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gezogen." Wie dem nun auch sei, das Fest selbst und die Beteiligung der gesamten chemischen Welt waren der warme Ausdruck der Anerkennung und Bewunderung dieser genialen und fruchtbaren Hypothese.

Auch dem Nicht-Chemiker konnte die beispiellos rasche Entwicklung der Chemie in den letzten 25 Jahren und die erfolgreiche Verwertung ihrer wissenschaftlichen Resultate durch die Industrie nicht verborgen bleiben, sie lag offenkundig vor aller Augen, aber der chemische Laie konnte nicht wissen, dass diese Entwicklung wesentlich aus der fruchtbaren Idee von Kekulé erwachsen war, einer Idee, die er zuerst als Hypothese aussprach und die sich dann allmählich zu einer Theorie gestaltete, die, indem sie unsere bisherigen theoretischen Ansichten in sich aufnahm, die gegenwärtige wissenschaftliche Entwicklung der Chemie kennzeichnet und beherrscht.

In den nicht chemischen Kreisen erregte daher diese Benzolfeier zunächst einiges Befremden und es war dies nur natürlich, man pflückte meist die reifen Früchte der chemischen Industrie, ohne sich um die näheren oder entfernteren Prozesse zu kümmern, denen sie ihre Entstehung verdankten, man schrieb bei auffallenden neuen Entdeckungen oft der Praxis und dem Zufall das zu, was in bewusster Arbeit nur dem chemischen Theorem zu danken war.

Der Vortragende hatte bereits am 7. Oktober 1888 bei der Feier des 50jährigen Bestehens der Philomathie „die Entwicklung der Chemie in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts" charakterisiert.*) Wenn er in dem gegenwärtigen Vortrage auf denselben Gegenstand zurückkam, so geschah es, weil eben inzwischen jenes bedeutsame Fest gefeiert worden ist und weil er glaubte, es würde der Gesellschaft von Interesse sein, die Hilfsmittel kennen zu lernen, welche diese Theoreme der Anschauung näher bringen, die wir ebenfalls dem genialen Begründer der Strukturchemie verdanken.

*) Der Vortrag ist vollständig abgedruckt im 25. Jahresbericht der Philomathie, 1890, S. 1–38.

Im engen Anschluss an seinen früheren Vortrag legte er zunächst den Begriff eines chemischen Elements und einer chemischen Verbindung klar, kennzeichnete dann die fundamentale Bedeutung der atomistischen Hypothese und benützte die Kekuléschen Modelle zur Charakterisierung des chemischen Atoms, der Molekel und des Wertes, der Valenz der chemischen Elemente. Er erläuterte diese grundlegenden Begriffe zunächst an den einfachsten chemischen Verbindungen, dem Chlorwasserstoff, Wasser, Schwefelwasserstoff, Ammoniak und dem Sumpfgase (Methan) und benützte die letztere Verbindung, um die Entstehung des Chloroforms und den Aufbau komplizierterer Verbindungen, des Alkohols, der Essigsäure etc. zu zeigen. Die fast überwältigende Menge der näher gekannten Kohlenstoffverbindungen, die sogenannten organischen Verbindungen, deren Kenntnis ins Ungemessene zu wachsen scheint, lässt sich ungezwungen in zwei grosse Gruppen teilen. Die eine leitet sich vom Sumpfgas, dem Methan, die andere vom Benzol ab.

Im Methan sind vier Atome Wasserstoff mit einem Atom Kohlenstoff verbunden, alle vier Verwandtschafts-Einheiten des Kohlenstoffatoms sind befriedigt, wir nennen eine solche Verbindung eine gesättigte.

Im Benzol sind in der Molekel sechs Atome Kohlenstoff mit sechs Atomen Wasserstoff verbunden. Vom Gesichtspunkt der chemischen Struktur, dem molekularen Bau des Methans aus beurteilt, würden 14 Atome Wasserstoff dazu gehören, um mit sechs Atomen des vierwertigen Kohlenstoffs eine gesättigte Verbindung zu bilden, es würde daher das Benzol als eine ungesättigte Verbindung anzusehen sein.

