guter, und wenn er auch gleiß. nerisch mit mancher gut scheinenden Eigenschaft prangte. Nichts ist rührender, als eine ganze Gemeine feierlich mit Dank vor Gott zu sehen, als eine Versammlung, die einem väterlichen Wohlthäter ihre kindliche Liebe dankbar bezeigt, als einen Kreis guter Kinder, die sich mit Herzlichkeit um einen Vater drängen, welcher eine zahlreiche Familie zur Tugend und zum Glücke liebreich auferzog. Selbst die Thiere fühlen den Trieb der Dankbarkeit, und die Geschichte erzählt davon Beispiele, die in Erstaunen seßen. Der Hund wacht bei dem Lager des Herrn, der ihn füttert; das Pferd duldet nur seinen Wohlthäter nahe an sich. Sollte sich der Mensch beschämen lassen von Geschöpfen ohne Vernunft, welche nur von einem unwillkührlichen Triebe gezwungen werden? Man kann sicher unter dem Dache eines Mannes ruhen, welcher dankbar war; aber gegen den Undankbaren herrscht billig ein allgemeines Mißtrauen. Wer Menschen nicht liebt, die ihm Wohlthaten erzeigen, wie will der Menschen lieben, die ihm ganz fremd find!

J. G. Seume.

Das Faster der Banksucht.

Der Friedfertigkeit, welche eine der schönsten menschlichen und christlichen Tugenden ist, wird die Zanksucht, eines der schlimmsten Laster, entgegengesett. Es giebt Leute, von denen man wohl sagt, daß sie ohne Zank und Streit nicht leben können. Es ist eine unselige Gewohnheit, sich und Andern Unruhe und Verdruß und Aergerniß machen zu müssen. Freilich meinen es dergleichen Leute nicht allemal böse und sind selbst nicht allemal schlimm; aber es läßt sich doch nur sehr schlimm mit ihnen leben. Zorn und Hiße und Eigensinn sind gewöhnlich der Grund eines solchen Betragens. Die Personen selbst, welche diesem Fehler unters worfen sind, werden eben so unglücklich dadurch, als alle diejenigen leiden müssen, welche mit ihnen umgehen. Wenn wir hohe Glückseligkeit nennen wollen, so sagen wir nur Frieden, und nennen die höchste Glückseligkeit in jenem Leben den ewigen Frieden; das Entgegengesezte des Friedens, Krieg, Hader, Zank und Streit, ist also auch das Entgegengeseßte der Glückseligkeit, ist also immer großes Elend. Wer an Hader und Streit Vergnügen

