34. 155 Oft erklärtet ihr euch als Freunde des Dichters, ihr Götter! 160 Gebet mir ferner dazu Sprachen, die alten und neu'n, Daß ich der Völker Gewerb' und ihre Geschichten vernehme; Gebt mir ein reines Gefühl, was sie in Künsten gethan. 165 Ansehn gebt mir im Volke, verschafft bei Mächtigen Einfluß, Oder was sonst noch bequem unter den Menschen erscheint. 170 Gut schon dank' ich euch, Götter; ihr habt den glücklichsten Menschen Ehstens fertig: denn ihr gönntet das meiste mir schon. 35. Klein ist unter den Fürsten Germanien's freilich der meine, Jeder, da wär's ein Fest, Deutscher mit Deutschen zu sein. 180 Neigung, Muße, Vertraun, Felder und Garten und Haus. Nichts! Ich habe, wie schwer! meine Gedichte bezahlt. Malet mit ängstlicher Hand Werthern und Lotten auf Glas? 185 Niemals frug ein Kaiser nach mir, es hat sich kein König Um mich bekümmert, und er war mir August und Mäcen. 36. Eines Menschen Leben, was ist's? Doch Tausende können Goethe, 1. 15 190 Weniger ist ein Gedicht; doch können es tausend genießen, Tausende tadeln. Mein Freund, lebe nur, dichte nur fort! 37. Müde war ich geworden, nur immer Gemälde zu sehen, Herrliche Schäße der Kunst, wie sie Venedig bewahrt. Denn auch dieser Genuß verlangt Erholung und Muße; Nach lebendigem Reiz suchte mein schmachtender Blick. 195 Gauklerin! da ersah ich in dir zu den Bübchen das Urbild, Wie sie Johannes Bellin reizend mit Flügeln gemalt, Wie sie Paul Veronese mit Bechern dem Bräutigam sendet, Dessen Gäste, getäuscht, Wasser genießen für Wein. 200 38. Wie, von der künstlichen Hand geschnißt, das liebe Figürchen, Alles nach Maßen gebaut, alles nach Willkür bewegt. 210 39. Kehre nicht, liebliches Kind, die Beinchen hinauf zu dem Himmel; 40. Wende die Füßchen zum Himmel nur ohne Sorge! Wir strecken 41. Seitwärts neigt sich dein Hälschen. Ist das ein Wunder? Es träget Oft dich Ganze; du bist leicht, nur dem Hälschen zu schwer. Mir ist sie gar nicht zuwider, die schiefe Stellung des Köpfchens; Unter schönerer Last beugte kein Nacken sich je. 42. 215 So verwirret mit dumpf willkürlich verwebten Gestalten, Höllisch und trübe gesinnt, Breughel den schwankenden Blick; 220 So zerrüttet auch Dürer mit apokalyptischen Bildern, 43. 225 Gern überschreit' ich die Grenze, mit breiter Kreide gezogen. Macht sie Bottegha, das Kind, drängt sie mich artig zurück. 230 44. „Ach! mit diesen Seelen, was macht er? Jesus Maria! trägt. „Wahrlich, sie fällt! Ich halt' es nicht aus! Komm, gehn wir! Lust!" 45. Alles seh' ich so gerne von dir, doch seh' ich am Liebsten, 235 Du dich im Schwung überschlägst und nach dem tödtlichen 240 Sprunge Wieder stehest und läufst, eben ob nichts wär' geschehn. 46. Schon entrunzelt sich jedes Geficht; die Furchen der Mühe, Thut sich dir kärglich zwar, aber er thut sich doch auf, Bei des Herrn fünf Wunden, dem Herzen der seligsten Jungfrau, 245 Jeder kleine Knabe, der Schiffer, der Höke, der Bettler 250 Drängt sich und freut sich bei dir, daß er ein Kind ist wie du. 47. Dichten ist ein lustig Metier, nur find' ich es theuer: Wie dies Büchlein mir wächst, gehn die Zechinen mir fort. 48. „Welch ein Wahnsinn ergriff dich Müßigen? Hältst du nicht inne? 49. 255 Böcke, zur Linken mit euch! so ordnet künftig der Richter, Und ihr Schäfchen, ihr sollt ruhig zur Rechten mir stehn! Wohl! Doch eines ist noch von ihm zu hoffen; dann sagt er: Seid, Vernünftige, mir grad' gegenüber gestellt! 260 50. Wißt ihr, wie ich gewiß zu Hunderten euch Epigramme 51. Alle Freiheits-Apostel, sie waren mir immer zuwider; Wie gefährlich das sei, willst du es wissen? Versuch's! 52. 265 Könige wollen das Gute, die Demagogen desgleichen, Sagt man; doch irren sie sich: Menschen, ach, sind sie wie wir. Nie gelingt es der Menge, für sich zu wollen, wir wissen's. Doch wer verstehet für uns alle zu wollen, er zeig's. 53. Jeglichen Schwärmer schlagt mir ans Kreuz im dreißigsten Jahre; 270 Kennt er nur einmal die Welt, wird der Betrogne der Schelm. 54. Frankreichs traurig Geschick, die Großen mögen's bedenken, Große gingen zu Grunde; doch wer beschütte die Menge 55. 275 Tolle Zeiten hab' ich erlebt und hab' nicht ermangelt, Selbst auch thöricht zu sein, wie es die Zeit mir gebot. 56. Sage, thun wir nicht recht? Wir müssen den Pöbel betrügen. Sieh nur, wie ungeschickt, sieh nur, wie wild er sich zeigt! Ungeschickt und wild sind alle rohen Betrognen; 280 Seid nur redlich und so führt ihn zum Menschlichen an. 57. Fürsten prägen so oft auf kaum versilbertes Kupfer Unsinn; Wem der Probierstein fehlt, hält sie für redliches Gold. 58. 285 Jene Menschen find toll, so sagt ihr von heftigen Sprechern, Die wir in Frankreich laut hören auf Straßen und Markt. Mir auch scheinen sie toll; doch redet ein Toller in Freiheit Weise Sprüche, wenn, ach! Weisheit im Sklaven verstummt. 290 59. Lange haben die Großen der Franzen Sprache gesprochen, Zürnet, Mächtige, nicht! Was ihr verlangtet, geschieht. |