Das ganze chemische Verhalten des Benzols jedoch, seine Entstehung in schwacher Glühhitze, seine Widerstandsfähigkeit gegen chemische Einflüsse, sein Verhalten gegen konzentrierte Schwefelsäure und Salpetersäure widersprachen dieser Ansicht und führten Kekulé im Jahre 1865 zu der bis jetzt siegreich aus allen Anfechtungen hervorgegangenen Auffassung, dass in der Molekel des Benzols sechs Atome Kohlenstoff ringförmig mit einander verkettet und abwechselnd

durch je zwei Verwandtschaftseinheiten mit einander verbunden seien. In diesem Falle bleiben von den 24 Verwandtschaftseinheiten der sechs Kohlenstoffatome noch sechs übrig und diese sind durch sechs Atome Wasserstoff gesättigt.

Diese geistvolle Hypothese Kekulés über die Lagerung der Atome in der Molekel des Benzols ist bahnbrechend und von der grössten Fruchtbarkeit für die weitere Entwicklung der Chemie geworden, die sich von nun an in erster Linie die Aufgabe stellte, die Struktur, das heisst die Lagerung der Atome in der Molekel, aus dem ganzen chemischen und physikalischen Verhalten der Verbindungen zu erschliessen.

Der 25jährige Geburtstag dieser genialen Idee, die Kekulé zuerst 1865 in seinem Lehrbuch der organischen Chemie aussprach, war die Veranlassung zu dem Benzolfest, das von dem Festredner sehr treffend als das Richtfest der Struktur-Chemie" bezeichnet wurde.

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Der Vortragende demonstrierte an dem Modell von Kekulé eine ganze Anzahl von Körpern, deren Entstehung sich aus dem Benzol ableitet, unter anderen die Carbolsäure, das Nitrobenzol (Essence de Mirban mit starkem bittermandelähnlichem Geruch), ferner das Anilin, die Benzoesäure, die Salizylsäure, das Pyridin, die Ursubstanz für eine Anzahl unserer Pflanzengifte und neuerer Arzneimittel u. a. Ebenso gestattete das Modell eine anschauliche Darstellung der Erklärung für die Verschiedenheit der Eigenschaften von zwei und mehr Verbindungen bei völlig gleicher Zusammensetzung, Isomerie. In gewissen Fällen reicht diese Erklärung nicht aus, namentlich da nicht, wo das chemische Verhalten von isomeren Verbindungen das gleiche, aber ihre verschiedenen physikalischen Eigenschaften nicht aus der Lagerung der Atome erklärt werden können, wie bei den zwei Weinsäuren, von denen die eine den polarisierten Lichtstrahl rechts, die andere ihn links ablenkt. Hier hat man die Beschaffenheit der Atome, ihre geometrische Form, ihre chemischen Angriffspunkte in den Bereich der Hypothese gezogen und so Fragen geschaffen, die jetzt als „Stereochemie" lebhaft diskutiert werden.

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Die praktischen Resultate dieser chemischen Geistesund experimentellen Arbeit sind in der glänzenden Entwicklung unserer chemischen Industrie zu finden. Die Zahl der von dem Benzol des Steinkohlenteers sich ableitenden Verbindungen, Farben und Arzneistoffe steigert sich von Tag zu Tag, aber durch alle zieht sich wie ein roter Faden die scharfsinnige Hypothese Kekulés über die chemische Struktur des Benzols. Eine annähernde Schätzung des Wertes der Gesamterzeugung von Teerfarbstoffen in Deutschland ergiebt für 1874 24 Millionen, für 1890 65 Millionen Mark. Im letzteren Jahre waren in Deutschland 21 Fabriken mit 10237 Arbeitern im Betrieb, die 10% Millionen Mark an Lohn erhielten.