findet, ist auf dem Wege der Verdorbenheit und Bosheit schon weit gekommen. Aber die Zanksüchtigen finden eigentlich wohl kein Vergnü. gen am Zanke, sondern sie sind nur eines so mürrischen, unleidlichen und unverträglichen Wesens, daß die geringste Kleinigkeit, die, wie man sagt,' nicht nach ihrem Kopfe geht, ihre Galle reizt, und sie in Aergerniß und Bitterkeit oft sehr laut und qualvoll überströmen läßt. Er ist ein böser Mann, sagt man wohl von einem solchen Manne, nicht als ob er durch. aus boshaft wäre, sondern nur weil er in diesem Hauptpunkte des menschlichen Lebens nicht gut ist, und weil es sich in seiner Gesellschaft nur sehr schlimm leben läßt. Die Gesellschaft eines solchen Menschen flieht man mit Recht; er richtet nur Berwirrung und Unheil an. Wohin er kommt, ist sogleich Krieg; er störet jede Freude und verscheucht jedes Vergnügen. Du mußt ihm nicht zu nahe kommen, er ist ein Händelmacher, warnt jeder vor ihm. Sie hat eine böse schneidende Zunge; jedes Wort, das sie sagt, giebt eine Wunde, spricht man von einem zänkischen Weibe. Wenn vorher die freundschaftliche Fröhlichkeit herrschte, so wird alles sogleich stumm, wo sie erscheinen, weil jedermann fürchtet, ihnen durch irgend einen unbewachten Ausdruck Gelegenheit zum Streit zu geben. Der Zanksüchtige findet in jedem Worte Veranlassung zur Mißdeutung; jede Miene ist ihm verdächtig, und sogar das Stillschweigen Anderer kann er nicht vertragen, weil er das Schweigen für Tadel und den Schweigenden für seinen Gegner hält. Wer von Jugend auf durch seine eigenen oder seiner Erzieher Fehler und Vernachlässigung diese unselige Gewohnheit bei sich hat einwurzeln lassen, dem wird es sehr schwer, sich davon los zu machen: aber desto eifriger muß er bemüht seyn, damit es ihm endlich doch gelinge, dieses böse Laster abzu legen. In der Jugend muß jede Tugend auffeimen: im erwachsenen Alter kostet es überall zehnmal größere Mühe, einen mitaufgewachsenen Fehler auszurotten. Die Lehre und Religion Jesu zeichnet sich hier besonders aus: sie ist vorzugsweise eine Religion des Friedens und der Sanftmuth, weil diese Tugenden vorzüglich die Glückseligkeit der Men schen in allen ihren Lagen begründen und befördern, so wie die entgegen= gesezten Fehler und Laster es untergraben und zerstören. Der Zänker empfindet täglich selbst die unangenehmen Folgen seiner unglücklichen Leidenschaft. Er sieht, man liebt ihn nicht, und wird dadurch noch bitte rer; er sieht, man flieht ihn, und wird dadurch noch mürrischer. Er geräth endlich in Zank mit sich selbst, und wie sollte er mit Andern in Frieden leben können? Möchte keiner unter uns, keiner unserer Freunde und näheren Bekannten so unglücklich seyn, auf diese traurige Weise seine eigene und seiner Brüder Ruhe und Zufriedenheit zu stören.

J. G. Seume.

Taubheit und Blindheit.

(Zerstreute Blätter von Friedrich Jacobs. Leipz. 1837.)

Unter den dauernden Gebrechen des menschlichen Körpers möchte die Taubheit leicht das schlimmste seyn. Zwar wird es vielleicht nur wenige Menschen geben, die sie nicht der Blindheit vorzögen, und dieses Urtheil mag unter gewissen Vorausfegungen gegründet seyn: aber im Allgemeinen die Blindheit für das größere Uebel zu halten, ist ein Irrthum, der zum Theil daraus entspringt, daß Taubheit selten so radical und vollständig ist, als Blindheit, theils aber auch aus der Gewohnheit der Menschen, sich in ihrem Urtheile durch den ersten Ein. druck bestimmen zu lassen, und nebenbei auch sich um die Beschwerden, die sie Andern verursachen, wenig zu kümmern.

Der Blinde findet in seinem Unglück mancherlei Troft. Warum hat die Blindheit von Alters her eine gewisse Heiligkeit gehabt? Warum dachten sich die Alten so manchen Sänger und Seher blind? Schien nicht die Nacht, die ihre Augen umhüllte, gleichsam ein Schleier, der ihnen die verschossenen Farben und die Nichtigkeit der wirklichen Welt wohlthätig verbarg, damit sich in ihrem umschirmten Gemüthe eine unendlich schönere ungehindert entfalten könnte? Indem sich ihr Auge dem irdischen Lichte schloß, ging in ihrer Seele ein reineres Licht auf, und beleuchtete den Pfad zu den höher liegenden Gegenden, in die ihr inheres Auge jest ungehemmt vordrang. Tiresias und Thampris, die blinden Seher, schauten in das Dunkel der Zukunft, und in Homer's und Ossians Seele strahlten die Thaten der Vorzeit in einem Glanze, den sie in der Zeit, wo sie geschahen, nicht gehabt hatten. Milton, der sich an diese Ehrwürdigen anschließt, und dessen Augen auch vergebens rollten, um die Strahlen der Sonne zu finden,

hört deshalb nicht auf

zu wallen, wo das Chor der Musen wohnt,
An hellen Bächen, in der Haine Schatten,
Auf sonnenreichen Hügeln").

