110 115 120 125 130 135 140 Goethe, 1 Aber, ach! berührst du meine Glieder, Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt. Aber kalt wie Eis Ist das Liebchen, das du dir erwählt. Heftig faßt er sie mit starken Armen, Liebesüberfluß! Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt? Liebe schließet fester sie zusammen, Thränen mischen sich in ihre Lust; Gierig saugt sie seines Mundes Flammen, Wärmt ihr starres Blut, Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust. Unterdessen schleichet auf dem Gange Welch ein sonderbarer Ton es sei: Bräutigams und Braut Und des Liebestammelns Raserei. Unbeweglich bleibt sie an der Thüre, Weil sie erst sich überzeugen muß, Aber morgen Nacht Bist du wieder da?- und Kuß auf Kuß. Länger hält die Mutter nicht das Zürnen, Öffnet das bekannte Schloß geschwind: 10 145 150 155 160 165 170 175 Giebt es hier im Hause solche Dirnen, Bei der Lampe Schein Sieht sie Gott! fie sieht ihr eigen Kind. Und der Jüngling will im ersten Schrecken Lang und langsam sich im Bett empor. Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte: Daß ins Leichentuch, Daß ihr früh mich in das Grab gebracht? Aber aus der schwerbedeckten Enge Und ihr Segen haben kein Gewicht; Salz und Wasser kühlt Nicht, wo Jugend fühlt; Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht. Dieser Jüngling war mir erst versprochen, Als noch Venus' heitrer Tempel stand. Mutter, habt ihr doch das Wort gebrochen, Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' euch band! Doch kein Gott erhört, Wenn die Mutter schwört, Zu versagen ihrer Tochter Hand. Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben, Noch zu suchen das vermißte Gut, 180 185 190 Noch den schon verlornen Mann zu lieben Ist's um den geschehn, Muß nach andern gehn, Und das junge Volk erliegt der Wuth. Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben; Meine Kette hab' ich dir gegeben, Morgen bist du grau, Und nur braun erscheinst du wieder dort. Höre, Mutter, nun die letzte Bitte: Bring in Flammen Liebende zur Ruh! Wenn der Funke sprüht, 195 Wenn die Asche glüht, 5 10 Eilen wir den alten Göttern zu. Der Gott und die Bajadere. Indische Legende. Mahadöh, der Herr der Erde, Muß er Menschen menschlich sehn. Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet, Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn. Als er nun hinausgegangen, Wo die lezten Häuser find, Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen, Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß. Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle, Schöner Fremdling, lampenhelle Soll sogleich die Hütte sein. Bist du müd', ich will dich laben, Lindern deiner Füße Schmerz. Was du willst, das sollst du haben, Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden. Und er fordert Sklavendienste; Und so stellet auf die Blüthe Aber, fie schärfer und schärfer zu prüfen, Und er küßt die bunten Wangen, Ach! und die gelenken Glieder, Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier Spät entschlummert unter Scherzen, Und man trägt die starren Glieder Sie höret die Priester, die Todtengefänge, Bei der Bahre stürzt sie nieder, Es fingen die Priester: wir tragen die Alten |