Der Vortragende schloss mit der Bemerkung, dass die an den einfachsten Verbindungen klar gelegten gesetzmässigen Beziehungen der chemischen Struktur eine ganz allgemeine Geltung besitzen, und dass sich bis jetzt noch jede neue Entdeckung ihnen untergeordnet habe, man also annehmen müsse, dass auch die kompliziertesten Verbindungen, welche von der tierischen und pflanzlichen Zelle gebildet werden, die Eiweissstoffe, in ihrer chemischen Struktur denselben Gesetzen folgen.

An der sich hieran anschliessenden Festtafel beteiligten sich 91 Herren. Se. Exzellenz, Herr Generallieutenant Müller brachte den ersten Toast auf Se. Majestät den Kaiser aus; der zweite Toast galt dem Sekretär und wurde vom Herrn Justizrat Grauer ausgebracht; hierbei überreichte derselbe dem Jubilar einen kostbaren, reich vergoldeten silbernen Pokal, gewidmet von der Philomathie mit den Aufschriften,,Honoris et amoris pignus“ und „,Katμýhov eis deí“. In seiner Dankesrede wies der Jubilar darauf hin, dass, wenn die Philomathie sich so allgemeinen Ansehens erfreue, es dies wesentlich den unvergesslichen Verdiensten des Herrn Geheimrat Poleck zu verdanken sei, der über 16 Jahre Sekretär der Philomathie gewesen ist und einen so gediegenen Grund gelegt habe, dass es seinen Nachfolgern nicht allzu schwer gewesen sei, auf diesem Fundamente weiter zu bauen

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daher gelte diesem sein Hoch. Herr Geheimrat Poleck dankte sofort hierauf und brachte unter Hinweis auf die Verdienste der Stifter unserer Gesellschaft auf das weitere Gedeihen, Wachsen und Blühen der Neisser Philomathie ein Hoch aus. Herr Dr. Cimbal hatte auf den Sekretär ein allerliebstes Tafellied gedichtet, heitere deklamatorische und gesangliche Vorträge hielten die Gemütlichkeit in beständigem Fluss.*)

Am 3. Mai 1893 erstattete der Sekretär den in der vorigen Sitzung von der Tagesordnung abgesetzten Jahresbericht. Es haben 8 Sitzungen stattgefunden, in denen 13 Vorträge gehalten worden sind; besucht waren dieselben durchschnittlich von je 63 Mitgliedern und je 4 Gästen. Die Mitgliederzahl betrug am 18. Mai 1892 115; der Zuwachs betrug 30, der Abgang 17, so dass heute ein Bestand von 128 Mitgliedern verbleibt.

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Herr Landgerichtsrat Kastan hielt einen Vortrag über das Thema: „Ergebnisse neuerer rechtsgeschichtlicher Forschungen über das sogenannte Herrenrecht".

Lenkt sich einmal das gewöhnliche Gespräch auf diesen Gegenstand, so wird davon, dass das jus primae noctis als eine anerkannte rechtliche Einrichtung bestanden habe, wie von einer feststehenden und zweifellosen Thatsache geredet. Und doch herrscht unter den Schriftstellern, die sich speziell damit beschäftigt haben, der heftigste Streit darüber, ob das j. pr. n. jemals und irgendwo bestanden hat, und der neueste Forscher, der Oberlandesgerichtsrat Schmidt in Colmar, kommt nach einer ausserordentlich gründlichen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass er die Lehre von dem j. pr. n. als einen gelehrten Aberglauben bezeichnet.

*) Telegramme waren eingegangen von den Herren: Professor Blasel, z. Z. in Berlin, Fabrikbesitzer Güttler-Reichenstein, Stabsarzt Hodann-Striegau, Rechtsanwalt Dr. jur. Max Kohn-Berlin, Stabsarzt Dr. Neumann-Münsterberg, Oberlehrer Dr. Nürnberger-Breslau und Rittergutsbesitzer Welt zel-Lamsdorf.

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