Der Anblick des Blinden erregt Mitleiden, da seine Hülflosigkeit Jedem in die Augen fällt; die Menschen sammeln sich um ihn, geben ihm ihre Theilnahme zu erkennen, und suchen ihn seinen Verlust durch erheiterndes Gespräch vergessen zu machen. Was ist rührender, als der blinde Oedipus von seiner Antigone, oder der blinde Belisar an der Hand eines Knaben geführt? Nun lasse man den alten Mann taub

*) Paradise lost. (Verlornes Paradies) III. 26.

seyn statt blind, und es ist um die Rührung geschehn. Der sinnliche Eindruck entscheidet hier, und selbst das gefühlvollste Herz hält nur mit Mühe das Lächeln über ein schmerzloses, äußerlich unbemerkbares Gebrechen und dessen Folgen zurück. In der That, was ist lächerlicher und doch zugleich peinlicher, als die Anstrengung einer Familie, sich dem tauben Hausvater verständlich zu machen, der immer eines Dolmetschers bedarf, ein Wort mit dem andern verwechselt, und oft erst nach tausenderlei, oft lächerlichen Mißverständnissen den Sinn der an ihn gerichteten Rede faßt? Jedermann vermeidet ihn, so lang' es möglich ist, und das Beste, was er in seiner Verlassenheit thun kann, ist, sich der Gesellschaft der Todten zu widmen, oder dumpf über sich selbst hinzubrüten.

Nie fürwahr muß man den Zauber einer menschlichen Stimme empfunden, nie muß man bemerkt haben, daß ohne die Mannichfaltigkeit ihrer füßen Modulationen die Rede ein todter Buchstabe bleibt; man muß nie beachtet haben, wie unendlich tiefer das ausgesprochne Wort in die Seele dringt, als das geschriebene, um den Verlust des Gehörs für ein kleineres Uebel zu halten, als den Verlust des Gesichtes. Welchen Ersatz hat denn der Taube für sein Unglück? Nicht den mindesten. Ja, wenn sich bei dem Blinden die Kräfte des Geistes erhöhen, werden sie bei dem Tauben abgestumpft; und wenn die Blindheit weicher und zärtlicher macht, so macht die Taubheit oft mißtrauisch, störrig und hart. Ein trockner Egoismus bemächtigt sich seiner; und indem die zarten Töne des Gefühls nicht mehr in seine Ohren dringen, stirbt allmählig das Mitgefühl in seinem Herzen aus.

In dem Umgange mit Andern büßt der Blinde nur wenig ein, der Taube fast Alles. Für ihn sind die Mienen des Redenden immer nur ein höchst unsichrer Dolmetscher; und der Anblick einer anmuthigen Gestalt, ist ein höchst unvollständiger Genuß beim Mangel der Rede, die sich der Taube umsonst zu errathen quält. Man sese noch hinzu, daß schöne Gestalten selten, schöne Gedanken und gefällige Reden aber unendlich häufiger sind. Diese vernimmt der Blinde, und zu dem, was er mit den Ohren vernimmt, schafft seine Einbildungskraft eine analoge Gestalt. Was Jedem begegnet, der einen schönen Gesang hört, ohne den Mund zu sehn, aus dem er hervorgeht, daß sich ihm ein Bild von Schönheit vor die Seele stellt, das begegnet dem Blinden bei jedem freundlichen Worte, bei jedem schönen und geistvollen Gedanken, bei jedem Tone einer melodischen Stimme. Und alle diese Dinge finden sich häufig genug. Schöne Seelen in mißgestalteten Körpern; anmuthige Worte auf Lippen, die niemand küssen mag, sind keine so seltne Erschei nung. In diesem Falle gewinnt der Blinde ganz offenbar, so wie der Taube ganz offenbar verliert. Dieser sieht nur die häßliche Gestalt, was

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