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Goethe, 1

Aber, ach! berührst du meine Glieder,

Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt.
Wie der Schnee so weiß,

Aber kalt wie Eis

Ist das Liebchen, das du dir erwählt.

Heftig faßt er sie mit starken Armen,
Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Hoffe doch bei mir noch zu erwarmen,
Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechselhauch und -Kuß!

Liebesüberfluß!

Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?

Liebe schließet fester sie zusammen,

Thränen mischen sich in ihre Lust;

Gierig saugt sie seines Mundes Flammen,
Eins ist nur im andern sich bewußt.
Seine Liebeswuth

Wärmt ihr starres Blut,

Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.

Unterdessen schleichet auf dem Gange
Häuslich spät die Mutter noch vorbei,
Horchet an der Thür und horchet lange,

Welch ein sonderbarer Ton es sei:
Klag- und Wonnelaut

Bräutigams und Braut

Und des Liebestammelns Raserei.

Unbeweglich bleibt sie an der Thüre,

Weil sie erst sich überzeugen muß,
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb- und Schmeichelworte mit Verdruß -
Still! Der Hahn erwacht! -

Aber morgen Nacht

Bist du wieder da?- und Kuß auf Kuß.

Länger hält die Mutter nicht das Zürnen, Öffnet das bekannte Schloß geschwind:

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Giebt es hier im Hause solche Dirnen,
Die dem Fremden gleich zu Willen sind?
So zur Thür hinein.

Bei der Lampe Schein

Sieht sie Gott! fie sieht ihr eigen Kind.

Und der Jüngling will im ersten Schrecken
Mit des Mädchens eignem Schleierflor,
Mit dem Teppich die Geliebte decken;
Doch fie windet gleich sich selbst hervor.
Wie mit Geist's Gewalt
Hebet die Gestalt

Lang und langsam sich im Bett empor.

Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte:
So mißgönnt ihr mir die schöne Nacht!
Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte.
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ist's euch nicht genug,

Daß ins Leichentuch,

Daß ihr früh mich in das Grab gebracht?

Aber aus der schwerbedeckten Enge
Treibet mich ein eigenes Gericht;
Eurer Priester summende Gesänge

Und ihr Segen haben kein Gewicht;

Salz und Wasser kühlt

Nicht, wo Jugend fühlt;

Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.

Dieser Jüngling war mir erst versprochen, Als noch Venus' heitrer Tempel stand. Mutter, habt ihr doch das Wort gebrochen, Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' euch band! Doch kein Gott erhört,

Wenn die Mutter schwört,

Zu versagen ihrer Tochter Hand.

Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben,

Noch zu suchen das vermißte Gut,

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Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens Blut.

Ist's um den geschehn,

Muß nach andern gehn,

Und das junge Volk erliegt der Wuth.

Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben;
Du versiechest nun an diesem Ort.

Meine Kette hab' ich dir gegeben,
Deine Locke nehm' ich mit mir fort.
Sieh fie an genau!

Morgen bist du grau,

Und nur braun erscheinst du wieder dort.

Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:
Einen Scheiterhaufen schichte du,
Öffne meine bange kleine Hütte,

Bring in Flammen Liebende zur Ruh!

Wenn der Funke sprüht,

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Wenn die Asche glüht,

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Eilen wir den alten Göttern zu.

Der Gott und die Bajadere.

Indische Legende.

Mahadöh, der Herr der Erde,
Kommt herab zum sechsten Mal,
Daß er unsersgleichen werde,
Mit zu fühlen Freud' und Qual.
Er bequemt sich, hier zu wohnen,
Läßt sich alles selbst geschehn.
Soll er strafen oder schonen,

Muß er Menschen menschlich sehn.

Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,
Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,

Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn.

Als er nun hinausgegangen,

Wo die lezten Häuser find,

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Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen,
Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,

Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß.

Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,
Lebhaft ihn ins Haus hinein.

Schöner Fremdling, lampenhelle

Soll sogleich die Hütte sein.

Bist du müd', ich will dich laben,

Lindern deiner Füße Schmerz.

Was du willst, das sollst du haben,
Ruhe, Freuden oder Scherz.

Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.
Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden
Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.

Und er fordert Sklavendienste;
Immer heitrer wird sie nur,
Und des Mädchens frühe Künste
Werden nach und nach Natur.

Und so stellet auf die Blüthe
Bald und bald die Frucht sich ein;
Ist Gehorsam im Gemüthe,
Wird nicht fern die Liebe sein.

Aber, fie schärfer und schärfer zu prüfen,
Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
Lust und Entsetzen und grimmige Pein.

Und er küßt die bunten Wangen,
Und sie fühlt der Liebe Qual,
Und das Mädchen steht gefangen,
Und sie weint zum ersten Mal;
Sinkt zu seinen Füßen nieder,
Nicht um Wollust noch Gewinst,

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Ach! und die gelenken Glieder,
Sie versagen allen Dienst.

Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier
Bereiten den dunklen behaglichen Schleier
Die nächtlichen Stunden, das schöne Gespinst.

Spät entschlummert unter Scherzen,
Früh erwacht nach kurzer Rast,
Findet sie an ihrem Herzen
Todt den vielgeliebten Gast.
Schreiend stürzt sie auf ihn nieder;
Aber nicht erweckt sie ihn,

Und man trägt die starren Glieder
Bald zur Flammengrube hin.

Sie höret die Priester, die Todtengefänge,
Sie raset und rennet und theilet die Menge.
Wer bist du? Was drängt zu der Grube dich hin?

Bei der Bahre stürzt sie nieder,
Ihr Geschrei durchdringt die Luft:
Meinen Gatten will ich wieder!
Und ich such' ihn in der Gruft.
Soll zu Asche mir zerfallen
Dieser Glieder Götterpracht?
Mein, er war es, mein vor allen!
Ach, nur Eine süße Nacht!

Es fingen die Priester: wir tragen die Alten
Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,
Wir tragen die Jugend, noch eh' fie's gedacht.

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